DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-12-2022 09:01
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 01.12.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen HFz und HNFz (Hoch Fennoskandien bzw. Hoch Nordmeer
Fennoskandien zyklonal)

Zunächst relativ mauer Winterstart. Ab dem Nachmittag dann in der östlichen
Mitte einsetzender, länger andauernder Schneefall - geht doch. Am Freitag
weitere, meist leichte Schneefälle (natürlich nicht überall), am Samstag
nachlassend. Gebietsweise Dauerfrost.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... 1. Dezember, Start in den meteorologischen Winter. Und schau da,
Petrus oder wer auch immer für das Wetter verantwortlich zeichnet, sie alle
haben offensichtlich was davon mitbekommen, dass wir Meteorologen ab heute
einfach mal den Winter definiert haben. Bevor es konkret wird, gilt es aber
erstmal den heutigen Donnerstag abzuarbeiten, der sich nahtlos den trüben und
tristen letzten Novembertagen anzuschließen scheint. Zwar ist die Temperatur
durch die zwar nur schwache, dafür aber permanente Ostanströmung etwas
zurückgegangen, ansonsten haben sich die Attribute der vorliegenden Luftmasse
nur wenig geändert. Feucht-gesättigt und das zunehmend auch bis in die mittlere
Troposphäre bedeutet Wolken satt, im Bergland häufig aufliegend (=> neblig) und
nur wenige Lücken (gestern vor allem in Sachsen, heute eher im östlichen
Bayern). Dazu kommt gebietsweise leichter Niederschlag, vornehmlich im Westen
und Norden, meist als Nieselregen, wobei sich in MV auch schon mal eine Flocke
untermischen kann. Etwas gefrierenden Nieselregen/Nebel oder auch Schneegriesel
wird aus dem Erzgebirge sowie vereinzelt auch aus dem süddeutschen Bergland
gemeldet, alles nicht besonders dramatisch.

Zur Lage, die Deutschland unter einem langgestreckten Höhentrog sieht, der mit
mehreren Drehzentren gespickt ist und von Nordskandinavien bis hinunter zum
westlichen und zentralen Mittelmeer reicht. Flankiert wird der Trog von einem
relativ schmalen Rücken westlich und einem eher breiteren Rücken (wie bei den
Menschen, gibt dünne und dicke) östlich, die quasi wie fest eingemauerte
Bollwerke agieren. Kurzum, dem Trog wird wenig bis kein Spielraum gegeben, sich
irgendwie vor oder zurück zu bewegen. Was tun, sprach Zeus und erfand extra für
Tröge das Spielchen mit den kleinen oder auch mal etwas größeren Höhentiefs, die
man schön hin- und herschieben kann. Womit wir bei den nicht unwichtigen Details
für die weitere Entwicklung wären. Anzusprechen sind in diesem Zusammenhang die
kurz vorm Abtropfen stehende schmale Trogspitze über Jütland und der westlichen
Ostsee sowie ein breites Drehzentrum dicht vor der südfranzösischen
Mittelmeerküste. Über Tschechien findet man aktuell noch ein kleines
Tertiärtief, das in den nächsten Stunden zwar weitgehend von der Bildfläche
verschwindet, trotzdem aber noch von Bedeutung ist. Relevant für uns ist die
Tatsache, dass die beiden genannten Tiefs durch eine Potenzialrinne Kontakt
zueinander aufnehmen und sich das nördliche Gebilde etwa ab den Abendstunden
intensiviert, dabei einen recht scharf geschnittenen, nach Süden gerichteten
Randtrog generiert und selbst ganz langsam süd-südwestwärts zieht. Sehen und
beschreiben kann man das übrigens alles nur, wenn man die Potenzialfelder hoch
auflöst, denn das ganze Setup ist äußerst gradientschwach. Mit der geschilderten
Intensivierung kommen synoptisch-skalige Hebungsprozesse in Gang, wobei die
stärkste PVA an der Westflanke auftritt. Allerdings ist dort auch KLA
anzutreffen, die die PVA teilkompensiert. Die meiste Hebung wird an der Süd- und
Südostflanke durch WLA induziert, was letztlich aber auch völlig wumpe ist,
Hauptsache es wird gehoben. Zu was das führt, bitte noch etwas Geduld.

Zunächst muss nämlich erst noch die Bodendruckverteilung angesprochen werden,
die ohne Wenn und Aber das umfangreiche, von Russland über Fennoskandien bis
nach Westeuropa reichende Hochdruckgebiet in der Hauptrolle sieht. Es ist derart
umfangreich, dass es zwei Namen braucht, um es zu beschreiben im Osten ERIK, im
Westen (dort eher als Keil) GORDON, wobei die doppelte Namensgebung freilich der
jüngsten Entwicklung geschuldet ist, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Weit wichtiger ist die Tatsache, dass bei uns auf der Südflanke eine schwache
östliche Grundströmung herrscht, die kaum merklich, aber sukzessiv kältere Luft
heranführt. Auf 850 hPa sinkt die Temperatur bis zum Abend an der See auf rund
-5°C, im Süden auf rund -4°C und dazwischen auf 0 bis -3°C. Den Vertikalprofilen
kann man entnehmen, dass nur noch eine relativ dünne Grundschicht mit positiven
Temperaturen übrigbleibt und das vor allem nach Osten zu nur wenig über "null".
Kurzum, im Laufe des Nachmittags (vielleicht sogar schon in der Mittagszeit)
beginnt es in der östlichen Mitte leicht an zu schneien, wobei das o.e. kleine
Tief von Tschechien (inzwischen zum Tertiärtrog mutiert) den Erst-Ping liefert.
Am Abend und in der Nacht zum Freitag, wenn sich das nördliche Tief einschaltet,
nimmt der Schneefall etwas zu und breitet sich zudem sowohl etwas nach Norden,
als auch etwas nach Westen aus. Akkumuliert man die Niederschläge bis morgen
früh, zeigen die Modelle noch Unschärfen in Bezug auf die genaue räumliche
Verteilung sowie hinsichtlich der Intensität. Im Fokus dürften aber Thüringen
und Sachsen-Anhalt stehen, gefolgt von den angrenzenden Regionen in Sachsens,
BBs, Südniedersachsen, Hessens und Nordbayerns. Fakt ist, dass die
Schneefallgrenze bis ganz nach unten sinkt, wobei die Niederschlagsabkühlung
trotz der nur leichten Intensität den letzten noch fehlenden Kick geben könnte.
Auch wenn´s vielfach matschig zu geht - der Bodenwärmestrom hat aufgrund der
Vorgeschichte schon noch was drauf -, dürfte es am Ende für 1 bis 5, lokal
vielleicht sogar bis zu 10 cm Neuschnee und Problemen auf den Straßen (das ist
sicher wie das Amen in der Kirche) reichen.
Nicht zu vergessen, dass es auch abseits der genannten Gebiete mal etwas nieseln
oder schneegrieseln kann. An den Küsten fällt schauerartiger Niederschlag,
überwiegend in flüssiger Form. Die Temperaturen: tagsüber Maxima meist 0 bis
7°C, nachts -2 bis +3°C (Bergland kälter). Frostfrei dabei vor allem der Westen
und Nordwesten sowie direkt an der See, aber auch Teile Süddeutschlands.
Glättegefahr besteht vornehmlich in den Regionen mit Schneefall, aber auch sonst
kann gefrierende Nässe/Nebel die eine oder andere glatte Straße induzieren.


Freitag... ändert sich an der Druckkonstellation fast nichts, wenn man mal davon
absieht, dass sich das Hoch noch etwas verstärkt. Entscheidender sind aber die
Prozesse auf Geopotenzialebene, wo sich ein Teil des südfranzösischen Höhentiefs
der Alpensüdseite nähert, während das hiesige Exemplar über den Westen
Deutschlands gen Nordostfrankreich zieht. Damit kommt es immer mehr zu einer
Annäherung der beiden Gesellen, während bei uns im Norden das Potenzial von
Osten her steigt und die schwache Höhenströmung allmählich auf Ost dreht.

Wettertechnisch gilt es den Fokus auf zwei Dinge zu legen. Zunächst mal lässt
sich konstatieren, dass sich das bestehende Schneefallgebiet über der Mitte
Stück für Stück nach Westen ausweitet. Dabei verliert es langsam an Intensität
und nicht zuletzt bedingt durch den Tagesgang mischt sich zunehmend Regen unter
den Schnee bzw. geht dieser in Regen über. Von daher fällt die
Neuschneeakkumulation nach Westen hin ziemlich dünn aus respektive gibt es gar
keine. In der östlichen Mitte hingegen - genannt sei hier bei aller noch
gegebenen Modellunschärfe Thüringen - reicht es wohl für weitere 1 bis 5, lokal
vielleicht an die 10 cm Schnee.
Punkt #2 betrifft den Südosten, sprich Bayern, wo ein von den o.e. erwähnten
Schneefällen abgekoppeltes Ereignis in Gang kommt. Auslöser ist ein kleiner,
aber gut ausgeprägter Randtrog, der quasi die die Fortsetzung des südlichen
Höhentiefs darstellt. Dieser Trog schwenkt über die Alpen hinweg nordwärts und
erzeugt auf seiner diffluenten Vorderseite (PVA) Hebung. Entsprechend setzen von
Österreich her leichte Schneefälle ein, die sich im weiß-blauen, morgen aber von
Grautönen überzogenen Freistaat nord-nordwestwärts ausbreiten. Viel Schnee fällt
nicht und da auch die Intensität eher mau ist und wir Tag haben, wird es
schwierig, eine dünne Schneedecke zu produzieren. Am ehesten wird das im Osten
und Südosten der Fall sein.

Und sonst noch so? - Nun, auch der morgige 2. Dezember steht ganz klar im
Zeichen einer geschlossenen Wolkendecke, die kaum Optionen für Aufhellungen oder
gar Auflockerungen zulässt. Im Norden, gebietsweise aber auch im Südwesten
bleibt es weitgehend niederschlagsfrei, wobei die nach wie vor im Küstenbereich
auftretenden Regen-/Schneeregenschauer abgezogen werden müssen. Der Gradient
verschärft sich etwas, was den aus Ost bis Nordost wehenden Wind etwas aufleben
lässt. Am spürbarsten ist das über und an der See sowie in einigen Hochlagen.
Hinsichtlich möglicher Warnungen können die Füße aber stillgehalten werden, mit
Mühe reicht es vielleicht auf Helgoland für eine dort niemanden interessierende
"7". Die Höchsttemperatur liegt meist zwischen 0 und 5°C, im höheren Bergland,
teils aber auch in der östlichen Mitte leichter Dauerfrost

In der Nacht zum Samstag entfernt sich das über Frankreich südwestwärts ziehende
Höhentief immer mehr, so dass der Einfluss auf unser Wetter verlorengeht. Mit
anderen Worten, die Niederschläge im Westen schwächen sich ab bzw. stellen ihren
Betrieb ganz ein. Anders die Situation im Osten, genau genommen in der östlichen
Mitte, wo der o.e. Randtrog die Hürde Alpenhauptkamm genommen hat und nun als
kleines Höhentief das Vogtland mit seiner Metropole Klingenthal (kleiner
Insider) ansteuert. Das Tief generiert weiterhin leichte Schneefälle, die sich
von Nordbayern bis nach Sachsen und Thüringen, später das südliche
Sachsen-Anhalt und südliche BB ausweiten bzw. die dort noch andauernden "alten"
Schneefälle refreshen. 1 bis 3, in Staulagen lokal um 5 cm sind durchaus drin.

Im Übrigen gibt es nicht allzu viel zu berichten. Ganz im Norden dauert die
Schauerei weiter an (Achtung, neues Höhentief von Skandinavien her im Anmarsch),
wobei wahrscheinlich die flüssige Phase klar in der Vorhand bleibt. Im Süden, wo
kaum noch Niederschlag fällt, bildet sich hier und da Nebel. Und dann wäre da
noch - oh Wunder - der für Anfang Dezember völlig unübliche Nachtfrost, der
weite Landesteile überzieht. Frostfrei dürfte es vor allem in Teilen West- und
Nordwestdeutschlands plus direkt an der Küste sowie gebietsweise im Südwest
bleiben. Im Falle von Restnässe besteht Glättegefahr, die - bei allem Respekt -
im Gegensatz zum üblichen Reifgedöns auf Brücken und Nebenstraßen offensiv
gewarnt werden sollte.

Samstag... geht das Spielchen mit den kleinen Höhentiefs munter weiter - ein
Hoch auf den, der es erfunden hat. Während das eine, aus Bayern kommende entlang
der deutsch-polnischen Grenze gen Norden schlendert, greift das kleine
skandinavische Teil auf Norddeutschland über. Am Ende steht dort ein zonal
exponiertes doppeltes Lottchen zu Buche, dessen Wetterwirksamkeit aber limitiert
ist. So lassen die Niederschläge im Osten auf ihrem Weg nach Norden mehr und
mehr nach. An der See gibt es hingegen weitere Schauer, die aber weniger den
Höhentiefs, als vielmehr einer stehenden konvergenten Windstruktur unmittelbar
an der Küste (Küstenkonvergenz) sowie bedingt diabatischen Effekten (relativ
warmes Oberflächenwasser) geschuldet sind.

Ansonsten dauert die östliche Strömung auf der Südflanke der Hochdruckzone an,
wobei der Wind nach wie vor keine großen Sprünge macht. "Schwach bis mäßig, an
der Küste auch mal frisch" lautet der Terminus, Warnungen no. Die Sonne wird
abermals über eine Komparsenrolle nicht hinauskommen, am ehesten setzt sie sich
in den Hochlagen des südlichen Berglands inkl. der Alpen durch. Die Temperatur
erreicht Höchstwerte von 0 bis 5°C, im Osten und in der Mitte sowie allgemein im
Bergland leichter Dauerfrost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Hinweise, dass ab dem Abend in der östlichen Mitte ein länger andauerndes
Schneeevent ansteht, verdichten sich immer mehr. Auch ist eine Intensivierung
erkennbar, wenn man z.B. die neuesten Läufe von IFS (ECMF) und UK heranzieht.
Die Guidance-Polygone wurden entsprechend angepasst und spätestens am frühen
Nachmittag ist nach Sichtung der 06-UTC-Läufe mit der Ausgabe der Warnungen zu
rechnen. Der Kernbereich wird dabei mit einer Schneefallwarnung, die Peripherie
mit einer Glättewarnung abgedeckt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann