DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-12-2022 18:30
SXEU31 DWAV 171800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 17.12.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Am Sonntag zunächst noch Hochdruckeinfluss. Ab der Nacht von Westen und
Südwesten her Regen, teils gefrierend mit Glatteis bis hin zu Unwettern,
tagsüber ostwärts ausweitend. Nachfolgend Weihnachtstauwetter.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist es in Deutschland kalt und ruhig - zumindest meteorologisch.
Kein Wunder, liegt doch nach wie vor eine gravitativ schwere Kaltluft arktischer
Natur auf und über dem Land, die zudem auch noch von einem fetten Hoch
unterstützt wird. Es hört auf den Namen KASPAR und scheint ein Exemplar der
Sorte "Nimmersatt" zu sein. Der Druck steigt und steigt immer weiter, als gäbe
es kein Morgen mehr. So wurde heute Nachmittag die QFF-Marke von 1030 hPa
erreicht und zum Sonntag hin dürfen wir sogar die 1035-hPa begrüßen. Zu der
schweren Kaltluft, die natürlich ihren Beitrag zum hohen Luftdruck leistet,
kommt ein kurzwelliger Höhenrücken, der aktuell dabei ist, Deutschland ostwärts
zu überwandern und dabei NVA (nicht Nationale Volks Armee sondern Negative
Vorticity Advektion) abliefert. Kurzum, das Setup ist stark antizyklonal geprägt
und genauso verhält sich auch das Wetter.

Entweder verläuft die Nacht sternenklar und klirrend kalt oder hochnebelartig
bedeckt bzw. neblig und trotzdem klirrend kalt. Am kältesten wird es freilich
dort, wo ein klarer Himmel und eine schneebedeckte Oberfläche gemeinsame Sache
machen und langwellig ordentlich nach oben abladen. Dort ist strenger Frost
gewiss und punktuell sehr strenger Frost (unter -15°C) wahrscheinlich
(Süden/Südosten). Ansonsten reicht es verbreitet für mäßigen (-5 bis -10°C),
vereinzelt strengen Frost (etwas unter -10°C). Während der Hochnebel im
Nordwesten mit dem etwas auflebenden südlichen bis südwestlichen Wind allmählich
zur Nordsee abgeschoben wird (dort übrigens am windigsten mit Böen 7 Bft,
vereinzelt 8 Bft) bzw. beginnt sich aufzulösen, ist das in den östlichen
Landesteilen nicht ganz so einfach. Dort wird sich gebietsweise eine Mischung
aus dichtem Gewölk und Nebel halten, genau wie sich der Nebel im Oberrheintal
etwas ausbreitet und verdichtet. Zudem kann sich an und südlich der Donau bis
hinunter zur Bodenseeregion "frischer" Nebel bilden. Hier und da kann es glatt
werden, in klaren Gebieten durch Reif, in Nebelgebieten durch
Nebelfrostablagerungen und auch sonst durch gefrierende Nässe. Es sollte
allerdings jedem klar sein, dass es zu dieser Jahreszeit bei diesen Bedingungen
stellenweise glatt sein kann, dazu braucht´s weder die große Wissenschaft, noch
ein noch so ausgeklügelt-differenziertes Warnmanagement.

Sonntag ... ist es spätestens an der Zeit, sich mal etwas genauer mit dem
Geschehen auf dem Ostatlantik zu befassen. Dort hat sich nämlich ein veritables
Tiefdruckgebiet zusammengebraut, das den Namen FRANZISKA trägt. FRANZISKA
erinnert - bitte nicht böse sein, lieber Leserinnen mit gleichem Namen - ein
wenig an eine Hydra, wobei an dieser Stelle statt der vielen Köpfe eher die
verschiedenen Kerne respektive Drehzentren gemeint sind. Hydra hin, Mythologie
her, Fakt ist, dass die Zentren des Tiefs das Seegebiet west-nordwestlich von
UK/Irland überdecken und dabei zumindest kleinräumig mit nahe 980 hPa dekoriert
sind. Summa summarum also eine ordentliche Wuchtbrumme, die auf ihrer
Vorderseite in großem Stile WLA generiert, welche weit nach Osten ausgreift und
auf die wir noch zurückkommen werden.

Zunächst aber gilt es zu konstatieren, dass wir langsam aber sicher in eine
Hochrandlage abgleiten, weil sich unser Freund KASPAR in Richtung östliches
Mitteleuropa verabschiedet. Dass der 4. Advent über weite Strecken trotzdem
antizyklonal geprägt ist, haben wir einem weiteren, der o.e. WLA entsprungenen
Höhenrücken zu verdanken, der sich von Westen her über den Vorhersageraum legt.
So scheint in weiten Teilen des Landes die Sonne, wobei es aber in einigen
Regionen dauern kann, bis sich Nebel und Hochnebel aufgelöst haben.
Wahrscheinlich wird es nicht mal überall klappen, insbesondere im Süden
gebietsweise nicht, weil dort im Gegensatz zu vielen anderen Landesteilen der
Wind nicht richtig aus dem Quark kommt.

Apropos Wind, zwischen KASPAR im Osten und FRANZISKA im Westen baut sich ein
leidlicher Gradient auf, der dem aus Ost bis Süd wehenden Wind so viel Schwung
verleiht, dass er sich an der einen oder anderen Stelle spürbar bemerkbar macht.
Insbesondere in den Kamm- und Gipfellagen der meisten Mittelgebirge, bedingt
aber auch in einigen Leelagen erreicht er in Böen Stärke 7-8 Bft, auf dem
Brocken 9 Bft. In den sächsischen Mittelgebirgen inkl. der Täler bis in die
Oberlausitz kommt Böhmischer Wind auf. Dagegen legt der südliche Wind über der
Deutschen Bucht eine vorübergehende Pause ein, bevor er zum Abend hin wieder
Fahrt aufnimmt.

Bevor es in die Nacht geht, noch mal zurück zur o.e. WLA. Zum einen zieht im
Tagesverlauf von Westen her hohe, später zumindest in den westlichen
Landesteilen dann auch mittelhohe Aufzugsbewölkung heran, die aber noch keinen
Niederschlag bringt. Zum anderen dreht der Wind mit Ausnahme der untersten
Troposphäre schon ab der kommenden Nacht mehr und mehr auf Süd bis West, was
eine gesamttroposphärische Erwärmung zur Folge hat. Auf 500 hPa geht´s hoch auf
über -25°C und auf 850 hPa steigt die Temperatur bis zum Abend verbreitet in den
Plusbereich (heute 18 UTC: -2 bis -10°C, morgen 18 UTC: 0 bis +5°C, nur im
äußersten Osten und Nordosten noch leicht negative Werte). In der Konsequenz
bilden sich zwei Inversionen aus: eine scharfe, die kalte Grundschicht deckelnde
im unteren Troposphärenbereich (mit einer schön breiten und trockenen "warmen
Nase") sowie eine schwächer ausgeprägte Aufgleitinversion um 600 hPa herum.
Während über uns also ordentlich an der Temperaturschraube nach oben gedreht
wird, schießen die Preußen in der weiterhin kalten Grundschicht nicht ganz so
schnell. So wird es auch morgen vielerorts noch mal einen Eistag geben mit
Tageshöchstwerten zwischen -5 und 0°C, im Süden und Südosten z.T. auch darunter
(gilt aber nicht für mittlere, in der "warmen Nase" liegende Hochlagen, wo die
Temperatur ins Plus dreht). Nach Westen hin steigt die Temperatur dagegen
vielerorts auf 0 bis +4°C.

In der Nacht zum Montag wird es allmählich spannend, wenn sich nämlich die gute
FRANZISKA auf unter 975 hPa vertieft, während KASPAR getreu dem
vorweihnachtlichen Motto "Plätzchen bis es nicht mehr geht" sein Eigengewicht
auf über 1040 hPa hochschraubt. Damit verschärft sich bei uns nicht nur der
Druckgradient, auch die WLA legt noch ein paar Schippen drauf. Erstaunlich, wenn
man bedenkt, dass der Tiefkern west-nordwestlich von Irland und damit sehr weit
weg von uns bleibt und auch der korrespondierende Höhentrog zunächst noch keine
Anstalten macht, signifikant näher an den Vorhersageraum heranzurücken.
Trotzdem, die Warmfront des Tiefs greift weit nach Osten aus und induziert mit
Hilfe eines kleinen, nur in der unteren Troposphäre erkennbaren Randtrogs
leichte Niederschläge, die bei uns in der ersten Nachthälfte aber erst mal als
Oberschlag ankommen. Oberschlag? - Nie gehört? Nun, gemeint ist tatsächlich
Niederschlag, der aber unten nicht ankommt und sich daher auch nicht
niederschlagen kann. Auf dem Weg nach unten muss der oben als Schnee startende
Niederschlag eine trockene und teils warme Schicht (die "warme Nase")
durchqueren, in der er verdunstet. Das hat zur Folge, dass der Spread, also die
Differenz zwischen Temperatur und Taupunkt, immer weiter abnimmt und die
trockene Schicht zunehmend angefeuchtet wird. Wenn man so will, stellt der
Oberschlag die Weichen für den späteren Niederschlag.

In der zweiten Nachthälfte nimmt die Intensität des Niederschlags bei
gleichzeitiger Ausweitung nach Osten zu (Vorderkante am Morgen +/- etwa von der
Nordsee bis hinunter zum Odenwald), so dass nun auch unten was ankommt. Aber was
genau kommt unten an? - Schnee wird es nicht sein, weil die "warme Nase"
aufgrund der starken WLA nicht weggekühlt werden kann und somit die von oben
reinfallenden Schneeflocken schmelzen und in Regen übergehen. Dieser wird zwar
unten in aller Regel nicht unterkühlt (also unter 0°C temperiert) ankommen, aber
trotzdem erhebliche Probleme bereiten, womit wir bei den Boden- und
Belagstemperaturen sowie den 2m-Temperaturen wären. Während die 2m-Temperatur im
Laufe der Nacht mit dem auffrischenden südlichen Wind von Westen her
kontinuierlich ansteigt und dabei im gesamten west- und nordwestdeutschen
Tiefland deutlich im Plus landet (bis zu 5 oder 6°C), hinkt die Erwärmung am
Boden z.T. deutlich hinterher. Der Frost steckt im Boden, mancherorts bis rund
20 cm Tiefe, und somit braucht es trotz positiver Lufttemperatur eine gewisse
Zeit, bis auch die Belagstemperatur in den unkritischen Bereich ansteigt. Vor
allem im Bergland, in geschützten Tal- und Muldenlagen, kann das ein äußerst
zähes Unterfangen werden, zumal dort auch die 2m-Temperatur deutlich langsamer
ansteigt als im freien und windanfälligen Emsland, um nur ein Beispiel zu
nennen.

Also, Stand heute Abend deutet sich an, dass die Milderung vom Rheinland bzw.
Niederrhein über das Ems- bis hoch nach Ostfriesland schon so weit
fortgeschritten ist, dass Glatteis entweder nur ein lokales oder gar kein
Problem ist. Mit jedem Kilometer weiter nach Osten (Norddeutschland) sowie ab
den westlichen Mittelgebirgen ostwärts (Mitte) nimmt die Wahrscheinlichkeit für
gefrierenden Regen mit Glatteis zu. Bei Stundenraten von rund 1 mm, im Bergland
teils auch noch höher, besteht Unwettergefahr und es muss mit erheblichen
Verkehrsbehinderungen auf Schiene und Straße (und natürlich auch Fuß- und
Velowegen) mit frühmorgendlichen Berufsverkehr gerechnet werden.

Im Osten bleibt es zunächst noch trocken, allerdings schwächt sich der Frost
bedingt durch die zunehmende Aufgleitbewölkung (=> Gegenstrahlung) sowie die
leichte Durchmischung etwas ab. Von einer wirklichen Erwärmung kann angesichts
von Frühtemperaturen im leichten, teils auch noch mäßigen Frostbereich aber
nicht die Rede sein. Gleiches gilt übrigens für den Süden, der von den
Regenfällen ebenfalls verschont bleibt. Thema Wind, der aus südlichen Richtungen
kommend vor allem in der Nordhälfte auflebt. Warnwürdige Böen 7-8 Bft stehen auf
und an der Nordsee, in den Hochlagen der Mittelgebirge sowie im Erzgebirgsumfeld
(Böhmischer Wind) auf der Karte, der Brocken bringt es auf "9 bis 10".

Montag ... wandert der Höhenrücken langsam über Deutschland hinweg ostwärts,
wobei er weiterhin von WLA überlaufen wird. Die Warmfront der sich zwischen
Island und Irland regenerierenden FRANZISKA (neuer Kern, um 970 hPa) überquert
Norddeutschland nordostwärts, wodurch quasi der gesamte Vorhersageraum in einen
breiten, nach Süden hin eher antizyklonal konturierten Warmsektor mit südlichen
Winden gelangt. Die Erwärmung setzt sich weiter fort, auf 850 hPa steigt die
Temperatur bis zum Abend auf 5 bis 9°C, im Alpenvorland mit leichter
Föhnunterstützung sogar noch etwas darüber. Aber auch weiter unten wird
reichlich Warmluft eingespült, in der die Temperatur in der Westhälfte mit
Ausnahme geschützter Tal- und Muldenlagen auf 6 bis 10°C, lokal vielleicht bis
zu 12°C ansteigt.

Nach Osten erfolgt die Erwärmung verzögert und auch nicht so massiv wie weiter
westlich. Das führt dazu, dass die sich in der Mitte und im Norden ostwärts
ausbreitenden Niederschläge vielerorts zunächst als gefrierender Regen mit
Glatteis fallen. Im Osten und in der östlichen Mitte kann das gebietsweise sogar
am Nachmittag und Abend noch der Fall sein, bevor von Westen her Entspannung
eintritt (Temperaturanstieg und nachlassender Regen). Allerdings beginnen die
Vorhersagen an dieser Stelle zu verwischen, was die Details angeht. Tagesgang
und WLA vs. Frost im Boden, dazu der Wind, die Regenraten und, und, und - ein
kompliziertes Gleichungssystem, das jetzt schon zu lösen der berühmten Quadratur
des Kreises gleichkäme.

Was wir noch festhalten können, dass der größte Teil Süddeutschlands trocken
bleibt (die Demarkationslinie zum Regen weiter nördlich liegt irgendwo über der
südlichen Mitte) und dort z.T. sogar die Sonne zum Vorschein kommt, insbesondere
in den Hochlagen. Weiter unten bleibt es allerdings gebietsweise bedeckt oder
trüb und bei schwachen Winden gebietsweise auch noch kalt. Gerade in den
Donauniederungen sowie in Teilen Niederbayerns und der Oberpfalz werden gerade
mal Werte um den Gefrierpunkt erreicht, während man in Herne und Moers die
gewohnt schmachhaften Fritten und das zugehörige Pils problemlos an den
Outdoor-Stehtischen der ortsansässigen Imbisstuben konsumieren kann.
Die Windsituation ändert sich nur wenig gegenüber dem Vortag.

In der Nacht zum Dienstag gelangen wir zunehmend unter eine leicht flatternde
südwestliche Höhenströmung vorderseitig des über dem nahen Atlantik
positionierten LW-Trogs. Bodennah verbleiben wir im breiten Warmsektor, weil die
nachfolgende Kaltfront Wellen schlägt und demzufolge noch außen vor bleibt. Im
äußersten Osten und Norden fällt zunächst noch Regen, anfangs mit lokaler
Glättegefahr. Später setzt im Westen und Norden neuer Regen ein, der weitgehend
unproblematisch im Hinblick auf Glätte ist. Sollte dieser allerdings - was nicht
sicher ist - den zentralen Mittelgebirgsraum erreichen und dort noch etwas
Restfrost im Boden stecken, könnte es stellenweise noch mal glatt werden.

An der Windsituation ändert sich nach wie vor wenig. Im Süden und Südosten, wo
sich noch Reste der Kaltluft befinden und die Nacht teilweise wolkenarm bis klar
verläuft, geht die Temperatur in den leichten bis mäßigen Frostbereich zurück.
Ansonsten bleibt es meist frostfrei.

Dienstag ... stellt sich grob eine Zweiteilung bei uns ein. Im Norden und Westen
sowie in der westlichen Mitte regnet es zeitweise im Vorfeld der sich nur
langsam nähernden, weiterhin wellenden Kaltfront. Derweil herrscht nach Süden
und Südosten hin leichter Hochdruckeinfluss mit heiter bis wolkigen Bedingungen.
In höheren Lagen scheint sogar für längere Zeit die Sonne, während es in einigen
Niederungen gebietsweise hochnebelartig bedeckt bleibt (z.B. an der Donau). Dort
liegt die Tageshöchsttemperatur stellenweise nur bei 0°C, während sonst im
Südosten 2 bis 6°C erreicht werden. Ansonsten geht´s hoch auf 7 bis 13°C -
herzlich willkommen Weihnachtstauwetter.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die bevorstehende Glatteislage ist unstrittig, auch wenn Detailfragen noch offen
sind. Es reicht aber, um heute Abend einen ersten Ping in Form einer
Vorabinformation auszugeben. Im Laufe des Sonntags erfolgt dann eine Ausweitung
nach Osten, bevor ab der Nacht zum Montag "scharf geschossen" wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann