DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-11-2022 08:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 22.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TB, Übergang zu WW bzw. SWz
Unbeständig mit zeitweiligen Niederschlägen, an den Alpen heute noch bis unter
1000 m Schnee, aber ohne signifikante Mengen. Auch nach Osten zu allmählich
milder, Donnerstagfrüh an der Grenze zu Polen nochmals Glatteis möglich.
In den Bergen und an den Küsten zeitweise windig, in einigen Hochlagen
stürmische Böen bzw. Sturmböen.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... vollzieht sich über dem Norden bzw. der Mitte Italiens und über der
Adria eine bemerkenswerte Tiefdruckentwicklung, die in dieser Region für
ordentlich "Bambule" in Form sehr ergiebiger Niederschläge (in höheren Lagen der
Südalpen als Schnee) sorgen dürfte.
Ursächlich dafür verantwortlich ist ein mit mehreren kleineren Drehzentren
ausgestatteter Höhentrogkomplex, der von Frankreich und dem Osten der Britischen
Inseln über die Nordsee bis nach Südskandinavien reicht. An dessen Südflanke ist
ein markanter Randtrog in den westlichen Mittelmeerraum vorgedrungen, auf dessen
Vorderseite die oben erwähne Zyklogenese in Gang gekommen ist. Im Tagesverlauf
weist dieses Tief vorübergehend einen Kerndruck von etwa 985 hPa auf und zieht
bis zum Abend allmählich zur nördlichen Adria.
Das Vorhersagegebiet wird von diesem Tief sprichwörtlich lediglich am Rande
tangiert, greifen doch die Aufgleitniederschläge an dessen Nordflanke
abgeschwächt auch auf die Nordalpen über. Somit regnet es im äußersten Süden und
Südosten Bayerns bis weit in die kommende Nacht hinein, am östlichen Alpenrand
auch bis Mittwochvormittag, aber ohne markante Mengen (meist 10 bis 20 l/qm in
18 bis 24 Stunden). In den höheren Lagen, vorübergehend auch bis etwa 800 m
herab, fällt Schnee mit bis zu 15 cm, nach Osten zu um 25 cm Neuschnee in höher
gelegenen Staulagen.
Ansonsten befindet sich das Vorhersagegebiet vorderseitig eines weiteren
Randtroges, der durch den Trogvorstoß in den Mittelmeerraum an Kontur verliert
und bis zum Abend vom Ostausgang des Ärmelkanals zum Seegebiet Fischer zieht,
unterhalb einer vorübergehend etwas aufsteilenden südwestlichen Höhenströmung.
Die Trogachse greift in den Abendstunden auf den Westen des Landes über.
Im Bodenfeld korrespondiert der Trog mit einem Tief vor der englischen
Nordseeküste, welches nur wenig Verlagerungstendenz nach Ostnordost zeigt, sich
aber langsam auffüllt. Von ihm ausgehend erstreckt sich ein okkludiertes
Frontensystem über Benelux und die Mitte des Vorhersagegebietes hinweg
südostwärts. Nordöstlich davon gelangt mit südöstlichen Winden nach wie vor
kalte Festlandsluft in den Norden und Osten des Vorhersagegebietes, während sich
im Südwesten bereits mildere Meeresluft (maritim erwärmte Subpolarluft)
durchgesetzt hat. Im Tagesverlauf kommt das Frontensystem aufgrund der nach wie
vor vorhandenen Blockadewirkung eines umfangreichen Hochdruckgebietes über dem
Norden bzw. Nordosten Europas nur noch schleppend nach Nordosten bzw. Osten
voran. Aktuell gibt es mit Frontpassage bzw. präfrontal leichte Niederschläge,
die sich aber unter Einbeziehung der trockeneren Festlandsluft sowie mit
nachlassendem Hebungsantrieb mehr und mehr abklingen. Auf der "kalten Seite" der
Front steigen die Temperaturen nur allmählich auf Werte um oder knapp über 0
Grad, so dass in den kommenden Stunden vor allem in einem Streifen von
Schleswig-Holstein über das östliche Niedersachsen, Westmecklenburg und
Sachsen-Anhalt bis nach Sachsen bzw. in den Osten Bayerns noch gebietsweise
Regen mit Glatteisbildung auftreten kann. Nach Osten zu kann auch etwas Schnee
fallen. Im Laufe des Vormittags dürfte sich das Thema Glatteis aber erledigt
haben, zumindest die Belagstemperaturen steigen dann, abgesehen von einigen
Mittelgebirgslagen, rasch auf Werte über den Gefrierpunkt.
Nach Osten zu, von Vorpommern bis nach Ostsachsen, kommt vom Regen bzw. Schnee
gar nichts mehr an, dort bleibt es trocken.
Im Westen und Südwesten beginnt der Tag dagegen meist trocken und die Wolken
können sogar etwas auflockern. Mit Annäherung der Trogachse und einer damit
einhergehenden Labilisierung der Luftmasse (-26 bis -30 Grad in 500 hPa, um 0
Grad in 850 hPa) lebt aber im Tagesverlauf von Westen her die Schauertätigkeit
auf. Allzu ergiebig fallen diese Schauer aber nicht aus und auch die
Wahrscheinlichkeit für vereinzelte Gewitter bleibt gering, wenngleich man sie
nicht komplett ausschließen sollte.
Von Warnrelevanz bleibt aber der Wind. Der lebt mit Annäherung des Tiefs und
einer damit einhergehenden Gradientverschärfung sogar vorübergehend noch ein
wenig auf, vor allem im Westen. Über der Nordsee, an auflandigen
Küstenabschnitten, in windanfälligen Lagen auch im Binnenland gibt es steife
Böen aus Südost bis Süd, später mehr auf Südsüdwest drehend. In den Kamm- und
Gipfellagen einiger Mittelgebirge reicht es auch für stürmische Böen, auf dem
Brocken für einzelne Sturmböen. Spätnachmittags und abends flaut der Wind dann
aber auch schon wieder etwas ab.
Die Sonne zeigt sich höchstens sporadisch, am ehesten im Westen, und die
Temperaturen steigen im Osten bzw. Nordosten lediglich auf 0 bis 4 Grad,
ansonsten aber auf 4 bis 9 Grad, entlang und westlich des Rheins sogar bis etwa
11 Grad.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt der Höhentrog ost- bzw. nordostwärts, wobei
er vor allem nach Süden zu deutlich an Kontur verliert und mit seinem Nordteil
morgens das Skagerrak erreicht. Derweil findet über dem Ostatlantik westlich der
Britischen Inseln ein markanter Trogvorstoß statt, so dass sich der gesamte
vorgelagerte Höhentrogkomplex auffüllt.
Das Bodentief über der Nordsee zieht allmählich nordwärts, füllt sich aber
komplett auf, übrig bleibt ein nach Norddeutschland gerichteter Bodentrog, der
morgens Schleswig-Holstein bzw. die vorpommersche Ostseeküste erreicht. Im
Bereich des allmählich abziehenden Troges gibt es vor allem von NRW über
Niedersachsen bis nach Schleswig-Holstein noch einzelne Schauer, die sich aber
innerhalb der sich mit beginnender WLA stabilisierenden unteren Troposphäre
allmählich abklingen bzw. zumindest ihren konvektiven Charakter verlieren. Auch
im Südosten des Landes klingen die Niederschläge mit Auffüllen des Tiefs über
der Adria allmählich ab, dauern aber vor allem am östlichen Alpenrand noch - wie
bereits weiter oben erwähnt - bis Mittwochvormittag an.
Der Gradient fächert weiter auf, so dass es wohl lediglich in höheren Lagen noch
für einzelne steife bis stürmische Böen reicht.
Vor allem von Baden-Württemberg über Franken bis in die Osthälfte bekommt die
Wolkendecke auch mal größere Lücken, so dass sich Nebel bilden kann. Leichter
Frost tritt am ehesten in der Osthälfte sowie in einigen Mittelgebirgslagen auf.
Vor allem im Bergland kann es dabei stellenweise auch Glätte durch Überfrieren
geben.


Mittwoch... verlagert sich an der Südflanke des inzwischen hochreichenden und
zentralsteuernden Tiefdruckgebietes westnordwestlich der Britischen Inseln ein
markanter und zunehmend negativ geneigter Kurzwellentrog rasch über die
Britischen Inseln und Frankreich hinweg ostwärts und erreicht abends bereits den
äußersten Westen bzw. Südwesten Deutschlands. Das korrespondierende okkludierte
Frontensystem erreicht am späten Nachmittag bzw. Abend ebenfalls den Westen des
Landes. Im Vorfeld setzen mit recht markanter WLA, die noch durch etwas
trogvorderseitige PVA gestützt wird, im Laufe des Nachmittags Regenfälle ein,
die bis zum Abend modellübergreifend in etwa eine Linie Emsland-Bodensee
erreichen. Die Mengen bleiben allerdings mit etwa 1 bis 7 l/qm überschaubar.
Im Rest des Landes bleibt es - nach Abklingen der letzten Niederschläge im
Südosten Bayerns bzw. nach Abzug der Schauer ganz im Norden - weitestgehend
trocken, wobei sich vor allem südlich der Donau sowie vom Thüringer Becken bis
nach Ostsachsen auch mal länger die Sonne durchsetzen kann.
Mit Annäherung der Okklusion geht erneut eine Gradientverschärfung einher. In
den Kamm- und Gipfellagen der west- und südwestdeutschen sowie der zentralen
Mittelgebirge gibt es im Tagesverlauf stürmische Böen, auf dem Brocken auch
Sturmböen aus meist südlichen Richtungen. An einigen Mittelgebirgsnordrändern,
insbesondere im Westen, sowie über der Nordsee ist mit steifen, über der offenen
Nordsee vorübergehend auch mit stürmischen Böen zu rechnen.
Insgesamt wird nun auch im Osten die Kaltluft weitestgehend verdrängt, Frost und
Glätte spielen tagsüber keine Rolle mehr. Es wird überall etwas milder als am
Vortag, im Nordosten liegen die Höchstwerte zwischen 4 und 8 Grad, sonst
zwischen 7 und 12 Grad, mit den höchsten Werten am Rhein.

In der Nacht zum Donnerstag überquert der Kurzwellentrog unter deutlichem
Konturverlust das Vorhersagegebiet ostnordostwärts, weitere kurzwellige Anteile
greifen im Laufe der Nacht auf den Westen und Südwesten des Landes über.
Die Okklusion kommt ebenfalls nach Nordosten voran, wobei die Niederschläge an
Intensität verlieren. Sie erreichen morgens das deutsch-polnische Grenzgebiet,
wo es - ebenso wie in der Lausitz, in einigen Erzgebirgstälern und im
ostbayerischen Mittelgebirgsraum - nochmals stellenweise für Glatteis reichen
könnte. Ansonsten bleibt es aber frostfrei und Schnee gibt es höchstens auf
einigen Mittelgebirgsgipfeln bzw. oberhalb von etwa 900 bis 1300 m.
Nach Frontpassage klingen die Niederschläge vorübergehend ab, vor allem im
Westen und Südwesten lebt aber mit Übergreifen der kurzwelligen Troganteile und
einer damit einhergehenden Labilisierung der Luftmasse (-29 Grad in 500 hPa bei
etwa 0 Grad in 850 hPa) die Schauertätigkeit erneut auf.
Der Wind dreht mit Frontpassage auf Südwest, wobei es in einigen Kamm- und
Gipfellagen und zunehmend auch auf den Alpengipfeln weiterhin stürmische Böen
bzw. Sturmböen gibt. Mit Frontpassage kann es auch in freien Lagen im Flachland,
insbesondere im Alpenvorland, steife Böen geben, ebenso über der Nordsee.

Donnerstag... ziehen die kurzwelligen Troganteile ostnordostwärts ab, gefolgt
von einem Höhenkeil, der sich - gestützt durch WLA vorderseitig des auf die
Britischen Inseln übergreifenden Höhentroges - westlich von uns aufwölbt und am
Nachmittag bzw. Abend den Westen des Landes erreicht.
Im Bodenfeld zieht die Okklusion bereits am Vormittag nordostwärts ab und von
Westen her setzt mit Annäherung des Keils Druckanstieg ein, wobei sich ein
Bodenhochkeil über Süddeutschland etabliert. Dabei fächert der Gradient
zunehmend auf und der Wind lässt im Tagesverlauf nach, vor allem in den Kamm-
und Gipfellagen der südwestdeutschen Mittelgebirge und der Alpen kann es anfangs
aber noch stürmische Böen bzw. Sturmböen geben.
Mit der Okklusion ziehen auch die Niederschläge nach Osten ab, vor allem im
Südosten dauert das aber noch bis in den Nachmittag hinein. Schnee fällt dabei
aber wohl nur oberhalb von etwa 1000 bis 1300 m und auch die Glättesituation im
Osten sollte sich am Vormittag rasch entspannen.
Mit Durchschwenken des Höhentroges kann es bevorzugt im Süden und in der Mitte
noch einzelne Schauer geben, die aber ebenfalls im Tagesverlauf abklingen. Vor
allem im Westen und Südwesten kann sich dann gebietsweise die Sonne durchsetzen.
Die Temperatur in 850 hPa steigt nach Osten zu nur auf etwa -1 Grad, im Westen
aber bereits auf 3 bis 4 Grad, entsprechend bleibt es mit Höchstwerten zwischen
4 Grad an Oder und Neiße bzw. 12, vielleicht 13 Grad am Rhein recht mild.

In der Nacht zum Freitag überquert die Achse des westeuropäischen Höhentroges
die Britischen Inseln ostwärts, wodurch auch der Höhenkeil über das
Vorhersagegebiet hinweg nach Osten abgedrängt wird. Somit geraten weite Teile
des Landes auf die Vorderseite des Troges unterhalb einer allerdings recht
glatten, nach Westen zu leicht diffluenten südwestlichen Höhenströmung.
Im Bodenfeld nähert sich von Westen ein weiteres okkludiertes Frontensystem und
erreicht in den Frühstunden in etwa Benelux bzw. die Deutsche Bucht. Im Vorfeld
setzten im Laufe der zweiten Nachthälfte leichte Niederschläge ein, die sich
aber wohl voraussichtlich auf die westlichen Landesteile beschränken und nur
wenig ergiebig ausfallen.
Im Rest des Landes bleibt es trocken und vor allem im Osten und Süden auch
aufgelockert, eventuell sogar gering bewölkt. Vielerorts breiten sich in der
feuchten Luftmasse teils dichte Nebelfelder aus. Dabei gibt es im Osten und
Süden gebietsweise Luftfrost, recht verbreitet aber wohl Frost in Bodennähe. Im
Westen und Norden bleibt es dagegen unter den Wolken weitgehend frostfrei.
Der Wind lebt im Westen und Nordwesten mit Annäherung der Front wieder etwas auf
mit steifen Böen aus südlichen Richtungen über der Nordsee.


Modellvergleich und -einschätzung
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Während die großräumigen synoptischen Strukturen von allen Modellen sehr ähnlich
simuliert werden, gibt es noch Differenzen bzgl. der räumlichen Verteilung der
Niederschläge. Mengenmäßig hat das keine Auswirkungen auf das Warnmanagement.
Allerdings hat das ICON-EU für die Nacht zum Donnerstag eine im Vergleich zu
anderen vorliegenden Modellen sehr progressive Variante auf der Agenda und lässt
die Niederschläge weit in die kalte Luftmasse hinein, bis zur Oder vorankommen.
Das hat natürlich Auswirkungen auf eine eventuelle Glatteissituation (allerdings
maximal markant), die nach ICON-EU durchaus in Betracht zu ziehen wäre, nach GFS
und UKMO dagegen eher nicht, der aktuelle IFS-Lauf tendiert dagegen eher
Richtung ICON, wenngleich nicht ganz so progressiv. Für die finale
Entscheidungsfindung ist aber noch genügend Zeit.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff