DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

03-12-2022 18:01
SXEU31 DWAV 031800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 03.12.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Weiterhin zyklonal geprägte Hochrandlage, dabei zunächst weitgehend
niederschlagsfrei. Ab Sonntagnachmittag aufkommende Niederschläge, die in einen
nasskalten Wochenstart münden.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... ist das großräumige Zirkulationsmuster weiterhin so was von gestört,
dass man fast ins Schmunzeln kommt. Jedenfalls ist es interessant zu beobachten,
wie die zahlreich auf der Wetterkarte befindlichen Höhentiefs (HT) und
Kaltlufttropfen (KLT) mitunter etwas hilf- und scheinbar planlos hin- und
hereiern und dabei nicht aus dem von Rücken und Keilen umzäunten Käfig
herauskommen. Mal sehen, ob sich in der nächsten Woche was tut, wenn es vom
Nordpol her einen "arctic outbreak" gibt und sich von Nordeuropa her ein
"richtiger" Höhentrog aufbaut, der in welcher Form auch immer auf Mitteleuropa
übergreift.

Bis es soweit ist, wird erstmal munter weitergeeiert. Der KLT (#1), der uns
gestern passiert und in der östlichen Mitte einen ordentlichen Winterstempel
gesetzt hat, ist inzwischen über dem Südostzipfel der Biskaya angekommen. Der
zweite KLT (#2), der in der vergangenen Nacht von Bayern her kommend in der
östlichen Mitte noch einen draufgesetzt hat, ist gerade dabei, vom Oderhaff auf
die Ostsee abzuhauen. Bliebe noch die für uns weitgehend bedeutungslose #3, den
es von der südwestlichen Nordsee nach Südengland zieht. Summa summarum also ein
nett anzuschauendes Terzett (man muss freilich die Auflösung der Potenzialfelder
mächtig nach oben schrauben, um sie richtig zu erkennen), das von einem flachen
Rücken begrenzt wird. Dieser reicht vom Balkan bis Nordfrankreich und sorgt
dafür, dass bei uns erstmal Ruhe eingekehrt ist. Auf der Südflanke der nach wie
vor über Russland und Nordeuropa positionierten Hochdruckzone (ausgetauscht
wurden nur die Namen; statt ERIK und GORDON sind nun ILJA und HORST am Werkeln)
ist die Niederschlagsintensität weitgehend zum Erliegen gekommen. Einzig in
Küstennähe kommt es im Bereich einer dauerpräsenten Konvergenz zu zeitweiligen
Niederschlägen, die häufig in flüssiger (zu wenig Höhenkaltluft, zu warmes
Meer), teils aber auch in fester Form fallen. Eine nennenswerte
Schneeakkumulation ist aber ebenso wenig zu erwarten wie größere
Glätteschweinereien. Insbesondere über dem Meer (Nordsee mehr als Ostsee) bleibt
der östliche Wind flott unterwegs, was an der Küste und auf den Inseln aber nur
wenige Böen 7 Bft zur Folge hat.

Darüber hinaus gilt es zu berichten, dass die Strömung in der unteren
Troposphäre auf Süd-Südost gedreht hat, wodurch teils auch durch Überströmung
der Alpen T850 kontinuierlich ansteigt. Bis zum Morgen geht´s im äußersten Süden
hoch auf 8 oder 9°C, lediglich im äußersten Norden sind die Temperaturen noch
negativ. Mit der WLA intensiviert sich die auf etwa 1000 m liegende Inversion,
unter der die Grundschicht nach wie vor feucht-kalt geartet ist. Auflockerungen
und Sonnenschein gab es heute nur in den entsprechenden Hochlagen
Süddeutschlands. Nebel bleibt im Wesentlichen auf die Hochlagen der
Mittelgebirge beschränkt (aufliegende Wolken), nur hier und da bildet sich im
Süden auch weiter unten Nebel. Von wenigen Ausnahmen abgesehen (Küstennähe,
äußerster Norden, einige Tieflagen im Südwesten und in Unterfranken) gibt es
leichten, im Bergland teils auch mäßigen Frost. Glatt wird es vor allem dort, wo
die Straßen und Wege nicht abgetrocknet sind (gefrierende Nässe). Dass es hier
und da aus der hochnebelartigen Bewölkung mal raussprüht oder schneegrieselt,
dürfte glättetechnisch aufgrund der marginalen Intensitäten keine große Rolle
spielen.

Sonntag ... ändert sich an der Bodendruckkonstellation nicht allzu viel, sieht
man davon ab, dass sich der westliche Teil über Skandinavien etwas abschwächt.
Auf See weht trotzdem weiterhin ein frischer, auf der Nordsee teils starker und
in Böen stürmischer östlicher Wind mit Böen 7 Bft insbesondere auf Helgoland und
den Ostfriesischen Inseln sowie an der ostholsteinischen Küste.

Während beim Bodendruck also nicht viel passiert, tut sich weiter oben
Bemerkenswertes. Warum auch immer - sportliche Gründe können es eigentlich nicht
sein - gefällt es KLT #1 offensichtlich nicht im schönen Südwesten Frankreichs.
Stattdessen zieht es ihn zurück in unsere Gefilde, wobei es derzeit so aussieht
- und da könnten dann doch sportliche Gründe ausschlaggebend sein -, als würde
er mehr die Schweiz als Deutschland ansteuern. Wie auch immer, Fakt ist, dass
die #1 am Sonntag einen Ost-Nordostkurs einschlägt, wobei sie über Frankreich
Druckfall auslöst. Am Ende steht ein amöbenförmiges flaches Tief auf der Bühne,
was aber ausreicht, der #1 ganz allmählich den Status eines KLTs zu entziehen.

Zunächst passiert aber nicht allzu viel (schließlich braucht´s ein bisschen, bis
das HT in unsere Nähe kommt), so dass wir den 2. Advent überwiegend unter einer
geschlossenen, vielfach hochnebelartigen Wolkendecke verbringen. Die Inversion
steigt geringfügig an, trotzdem dürfte es am Alpenrand sowie im oberen
Bayerischen Wald und im Hochschwarzwald wieder für Sonnenschein reichen, was im
Deutschlandvergleich ein echtes Privilegium darstellt. Niederschläge sind
selten, nur hier und da fällt etwas Nieselregen oder Schneegriesel. Am
Nachmittag setzen dann im Süden leichte Hebungsprozesse ein (Überlagerung von
PVA und WLA), die gebietsweise in schwache Niederschläge münden. Diese müssen
allerdings erst noch durch eine kleine trocken-warme Schicht (Temperatur teils
bis 7°C) zwischen 900 und 800 hPa fallen, wo sie z.T. verdunsten. Die
Schneephase ist aufgrund der warmen unteren Troposphäre unwahrscheinlich und
auch gefrierender (Niesel)Regen drängt sich alles andere als auf, weil Luft und
Beläge in der Regel zu warm sind. Ob sich tagsüber irgendwo vereinzelte
Frostlöcher halten (z.B. auf der Baar oder in einigen geschützten
Schwarzwaldtälern), ist fraglich. Im größten Teil des Landes steigt die
Temperatur jedenfalls auf 0 bis 6°C, am Alpenrand sowie im und am Bayerischen
Wald lokal auch noch darüber.

In der Nacht zum Montag erreicht das HT die Westschweiz (500 hPa). Ein
zugehöriger Randtrog kommt bis zur Mitte Deutschlands voran, wo sich auch der
Schwerpunkt der Niederschlagsaktivität herauskristallisiert. Gebietsweise sollen
laut ICON in der westlichen Mitte 5 bis 10 l/m² innert 12 h zusammenkommen, was
modellübergreifend allerdings die intensivste Variante darstellt. Die größere
Frage ist aber eher die nach der Phase des Niederschlags. Zunächst mal dürfte
aufgrund der hohen niedertroposphärischen Temperaturen überwiegend "warmer"
flüssiger Regen fallen. Gefrierender Nieselregen durch unterkühlte Tröpfchen,
wie in der Modellinterpretation mehrfach angeboten, kommt aus dem gleichen Grund
eigentlich nicht in Frage. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Luft und/oder Beläge
nach dem Temperaturverlauf vom Tage sowie vor dem Hintergrund fehlenden
Bodenfrosts negativ temperiert sind, ist relativ gering. Vielleicht ein paar
einzelne kalte Löcher in den Mittelgebirgen, okay, aber sonst eher nicht. Was
passieren kann und in Teilen wohl auch wird, dass es durch andauernde Hebungs-
und Niederschlagsabkühlung immer weiter abkühlt und sich im unteren
Troposphärenbereich eine isotherme Schichtung nahe dem Gefrierpunkt einstellt.
In diesem Fall würde der Regen mehr und mehr in Schnee übergehen, wenn auch
nicht überall. Je schwächer die Intensität der Niederschläge ausfällt, desto
weniger erfolgt der Phasenübergang zu fest - spannend und heute (wahrscheinlich
auch noch morgen früh) nicht abschließend prognostizierbar.

Ansonsten bleibt festzuhalten, dass es auch außerhalb der Mitte etwas nieseln
oder schneegrieseln kann, dass der Nachtfrost gegenüber der Vornacht deutlich
auf dem Rückmarsch ist und dass es an und auf der See windig bleibt.

Montag ... zieht das HT über Süddeutschland und den Alpenraum ostwärts. Dabei
wird über Deutschland mit Ausnahme des äußersten Nordens eine zyklonale,
trogähnliche Potenzialstruktur erzeugt, die sehr hebungsfreudig ist. Darüber
hinaus etabliert sich etwa über der Landesmitte eine zonal exponierte
Tiefdruckrinne (Wind im Norden aus Nordost, im Süden aus Südwest), an deren
Nordflanke zwar nicht die einzigen, wohl aber die stärksten Niederschläge
auftreten. Da die Schichtung beginnt, sich zu "normalisieren", sprich in die
Feuchtadiabate überzugehen, dürfte die bevorzugte Phase in tiefen Lagen die
flüssige sein. Allerdings, dort, wo es windschwach ist, also eher zur Mitte der
Rinne hin, könnte es zumindest anfangs noch bis ganz runter schneien. ICON und
IFS setzen bei andauernder Isothermie regionsweise sogar ganztägig auf
Schneefall (Westfalen, südliches NDS), was aber noch abzuwarten ist. Bei
850-hPa-Temperaturen bis zu -3°C dürfte es in den Regionen, wo ausreichend
Niederschlag fällt, zumindest im Bergland für Schnee reichen.

Fest steht auf alle Fälle, dass die Sonne einmal mehr einen großen Bogen um den
Vorhersageraum macht, was natürlich nur symbolisch gemeint ist. Die Wolkendecke
bleibt von ganz wenigen Ausnahmen (Alpenrand?) geschlossen, auch dort, wo nur
wenig oder kein Niederschlag fällt. Zwar nimmt der Nordostwind über See im
Tagesverlauf ab, auf Helgoland und den Ostfriesischen Inseln reicht es aber noch
für die eine oder andere 7er-Böe. Bei allgemein nass-kaltem Ambiente liegt die
Höchsttemperatur meist zwischen 1 und 5°C.

In der Nacht zum Dienstag zieht das HT nach Osten ab und das Potenzial steigt
von Westen her vorübergehend an. Allerdings kann dadurch nicht verhindert
werden, dass es in weiten Landesteilen zu weiteren Niederschlägen kommt. Wo
genau wie viel fällt, steht noch nicht ganz fest. Bei sinkender
850-hPa-Temperatur auf -2 bis -6°C (nur im äußersten Süden und Südwesten milder)
fällt im Bergland oberhalb etwa 600 m Schnee. Allerdings ist nicht
auszuschließen, dass gebietsweise nicht auch noch weiter runter zumindest die
nasse feste Phase oder die Mischphase am Start ist (viel hängt von der
Intensität und vom Durchmischungsfaktor ab; je stärker der Niederschlag und je
weniger Wind, desto eher fällt Schnee). Leichter Frost beschränkt sich im
Wesentlichen auf das Bergland, wo zudem in Hochlagen die Sicht nicht besonders
gut ist. In tiefen Lagen ist Nebel nicht so angesagt, am ehesten treten im Süden
und Südwesten ein paar Felder auf.
Dienstag ... hat sich das Hoch über Skandinavien komplett zurückgezogen bzw.
wurde durch eine Rinne ausgehend von einem Tief zwischen Spitzbergen und Nordkap
ersetzt. T850 sinkt über Nordskandinavien auf -10 bis -15°C, T500 auf unter
-35°C, so dass die o.e. Austrogung merkliche Fortschritte macht. Bei uns kommt
davon aber noch nicht viel an, vielmehr dödelt das Wetter bei gradientarmen
Potenzial- und Druckverhältnissen etwas lustlos vor sich hin. Da kein
Luftmassenwechsel ansteht, bleibt es in weiten Landesteilen bei einem stark
bewölkten bis bedeckten Himmel, aus dem gebietsweise etwas Regen oder
Nieselregen, im Bergland Schnee fällt. Aufhellungen oder Auflockerungen stehen
am ehesten an den Alpen und vielleicht noch im Nordwesten auf der Karte. Dazu
werden Tageshöchstwerte von 2 bis 6°C gereicht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden von den verschiedenen Modellen weitgehend kongruent
simuliert. Die größten Fragezeichen stehen hinter den ab morgen Nachmittag/Abend
erwarteten Niederschlägen, wobei sowohl die Phase als auch die Intensität als
auch die räumliche Verteilung betroffen sind. Die Diskrepanzen und
Schwierigkeiten wurden zumindest teilweise im Text angesprochen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann