DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-11-2022 09:30
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 29.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz zu HNFz
Trüb und von Osten Stück für Stück ein bisschen kälter.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Dienstag... wird über Russland das umfangreiches Hochdruckgebiet ERIK mit einem
Bodendruck von nahezu 1048 hPa im westlichen Sektor Eurasiens analysiert, was
peripher einer umfangreichen blockierenden Höhenantizyklone liegt, die den
gesamten skandinavischen Sektor bis zum Ural überdeckt. Für November sind die
bodennahen Temperaturwerte im Umfeld dieses atmosphärischen Bollwerks jedoch
verhältnismäßig harmlos mit aktuellen Werten (06Z) von -5 bis -10 Grad auf der
warmen Flanke und -10 bis -20 Grad auf der von Kaltluftadvektion gefluteten
östlichen Flanke von ERIK. Bodenhoch und Höhenantizyklone bieten bis auf
Weiteres und vor allem während dieser Kurzfrist kein Durchkommen vom
atlantischen Sektor. Nun muss man sich das so vorstellen, dass ein fluides
System an ein Hindernis stößt und versucht seitlich (nach Nord und Süd)
auszuweichen. Das Resultat ist eine nahezu chaotische und sehr schwer
vorhersagbare Entwicklung mit unzähligen kleinräumigen Höhentiefs oder
Kaltlufttropen, flankiert von zahlreichen mehr oder weniger kräftigen
Keilachsen.

Etwas Abhilfe schafft ein Blick auf die Größe der EKE (eddy kinetic energy), die
deutlich einen Energietransfer aus einem kräftigen Tiefdruckgebiet (30 Grad W,45
Grad N) in Richtung Osten andeutet und somit direkt in einen über
Benelux/Westdeutschland/Ostfrankreich liegenden Höhentrog (und dort nach Süden
wegknickt). Dies erkennt man auch gut bei der Analyse der reinen divergenten
Windkomponente (ohne jegliche Rotation), dem sogenannten "irrotational wind".
Sie stellen grob den divergenten outflow des nordatlantischen Tiefs dar, das mit
Abbau der potentiellen Vorticity (PV) den Keil über Südwesteuropa stützt und
gleichzeitig des PV Gradienten an der Westflanke des mitteleuropäischen Troges
verschärft. Daraus resultiert eine Zunahme des NW-SO gerichteten geostrophischen
Windes und bezüglich der Lage zum Trog resultiert daraus eine anhaltende
Amplitudenvergrößerung in Richtung Mittelmeer. Oder um es kurz und knapp zu
sagen: ein Abtropfprozess wird in Richtung zentrales Mittelmeer initiiert.

Daraus entwickelt sich die Kurzfrist über neben dem russischen Bollwerk auch
noch eine Hoch-über-Tief Blockierungslage in Europa - mehr Blockierung geht
nicht mehr und das wird im IFS-ENS bei der Häufigkeit bestimmter Wetterregime im
Ensemble mit beeindruckenden 100% der Member durch die gesamte Kurzfrist
gestützt.


Aus der vergangenen Nacht starten wir nun recht trüb in den Dienstag. Die noch
über Deutschland zuletzt analysierte Okklusion ist frontogenetisch kaum mehr
auszumachen - die Reste nennenswerter niedertroposphärischer Konvergenz befinden
sich im Seegebiet vor Südnorwegen und auch im "Splitfenster" der Feuchte vom
ALPW Produkt (advehierte Schichtfeuchte des niederschlagbaren Wassers) ist die
Front nur noch sehr verwaschen auszumachen. Summa summarum bringen somit die
Reste dieses absterbenden Frontensystems eingangs des Tages viel Gewölk und im
Radar auch zahlreiche leichte Rückstreusignale. Wie schon gestern verhindern die
Reste der kontinentalen und trockenen Luftmasse im Osten, dass viel Niederschlag
am Boden ankommt (siehe Lindenberg und Greifswald im Bereich 900-700 hPa).
"Steter Tropfen höhlt den Stein" gilt auch hier, denn die beständige
Durchfeuchtung von oben sorgt mittlerweile auch im Osten für etwas Sprühregen,
sodass wohl nicht mehr viel von der trockenen Schicht übrig ist.

Ansonsten aber sind die nächtlichen Aufstiege gesättigt, sodass vielerorts aus
dem dichten Hochnebel etwas Nass fällt. Daran ändert sich auch den restlichen
Tag über wenig, was bei nur 20 bis 30 gpm Diskrepanz in 5 km Höhe vom
Niederrhein bis zur Oder nicht überrascht. Immer wieder fällt aus dichter, teils
hochnebelartiger Bewölkung unbedeutend Nass. Besonders im Süden (entlang und
südlich der Donau) könnte dank etwas mehr synoptisch skaligem Hebungsantriebs
peripher des Abtropfprozesses die Niederschlagsaktivität etwas angefacht werden,
12-std. Mengen fallen mit 4 bis 8 l/qm, am Alpenrand bis 10 l/qm jedoch auch
hier überschaubar aus.

Nennenswert ist vielleicht noch, dass es entlang der Alpen oberhalb von rund
1000 m etwas schneit, wobei der Übergangsbereich des Phasenwechsels je nach
Intensität und Talvolumen variiert (lokal auch um 900 m). Und in einigen Tälern
des Zittauer Gebirges und Erzgebirges kann punktuell etwas gefrierender
Niederschlag nicht ausgeschlossen werden, sollte aus der am Südrand des
Erzgebirges gestauten Kaltluft etwas "überschwappen bzw. abfließen". Allerdings
ist auch dieses Kaltluftpolster eher mau, sodass wohl keine Verlängerung der
Glättewarnung benötigt wird.

Nach Frühwerten von 0 oder 1 Grad im östlichen Bergland und 8 Grad im Ruhrgebiet
haben die Temperaturwerte keine Lust auf große Sprünge und steigen vielleicht
noch um 1 oder 2 Kelvin an.

Der Wind hat meist seine Arbeit eingestellt und kommt schwach aus variablen
Richtungen. Nur im Norden und Osten überwiegt eine östliche Komponente und dort
weht er zeitweise auch mäßig, im Küstenumfeld frisch.


In der Nacht zum Mittwoch ändert sich an dem trüben, regional etwas nassen
Wetter sehr wenig. Es bilden sich wieder vermehrt Dunst- und Bodennebelfelder,
entlang der Alpen schneit es noch etwas und die Temperaturwerte sacken wieder
etwas ab und liegen ausgangs der Nacht zwischen +6 Grad im Westen und -2 Grad im
östlichen Bergland (wo lokal etwas Glätte auftreten kann).

Mittwoch... deutet sich zwischen tiefem Geopotential im Norden und Süden sowie
höherem im Westen und Osten eine klassische Sattelpunktlage (COL)an. Die
Feuchtereste bleiben über Deutschland liegen und läuten einen weiteren, sehr
trüben Tag mit viel Gewölk und Hochnebel ein. Wenn überhaupt, dann wird die
Feuchte geringfügig nach Westen gedrückt, sodass besonders der Osten zunehmend
ohne Niederschlag durch den Tag kommen sollte. Ansonsten fällt hier und da
zeitweise etwas Sprühregen, in den Alpen oberhalb von 900 m einzelne Flocken und
das bei Maxima von 3 bis 5 Grad im Norden und Osten sowie 5 bis 8 Grad im
Westen. Dabei führt der schwache bis mäßige Wind mit seiner östlichen Komponente
im Norden und Osten für leichte Kaltluftadvektion und die vergleichsweise
gedämpften Maxima. Übrigens sackt die gefühlte Temperatur im Umfeld der Oder
sowie im östlichen Bergland zum späten Nachmittag allmählich auf -4 bis -7 Grad
ab - gefühlt wird es also winterlich.

In der Nacht zum Donnerstag ist die einzige Veränderung wieder eine Verdichtung
des Bodennebels sowie verbreitet leichter Frost im gesamten Süden und Osten von
Deutschland, während die Minima im Westen bei +4 bis +2 Grad verharren.
Ansonsten trüb, nur örtlich etwas Nass, sonst meist trocken. Ach ja, mit
steigendem Bodendruck nördlich von uns dreht nun landesweit die
Bodenwindkomponente auf Ost bis Nordost, jedoch weiterhin mit keinen
nennenswerten Windgeschwindigkeiten.

Donnerstag... , 1. Dezember, meteorologischer Winterbeginn. Und in der Tat, die
sich etablierende Anströmung erinnert an winterliche Lagen, denn mit weiter
steigendem Bodendruck nördlich von uns wird mit östlicher Strömung etwas kältere
Luft nach Deutschland geführt. Wobei, wenn man ehrlich ist, dann sinkt nur der
Feuchtegehalt der niedertroposphärischen Luftmasse (2m Taupunkte etc.), sodass
diese vor allem nachts effektiver auskühlen kann. Zudem können die Wolkenlücken
von Osten etwas vermehrt auftreten, worin sich die Numerik jedoch noch mehr als
uneins ist. Ansonsten also wieder vielerorts trüb, hier und da etwas Sprühregen,
zähe Bodennebelfelder aus der Nacht, Höchstwerte von Ost nach West zwischen 1
und 7 Grad, mäßiger Nordost- bis Ostwind. Es ist ja schon bekannt.

Für die Nacht zum Freitag bleibt noch zu sagen, dass abgesehen vom Westen
überall leichter Frost zu erwarten ist bei sonst unveränderten Bedingungen.


Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Die zum Beginn noch vorherrschende gute Übereinstimmung verschwimmt in der Folge
dank der mauen Druckgradienten, sodass zum Donnerstag unsicher ist, ob wir
zwischen mehreren, oder unter einem Kaltlufttropfen/Höhentief liegen. Die
Auswirkungen sind jedoch vorerst noch vernachlässigbar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy