DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-12-2022 09:01
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.12.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Allmählicher Übergang von HNz (Hoch Nordmeer zyklonal) zu Ws (südliche
Westlage)

Wechselhafter, mitunter feuchtkalter Wetterabschnitt mit zeitweiligen
Niederschlägen, teils bis ganz runter als Schnee.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verbringt Deutschland am südwestlichen Rand eines nordeuropäischen
Höhentrogs mit Drehzentrum über Skandinavien. Im Tagesverlauf weitet sich der
Trog nur noch wenig nach Süden aus, stattdessen geht er in seinem Südteil immer
mehr in die Breite (ist menschlich in der Vorweihnachtszeit), so dass die
Höhenströmung langsam aber sicher von Nordwest auf westliche Richtungen
rückdreht. Um das Drehzentrum herum kreiseln verschiedene kleinere Randtröge,
von denen einer gerade eben den Nordosten des Landes in Richtung Polen verlassen
hat. Dahinter glättet sich die Strömung, bevor in der Nacht zum Donnerstag das
nächste Rand-Exemplar von der Nordsee her auf uns zuläuft.
Wie nicht anders zu erwarten, korrespondiert der Trog mit einer umfangreichen
Tiefdruckzone, die sich von der Barentssee bis hinunter zum östlichen
Mitteleuropa erstreckt und in die mehrere Druckminima respektive kleinere
Tiefkerne eingelagert sind (darunter verschiedene ANNIKAs im Norden oder die
rote ZORA vor der baltischen Küste). Die Tiefs verändern ihre Positionen
vergleichsweise wenig. Wichtiger ist vielmehr der Gradient zwischen dem
Tiefkomplex und hohem Luftdruck über dem nahen Atlantik sowie im Raum Grönland.
Mit einer vor allem an der Küste ziemlich flotten West- bis Nordwestströmung
gelangt eine höhenkalte (T850 -4 bis -8°C, T500 -25 bis -32°C mit den
niedrigsten Werten im Nordosten), durch die vorgelagerte Nordsee bodennah aber
erwärmte Meeresluft polaren Ursprungs nach Deutschland.

Unter dem Strich bedeutet das für heute einen wechselhaften Wettercharakter, bei
dem einiges geboten wird. Zum einen reichlich Gewölk, aus dem schauerartiger
Niederschlag fällt, wobei man sich im Nordosten sogar über ein kurzes Gewitter
nicht wundern sollte. Zum anderen aber auch etwas Sonne, u.a. in der Mitte
(aktuell), an den Alpen sowie später im äußersten Norden, namentlich von SH bis
hinüber nach Mecklenburg, wo sich die Abtrocknung durch das Überströmen der
skandinavischen Gebirge (sogenannter Skandiföhn) bemerkbar macht. Die
Niederschläge fallen im Tiefland vor allem nach Nordwesten hin als Regen
(Nordseeeffekt), während sonst alle Phasen (auch Graupel) denkbar sind. Je
weiter im Nordosten, desto größer die Wahrscheinlich für die Schneephase
(Höhenkaltluft). Bei kräftigen Schneeschauern, die am ehesten in Küstennähe in
Vorpommern durch Lakeeffekt zu erwarten sind, kann es vorübergehend auch mal
glatt werden durch Nassschnee oder Schneematsch. Eine wirkliche
Schneeakkumulation ist aber nicht zu erwarten. Anders die Situation im Bergland,
insbesondere in den zentralen, östlichen und südöstlichen Mittelgebirgen, wo
oberhalb 400 bis 600 m (tagsüber ist eher die höhere Schneegrenze anzusetzen)
ein paar Zentimeter Neuschnee bis Donnerstagfrüh zusammenkommen können.

Thema Wind, der aus W bis NW kommend vor allem an der Nordsee, von der
Flensburger Förde bis nach Fehmarn sowie von der Wismarer Bucht bis zum Darß
bzw. nach Nordrügen in Böen Stärke 7 Bft, an der Nordsee exponiert 8 Bft
erreicht. Dass bei so einer Lage auch der Brocken Ansprüche anmeldet, in die
Wetterberichte zu kommen, ist klar. Böen 8 bis 9 Bft aus West fegen über das
Plateau, was dort aber als nichts Besonderes angesehen wird. Nichts Besonderes
sind auch die heute erwarteten Höchsttemperaturen, die im Tiefland mit 2 bis 6°C
aufwarten (höchste Werte im Nordwesten), wohingegen im höheren Bergland leichter
Dauerfrost herrscht.

Kommen wir zur Nacht auf Donnerstag, wo uns der Trogeinfluss erhalten bleibt.
Dabei entpuppen sich Teile Norddeutschlands als die Region mit der größten
synoptischen Brisanz, wenn man das mal so formulieren darf. Grund ist der o.e.
kleine Randtrog, der sich mit einer flachen Bodenwelle im Gepäck von der Nordsee
her nähert. Vorderseitig setzt relativ kleinräumig zunächst WLA, später dann
auch noch PVA ein, was synoptisch-skalige Hebung garantiert. Dabei kommt es zu
schauerartig verstärkten Niederschlägen, die teils als Regen, vor allem nach
Osten hin aber auch als Schnee fallen. Selbst ein kurzes Graupelgewitter kann
angesichts einer durch frische Höhenkaltluft (T500 um -35°C) ausgelöste
Labilität nicht ausgeschlossen werden. In einem Streifen von SH über Mecklenburg
bis ins nördliche BB, am Vormittag zusätzlich auch noch Vorpommern, kann ohne
Weiteres eine 1 bis 5 cm, lokal bis zu 7 cm dicke/dünne Neuschneedecke
produziert werden, die Kindern ein breites Lächeln auf die Lippen bringt,
während Autofahrer am liebsten in den Tisch beißen würden.

Darüber hinaus gilt es festzuhalten, dass es auch in den übrigen Regionen noch
schauern kann, wobei im Süden am wenigsten passiert (häufig trocken). Im Stau
der östlichen und zentralen Mittelgebirge kommen etwa oberhalb von 400 m noch
ein paar wenige Zentimeter drauf, ansonsten hält sich die Neuschneeakkumulation
aber sehr in Grenzen. Trotzdem muss vielfach mit Glätte gerechnet werden,
teilweise auch in tieferen Lagen, wobei neben Schnee/Schneematsch auch
gefrierende Nässe eine Rolle spielt. Im Süden, wo die Wolkendecke z.T. aufreißt,
ist zudem Reifglätte möglich. Außerdem können sich dort ein paar Nebelfelder
bilden, die aber nicht zwingend die Sichtweite von 150 m unterschreiten.
Frostfrei bleibt es vornehmlich im nordseebeeinflussten Nordwesten, in den
Metropolen Westdeutschlands, teils aber auch in der durch extrem geringe
Tagesgänge (bedeckter Himmel) geprägten Mitte. Der Gradient weicht mit
Annäherung der Welle im gesamten Küstenbereich merklich auf, so dass auch der
Wind immer weniger Akzente setzen kann (nebenbei wird dadurch auch die
Durchmischung deutlich herabgesetzt, was der Schneephase zugutekommt). Auf dem
Brocken bleibt es hingegen stürmisch.

Donnerstag... verbleiben wir im südlichen Teil des inzwischen sehr breit
gelaufenen Höhentrogs unter einer zyklonal konturierten westlichen Strömung. Der
Randtrog schwenkt unter Konturverlust ganz langsam über Norddeutschland gen
Osten. Zonal angeordnet sind auch die Isothermen auf 500 hPa, wobei die kälteste
Luft nach wie vor im hohen Norden liegt (T500 knapp unter -36°C). Dort bleibt es
am labilsten, was allerdings im Tagesverlauf durch die Zufuhr trockenerer
Luftmassen konterkariert wird. Mit anderen Worten, die anfänglichen
Niederschläge verlagern sich mehr und mehr in Richtung Mitte und die
Schauerneigung im Norden nimmt immer weiter ab. Stattdessen lockert die
Wolkendecke von Norden her auf, so dass sich hin und wieder die Sonne in Szene
setzen kann.

Mit etwas Sonne, sonnigen Abschnitten und Wolkenauflockerungen darf man auch im
Süden rechnen, wo sich zwischen dem weiterhin über Nordeuropa positionierten
Tiefkomplex und einem Tief westlich der Iberischen Halbinsel (BIRGIT) eine
schmale Hochdruckbrücke befindet. Dort bleibt es zudem niederschlagsfrei,
während die Regionen zwischen der nördlichen und südlichen Flanke nicht nur
reichlich Bewölkung ertragen müssen, sondern zudem Niederschläge auf der Karte
stehen. Vor allem im Bergland oberhalb etwa 400 bis 600 m fallen einige
Zentimeter Neuschnee (am meisten wahrscheinlich im Harz, wo durchaus 5 bis 10 cm
zusammenkommen können), während sich in tiefen Lagen die Glätteproblematik
tendenziell entspannt (am Vormittag in MV wie gesagt noch Schneefälle). Bei
Tageshöchsttemperaturen von 0 bis 5°C (am kältesten im Nordosten über dem frisch
fallenden oder gefallenen Schnee), im Bergland leichtem Dauerfrost, spielt der
Wind keine große Rolle mehr. Selbst auf dem sonst so agilen Brocken geht ihm
mehr und mehr die Luft aus, so dass wir windtechnisch morgen warnfrei bleiben.

In der Nacht zum Freitag steigt der Luftdruck geringfügig an, wodurch sich die
Brücke etwas verbreitert. In Folge beruhigt sich das Niederschlagsgeschehen,
trotzdem kann es in der Mitte anfangs noch etwas schneien oder (schnee)regnen.
Der Neuschneezuwachs ist aber gering, trotzdem kann es - auch in tiefen Lagen -
glatt werden durch gefrierende Nässe oder dort, wo es aufgeht, durch Reif.
Unsicher ist derzeit noch, ob im Norden und Nordwesten schon wieder neue Schnee-
und Regenschauer ankommen, wie von IFS und GFS propagiert. ICON und UK10 sind
diesbezüglich zurückhaltender. Unsicher ist auch noch, was genau im äußersten
Süden passiert. Fakt ist, dass das Tief BIRGIT dicht vor die Iberische Westküste
zieht und über den Pyrenäen ein Teiltief entsteht. Auf deren Vorderseite wird
WLA in Gang gebracht, die zunächst aber nur etwas auf den Süden abfärbt.
Immerhin, T850 steigt zwischen Hochrhein und unterer Donau auf Werte um oder
etwas über 0°C, während nur wenig weiter nördlich noch deutliche Minusgrade
vorherrschen. Ob aus den Alpen heraus auch schon Niederschläge übergreifen,
steht derzeit noch in den Sternen. Wenn ja, ist Vorsicht geboten, da eventuell
die Gefahr von gefrierendem Regen besteht. Da die Prognosesoundings aber eine
recht mächtige, von 900 bis 700 hPa reichende Trockenschicht zeigen, in der der
potenzielle Niederschlag verdunsten kann, sollte man sich nicht allzu große
Sorgen machen.

Ansonsten geht die Temperatur im Gegensatz zur Vornacht fast überall in den
Frostbereich zurück (frostfrei bleibt vor allem die unmittelbare Nordseeküste).
Bei Aufklaren bildet sich Nebel.

Freitag... schwenkt ein größerer Randtrog über den nahen Atlantik und UK/Irland
hinweg südwärts, was bei uns die Höhenströmung auf Südwest rückdrehen lässt. Das
ändert aber nichts an der Tatsache, dass wir weiterhin unter der Ägide des
Haupttrogs verbleiben, dessen Hauptdrehzentrum mittlerweile über dem südlichen
"Bottenbusen" angekommen ist (12 UTC). Im Bodendruckfeld dehnt sich die
südwesteuropäische Tiefdruckzone ost-nordostwärts aus, was Süddeutschland in
ihren inneren Bereich (etwas unter 1005 hPa) bringt. Derweil verlagert sich die
immer noch existente Brücke Stück für Stück weiter nach Norden. Entsprechend
lockert die Bewölkung in der Mitte und in Teilen Norddeutschlands mitunter etwas
auf und es bleibt in weiten Landesteilen - von zwei Ausnahmen abgesehen -
weitgehend niederschlagsfrei.

Ausnahme #1 befindet sich auf See sowie in Küstennähe, insbesondere an/auf der
Nordsee. Dort liegt nach wie vor die höhenkälteste und labilste Luft (T500 -36°C
über T850 -5°C), in der sich Regen-, Graupel- und Schneeschauer sowie kurze
Kaltluftgewitter entwickeln. Inwieweit die konvektiven Umlagerungen das Festland
traktieren, ist derzeit noch unsicher. Aufgrund der südwestlichen Strömung
scheint aber die schleswig-holsteinische Nordseeküste am prädestiniertesten zu
sein.
Ausnahme #2 betrifft den äußersten Süden, wo leichte Hebungsprozesse aufkommen
und aus der Schweiz heraus (Beileid wegen gestern Abend, aber da sind die
Eidgenossen mal so richtig geschreddert worden) etwas Niederschlag übergreift.
Viel soll es nicht sein und in Bezug auf die genaue räumliche Verteilung über
den Tag verteilt gibt es ebenso noch Fragezeichen wie zur Phase. Tatsache ist,
dass die Hebungsabkühlung die niedertroposphärischen Temperaturen von West nach
Ost auf unter 0°C auf 850 hPa sinken lässt. Für Details müssen wir aber noch ein
paar Modellläufe abwarten.

Die Temperatur steigt landesweit auf -1 bis +4°C, im Bergland weiterhin leichter
Dauerfrost.

Kurz noch zwei-drei Sätzchen zur Nacht auf Samstag, wo sich wetterlagenmäßig
kaum was tut. Im Süden sollen sich die ohnehin nur schwachen Niederschläge schon
wieder abschwächen, dafür könnten die Schauer über der Nordsee etwas weiter
landeinwärts kommen (IFS-Lösung). Dazwischen gibt es einzelne Schneeschauer
(Mitte, Osten), in den meisten Regionen bleibt es aber niederschlagsfrei.
Darüber hinaus bietet die Nacht den klassischen Winterdreiklang bestehend aus
Frost, Glätte und Nebel.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle sind sich weitgehend einig und weisen nur kleinere Unschärfen auf.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann