DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

13-12-2022 09:30
SXEU31 DWAV 130800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 13.12.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Kurzzeitig mal HNa, immer mehr auf Ws (südliche Westlage) kippend
Kommende Nacht Auftakt einer brisanten Glatteislage im Süden mit gebietsweise
länger anhaltenden, gefrierenden Regenfällen (UNWETTER). Dabei teils erheblicher
Eisansatz und größere Schäden möglich. Sonst oft ruhiges Winterwetter, nur an
der Nordsee einzelne Schauer oder kurze Graupelgewitter.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... hat es unter Hochdruckeinfluss, unter dem es vermehrt aufgeklart
ist, in vielen Regionen die bisher kälteste Nacht des Winters 2022/23 gegeben.
So liegen die Frühwerte aktuell in einem breiten Streifen von der Lüneburger
Heide über Thüringen und Westsachsen bis zu den Alpen und dem Bodensee bei unter
-10 Grad im strengen Frostbereich. Wo etwas Schnee lag, ging es bis -17 Grad
runter. Zu "verdanken" haben wir dies dem Hoch JULIAN, das zwar inzwischen mit
seinem Zentrum über dem Balkan angelangt ist, aber mit einem breiten Keil bis
zum Ijsselmeer reicht. Folglich liegt die Divergenzachse einmal quer in
Nordwest-Südost-Ausrichtung über Deutschland. In den Flusstälern hat sich
gebietsweise auch Nebel gebildet, der in dieser kalten Kontinentalluft aber in
den meisten Fällen recht flach daherkommt (Mächtigkeit im Emsland aktuell
100-200 Meter) und sich bis zum Mittag größtenteils auflösen sollte. Somit steht
einem vielfach sonnigen Wintertag in weiten Landesteilen kaum etwas im Wege.

Wie häufig bei derartigen Lagen befinden sich nördlich und südlich der
Divergenzachse aber durchaus angreifbare Schwachstellen, die über Deutschland
eine klassische Dreiteilung des Wettergeschehens begünstigen.

Beginnen wir dabei nördlich der Achse und spätestens jetzt fällt der Blick
endlich auf die Potential und Temperaturverteilung in der Höhe, bei der sich ein
komplexer Höhentrog über weiten Teilen Skandinaviens und dem östlichen
Mitteleuropa offenbart. Das achsensenkrechte, primäre Drehzentrum liegt dabei im
Raum Helsinki. Ein für uns weitaus relevanterer Sekundärtrog über Schottland
schwenkt dabei im Tagesverlauf zur Doggerbank. Bei T500 unter -35 Grad wird die
Schichtung ordentlich labilisiert und mit der westlichen (bodennah
südwestlichen) Strömung am Südrand des Bodentiefs bei Stavanger werden von der
Nordsee wiederholt Schauer (teils Regen, teils Schnee) und lokal auch kurze
Graupelgewitter vor allem Richtung Nordfriesische Küste transportiert. Bei
leichtem Frost ist dort anfangs mit Glätte zu rechnen. Im Tagesverlauf sollte
sich die Lage direkt an der See glättetechnisch bei positiven Temperaturen etwas
entspannen. Im Landesinneren herrscht aber auch tagsüber vielfach Dauerfrost,
dorthin nimmt aber auch die Niederschlagsintensität rasch ab. Bei kräftigeren
Schauern kann es aber für wenige Zentimeter Neuschnee/Schneematsch binnen kurzer
Zeit reichen, ebenso für eine vereinzelte Bft 7 auf Sylt.
Die sonst kompakte Restbewölkung nordöstlich der Elbe, aus der vereinzelt ein
paar Flocken fallen, bekommt im Tagesverlauf zeitweise Lücken. Für neue Schauer
reicht es inversionsbedingt zwischen 800 und 750 hPa wohl eher nicht.

Kommen wir nun zum eigentlich Brennpunkt der Lage, nämlich zum Süden des Landes.
So erstreckt sich von einem (warmen) Zentraltief nördlich der Azoren eine
langgestreckte, zur Wellenbildung neigende Warmfront über die Biskaya bis in den
zentralen Mittelmeerraum. Bodennah Ost, in der Höhe West im Zusammenspiel mit
einem südwärts vorstoßenden Höhentrog über der Nordsee und einer
Warmfrontannäherung von Frankreich und dem Alpenraum her: Die Zutaten für eine
unwetterträchtige Glatteislage kommen alle zusammen - insbesondere vor dem
Hintergrund der arg frostigen vergangenen Nacht und vielfach leichtem Dauerfrost
heute tagsüber. Bis zum Abend bleibt es aber (vorerst) noch bei leichtem
Druckfall über Süddeutschland und Ostfrankreich, zunehmender WLA und ersten
leichten Niederschlägen, die auf den Hochrhein und das Oberallgäu übergreifen.
Die Profile sind dabei noch durchweg im negativen und schon hochreichend
gesättigt, was primär für die feste Phase spricht.

Man kennt es, Deutschlandweit Dauerfrost hinzubekommen ist extrem schwer. Nicht
nur direkt an der See, auch im Rheinland beispielsweise wird es heute wieder
zarte Plusgrade geben. Vielfach dominiert jedoch leichter Dauerfrost.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Randtrog von Benelux nach
Westdeutschland. Er wird dabei zwar flacher, besitzt aber brauchbare
Schnittflächen zu den Isothermen, weshalb die WLA noch effektiver wird und vom
Rhein bis nach Sachsen ausgreift. Er interagiert nun immer auffälliger mit der
Frontalzone im Süden. Zum Morgen entwickelt sich über dem Elsass ein flacher
Wellenscheitel am nördlichen Rand der Warmfront des Tiefs westlich der Biskaya.
Der südliche Ast der Frontalzone verläuft weiterhin über die Iberische Halbinsel
hinweg in den zentralen Mittelmeerraum.

Die 0 Grad Isotherme in 850 hPa schiebt sich zum Morgen von Süden auf Höhe
Freiburg und München vor. In 900 hPa formiert sich bis +2 Grad eine deutliche
warme Nase, deren Schmelzfläche zunehmend ausreicht, um immer häufiger auch
gefrierenden Regen zu produzieren - und das teilweise bei zu erwartenden
Niederschlagsraten von 1 l/h. Bei nur schwach umlaufenden Winden
(Druckverteilung selbst innerhalb der noch westlich liegenden Welle äußerst
mau), ist bodennah von keiner nennenswerten Milderung auszugehen. Daher kommt
man um die Ausgabe einer Vorabinformation nicht umhin, da zumindest lokal
größere Eisansätze an Vegetation und Gegenständen zu erwarten sind - auch im
Falle einer beginnenden Schneephase der Niederschläge. Und die Lage beginnt ja
erst...

Nördlich davon angrenzend greifen WLA bedingt leichte Schneefälle in den
Frühstunden bis etwa zum Mosel und Main aus. Neuschneemengen dort aber
allenfalls im Bereich 1-3 cm.

Vom Emsland bis zur Oder hält sich trotz Druckfalls noch schwacher
Hochdruckeinfluss mit kompensatorischem Absinken. Bei aufgelockertem Himmel mit
zum Morgen aber aus Süden zunehmender Aufgleitbewölkung kann es vor allem in
Regionen mit Schneedecke wieder bis in den strengen Frostbereich zurückgehen -
insbesondere Richtung Sachsen. Eine Milderungstendenz zum Morgen hin verursacht
aber dort nicht nur die aufziehende Bewölkung, sondern auch der etwas zunehmende
südöstliche Wind mit einzelnen Sturmböen in den Kammlagen des Erzgebirges.
Gleiches gilt für höhere Lagen von Schwarzwald und Alpen.

In Nordfriesland und Schleswig sind unterdessen weitere Schneeschauer und kurze
Graupelgewitter unterwegs, direkt an der See teils mit Regen und ohne Glätte.
Punktuell sind aus der Erfahrung in derartigen Schauerstraßen ohne weiteres 3-5
cm, punktuell auch zweistellige Mengen in 12 Stunden möglich. Ocker demnach
nicht ganz ausgeschlossen. Der Schnee sollte allerdings so nass sein, dass
Verwehungen trotz Böen Bft 7 an der Küste kein Thema sein sollten - zumal der
Wind landeinwärts aufgrund der Bodeninversion rasch nachlässt.


Mit -5 bis -8 Grad gehen die Temperaturen verbreitet in den mäßigen Frostbereich
zurück.

Mittwoch... schwenkt der in 300 bis 500 hPa nur sehr flache, in 700 hPa deutlich
markanter ausgeprägte Randtrog über die Mitte Deutschlands hinweg ostwärts und
erreicht zum Abend die Hohe Tatra. Korrespondierend dazu wird auch die flache
Welle am Boden ostwärts gesteuert. Rückseitig setzt zum Nachmittag in der Höhe
schwache KLA ein, weshalb der Niederschlagsschwerpunkt am Vormittag liegt.

Dabei weiten sich die Schneefälle im Bereich des Wellenkopfes kurzzeitig bis
nach Mittelhessen, Thüringen und ins südliche Sachsen aus und bringen dort
wenige Zentimeter Neuschnee. Am Nachmittag ziehen sie sich zunehmend nach Süden
zurück. Bis zum Abend muss zwischen Donau und Main verbreitet mit einer
Schneedecke um 5 cm gerechnet werden.

Die 0 Grad Grenze in 850 hPa, beziehungsweise die Grenze zwischen
Schnee/gefrierender Regen/Regen ist weiterhin wenig dynamisch, da die Welle wie
erwähnt nur sehr flach ist und auch nach deren Abzug die LMG nahezu ortsfest
verbleibt - wenn auch bei leicht abnehmenden Niederschlagsraten. Von der
Durchmischung ist weiterhin wenig zu erwarten, auch Sonnenschein sollte durch
die kompakte Bewölkung nicht durchkommen. So werden selbst realistische zarte
Plusgrade im Rheingraben, am Bodensee und im Alpenvorland vermutlich kaum
ausreichen, um die Glatteislage am Boden signifikant zu entspannen. Im
schlimmsten Falle drohen also in einem Streifen irgendwo zwischen Inn, Lech und
Oberrhein zentimeterdicke Eisansätze, Eisbruch an Bäumen, sowie Schäden an
Strommasten, Straßen und Schienen und sonstiger Infrastruktur. Denn bis zum
Abend belaufen sich dort die Niederschlagsmengen zwischen 5 und 10, lokal um 15
l/m². Im Oberallgäu ist mit der Schneeschmelze (T850 kurzzeitig bis knapp +5
Grad) auch Tauwetter ein Thema, da die Abflussmengen in den Bereich der
warnwürdigen Summen (>30 l/m² binnen 24h) gelangen.

Über der Norddeutschen Tiefebene scheint hingegen länger, teilweise sogar
ganztags die Sonne. Von der offenen Nordsee ziehen lediglich in Nordfriesland
nach wie vor Schauer oder auch einzelne Gewitter durch. Bei den Temperaturen
ändert sich kaum etwas.

In der Nacht zum Donnerstag bleibt die LMG im Süden erhalten. Sie erhält nochmal
einen kleineren "Push" durch ein IPV Maximum in 300 hPa, das in der zweiten
Nachthälfte über den Alpenraum hinwegschwenkt. Somit schneit bzw. regnet es in
den selben Regionen weiter mit Mengen im Flächenmittel zwischen 5 und 10 l/m².
Bedeutet im Umkehrschluss auch, dass es auf der kalten Seite der LMG gerade in
Staulagen der Schwäbischen Alb oder des Bayerischen Waldes weiteren
signifikanten Neuschneezuwachs gibt. Von Entspannung in den Glatteisregionen
kann unterdessen weiterhin keine Rede sein. Eine durchgreifende Milderung ist
nicht absehbar.

Über der Mitte sorgt ein flaches Hoch, dass vorrangig durch kompensatorisches
Absinken gestützt wird für eine ruhige, teils klare und tief frostige Nacht
(lokal auch wieder strenger Frost möglich).

Am Südrand des Höhentroges arbeitet sich ein weiterer Randtrog von der
Norwegischen See inzwischen bis in die Deutsche Bucht vor und stützt auch ein
Bodentief direkt vor der Dänischen Küste. Wind- und Schaueraktivität in
Nordfriesland und auf Helgoland bleibt dadurch aufrecht bzw. legt noch einen
kleinen Tick zu.


Donnerstag... schwenkt der breite Haupttrog von der Biskaya in den westlichen
Mittelmeerraum und induziert dadurch kräftigen Druckfall über dem Löwengolf und
in der Folge auch bis zur Adria. Dadurch wird der LMG bei uns gewissermaßen die
Energie und Feuchte etwas abgegraben. Die aufsteilende Strömung von West auf
Südwest wird über dem Alpenraum in der Höhe vorübergehend antizyklonal.

Als Folge dessen klingen die Niederschläge über dem Süden des Landes allmählich
ab. Bei schwachem Nordostwind bleibt es bodennah aber vergleichsweise kalt bei
Temperaturen um den Gefrierpunkt, an der Grenze zu Österreich und der Schweiz
leicht darüber.

Windauffrischung und in diesem Zusammenhang eine leichte Milderung bringt da
schon eher das Tief über Norddeutschland, das sich langsam landeinwärts nach
Schleswig-Holstein verlagert. Es bringt zeit- und gebietsweise Schnee-, an der
Nordsee meist Regenschauer mit sich, die lokal zu Glätte führen können. Dies
gilt insbesondere für die Früh- und Abendstunden. Je nach Lage des Tiefs, kann
das durchaus giftige Windfeld an der Süd- und Westflanke mit Böen 7, exponiert 8
für die Nordseeküste zumindest zeitweise ein Thema werden.

Über der Landesmitte bleibt es meist freundlich und trocken. Die Höchstwerte
liegen zwischen -3 und +2 Grad, an der Nordsee bei bis zu 6 Grad.

In der Nacht zum Freitag setzt im Süden voraussichtlich neues Aufgleiten mit
Schneefällen im Zuge einer Zyklogenese über der Adria ein. Details sind aber
noch unsicher. Sonst verläuft die Nacht vielerorts trocken mit Ausnahme
einzelner Schneeschauer in Ostseenähe. Frostig kalt bleibt es ohnehin, wo es
länger aufklart durchaus bis in die Nähe des strengen Frostes. Sonst sei an
dieser Stelle auf die Übersicht Mittelfrist verwiesen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Kleinere Diskrepanzen gibt es bezüglich der Lage der LMG, Ausgreifen der
Schneefälle an deren Nordrand sowie der generellen Entwicklung am Donnerstag.
Die ICON-Variante ist dabei gut eingebettet ins Spektrum und durchaus
realistisch. Die Basisfelder sind sich insgesamt recht ähnlich und auch stimmig.
Aufgrund der persistenten Lage und der Vorgeschichte war die Ausgabe einer
Vorabinformation alternativlos. Details, auch bezüglich der konkreten
Warnausgabe, werden sich sehr wahrscheinlich eh erst im Nowcasting lösen lassen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen