DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-11-2022 09:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 25.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Ww (Winkelwest), am Wochenende kurzzeitig HM (Hoch Mitteleuropa)

Heute Passage einer flauen Okklusion mit etwas Regen und ab dem Abend in den
Alpen Schneefall. Am Wochenende dann FLORIAN, das kleine Hoch.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... the black one verbringt Deutschland am nördlichen Rand der über
Europa nur mäßig ausgeprägten und flatternden Frontalzone, in der sich
kurzwellige Tröge und Rücken abwechselnd die Klinke in die Hand geben. Aktuell
ist gerade ein Rücken dabei, den Vorhersageraum ostwärts zu überqueren. Ihm
folgt ein relativ breit angelegter, leicht positiv (also nach Südwesten)
geneigter Höhentrog, dem eine Okklusion vorgeschaltet ist. Sie gehört zu einem
kleinen Tief mit dem Namen XANA, das vergangene Nacht mit einem Kerndruck von
etwas unter 980 hPa knapp nord-nordwestlich von Schottland gesichtet wurde.
Dieses Tief wird in den nächsten Stunden gen Norden steuern und sich dabei nur
zögernd auffüllen. Wichtiger für uns ist aber die Okklusion, die durch ein
schmales und fraktales, im Wesentlichen durch frontale Querzirkulation und einem
kleinen PVA-Maximum ausgelösten Regenband markiert wird. Das Regenband hat mit
Stundensummen von maximal 2-3 l/m² in den frühen Morgenstunden die westlichen
Landesteile erreicht. Es wird im Laufe des Tages ostwärts über uns hinweg
marschieren und dabei etwas Intensität einbüßen bzw. noch weiter ausfransen. Der
Grund dafür liegt am nachfolgenden Trog, bei dem sich der Südteil in Richtung
westliches Mittelmeer verabschiedet, was auf Kosten des nördlichen Residuums
geht. Das verliert nämlich an Krümmung und Amplitude, was wiederum das
vorderseitige PVA-Maximum schwächt. Lange Rede, kurzer Sinn, akkumuliert über
den Tag regnet es in weiten Landesteilen mal mehr, mal weniger, selten aber über
5 l/qm² in Summe. Z.T. reicht es nicht mal für wenige Zehntel Millimeter und
Richtung Oder und Neiße sowie im äußersten Südosten Oberbayerns bleibt es bis
zum Abend wahrscheinlich noch gänzlich trocken.

Im Osten und Südosten hat man zunächst aus ganz andere Probleme, hat sich doch
verbreitet teils dichter Nebel gebildet. Zwar ist davon auszugehen, dass sich
die Sichtweite bis zum Mittag peu a peu bessert. Gleichwohl wird es an der eine
oder anderen Stelle ein zähes Ringen, die Grauschleier zu tilgen, so dass einige
Warnungen in bester WM-Manier reichlich Nachspielzeit bekommen und entsprechend
verlängert werden. Wenn es dann irgendwann passiert ist, dass sich der Nebel
auflöst hat, wird z.T. schon frontale Bewölkung drüberliegen, so dass die Sonne
vielfach nicht so richtig zum Zuge kommt. Immerhin gibt es aber Andeutungen
seitens der Numerik, dass von Sachsen bis zur Niederlausitz sowie am östlichen
Alpenrand Chancen für Auflockerungen oder gar einige sonnige Abschnitte gegeben
sind.

Die gibt es übrigens auch im postfrontalen Westen des Landes, wo mit Winddrehung
von S-SE auf SW-W eine Portion maritim erwärmter Subpolarluft advehiert wird
(T850 um 0°C). Und da mit dem Trog gleichzeitig in höheren Luftschichten solide
Kaltluft herangeführt wird (T500 bis zu -30°C), verwundert es nicht, dass sich
in der frischen Meeresluft einzelne Schauer entwickeln, die am Nachmittag und
Abend über und an der Nordsee (SH eher als NDS) gar zu einzelnen kurzen
Gewittern heranwachsen können (skinny CAPE bis etwa 600/550 hPa). Das z.T. noch
zweistellig temperierte Oberflächenwasser gepaart mit Höhenkaltluft setzt den
diabatischen Motor in Gang. Außerdem folgt hinter der Front ein vor allem im
Nordwesten ausgeprägter Bodentrog mit Windkonvergenz, der einen produktiven
Beitrag zur Bildung kurzer Gewitter leisten könnte. Bei den Begleiterscheinungen
dürfte es aber über Böen der Stärke 6 bis 7 Bft nicht hinausgehen.

Apropos Wind, der hat heute Morgen und am Vormittag sein gradient-getriggertes
Maximum über der Nordsee, wo wahrscheinlich aber nur Helgoland und vielleicht
noch die Nordfriesischen Inseln bzw. die Halligen vereinzelte 7er-Böen
abbekommen. Ansonsten weht es am ehesten noch auf den Schwarzwaldhöhen sowie auf
dem Brocken, mehr als eine in diesen Höhen zum Standardrepertoire gehörende "8"
ist aber nicht drin.
Kurz noch ein Satz zur Temperatur, die heute im äußersten Osten teilweise bei
5°C hängenbleibt, während es nach Westen hin für 11 oder sogar 12°C in der
Spitze reicht.

In der Nacht zum Samstag erreicht das Trogresiduum den Osten und Südosten des
Landes, während der besser ausgeprägte Südteil Korsika und Sardinien ansteuert
und über dem Tyrrhenischen Meer eine mehr als solide Zyklogenese anstößt. Bei
uns wird die Okklusion mehr und mehr nach Osten durchgedrückt, wobei sie nicht
nur gegen das blockierende Russlandhoch im Speziellen, sondern auch ums
Überleben im Allgemeinen ankämpft. Gerade in ihrem Nordteil wird ihr das aber
wohl gelingen, was u.a. daran zu erkennen ist, dass es im Osten und Nordosten
zeitweise regnet (< 5 l/m² innert 12 h). Niederschlag fällt auch im Süden und
Südosten, obwohl von Frankreich her schon am Tage beginnend der Luftdruck
mächtig steigt auf bis zu 1030 hPa im Süden BaWüs. Vor allem
niedertroposphärisch stellt sich schon in den Abendstunden eine Nordwestströmung
ein, die an den Alpen für Stau sorgt. Bei kontinuierlich auf bis zu -2°C
sinkender 850-hPa-Temperatur sinkt auch die Schneefallgrenze auf je nach
Intensität des Niederschlags auf rund 1000 m. Und da das Ganze etwa bis
Samstagmittag andauert, kann ab heute Abend oberhalb etwa 1000 bis 1300 m mit 5
bis 10, in Staulagen bis zu 15 cm Neuschnee gerechnet werden.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass nicht nur der Luftdruck steigt, sondern
auch das Geopotenzial. Vorderseitig einer neuerlich einsetzenden Austrogung über
dem Ostatlantik wölbt sich über Westeuropa ein weiterer Rücken auf, der etwas
Substanz aufweist als das Modelle, das uns gerade passiert. Zwar bleibt der
Rücken noch westlich von uns (was übrigens ein Drehen der Höhenströmung auf
glatt Nord zur Folge hat), das vorderseitige Absinken macht sich nach Westen hin
schon bemerkbar. Die Luftmasse trocknet von oben her mehr und mehr ab, was
weitere Wolkenauflockerungen zur Folge hat. Da aber der Wind komplett in die
Knie geht und die Grundschicht durch den heutigen Regen ausreichend angefeuchtet
ist, bildet sich vornehmlich im Südwesten, teils aber auch in der Mitte Nebel
(mit geringer Wahrscheinlichkeit reicht es auch in SH für einige Nebelfelder).
Frost hingegen ist in der kommenden Nacht so gut wie kein Thema, weil
vereinfacht gesagt im Westen die Luftmasse zu mild ist und im Osten zu viele
Wolken am Start sind.

Samstag... rückt der Höhenrücken unter weiterer Amplifizierung immer weiter an
den Vorhersageraum heran. Am Abend reicht seine leicht gebogene Achse von der
Iberischen Halbinsel über Frankreich und die Nordsee hinweg bis hoch zur
Ostgrönlandsee. Für uns bedeutet das tagsüber noch eine glatte bis leicht
antizyklonal konturierte nördliche Höhenströmung, in der weiterhin Absinken
Trumpf ist. Bemerkbar macht sich das vor allem am Luftdruck, der noch etwas
ansteigt und im Süden eine eigenständige Hochparzelle (Gott zum Gruße FLORIAN)
mit etwas über 1030 hPa hervorbringt. Absinken hin, FLORIAN her, obwohl alles
auf Hochdruckeinfluss gestellt zu sein scheint, hat das morgige Wetter doch so
seine Tücken.

Zunächst in den Osten und Südosten, wo sich die Reste des Trogresiduums und der
Okklusion nur sehr unwillig verdrängen lassen. Entsprechend bleibt es über weite
Strecken des Tages stark bewölkt bis bedeckt und besonders am Vormittag, im
Bereich der deutsch-polnischen Grenze vielleicht auch noch am Nachmittag, fällt
etwas schauerartiger Regen. Auch an den Alpen dauert es seine Zeit, bis die
Stauniederschläge schwächer werden und sich erst im Laufe des Nachmittags und
des Abends endgültig in Richtung Österreich verabschieden.
Für den großen Rest des Landes gilt es zu berichten, dass sich entweder noch
viele tiefe Restwolken aus der Ägide der Okklusion halten oder Nebel respektive
Hochnebel für ein trübes Ambiente sorgen. Die Sonne jedenfalls tut sich schwer,
dagegen anzustinken, wenn man mal von einigen morgendlichen bzw. vormittäglichen
"Glückslöchern" in der Wolkendecke absieht. Im Tagesverlauf könnten sich mit
Hilfe des etwas auflebenden Ost- bis Südwindes im Südwesten und Westen
insbesondere im Lee der Mittelgebirge sowie im Hochschwarzwald größere Lücken
auftun. Temperaturmäßig liegen wir meist zwischen 5 und 11°C, Letztere am
ehesten am Niederrhein.

In der Nacht zum Sonntag erreicht der Höhenrücken nun auch den Vorhersageraum.
Im Bodendruckfeld bleibt die 1030-hPa-Parzelle FLORIAN mitten über Deutschland
liegen, was eine windschwache Nacht zur Folge hat. Ausnahme bildet die Deutsche
Bucht, wo zwischen dem Hoch und einer Sturmtiefentwicklung über dem Ostatlantik
der Gradient anzieht und den Süd-Südostwind aufleben lässt. Ob es auf Helgoland
schon für Böen 7 Bft reicht, muss abgewartet werden. Sicherer als die
Windprognose für die Lange Anna ist die Vorhersage teils dichten Nebels, der
sich mit Ausnahme des Westens und Nordwestens (dort hohe, vielleicht auch schon
mittelhohe Wolken vorderseitig eines neuen okkludierenden Frontensystems über
Westeuropa) ausbreitet respektive bildet. In der Südhälfte geht die Temperatur
bei anfänglichem Aufklaren rasch in den leichten, in einigen Alpen- und
Mittelgebirgstälern lokal mäßigen Frostbereich zurück. Hier und da wird es glatt
durch Reif oder gefrierende Nässe.

Sonntag... wandert der weiterhin leicht nach Südwesten zurückhängende Rücken
langsam über Deutschland hinweg ostwärts. Am Abend reicht seine Achse bei uns
etwa von der Lübecker Bucht bis hinunter zum Bodensee, was für den Westen und
Nordwesten ein Rückdrehen der Höhenströmung auf Südwest zur Folge hat. Das
bedeutet gleichzeitig, dass diese Regionen auf der äußersten Vorderseite des
Höhentrogs über dem nahen Atlantik angekommen sind. Bemerkbar macht sich die
Trogvorderseite auch durch die Annäherung des o.e. okkludierenden
Frontensystems, das nicht zuletzt wegen der Blockadewirkung durch ein kräftiges
Hoch über Russland aber noch außen vor bleibt. Trotzdem, vorlaufende WLA sorgt
für Nachschub hoher und mittelhoher, später ganz im Westen dann auch tiefer
Bewölkung und zwischen RP/Saarland und Nordsee könnte es am Nachmittag und Abend
etwas regnen (IFS lässt den Regen gar bis nach Südniedersachsen und Nordhessen
vorankommen, was allerdings die progressivste Variante darstellt). Fakt ist,
dass der Süd-Südostwind über der Deutschen Bucht prominent unterwegs bleibt,
wohl aber nur Helgoland 7er-Böen abbekommt.

Im großen Rest des Landes fängt der Luftdruck zwar an zu fallen und sich der
Schwerpunkt des Hochs gen Osten zu verlagern. Trotzdem bleibt das Geschehen noch
weitgehend antizyklonal geprägt, was neben zähem (und im Süden gebietsweise sich
gar nicht auflösenden) Nebel und Hochnebel sowie einigen Wolken auch sonnige
Areale zur Folge hat. Die besten Chancen auf Sonne haben wegen der niedrig
liegenden Inversion die Hochlagen Süddeutschlands sowie windbedingt die
Nordränder vor allem der östlichen und zentralen Mittelgebirge.
Obwohl T850 absinkbedingt, z.T. aber auch advektiv ansteigt (im Südwesten auf
bis zu +6°C), wird man in den Niederungen der Jahreszeit und der Großwetterlage
entsprechend nichts davon merken. Im Gegenteil, der Trend geht eher etwas nach
unten. Zweistellige Werte im unteren Bereich werden weniger - am ehesten
punktuell noch im Westen -, dafür bleibt die Temperatur im Dauer(hoch)nebel
teilweise bei 0°C hängen.

Kurz noch zwei, drei Bemerkungen zur Nacht auf Montag. Der Rücken wird unter
Verkürzung seiner Wellenlänge und deutlicher Abschwächung in den äußersten Osten
und Südosten abgeschoben, wo er quasi durch den stationären Trog über dem
östlichen ME bzw. dem nahen Osteuropa und dem von Westen vorrückenden
Atlantiktrog in die Zange genommen wird. Entsprechend kann auch das
Frontensystem weiter Boden nach Osten hin gut machen, was dem Westen und
Nordwesten stratiforme Regenfälle beschert. Hinsichtlich Intensität und genauer
räumlicher Verteilung herrscht allerdings noch kein Konsens unter den Modellen -
ein bei Blockadelage häufig beobachtetes Phänomen. Tatsache ist, dass sich die
Luft präfrontal vornehmlich im Süden, bedingt aber auch im Osten bis in den
Frostbereich abkühlt (Mittelgebirge örtlich mäßiger Frost). Außerdem bildet sich
wieder Nebel bzw. breitet sich der Tagesnebel wieder aus. Ob es im
Übergangsbereich von der Frostluft zum sich annähernden Regengebiet irgendwo für
"rote Schlangen" reicht, wie von ICON angedeutet, muss abgewartet werden. ICON
scheint hier sehr offensiv mit der räumlichen Ausdehnung des Niederschlags
umzugehen, was bei Blockade nicht selten in eine Niederlage führt. Die droht am
Sonntagabend auch der defensiv so überragend agierenden deutschen
Nationalmannschaft im Spiel gegen "Lieblingsgegner" Spanien, aber das ist ein
ganz anderes Thema.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grunde zeigen alle sich auf dem Prüfstand befindlichen Modelle die gleichen
Muster. Dass trotzdem Unschärfen und kleinere Abweichungen auftreten, wurde im
Text hinreichend erörtert.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann