DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-11-2022 09:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 15.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal)

Erwärmte Meereskaltluft vs. kontinental geprägte Kaltluft - Kampf der Luftmassen
in Vorbereitung. Dabei wechselhaft mit Regenfällen (Mittwoch und Donnerstag). An
den Küsten und im Bergland zeitweise windig bis stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland im zunehmend gradientschwachen
Potenzialbereich vorderseitig eines langwelligen Höhentrogs (LWT) über dem nahen
Atlantik. Dieser korrespondiert mit dem ehemaligen, an der Ostküste Floridas an
Land gegangenen Hurrikan NOCOLE (jetzt als Tief der mittleren Breiten als
Ex-NICOLE tituliert), die es heute südlich von Island unweit des 20.
Längengrades West auf etwas unter 965 hPa bringt, ohne sich nennenswert vom
Fleck zu bewegen. Als Gegenspieler von Trog und Tief steht eine erst seit
Kurzem eigenständige Höhenantizyklone mit Zentrum über dem Nordteil der
Norwegischen See zur Verfügung. Sie hat sich von dem über dem östlichen
Mitteleuropa und Südosteuropa liegenden Rücken abgekoppelt, auch wenn sie noch
lose Kontakte pflegt. Im Bodendruckfeld findet man dazu über dem skandinavischen
Festland das Hoch ERIK, das gemeinsam mit seinem Pendant in der Höhe auf
Blockade gebürstet ist, wie wir in der Folge noch sehen werden.

Doch zunächst mal zurück in unsere Gefilde, wo uns gerade ein Höhentief in
Richtung Nordsee verlasen hat, das inzwischen zu einem Kurzwellentrog (KWT)
mutiert ist. Dieser wird im Tagesverlauf unter deutlichem Konturverlust vom o.e.
LWT absorbiert und somit von der Wetterkarte verschwinden. Was uns bleibt ist
eine gammlige Okklusion, die mit der südlichen Grundströmung langsam
nord-nordostwärts gesteuert und dabei mächtig ums Überleben kämpft. Am Ende wird
die Okkl. den Kampf - immerhin geht´s gegen keinen Geringeren als den
Blockadegiganten ERIK - verlieren und vom heutigen Analysten von der Karte
gestrichen. Bevor es soweit ist, sorgt sie heute im Westen und Südwesten aber
noch für reichlich Bewölkung sowie hier und da mitunter etwas Regen. Dabei lässt
sie sich auch nicht von einem kleinen, sich hinter dem abziehenden KWT
aufwölbenden Höhenrücken abhalten, der sich von Frankreich und Benelux
hereinschiebt.

Von der West- in die Osthälfte, wo der heutige Dienstag wesentlich
antizyklonaler abläuft als weiter westlich. Zwar ziehen von Süden her auch mal
Wolkenfelder durch, insgesamt scheint aber ziemlich häufig die Sonne. Allerdings
gilt es zuvor erst noch die Nebelfelder zu tilgen, die sich z.B. in Teilen
Bayerns, gebietsweise aber auch in Brandenburg und Vorpommern gebildet haben.
Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der der Nebel in den meisten Fällen nicht
besonders dicht und vertikal auch nicht überbordend mächtig zu sein scheint und
zudem noch etwas Wind dazukommt, stehen die Chancen gut, dass es mit dem
Entfernen der Grauschleier klappt - auch wenn´s an der einen oder anderen Stelle
etwas braucht. Apropos Wind, der kommt heute wie gesagt meist aus südlichen
Richtungen, nur im Süden aus östlichen Richtungen. Besonders intensiv ist er
dabei nicht, einzig der Brocken sticht heraus mit Böen um 8 Bft, Tendenz im
Tagesverlauf vorübergehend nachlassend. Abschließend die Temperaturen, die auf
Maxima zwischen 10 und 15°C, am Nord- und Ostrand einiger Mittelgebirge lokal
noch etwas höher steigen. Einstellig bleibt es im höheren Bergland sowie dort,
wo sich der Nebel erst gegen Mittag auflöst.

In der Nacht zum Mittwoch setzt sich dann Ex-NICOLE etwas stärker in Szene.
Erstens vertieft sich das Tief noch etwas auf rund 960 hPa, was bei uns vor
allem an der Küste eine leichte Gradientverschärfung zur Folge hat. Dort sowie
im nördlichen SH frischt der Südostwind merklich auf mit Böen 7 Bft, an
Küstenabschnitten mit auflandiger Windkomponente (z.B. nördliche Ostseeküste
SHs). Windiger wird es auch im höheren Bergland, wobei einmal mehr der
Blocksberg Ansprüche auf Böen 8-9 Bft erhebt.
Zweitens greift die teilokkludierte Kaltfront des Tiefs von Westen her auf den
Vorhersageraum über. Unterstützt wird sie vom LWT, der sich in seinem Südteil
recht progressiv zeigt (nach Norden hin hat er gegen blocking ERIK keine
Chance). Dabei "schiebt" er nicht nur die Front vor sich her, er unterstützt sie
auch mit PVA-induzierter Hebung. Entsprechend greift schon in den Abendstunden
ein frontales Regengebiet auf den Westen über, das sich bis auf die gesamte
Westhälfte und sogar noch etwas darüber hinaus ausbreitet (an der Grenze zu
Frankreich und BeLux hört es gegen Morgen dann schon wieder auf). Akkumuliert
über 12 Stunden kommen im Westen durchaus 5 bis 10, teils sogar um 15 l/m²
zusammen, wobei ein Großteil dieser Mengen sogar in 6 Stunden abgeladen wird.
Weitgehend trocken bleibt es bis zum Morgen im Südosten Bayerns, wo es zudem für
ein paar Nebelfelder und lokale Tiefsttemperaturen um 0°C reicht, sowie von
Sachsen bis hoch nach MV.

Mittwoch... machen Front und Trog noch etwas Boden nach Osten hin gut, geraten
allerdings zusehends in Schwierigkeiten, gegen das sich auf weite Teile
Fennoskandinens ausbreitende Blockadehoch gegenanzustinken. Im Grund werden sie
klassisch ausgebremst, so dass es nicht verwundert, dass der frontale Regen Oder
und Neiße sowie die angrenzenden Landstriche nicht erreicht. Es ist sogar sehr
gut möglich, dass ganz Vorpommern, die Uckermark und der Berliner Raum vom
Niederschlag ausgespart bleiben. Dafür regnet es von der Deutschen Buch und SH
bis hinunter zur östlichen Mitte und nach Bayern z.T. für längere Zeit (man
bedenke die zunehmend schleppende Verlagerung des frontalen Regengebietes),
wobei vor allem im Norden und Nordwesten gebietsweise 5 bis 10, stellenweise um
15 l/m² innert 12 Stunden fallen können.

Der Westen und Südwesten des Landes (etwas verzögert auch der Nordwesten)
gelangen zunehmend auf die Rückseite der Kaltfront. Die mit auf Südwest
drehendem Wind einströmende erwärmte Meereskaltluft subpolaren Ursprungs (T850
um 3°C) trocknet zwar etwas ab, weist ganz im Westen aber ausreichend Labilität
auf (T500 um -25°C), um einzelne Schauer zu generieren. Trotz reichlich
Bewölkung (im Wechsel mit einigen Auflockerungen oder kurzen Sonnenfenstern)
reicht es in der maritimen Luftmasse auch wegen der sehr soliden Durchmischung
für Tageshöchstwerte zwischen 10 und 14°C, am Oberrhein punktuell vielleicht um
15°C. So mild wird es im Osten und Südosten bei Weitem nicht, was aber nicht nur
am bedeckten Himmel und am Regen liegt. Hinzu kommt, das präfrontal nicht etwa
Warmluft advehiert wird (wie man es vor einer KF erwarten könnte), sondern sich
von Osten her ageostrophisch flach aus dem Hoch ausfließende, kontinental
geprägte Kaltluft der maritimen "Kaltluft" entgegenstellt. Kurzum, in weiten
Teilen der Osthälfte wird es nicht wärmer als 6 bis 10°C.
Noch zwei Sätze zum Wind, der an der See, wo die Isobaren am komprimiertesten
gedrängt sind, weiterhin lebhaft aus Südosten unterwegs ist und dabei Böen 7 bis
8 Bft, auflandig-exponiert (z.B. SH) vereinzelt sogar 9 Bft zustande bringt. Zur
Wahrheit gehört aber auch, dass an und über der Deutschen Bucht postfrontal der
Gradient kurzzeitig auffächert und der auf südliche Richtungen drehende Wind
etwas nachlässt.

In der Nacht zum Donnerstag geht es der (eigentlich maskierten) Kaltfront im
Nordosten zusehends an den Kragen. Das Regenband wird immer schmaler und
schwächer und dürfte Vorpommern sowie Teile BBs nicht erreichen (aktuell noch
leichte Modellunterschiede). Aber nun, wenn etwas kaputtgeht, braucht´s was
Neues, und da lässt sich die Atmosphäre - zumal wir uns ja in der erweiterten
Vorweihnachtszeit befinden - nicht lumpen. Die Rede ist von einem kleinen
Randtief (REGINA), das sich unweit der Keltischen See aus einer flachen Welle
entwickelt und in der Nacht mit rund 980 hPa Kerndruck den Süden Englands
ost-nordostwärts überquert. Dabei kommen der korrespondierende Randtrog in der
Höhe (vorderseitige PVA und WLA teils überlappend) sowie das zugehörige
Frontensystem dem Vorhersageraum so nah, dass es in der Westhälfte erneute
beginnt, skalig zu regnen (gebietsweise um 5 l/m² innert 12 h). Außerdem nimmt
der Gradient zwischen dem Randtief und dem fennoskandischen Hoch graduell immer
weiter zu, was natürlich nicht ohne Konsequenzen auf die Windentwicklung bleibt.
Vor allem im Norden und Nordwesten sowie allgemein an der Küste frischt der
Südostwind merklich auf. Im Tiefland werden Böen 7 Bft, an und auf der See, im
küstennahen Binnenland (Nordsee) sowie in den Hochlagen des Berglands (außer im
Osten und Südosten sowie der Alpen) 8 bis 9 Bft erwartet. Im Südosten sowie in
der östlichen Mitte, wo der Wind schwach bleibt und die Grundschicht durch den
vorherigen Regen gepflegt angefeuchtet ist, bildet sich - Aufklaren
vorausgesetzt - das eine oder andere Nebelfeld. Zudem ist im südlichen
Alpenvorland, an den Alpen und im Bayerischen Wald leichter Frost in Bodennähe
möglich.

Donnerstag... kommt etwas Schmackes in die Bude, wenn nämlich das kleine
Randtief unter Beibehaltung seiner Intensität (um 980 hPa im Kern) die westliche
Nordsee ansteuert. Die teilokkludierte Kaltfront kommt noch etwas nach Osten
voran, wird dann aber, ähnlich wie die Vorgängerfront, mehr und mehr
ausgebremst. Schlussendlich fusioniert sie mit den Resten der alten Front zu
einer Luftmassengrenze, die mittelfristig noch von sich reden machen und es auf
die vorderen Seiten der Gazetten schaffen könnte. Zunächst mal aber weitet sich
das frontale Regengebiet weiter ost-nordostwärts aus, wobei es aber immer
langsamer wird und sich zudem abschwächt. Letztendlich wird an Oder und Neiße
nichts oder nur ganz wenig davon ankommen und auch im Alpenvorland reißt der
Regen keine Bäume aus. Am meisten dürfte im Nordwesten im Bereich eines
PVA-Maximums sowie eines ausgeprägten Bodentrogs fallen mit gebietsweise 5 bis
10, lokal bis 15 l/m² innerhalb von 12 Stunden.

Postfrontal gelangt abermals ein Schwall erwärmter und leidlich labil
geschichteter Meereskaltluft in weite Teile des Landes (T850 um 4°C, im Süden
etwas mehr), in der es neben einigen Auflockerungen Schauer, mit geringer
Wahrscheinlichkeit sogar kurze Gewitter gibt. Nicht zuletzt wegen guter
Durchmischung steigt die Temperatur in der Südwesthälfte auf 10 bis 15, am
schönen Neckarstrand sowie im Oberrheintal lokal vielleicht sogar auf 16 oder
17°C. Da können der Osten und Norden, wo der Ostwind weiterhin dagegenhält,
nicht gegenanstinken. Dort muss man sich mit 5 bis 10°C zufriedengeben. In
Vorpommern, wo die Kaltluft den kürzesten Weg hat, reicht es lokal nicht mal für
5°C.
Thema Wind, der insbesondere im Norden, vorübergehend aber auch mal im Westen
sowie allgemein im Bergland (außer im Südosten) für Schlagzeilen sorgt und es
definitiv auf die Warnkarte schafft. Im Norden weht er mäßig bis frisch aus
Südosten mit Böen 7, vereinzelt 8 Bft im Binnenland und je nach Exposition 7 bis
9 Bft an der Küste sowie im Bergland. Auf der Deutschen Bucht und somit auch auf
Helgoland sind 10er-Böen nicht ausgeschlossen (schwere Sturmböen). Im Westen
dreht der Wind postfrontal auf Süd bis Südwest und frischt vor allem am
Vormittag und Mittag - teils in Verbindung mit Konvektion - böig auf (7 Bft,
Bergland 8 Bft), bevor er am Nachmittag wieder nachlässt.

In der Nacht zum Freitag schwenkt von Westen ein weiterer KWT durch, der mit
Ausnahme des Ostens und Nordostens (wo es aber an der ausgebremsten Front etwas
regnen kann) schauerartig verstärkten Regen generiert. Über die Mengen herrscht
noch Uneinigkeit, aber im Westen soll es laut ICON bis zu 25 l/m² geben -
abwarten. Abzuwarten gilt es auch, ob in den Regen vereinzelte Gewitter
eingelagert sind, wie von ICON apostrophiert. Auf alle Fälle soll sich an der
Luftmassengrenze ein kleines Teiltief bilden, das am Morgen im Nordwesten
aufschlägt. Es sorgt für ein Aufweichen des Gradienten, so dass sich der Wind
beginnt abzuschwächen. An der See sowie in höheren Lagen bleibt er aber noch
längere Zeit lebhaft und teils stürmisch unterwegs. Interessant dabei die
Richtungsverteilung: im Westen und Süden Südwest bis West, im Norden und Osten
um Ost.

Modellvergleich und -einschätzung
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Trotz der ständigen Wechselei wird die Entwicklung der Wetterlage von den
Modellen erfreulich ähnlich behandelt. Dass dabei nicht alles übereinstimmt -
genannt seien z.B. die Niederschlagsraten -, liegt in der Natur der Sache.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann