DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

23-12-2022 09:01
SXEU31 DWAV 230800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 23.12.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: West zyklonal (Wz)
Im Süden wiederholt teils recht starke Regenfälle. Teils Unwetter durch
Dauerregen. Windig, auf den Bergen Sturm.
Am Sonntag (1. Weihnachtsfeiertag) noch große Unsicherheiten bezüglich einer
über dem Westen und Norden zu erwartenden Welle)

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Aktuell... hat sich im zentraleuropäischen Raum eine Westlage eingestellt, die
sich auch über die Weihnachtsfeiertage bei uns halten wird, wobei die
Höhenströmung durchaus stärker mäandriert. Die Frontalzone mit dem Jet in der
Höhe verläuft dabei die ganze Zeit über unserem Land. Nicht groß erwähnt werden
muss, dass mit dieser kräftigen Westströmung eine sehr milde und feuchte sowie
stabil geschichtete Atlantikluftmasse eingeflossen ist. Klassisch winterliche
Wetterparameter spielen daher erst mal keine Rolle, die Warnlage fokussiert sich
auf Regen und Wind.

Am heutigen Freitag... verläuft die Höhenströmung recht linear über unserem
Land, bei hohen Windgeschwindigkeiten produzieren aber auch kleine
Kurzwellentröge merkliche Hebung. Der erste dieser Tröge, der auch von einer
Warmfrontwelle über der südlichen Mitte unseres Landes begleitet war, zieht
derzeit noch nach Osten ab. Die Front ist dabei bis in den Süden des Landes
gelangt und produziert zunächst nur dort etwas Regen. Im Osten ist es der Trog,
der noch für schauerartige Regenfälle sorgt. Die Warmfront gehört zu Tief
Honghia, das deutlich westlich von Irland liegt und dort auch bleiben wird, das
aber seine Fronten sehr weit nach Mitteleuropa hineinziehen lässt. Die Warmfront
kommt bereits ab dem späten Vormittag wieder nordwärts voran, wobei sie von
Westen her rasch okkludiert. Bis zum Abend erreicht die dann schon größtenteils
okkludierte Front in etwa eine Linie vom Münsterland bis nach Niederbayern.
Warmluftadvektion und PVA auf der Vorderseite eines neuen, rasch heranziehenden
Kurzwellentroges produzieren mächtige Hebung, die vom Südwesten bis zu der
genannten Linie verbreitet zu Regenfällen mit 5 bis 10 l/qm führt, im Bergland
sind es oftmals auch 10 bis 20 l/qm. Summen über 30 l/qm in 12 Stunden gibt es
im Schwarzwald und Allgäu.

Und damit wären wir schon beim Niederschlag, der aufgrund der wiederholten
Ereignisse länger laufende Dauerregenwarnungen erforderlich machte, die hier
kurz genannt werden: Die Regenfälle, die in der Nacht zum Donnerstag eingesetzt
haben, halten (mit Unterbrechungen) in den westlichen Mittelgebirgen bis heute
Abend an, in den südlichen bis morgen früh/Vormittag und an den Alpen bis morgen
Abend. In Summe werden meist zwischen 30 und 60 l/qm innert 36 bis 48 Stunden
erwartet. Höhere Summen, die Unwetterwarnungen erfordern, werden im Schwarzwald
und in den Weststaulagen des Allgäus erwartet. Dort kann es bis zu 90 l/qm
geben, in Staulagen im Allgäu sogar bis 140 l/qm. Nach den um 06 UTC gemeldeten
24-stündigen Mengen und den aktuell noch prognostizierten Mengen sollten die
Warnungen passen. Im Schwarzwald (wo schon in Spitzen über 40 l/qm aufgetreten
sind) sollen noch einmal - je nach Modell - in den Staulagen 30 bis 50 l/qm
fallen. Im Allgäu, wo noch nicht viel gefallen ist, sollen nach allen Modellen
zwischen 50 und teils deutlich über 100 l/qm fallen, so dass die
Unwetterwarnungen auch dort nicht angefasst werden müssen.

Das nächste Thema ist der Wind: Nachdem das erste Windfeld an der Warmfrontwelle
nach Osten abgezogen ist, stellt sich erst mal eine Beruhigung ein. Zum
Nachmittag bildet sich dann von Nordwesten her eine Tiefdruckrinne entlang dem
okkludierenden Frontsystem, an deren Südwestrand der Gradient und damit auch der
Wind aus Südwest bis West deutlich zulegt. Bei stabiler Schichtung ergibt sich
eine starke Windzunahme mit der Höhe. In den Niederungen braucht es daher oft
gar keine Warnung. In allen Bergländern der Südwesthälfte sind dann steife Böen,
in etwas exponierteren Lagen stürmische Böen zu erwarten. Auf den höheren Bergen
Süddeutschland gibt es dann zunehmend Sturmböen bis schwere Sturmböen, auf dem
Feldberg und auf den Alpengipfeln orkanartige Böen.

Die Sonne wird abgesehen vom äußersten Norden heute kaum zum Zuge kommen. Die
Temperaturen zeigen ein deutliches Süd-Nord-Gefälle mit nur 6°C im Norden und
bis zu 15°C im Südwesten.

In der Nacht zum Heiligabend bildet sich eine markante Tiefdruckrinne, die sich
am Morgen in etwa von der Deutschen Bucht bis zur Niederlausitz erstrecken soll.
In diese legt sich die Okklusion hinein. Im Süden ziehen die Warmfrontregenfälle
nach Osten ab, die Kaltfront ist dagegen kaum zu spüren, auf ihrer Rückseite
gibt es noch Schauer. Die Kaltfront legt sich aber an den Nordrand der Alpen und
sorgt dort für kräftige Regenfälle von vielfach 20 bis 30 l/qm, im Allgäu
gebietsweise über 50 l/qm in 12 Stunden. Immerhin bei der Schneefallgrenze macht
sich die Kaltfront bemerkbar. Diese geht von etwa 2100 m auf 1600 zurück, so
dass wenigstens ein paar hoch gelegene Skipisten mit etwas Naturschnee versorgt
werden. Im Bereich der Tiefdruckrinne sollen im Norden des Landes ebenso
gebietsweise 5 bis 15 l/qm fallen.

Des Weiteren steht der Wind auf der Warnkarte: Dieser weht in den Regionen
südlich der Rinne weiterhin mäßig bis frisch. Dabei bleibt es in etwa bei der
oben erwähnten Höhenabstufung: Flachland Böen 5 bis 6 Bft, Bergland (incl.
Harzlee und Erzgebirgsvorland) 7 bis 8 Bft, höhere Mittelgebirgslagen 9 Bft,
exponierte Lagen im Schwarzwald, in den Alpen und später auch der Brocken 10 bis
11 Bft. Im Norden weht der Wind dagegen schwach bis mäßig aus Nordost.

Nach IFS und UK10 soll sich im Bereich der Tiefdruckrinne ein kräftige Teiltief
über den Niederlanden bilden, das in der Nacht ostwärts ziehen soll. Nach diesen
Modellen müsste auch in Teilen des Flachlands in der nördlichen Mitte mit
steifen bist stürmischen Böen gerechnet werden.

Die Tiefstwerte bleiben im frostfreien Bereich zwischen 10°C im Südwesten und
bis 1°C ganz im Norden.

Am Heiligabend... löst sich die Tiefdruckrinne im Tagesverlauf nach ICON wieder
auf. Es verbleibt ein Randtief, das über der Nordsee nordwärts zieht. Damit
dreht im Verlauf des Tages der Wind in allen Landesteilen auf südwestliche
Richtung. Dabei kann er an der Nordsee vorübergehend etwas auffrischen und auf
den Inseln in Böen Stärke 7 erreichen. Im übrigen Land nimmt der Wind im
Tagesverlauf langsam wieder ab, so dass nach und nach die Windwarnungen
auslaufen können. Zum Abend weht der Wind dann allgemein nur noch mäßig aus
Südwest, lediglich auf den hohen Bergen (Alpen, Brocken, Fichtelberg) bleibt es
noch bei stürmischen Böen bis Sturmböen.

Nach IFS und UK10 zieht dagegen das Teiltief erst einmal langsam nach Osten ab,
was nach IFS bis zum Nachmittag dauern soll. Nach diesen beiden Modellen könnte
es in der nordöstlichen Mitte weiterhin steife bis stürmische Böen bis ins
Flachland geben. Dafür fiele der Wind über der Nordsee geringfügig schwächer
aus.

In der Höhe zieht der am Vortag erwähnte Kurzwellentrog ab, danach baut sich von
Westen allmählich ein Rücken auf, der für leichtes Absinken sorgt. Das lässt die
Niederschläge schwächer werden. Im Norden bringt die nach Nordosten abziehende
Okklusion noch bis zu 5 l/qm Regen, im übrigen Land kann es gebietsweise noch
Schauer geben, die lokal ebenso wenige Millimeter bringen, in der Fläche aber
nicht so viel. An den Alpen regnet an der dort immer noch entlangschleifenden
Kaltfront noch etwas stärker, aber auch mit nachlassender Tendenz, so dass auch
dort am Abend die Unwetterwarnungen auslaufen können.

Sonne gibt es an Heiligabend im Süden und in der Mitte zumindest kurzzeitig mal,
wo es in der Rückseitenluft auch Wolkenauflockerungen geben kann. Im Norden
bleibt es bedeckt. Wieder wird es sehr mild mit Höchstwerten zwischen 4°C an der
Ostsee und 14°C am Kaiserstuhl.

In der Heiligen Nacht wird durch Warmluftadvektion auf der Vorderseite des
atlantischen Tiefkomplexes (das dürfte immer noch Honghia sein) der Rücken über
uns noch etwas stärker aufgewölbt. Dabei entwickelt sich durch Absinken
zunehmend ein Bodenhoch über Südosteuropa, so dass der Wind allmählich Richtung
Süd dreht und im Süden sehr schwach wird. Allerdings macht sich die Kaltfront
von den Alpen aus als Warmfront wieder auf den Weg nach Norden und bringt, durch
die kräftige WLA unterstützt, dem Süden und später Westen etwas Regen. Ansonsten
gibt es anfangs im Nordosten noch etwas Regen. Im übrigen Land bleibt es in der
Nacht trocken, aber meist bewölkt.

Auf den Bergen nimmt der Wind weiter ab, so dass auch dort die Sturmwarnungen
auslaufen können. Ganz grün dürfte die Warnkarte aber nicht werden, da sich bei
abschwächendem Wind die Sichten vor allem im Bergland verschlechtern können, so
dass vielleicht mal Nebelwarnungen fällig werden. Frostwarnungen sind dagegen
nicht nötig, denn die Tiefstwerte liegen zwischen 8°C im Westen und 2°C im
Nordosten.

Am Ersten Weihnachtsfeiertag... verlagert sich der Höhenrücken langsam nach
Osten und Deutschland gerät auf die Vorderseite eines weit nach Süden (bis
westlich von Madeira) ausgreifenden Langwellentroges. In der Südwestströmung
soll ein Kurzwellentrog nordostwärts gesteuert werden, der eine Wellenbildung an
der nordwärts sich verlagernden Warmfront induzieren soll. Bezüglich dieser
Wellenbildung gibt es noch erhebliche Modellunterschiede. Nach ICON und GFS soll
diese tagsüber über den Nordwesten Deutschlands ziehen, wobei es im Norden zu
mäßigen Regenfällen käme. Zudem gäbe es in der Mitte ein markantes Auffrischen
des Windes, Böen oberhalb der Stärke 7 wären aber nur auf den Bergen ein Thema.
IFS und UK10 zeigen die Wellenentwicklung deutlich später, nämlich in der Nacht
zum Zweiten Weihnachtsfeiertag. Auch nach diesen Modellen soll die Welle über
den Norden Deutschlands ziehen, sich aber zu einem eigenständigen Tief vertiefen
und am Südrand einen sehr starken Gradienten aufweisen. Nach diesem Szenario
müssten in der Mitte oder im Norden stürmische Böen oder sogar Sturmböen bis ins
Flachland angenommen werden. Auch IFS und UK10 bringen mäßige Regenfälle in der
Nordhälfte.

Modellvergleich und -einschätzung
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Sowohl in der kommenden Nacht als auch am Sonntag gibt es signifikante
Unterschiede bezüglich der Zugbahn und Positionierung von Tiefs, was auch
Einfluss auf Windprognosen und -Warnungen hat. Dies wurde oben schon diskutiert.
Da die Entwicklung für heute Nacht und morgen im Norden Deutschlands noch
unsicher ist, muss in diesem Gebiet die Ausgabe der Windwarnungen auf den
Nachmittag (mit hoffentlich dann besserer Prognosesicherheit) vertagt werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann