DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-12-2022 09:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.12.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: WTW (Weihnachtstauwetter), nach Hess/Brezowksy SWz (Südwest

Heute verbreitet Glatteislage (Unwetter) mit allmählicher Entspannung von Westen
her. In den nächsten Tagen wechselhaft und milder, mitunter windig.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... 19.12.2022, nicht mehr weit bis Weihnachten und man mag es kaum
glauben. Es gibt sie noch, trotz Klimawandels. Gemeint ist die Singularität des
klassischen Weihnachtstauwetters, das genau heute seinen Anfang nimmt. Wir
kommen aus einer mehrtägigen Frostperiode, teils mit Schnee, was in diesen
Zeiten per se schon als etwas Besonderes angesehen werden kann. Nun trifft vom
Atlantik milde und feuchte Meeresluft auf den ausgekühlten europäischen
Kontinent, was alles andere als entspannt ist. Im Gegenteil, die Mischung aus
z.T. tief gefrorenen Böden, Luftfrost und Regen ist eine extrem unappetitliche,
wie man in der vergangenen Nacht im Westen schon feststellen konnte. Inzwischen
hat sich die Lage dort aber weitgehend entspannt, was u.a. daran abzulesen ist,
dass die Temperatur vielerorts in ein deutliches Plus gewechselt ist (bis zu
+6°C um 05 UTC). Die Zone des gefrierenden Regens mit gefährlichem Glatteis ist
inzwischen weiter nach Osten gezogen, womit wir nun auch langsam mal bei der
Wetterlage wären.

Die ist geprägt von einem leicht progressiven, mit sehr großer Wellenlänge
ausgestatteten Trog-Rücken-Muster, wobei der Trog weite Teile des nahen
Atlantiks, der Rücken weite Teile Mitteleuropas überdeckt. Deutschland gelangt
nun zunehmend auf die Trogvorderseite unter eine südwestliche Höhenströmung, in
der kräftige WLA wirksam ist. Trog und Rücken korrespondieren am Boden mit einem
knackigen Tief west-nordwestlich von Irland (FRANZISKA), das sich im Laufe des
Tages auf unter 970, vielleicht sogar unter 965 hPa vertieft - Respekt. Als
Antipode agiert der deutlich gewichtigere KASPAR, seines Zeichens
Hochdruckgebiet und über 1040 hPa schwer. Am Wochenende hat der gute KASPAR noch
die Geschicke bei uns gelenkt, inzwischen hat er sich aber so weit entfernt
(Rumänien, Westukraine), dass er keine deutschen Aktien mehr hält. Im Grunde
liegen wir genau zwischen den Stühlen in einer südöstlichen bis südlichen
Grundströmung, in der sich von Westen her die Warmfront von FRANZISKA nähert.
Bereits weit im Vorfeld der Front wird ordentlich Warmluft nach Mitteleuropa
respektive Deutschland gepumpt, die es in der Höhe deutlich leichter hat sich
durchzusetzen als am Boden, wo die schwere Frostluft dagegenhält. Auf 850 hPa
ist die Temperatur bereits im ganzen Land in den positiven Bereich gestiegen (im
Westen und Süden um oder sogar über 5°C), Tendenz weiter steigend. Luft- und
noch mehr die Bodentemperatur folgen z.T. deutlich verzögert, was die Sache so
gefährlich macht.

Lange Rede, kurzer Sinn, das ziemlich diffus daherkommende und etwas
überraschend weit nach Süden ausgreifende Regengebiet verlagert sich in den
nächsten Stunden immer weiter nach Osten. Dabei kommt es nach wie vor zu
gefrierendem Regen mit Glatteis, nach Osten hin bis in die Nachmittags- und
Abendstunden. Die Stundenraten, am frühen Morgen bei maximal 1 mm, sollen
stellenweise noch etwas nach oben gehen, was die Sache nicht besser macht.
Während dem Osten die ganze Schose also noch bevorsteht, konnten ganz im Westen
die Glätte- und Glatteiswarnungen am Morgen aufgehoben werden. Das wird Zug und
Zug von West nach Ost auch so weitergehen, weil sich die Milderung immer mehr
durchsetzt und zudem der Regen von Südwesten her nachlässt. Mithelfen tut dabei
auch der auffrischende, langsam von Südost-Süd auf Süd-Südwest drehende Wind. In
Teilen Sachsens bringt es in Form des Böhmischen Windes auf Böen 7-8 Bft inkl.
Schneeverwehungen im Erzgebirge, die mit einsetzendem Regen dann aber allmählich
ihr Ende finden dürften. Ansonsten sind vor allem die Hoch- und Leelagen der
Mittelgebirge (außer im Südosten) betroffen, wobei exponiert auch mal eine 9 Bft
auftreten kann. Der König unter den windigsten Ecken Deutschlands ist und bleibt
der Brocken, wo sogar 10er- oder 11er-Böen auf dem Tagesplan stehen. Nicht zu
vergessen die Nordfriesischen Inseln, Helgoland und die Halligen, wo die eine
oder andere steife Böe 7 Bft antritt.

Kurz noch ein Satz zur Temperatur, die in der Osthälfte auf 0 bis +5°C, sonst
auf 5 bis 11°C ansteigt. In den bayerischen Donauniederungen sowie in Teilen
Ostbayerns entpuppt sich die kalte Frostluft am resistentesten, dort reicht es
heute nochmal für leichten Dauerfrost.

Die Nacht zum Dienstag verbringen wir im breiten Warmsektor hinter der über die
Ostsee nordostwärts abziehenden Warmfront. Die WLA wird schwächer, gleichwohl
kommt es unter der leicht flatternden südwestlichen Höhenströmung in der
Nordhälfte noch zu zeitweiligen Regenfällen. Im äußersten Osten und Nordosten
besteht anfangs noch Glatteisgefahr, ansonsten sollten die Regenfälle unkritisch
in Bezug auf Glätte sein. Eine Ausnahme gibt es allerdings. Sollte der Regen bis
in den zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum abfärben, was von einigen,
nicht von allen Modellen gezeigt wird, besteht noch einmal lokale
Glatteisgefahr, weil der Frost in einigen Mulden und Senken noch nicht ganz aus
dem Boden gewichen ist. Außerdem wird im Erzgebirge von dem nur langsam
schwächer werdenden Böhmischen Wind weiterhin Kaltluft aus Tschechien advehiert,
die sich dem Milderungstrend substanziell entgegenstellt. Auch wenn kein
Niederschlag ankommt, gefrierende Nässe ist allemal drin.

Im windschwachen und leicht antizyklonal geprägten Süden und Südosten lockert
die Bewölkung teilweise auf, wobei die Temperatur vielerorts in den leichten bis
mäßigen Frostbereich zurückgeht. Außerdem bildet sich stellenweise Nebel.
Streckenweise kann es glatt werden. Der südliche Wind bleibt auf den Kämmen und
Kuppen der Mittelgebirge ebenso flott unterwegs wie auf See. Allerdings zieht
sich das Maximum auf der Nordsee etwas nach Westen zurück, wodurch Böen 7 Bft
auf Inseln und Halligen SHs kein Thema mehr sein sollten.

Dienstag... verweilt FRANZISKA als zentralsteuerndes Tief mit unter 970 hPa
Kerndruck im Seegebiet zwischen Irland und Island. Die weit vom Kern abgesetzte,
zur Wellenbildung neigende Kaltfront kommt nicht wirklich voran, so dass wir
weiterhin im breit aufgestellten Warmsektor verbleiben. Dieser wird überlagert
von einer südwestlichen Höhenströmung, in der sehr flache und kurzwellige, im
Potenzialfeld kaum erkennbare Trog-Keil-Muster durchmarschieren, die vor allem
im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte für Hebung und zeitweiligen Regen
sorgen. Dabei muss man anfangs den zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum
noch etwas unter Beobachtung halten, weil dort lokal noch immer leicht frostige
Temperaturen am Boden möglich sind. Ansonsten macht die Milderung nun aber auch
im Osten deutliche Fortschritte, so dass am Ende des Tages in weiten Teilen des
Landes Höchstwerte von 5 bis 12°C bilanziert werden können. Nach wie vor hinken
allerdings die Niederungen Bayerns hinterher, wo aufgrund der vergleichsweise
lauen Windverhältnisse keine richtige Durchmischung in Gang kommt. Entsprechend
verharren die Höchstwerte unter der 5°C-Marke und lokal ist sogar nochmalig ein
Eistag möglich (z.B. an der unteren Donau). Während die Wolkendecke im Norden
und Westen meist geschlossen bleibt, lockert es südlich der
Mittelgebirgsschwelle hier und da auf. Vor allem Richtung Alpen sowie in höheren
Lagen hat die Sonne ganz gute Karten.

An der Windsituation ändert sich gar nicht mal so viel gegenüber heute, so dass
die Warnkarte vielleicht mit Ausnahme der Alpen ein ähnliches Aussehen haben
wird.

In der Nacht zum Mittwoch rückt der Höhentrog unter Verkürzung seiner
Wellenlänge dichter an den Vorhersageraum heran. Dabei "schiebt" er die o.e.
Kaltfront vor sich her, die langsam und mit gebremstem Schaum (eine kleine
Teiltiefbildung über dem Löwengolf wirkt als Bremsklotz) von Nordwesten her
übergreift. Sie sorgt in weiten Landesteilen für leichten bis mäßigen Regen, der
im Stau der westlichen und südwestlichen Mittelgebirge durchaus 10 bis 15, lokal
vielleicht sogar bis 20 l/m² innert 12 h in die Töpfe spült. Ob es dabei im
zentralen und östlichen Mittelgebirgsraum sowie südlich davon lokal noch mal
Glatteis gibt, wie von einigen Modellen gerechnet, ist noch nicht sicher. Wir
sollten uns aber bewusst sein, dass es in einigen Senken und Mulden ziemlich
lange dauern kann, bis der restliche Frost aus dem Boden verschwunden ist.

Im Südosten bleibt es noch trocken und auch von der Nordsee und den Niederlanden
her hört der Regen nach Mitternacht auf. Die Tiefsttemperatur liegt von Nordwest
nach Südost zwischen 7 und 1°C, in Teilen Bayerns sowie im Erzgebirge hält sich
noch immer leichter Frost. Mit Durchgang der Front frischt der auf Südwest
drehende Wind etwas auf, bleibt aber meist unterhalb der Warnschwellen.
Lediglich in höheren Lagen muss je nach Exposition mit Böen 7-9 Bft, auf dem
Brocken bis 10 Bft gerechnet werden.

Mittwoch... greift der inzwischen nur noch wenig Amplitude aufweisende Höhentrog
auf Deutschland über. Gleichzeitig zieht Tief FRANZISKA dicht nördlich an
Schottland vorbei gen Osten, wobei es sich mehr und mehr auffüllt. Um 12 UTC
dürfte der Kerndruck bei rund 985 hPa liegen. Die Kaltfront schwenkt mit ihrem
Regengebiet weiter in Richtung Südosten, wobei sich der Regen immer weiter
abschwächt. Anfangs besteht in Teilen Bayerns sowie im Erzgebirge örtlich eine
geringe Glatteisgefahr, weil der Frost aus der Nacht möglicherweise noch nicht
getilgt ist. Ansonsten wird Deutschland postfrontal von einer Portion erwärmter
Meereskaltluft subpolaren Ursprungs überspült, in der T850 bis zum Abend auf
Werte um 0°C zurückgeht (mit den etwas niedrigeren Werten im Norden). Da über
Norddeutschland gleichzeitig ein thermischer Trog mit etwas Höhenkaltluft
aufschlägt (T500 um -28°C), reichen dort Labilität und Scherung aus, eine
Schauerlinie zu initiieren, die im Laufe des Tages von den Niederlanden und der
Nordsee her übergreift. Zuvor lockert die Wolkendecke im Nordwesten aber auf,
wodurch die Sonne ein paar Akzente setzen kann. Die Temperatur erreicht
Höchstwerte von 6 bis 11°C, im Südosten 1 bis 7°C. Dazu weht insbesondere auf
und an der Nordsee sowie in höheren Lagen ein lebhafter und böiger Südwestwind
mit steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft, auf dem Brocken Sturmböen 9 Bft.

In der Nacht zum Donnerstag zonalisiert die Höhenströmung, während im bodennahen
Bereich ein mäßiger, an der See und in Hochlagen frischer Südwestwind weht. In
der einfließenden Atlantikluft fällt zeit- und gebietsweise etwas Regen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Umstellung der Wetterlage relativ homogen. Heute gilt
es die Glatteislage zu "verwalten". Danach sollte bedacht werden, dass trotz
verbreitet fortschreitender Milderung in einigen Ecken (zentraler und östlicher
Mittelgebirgsraum, Teile Bayerns) die thermische Entwicklung (vor allem auch die
im Boden) hinterherhinkt und deswegen das Thema Glätte wenn auch nur punktuell
weiterhin präsent sein kann (sei es durch gefrierende Nässe, sei es durch
gefrierenden (Niesel)Regen).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann