DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

12-12-2022 11:30

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Montag, den 12.12.2022 um 10.30 UTC



Do/Fr Grenzwetterlage mit Schnee/Glatteis im Süden. Wochenende kaltes
Hochdruckwetter, mit (sehr) strengem Nachtfrost. Nächste Woche Milderung, teils
windig.
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Synoptische Entwicklung bis zum Montag, den 19.12.2022


Zu Beginn der Mittelfrist am Donnerstag lässt sich in den Prognosefeldern
weiterhin ein klassisches "Viererdruckfeld" analysieren. Dabei stellt sich
zwischen einem Hochdruckgebiet über Grönland und einen Tiefdruckkomplex über
Skandinavien über weiten Bereichen des Nordmeers und Nordwesteuropas eine
nördliche Strömung ein, mit der polare Kaltluft bis nach Mitteleuropa geführt
wird. Tiefs über Südwesteuropa und hoher Luftdruck über Südost- und Osteuropa
halten mit subtropischer Warmluft aus Süden dagegen. Die zonal orientierte
Frontalzone verläuft mit der 0-Grad-Isotherme der 850-hPa-Temperatur
wahrscheinlich unweit des 50. Breitengrades, und damit u. a. auch über die
Südhälfte Deutschlands. In der Polarluft gehen die Werte im Norden des Landes
bis auf -7 Grad zurück, während sie im Süden vorübergehend bis auf +3 Grad
ansteigen. In der Höhe befinden wir uns an der Südflanke eines breiten
Langwellentroges in einer zunächst recht glatten Westströmung. Die
Großwetterlage kann aufgrund der südlich verlaufenden Frontalzone somit als "Ws"
(südliche Westlage) interpretiert werden.

Am Donnerstag kommt es aufgrund des fehlenden synoptisch-skaligen
Hebungsantriebes an der Luftmassengrenze im Süden zunächst nur zur geringfügigen
Niederschlägen. Mit einem zunehmend an Kontur gewinnenden Kurzwellentrog, der
von der Nordsee her am Freitag auf Deutschland übergreift, wird die
Luftmassengrenze aber wieder aktiviert und es zieht eine Frontalwelle ostwärts
durch. Rückseitig wird die Luftmassengrenze als Kaltfront über die Alpen
südwärts geführt, sodass auch der Süden wieder von polarer Kaltluft geflutet
werden kann. Im Zuge dessen intensivieren sich die Niederschläge über der
Südhälfte des Landes wieder. In der Warmluft südlich der Luftmassengrenze regnet
es vorübergehend, mitunter bis in die Kammlagen. Dort, wo sich bodennah eine
kalte Grundschicht hält oder die Böden noch gefroren sind, ist Glatteis durch
gefrierenden Regen möglich, aufgrund der Mengen auch mit geringem
Unwetterpotenzial. Entlang und nördlich der Luftmassengrenze fällt dagegen
durchweg Schnee. Dabei sind über einen kurzen Zeitraum strichweise auch markante
Neuschneemengen über 10 cm möglich, vor allem im Süden und Südosten. Im
Küstenumfeld besteht zur höhenkältesten Luft hin und über dem noch warmen Wasser
eine erhöhte Schauerneigung. Schwerpunkt dürfte das Nordseeumfeld sein, wo durch
ein kleines Tief zusätzlich Hebung generiert wird, dort sind auch einzelne
Gewitter möglich. Dazwischen passiert nicht viel, es bleibt zumeist trocken.
Dauerfrost gibt es bevorzugt in den Mittelgebirgen sowie im Osten und Nordosten,
nachts ist bei Aufklaren über Schnee örtlich strenger Frost möglich.

Am Samstag zieht der Trog nach Osten ab, dahinter stellt sich eine durch weitere
kurzwellige Troganteile zunächst noch leicht flatternde nordwestliche
Höhenströmung ein. Dennoch steigt der Luftdruck von Westen her deutlich an. Über
Westeuropa bildet sich eine Hochparzelle, die über den Süden Deutschlands nach
Osten geführt wird. Die Kurzwellentröge sorgen somit allenfalls im Norden in
Verbindung mit der höhenkältesten Luft und der warmen See für ein paar Schnee-
oder Regenschauer. Ansonsten bleibt es zumeist trocken mit gebietsweisem
Sonnenschein. Auch die Schneefälle im Süden und Südosten klingen ab. Dort ist in
der Nacht zum Sonntag bei Aufklaren über der frisch gefallenen Schneedecke sehr
strenger Nachtfrost von unter -15, in geschützten Mittelgebirgs- und Alpentälern
von örtlich unter -20 Grad möglich. Mit Ausnahme des Nordens und Nordwestens ist
verbreitet mit Dauerfrost zu rechnen.

Am Sonntag wölbt sich über Westeuropa durch kräftige WLA auf der Vorderseite
eines hochreichendes Tiefs ein Rücken auf, sodass sich die nordwestliche
Höhenströmung über Deutschland antizyklonal konturieren kann. Warmluftadvektion
macht sich auch hierzulande bemerkbar, zunächst natürlich hoch- und
mitteltroposphärisch, aber zunehmend auch niedertroposphärisch, was sich auch im
Anstieg der 850-hPa-Temperaturen auf -3 Grad im Nordosten und +5 Grad im Westen
bemerkbar macht. Im Süden und Südosten bleibt es allerdings "fußkalt" und
dauerfrostig, vor allem bei zähem Nebel in den Flussniederungen. Ansonsten nimmt
die durch einsetzenden Druckfall von Westen auf südliche Richtungen aufsteilende
Grundströmung zunehmend Fahrt auf und begünstigt die Durchmischung und Erwärmung
auf wieder deutlich positive Temperaturwerte vor allem an den Nordrändern der
Mittelgebirge. In den Alpen beginnt eine Föhnlage mit (schweren) Sturmböen.

In der Nacht zum Montag und am Montag liegt Deutschland unter dem o. e. Rücken,
allerdings schwenkt die Warmfront des atlantischen Tiefdrucksystems mit
Regenfällen nordostwärts über das Land. Mit Ausnahme des Westens und
Nordwestens, wo es frostfrei bleibt, ist vor allem nachts und in den Frühstunden
vorübergehend gefrierender Regen und Glatteis möglich. Der äußerste Süden und
Südosten bleibt davon wahrscheinlich unberührt, allerdings kann es bei geringer
Bewölkung nochmal strengen Frost unter -10 Grad, örtlich auch unter -15 Grad
geben. Dort ist auch tagsüber nochmal Dauerfrost möglich, ansonsten macht die
Erwärmung niedertroposphärisch weitere Fortschritte, im 850-hPa-Niveau steigen
die Werte auf 3 bis 9 Grad. Da zugleich der Süd- bis Südwestwind weiter zulegt
und vor allem in höheren Lagen und Leelagen für gute Durchmischung sorgt, sind
dort wieder Höchsttemperaturen von verbreitet über 5, örtlich bis knapp 10 Grad
denkbar. Bevorzugt im Bergland und an der Nordsee stürmische Böen oder Sturmböen
aus Süd bis Südwest möglich sind, an den Alpen muss weiter mit Föhnsturm
gerechnet werden.

In der erweiterten Mittelfrist zieht der Rücken ostwärts ab, gefolgt von einer
Trog- und Kaltfrontpassage. Nachfolgend soll die Strömung nach IFS-Lesart
zonalisieren, wobei kurzwellige Tröge vor allem den Norden erfassen, nach Süden
zu bleibt antizyklonaler Einfluss vorherrschend. Damit erfolgt der Übergang zur
Großwetterlage W/SW a/z (West/Südwestlage) mit vornehmlich milden, maritim
geprägten Luftmassen.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der letzten IFS-Modellsimulationen kann über weite Strecken der
Mittelfrist als gut bezeichnet werden, zumindest, wenn man die großräumigen
Strukturen betrachtet. Im Detail ergeben sich allerdings gerade zu Beginn der
Mittelfrist prognoserelevante Unterschiede. So bereitet die Luftmassengrenze am
Donnerstag/Freitag weiterhin Probleme, wenngleich konstatiert werden kann, dass
die IFS-interne Streuung zumindest soweit abgenommen hat, dass man die
Luftmassengrenze eher über der Südhälfte Deutschlands verorten kann.
Die Wetterberuhigung am Wochenende wird vom heutigen IFS-00Z-Lauf noch etwas
störungsarmer simuliert als von den gestrigen Läufen, die die Störungen in Form
kurzwelliger Troganteile im Norden und Nordwesten noch etwas stärker betont
hatten.
Auch danach sind die Differenzen zwischen den Läufen, zumindest unter
gebührender Berücksichtigung des Vorhersagezeitraumes, verhältnismäßig gering.
Der Übergang zu einer West-Südwestlage mit deutlicher Milderung im Laufe der
kommenden Woche wird unisono gerechnet.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch beim Blick auf die übrige Modellwelt zeigt sich, dass die Numerik die
Luftmassengrenze am Donnerstag/Freitag noch nicht so ganz im Griff hat. Nicht
nur die initiale Lage am Donnerstag wird noch unterschiedlich gerechnet, sondern
auch die Interaktion mit dem von Nordwesten hereinschwenkenden Kurzwellentrog am
Freitag. Während die frontalen Niederschläge nach ICON und GFS nur den Süden und
Südosten erfassen sollen, greifen sie nach UK10 bis in die Mitte und den Osten
aus. Entsprechend unterschiedlich ist auch die Verbreitung und Signifikanz der
gefrierenden Niederschlagsphase. IFS stellt wieder einmal eine Mittellösung dar.

Darüber hinaus rechnet GFS, mit Abstrichen auch ICON ein stärkeres Tief über
Dänemark, was an der Küste, insbesondere an der Nordsee zu Sturmböen führt. Bei
IFS ist liegt dies deutlich schwächer über der Nordsee, bei UK10 fehlt es
gänzlich.
Die Wetterberuhigung am Wochenende und der Übergang zu einer West-/Südwestlage
haben dann alle Modelle wieder ziemlich ähnlich auf der Agenda. Etwas aus dem
Rahmen fällt UK10, dass den Rücken flacher und progressiver rechnet, gefolgt von
einem schärferen Kurzwellentrog, der am Sonntag bereits die Britischen Inseln
erreicht. Damit in Verbindung steht ein Sturmtief über der Nordsee, das in der
Nord- und Nordwesthälfte Deutschlands verbreitet für stürmische Böen und
Sturmböen sorgt, im Bergland und an der Nordsee gar für schweren Sturm.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


IFS-EPS:
Aus den Rauchfahnen lassen sich keine vom deterministischen IFS-Lauf wesentlich
abweichende Szenarien ableiten. So ist die Memberschar in Bezug auf
850-hPa-Temperatur und 500-hPa-Geopotenzial über weite Strecken der Mittelfrist
gut gebündelt und zeigt keine nennenswerte Clusterbildungen. Der
deterministische Lauf ist dabei immer gut eingebettet. Nur im Süden Deutschlands
weitet sich die Rauchfahne bei der Temperatur am Donnerstag vorübergehend etwas
auf (immerhin 10 K Gesamtschwankungsbreite), was auf die Unsicherheiten im
Hinblick auf die Lage der Luftmassengrenze zurückzuführen ist. Der
deterministische Lauf befindet sich nahe dem Median der Verteilung.
Die Niederschlagssignale konzentrieren sich bis zum Wochenende auf den Süden,
ansonsten gibt es nur wenige Ausschläge. Erst ab kommenden Montag nehmen die
Niederschlagssignale landesweit signifikant zu.

CLUSTER:
Zeitraum +72-96 h (Do/Fr) bietet 3 Cluster. Sie gehören alle der Klasse NAO- an
und unterscheiden sich mit Fokus auf Mitteleuropa nur unwesentlich.
Im Zeitraum +120-168 h (Sa-Mo) schrumpft das EPS auf 1 Cluster. Dabei erfolgt
der Übergang zu NAO+.
In der erweiterten Mittelfrist (+192-240 h) werden 2 Cluster angeboten. C1
(28/51 Member) verbleibt im Regime NAO+ und zeigt eine recht klassische
zyklonale West- bis Südwestlage. Auch in C2 (23/51, inklusive det. Lauf und
Kontrolllauf) kann man von einer Südwestlage sprechen, die allerding stark
antizyklonal gefärbt ist und zu einem Regimewechsel von NAO+ zu Blocking führt.

FAZIT:
Bis Freitag anhaltende Grenzwetterlage mit zweitem "Schwung" Schnee und Glatteis
(vor allem letzteres mit Unwetterpotenzial). Lage der Luftmassengrenze noch
leicht unsicher, wahrscheinlich aber über Süd-/Südostdeutschland.
Am Wochenende Wetterberuhigung, dabei vor allem in der Südosthälfte aber
"fußkalt" mit Dauerfrost, in den Nächten mitunter sehr strenge Nachtfröste.
Kommende Woche dann sehr wahrscheinlich Übergang zu einer teils windigen
West-/Südwestlage, im Norden/Nordwesten eher zyklonal, im Süden/Südosten starker
Hang zur Antizyklonalität. Dabei deutliche, nach Südosten zu teilweise stark
verzögerte Milderung.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


SCHNEE/GLATTEIS:
Am Donnerstag entlang der Luftmassengrenze über Süd- und Südostdeutschland
vorübergehend nachlassende Niederschläge, ab der Nacht zum Freitag und am
Freitag tagsüber aber erneut intensivierend. Am Südrand des Niederschlagsgebiets
weiterhin Gefahr vor Glatteis durch gefrierenden Regen, UNWETTER nicht
ausgeschlossen. Ansonsten teils kräftige Schneefälle, strichweise über 10 cm
Neuschnee gering wahrscheinlich.

STRENGER FROST:
In der Nacht zum Freitag und zum Samstag bevorzugt in den östlichen
Mittelgebirgen bei Aufklaren über Schnee örtlich strenger Frost unter -10 °C.
In der Nacht zum Sonntag im Süden und Südosten bei Aufklaren über frischem
Neuschnee verbreitet strenger Frost unter -10 °C. Örtlich sehr strenger Frost
zwischen -15 und -20 °C.

STURM:
Am Donnerstag an der Nordsee stürmische Böen Bft 8 gering wahrscheinlich.
Ab Sonntag, insbesondere aber zu Beginn der kommenden Woche in den Alpen
Föhnlage mit (schweren) Sturmböen Bft 9-10 auf den Gipfeln und stürmischen Böen
Bft 8 in anfälligen Tälern möglich.
Nächste Woche generell im höheren Bergland zeitweise windig bis stürmisch. Im
west- und nordwestdeutschen Binnenland sowie an der Nordsee - stand jetzt - nur
geringe Wahrscheinlichkeit für stürmische Böen Bft 8.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det. + EPS, MOS-Mix
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser