DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-11-2022 18:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 26.11.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Überwiegend gradientarmes und zunehmend zyklonal geprägtes Endnovemberwetter.


Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... befindet sich Deutschland im Absinkbereich vorderseitig eines
umfangreichen Höhenrückens, der sich von der Iberischen Halbinsel - schöne
Früh-Grüße übrigens schon mal aus Spanien an unsere DFB-Giganten - über die
Nordsee und von dort nach Nordwesten abbiegend bis zur Grönlandsee erstreckt. Im
Laufe der Nacht wandert der Rücken langsam über den Vorhersageraum ostwärts,
wodurch die Höhenströmung in den westlichen Landesteilen von Nordwest auf
Südwest rückdreht. Das korrespondierende Bodenhoch FLORIAN, heute tagsüber dick
und bräsig mit über 1030 hPa über der Mitte und dem Süden des Landes
positioniert, verlagert seinen Schwerpunkt ebenfalls ein kleines Stück gen
Osten. Bereits heute Mittag hatte im Westen und Südwesten Druckfall eingesetzt,
der zwar (noch) nicht ausreicht, das antizyklonale Setup kaputtzumachen, wohl
aber andeutet, dass sich westlich von uns was tut auf der Tiefdruckschiene.
Konkret anzusprechen wäre in diesem Zusammenhang das Sturmtief YUKI, das heute
Abend mit 965 bis 970 hPa im Kern noch weit draußen auf dem Atlantik liegt (etwa
bei 30°W und 55°N), bis Sonntagmittag aber ins Seegebiet dicht südlich von
Island zieht. Das zugehörige okkludierende Frontensystem schwenkt heute Nacht
behutsam über UK hinweg in Richtung Nordsee. Trotzdem macht es sich bei uns
ebenso wie das Tief schon bemerkbar durch a) weit vorlaufende WLA mit hohen
Wolken (war tagsüber schon der Fall), gegen Morgen ersten mittelhohen Wolken und
b) einen anziehenden Gradienten insbesondere über der Nordsee. Dort frischt der
Südostwind bis zum Morgen auf, was vor allem auf Helgoland, weniger auf den
Nord- und Ostfriesischen Inseln sowie den Halligen die Wahrscheinlichkeit
steifer Böen 7 Bft ansteigen lässt.

Im größten Teil des Landes verläuft die Nacht windschwach mit den für diese
Jahreszeit und für diese Wetterlage typischen Grenzschichtphänomenen. Die
Inversion liegt ungefähr auf 950 hPa, teils sogar darunter, so dass die
Grundschicht nur wenige hundert Meter mächtig ist. Das reicht aber, um mit Hilfe
der nächtlichen Abkühlung den unsichtbaren Wasserdampf sichtbar zu machen -
vorausgesetzt, es liegen keine Wolken vor, die ja die Abkühlung verhindern. Mit
anderen Worten, dort, wo es längere Zeit klar ist, bildet sich recht verbreitet
Nebel mit Sichtweiten von z.T. unter 150 m. Dort, wo es längere Zeit klar ist,
tritt zudem leichter, in Alpennähe sowie in einigen süddeutschen
Mittelgebirgstälern auch mäßiger Frost auf. Hier und da kann es glatt werden
durch Reif oder gefrierende Nässe.

Sonntag ... marschiert der Rücken weiter in Richtung Osten, wobei er sich aber
gebührend Zeit lässt. Außerdem wird er ausgebremst von einem stationären Trog
über dem östlichen Mittel- respektive dem nahen Osteuropa. Das hindert auf der
anderen Seite den über dem nahen Atlantik positionierten Höhentrog aber nicht
daran, Boden gen europäischen Kontinent gutzumachen, so dass der Rücken unter
Verkürzung seiner Wellenlänge zusehends in die Zange genommen wird. Nun kann ein
schöner Rücken nicht nur entzücken, er kann auch äußerst stressresistent, ja
gewissermaßen resilient sein. Auch wenn ihm das Bodenhoch quasi unter den Füßen
weggezogen wird - den guten FLORIAN scheint es ins östliche Mitteleuropa zu
ziehen, wo er sich früher oder später dem kräftigen Hoch über Russland
anschließt -, lässt er sich nicht lumpen. Zumindest der Südosthälfte des Landes
beschert der Rücken einen antizyklonal geprägten ersten Advent, was zu dieser
Jahreszeit aber seine Tücken hat. Während sich in höheren Lagen sowie an den
Nordrändern der Mittelgebirge (z.T. auch noch etwas darüber hinaus; Stichwort
auflebender Südost- bis Südwind => Leeeffekte) die Sonne sehr gut in Szene
setzen kann und allenfalls von hohen Cirren geringfügig getrübt wird, bleibt es
in den Niederungen häufig längere Zeit oder sogar ganztägig neblig-trüb.

In der Nordwesthälfte machen sich dagegen zunehmend die Vorderseite des o.e.
atlantischen Troges sowie das immer näherkommende Frontensystem bemerkbar. Nach
wie vor ist WLA wirksam, die neben hohen nun vermehrt auch mittelhohe und später
tiefe Wolken aufziehen lässt. Noch vor dem Mittagessen dürften im Grenzbereich
zu Benelux die ersten Tropfen fallen, bevor sich der Regen am Nachmittag noch
etwas weiter nach Osten vorarbeitet. Zwischen Eifel und der Nordseeküste SHs
kommen bis zum Abend gebietsweise 1 bis 3, aber kaum mal 5 l/m² zusammen. Über
der Nordsee weht weiterhin ein lebhafter Süd-Südostwind, der die Küstenstriche
von Niedersachsen und Schleswig--Holstein sowie deren vorgelagerte Inseln aber
nur peripher mit Böen 7 Bft versorgt, so dass sich dort eine Windwarnung nicht
unbedingt aufdrängt. Lediglich auf Helgoland, der ehemaligen "Hochseeinsel",
dürfte die Frequenz von 7er-Böen so hoch sein (inkl. vereinzelter "8er"), dass
sie in Gelb eingefärbt wird. Dass auch der Brocken im Harz mit der einen oder
anderen stürmischen Böe 8 Bft auf untere Betriebstemperatur kommt, ist
eigentlich keiner Erwähnung wert. Mit Annäherung der Fronten (es lässt sich noch
ein schmaler Warmsektor erahnen) beginnt der Gradient über der Deutschen Bucht
ab dem Abend allmählich aufzuweichen.

Absinken und Advektion lassen die Temperatur auf 850 hPa gegenüber heute
deutlich ansteigen auf 0°C an der Oder und bis zu 7°C im Westen und Südwesten
(18 UTC). Dagegen zeigt der Trend im 2m-Niveau eher etwas nach unten. Dort
lautet die Spanne der Höchsttemperatur 5 bis 10°C, bei zähem Nebel/Hochnebel nur
0 bis 4°C.

In der Nacht zum Montag geht das Geopotenzial noch etwas zurück und auch der
Luftdruck fällt weiter. Trotzdem, sowohl der Trog als auch das vorgeschaltete
Frontensystem verbleiben aufgrund der starken Blockadewirkung des Russlandhochs
knapp westlich von uns, wobei bei der teilokkludierten Kaltfront eine flache
Welle im Bereich Ärmelkanal/Südostengland beim Bremsen mithilft. Trotz
reduzierter Progression breitet sich der Regen in der Nordhälfte weiter ostwärts
aus, wobei die Intensität allgemein etwas zunimmt. Im Nordwesten kommen
gebietsweise 5 bis 10 l/m², lokal auch etwas mehr innert 12 h zusammen,
wohingegen es von Ostthüringen/Erzgebirge bis hoch nach Mecklenburg-Vorpommern
ebenso wie in weiten Teilen Süddeutschlands weitgehend trocken bleibt. Während
der Wind auf der Nordsee immer schwächer wird, lebt er auf der Ostsee aus
Südosten kommend auf. Aufgrund der für weite Küstenabschnitte ablandigen
Windkomponente dürfte es aber nur an wenigen Stellen für 7er-Böen reichen, z.B.
auf Fehmarn oder Nordrügen.

Im Süden, schwerpunktmäßig im Südosten bildet sich wieder Nebel bzw. die Reste
vom Tag breiten sich aus. Außerdem geht die Temperatur im Süden und Südosten bei
Aufklaren auf 0 bis -4°C, in einigen Tälern der Alpen und des Bayerischen Waldes
auf -5°C oder etwas darunter zurück. Glätte durch Reif oder gefrierende Nässe
sind insbesondere auf Nebenstrecken obligatorisch, sicherlich aber nicht so
verbreitet, wie es unsere Warnkarte wahrscheinlich suggerieren wird.

Montag ... wird der Höhenrücken immer mehr zusammengequetscht. Nach Osten kommt
er nicht weiter wegen des stationären Höhentrogs und von Westen drückt noch
immer der atlantische Höhentrog. Dem wird das Ganze aber allmählich zu bunt, so
dass er sich mehr und mehr gen Süd orientiert, sprich, seine Amplitude in
Richtung westliches Mittelmeer und Algerien ausweitet, was auf eine
bevorstehende Abtropfung hindeutet. Wie auch immer und damit zurück zum Rücken,
der sich zur Mittagszeit als dünner, aber sehr lang gezogener Schlauch
präsentiert, dessen Achse auf 300 hPa etwa vom Golf von Gabes vor Tunesien über
Mittelitalien und entlang der deutsch-polnischen Grenze (Glückwunsch an unsere
östlichen Nachbarn zum 2:0-Erfolg über Argentinienbezwinger Saudi-Arabien) bis
hoch nach Lappland reicht. Unter dem Strich also ein stark meridional geprägtes
und alles andere als dynamisch geprägtes Potenzialkonstrukt, das bei uns für
einen ruhigen Start in die Monats- und Jahreszeitenwechselwoche (am Mittwoch
endet neben dem November auch der meteorologische Herbst) sorgt.

Auf der Bodenwetterkarte ist das Setup in Deutschland eher zyklonal geprägt.
Zwar wird es die teilokkludierte Kaltfront wohl nicht mehr bis zu uns schaffen,
dafür dehnt sich der gewaltige Bodentrog des zur Grönlandsee ziehenden Tiefs
YUKI bis ins westliche Mitteleuropa aus. Folglich präsentiert sich das Wetter
ziemlich wolkenreich, zeitweise regnet es. Wo genau wie viel und wie lange lässt
sich Stand Samstagabend nur schwer beantworten, weil die Synoptik klare
Strukturen vermissen lässt, was offensichtlich nicht nur den Meteorologen,
sondern auch der Numerik Rätsel aufgibt. Jedenfalls simuliert jedes Modell die
Niederschlagsverteilung etwas anders. Immerhin lässt sich dahingehend eine
weitgehende Gemeinsamkeit detektieren, dass es wohl zwischen Erzgebirge und
Vorpommern sowie in Teilen der Mitte weitgehend trocken bleibt.

An der Windsituation auf der Ostsee ändert sich wenig und vielleicht kommt im
südlichen Sachsen der Böhmische Wind etwas in Fahrt. Ansonsten spielt der aus
Ost bis Süd kommende Wind keine große Rolle. Temperaturmäßig stehen Höchstwerte
von 3 bis 9°C auf der Karte. An Rhein und Ruhr lokal vielleicht 10°C, in
Südostbayern dafür lokal vielleicht nur 1 der 2°C.

In der Nacht zum Dienstag ändert sich wenig an der eingefahrenen Wetterlage, die
mehr oder weniger lustlos vor sich hinplätschert. Dabei kommt es zu weiteren,
überwiegend leichten und relativ unstrukturierten Niederschlägen. Da T850 auf +2
bis -1°C sinkt, mischt sich in den höchsten Mittelgebirgslagen etwas Schnee
unter den Regen. In den Alpen sinkt die Schneefallgrenze auf 1300 bis 1000 m, so
dass darüber ein paar wenige Zentimeter Neuschnee fallen. Weitgehend trocken
bleibt es sehr wahrscheinlich zwischen Sachsen und MV, während die Prognose für
den ostbayerischen Mittelgebirgsraum noch unsicher ist. Sollte nämlich der Regen
bis dorthin kommen und zuvor die Temperatur in den leichten Frostbereich
zurückgehen, könnte zumindest lokal und kurzzeitig auch mal die Glatteisphase am
Start sein. Zugegeben, ein derzeit noch sehr konjunktivlastiges Szenario, das
man aber nicht ganz aus dem Sinn verlieren sollte.

Ansonsten gilt es nur noch festzuhalten, dass sich leichter Frost im
Wesentlichen auf den Osten beschränkt, dass der Wind auf der Ostsee langsam
nachlässt und dass im Falle längeren Aufklarens (wahrscheinlich nur gebietsweise
der Fall) Nebel droht.

Dienstag ... schiebt sich der inzwischen unweit von Tunesien abgetropfte und
inzwischen zu einem schmalen "Würstchen" degradierte atlantische Höhentrog in
die Westhälfte unseres Landes. Derweil findet man nach Osten hin unter Einsatz
von Lupe und Potenzialmikroskop noch immer infinitesimal anmutende Rudimente des
ehemalig so stolzen Rückens. Summa summarum ergibt sich daraus über Deutschland
eine äußerst flaue Strömungskonfiguration, die in Bodennähe keinen Deut besser
ist. Einzig im Nordosten, wo am Rande des sich über Nordeuropa etwas nach Westen
ausdehnenden Russlandhochs etwas Gradient gegeben ist, kommt der Südostwind
mäßig in Schwung. Dabei wird - und das ist das eigentlich Interessante - langsam
aber sicher aus dem Hoch ausfließende Kaltluft herangeführt, die die Temperatur
in weiten Teilen Ost- und Nordostdeutschlands nicht mehr über 5°C (aber noch
über 0°C) steigen lässt. Nicht groß anders ergeht es dem Freistaat im Südosten
der Republik, wo die 5°C-Hürde in den meisten Regionen ebenfalls nicht oder nur
mit Mühe überschritten wird (die besten Hürdenläufer haben diesbezüglich die
Unterfranken). Je weiter westlich, desto höher die Temperatur, wobei bei 9°C
beispielsweise im Rheinland das Ende der Fahnenstange erreicht ist.

Kurz noch ein, zwei Sätze zum Wetter, das weiterhin von reichlich Gewölk und
zeitweiligen Niederschlägen geprägt ist. Was deren räumliche Verteilung angeht,
bestehen weiterhin Modelldiskrepanzen. Für den Nordosten deutet bei aller
gebotenen Vorsicht aber Vieles auf einen zumindest weitgehend trockenen
Wettercharakter hin. Interessant wird zunehmend die Frage nach dem
Aggregatzustand der Niederschläge, sinkt doch die 850-hPa-Temperatur
kontinuierlich in den negativen Bereich. Anders ausgedrückt, die Schneephase
könnte zumindest im höheren Bergland wieder etwas mehr in den Blickpunkt
geraten, auch wenn es für Details allein schon wegen der heterogenen
Niederschlagsprognosen noch zu früh ist.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend sehr ähnlich simuliert, was der
beschriebenen Entwicklung einen sehr soliden Sockel beschert. Dass bei
tendenziell gradientschwachen Bedingungen ohne klare synoptische Strukturen die
Niederschlagsprognose ein dickes Brett für die Numerik darstellt, ist nicht neu.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann