DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

12-11-2022 08:01
SXEU31 DWAV 120800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 12.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: S bis SE a
Ruhiges, typisch herbstliches Hochdruckwetter mit Nebel in den Niederungen und
viel Sonne sonst. Ab Sonntag in den östlichen Mittelgebirgen Böhmischer Wind mit
Böen Bft 7 bis 8. Am Montag mit einem Kaltlufttropfen von Südwesten
unbeständiger.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... "thront" gradezu eine Höhenantizyklone über Mitteleuropa mit einer
abgeschlossenen 588 hPa-Isohypse über dem Nordosten des Vorhersagegebietes. Der
zugehörige Höhenrücken überdeckt ganz Mittel- und weite Teile Osteuropas,
wodurch die Frontalzone weit nach Norden abgedrängt wurde und an der Südflanke
eines Höhentroges über Nordosteuropa über Skandinavien hinweg bis nach
Nordwestrussland und weiter zum Ural reicht. Im Süden werden Höhenhoch bzw.
Rücken von einem Höhentief flankiert, der eigentlich mehr die Eigenschaften
eines Kaltlufttropfens (kein wirklich abgeschlossenes Bodentief) aufweist, sich
von der Nordägäis bis zum Abend zur südlichen Adria verlagert und zu
Wochenbeginn tatsächlich auch Einfluss auf das Wetter hierzulande nimmt. Dazu
später aber mehr.
Im Bodenfeld korrespondiert das Höhenhoch mit dem kräftigen Hochdruckgebiet
"CHARLY", das aktuell noch eine kleine 1035 hPa-Isobare über dem südöstlichen
Deutschland bzw. dem östlichen Alpenraum aufweist und von Ostfrankreich bis etwa
zum Kaukasus reicht. Bis zum Abend verlagert es seinen Schwerpunkt allmählich
nach Südpolen bzw. zu den Karpaten, so dass wir mehr und mehr an dessen
Westflanke gelangen. Am schwachen bzw. kaum vorhandenen Gradienten ändert dieser
Umstand aber zunächst nur wenig.
Somit steht typisches herbstliches Hochdruckwetter auf der Tagesordnung. Dabei
hat sich eine markante Absinkinversion etabliert, die ganz im Norden bis etwa
900 hPa reicht, ansonsten aber bis fast nach ganz unten. Mit dem Absinken konnte
sich die Luftmasse kräftig erwärmen, in 850 hPa beträgt die Temperatur etwa 11
bis 14 Grad.
Unterhalb der Inversion hält sich ganz im Norden noch dichte Stratusbewölkung,
die an der Südflanke der Frontalzone dorthin gelangt ist. Im Tagesverlauf weitet
sich allerdings ausgehend von "CHARLY" ein Hochkeil über Schleswig-Holstein und
die Nordsee bis nach Südnorwegen aus, wodurch die Strömung niedertroposphärisch
zumindest nach Westen zu allmählich mehr auf Südsüdwest dreht und die Bewölkung
zumindest über dem nördlichen Niedersachsen und Teilen von Schleswig-Holstein
etwas nach Norden abgedrängt wird, während es wohl an der Grenze zu Dänemark
sowie auf Rügen und in Ostvorpommern teilweise bis zum Abend dicht bleibt.
Ansonsten scheint aber vielerorts die Sonne durch dünne hohe Wolkenfelder -
abgesehen von vielen Niederungen im Süden und in der Mitte des Landes. Dort
halten sich in den klassisch dafür anfälligen Regionen (Donau, Oberrhein,
Bodensee und noch einige mehr) teilweise ganztägig Nebel und Hochnebel. Bei
Dauernebel bleibt es auch recht frisch mit maximal 4 bis 8 Grad. Ansonsten steht
aber erneut ein milder Tag ins Haus, meist reicht es für Höchstwerte von 11 bis
15 Grad, selbst in den stark bewölkten Regionen ganz im Norden. Oberhalb der
Inversion, vor allem in Höhenlagen zwischen 600 und 1000 m, wird es dagegen sehr
mild mit Höchstwerten bis nahe 18 Grad, auch an den Nordrändern einiger
Mittelgebirge können die 15 Grad bei leicht auffrischendem Südostwind
gebietsweise überschritten werden.

In der Nacht zum Sonntag verlagert unser Höhenhoch seinen Schwerpunkt nach
Zentralpolen. Es wird sowohl von Norden her (beginnende Austrogung über
Nordwestrussland) als auch vom sich allmählich nach Mittelitalien verlagernden
Kaltlufttropfen im Süden etwas in die Zange genommen und schwächt sich ein wenig
ab.
"CHARLY" zieht sich allmählich nach Südosteuropa zurück, wobei ein Hochkeil
weiterhin über Polen und Nordostdeutschland bis nach Südskandinavien reicht. Nur
langsam kann sich an dessen Westflanke der Gradient ein wenig verschärfen und
vor allem in der Südhälfte, am ehesten noch im Schwarzwald sowie in den
ostbayerischen Mittelgebirgen frischt der Wind durch lokale Low Level Jets im
Bereich der nach wie vor äußerst markanten Inversion auf, ist aber wohl noch
nicht warnrelevant.
Ansonsten ändert sich kaum etwas am ruhigen Hochdruckwetter. Allerdings kann mit
Winddrehung auf Ost bis Südost von Polen her unterhalb der dort nach wie vor bei
etwa 900 hPa liegenden Absinkinversion eventuell tiefe Stratusbewölkung nach
Nordost- und Ostdeutschland driften. Nach wie vor hat das polnische UM eine
deutlich progressivere Variante diesbezüglich auf der Agenda als ICON-EU und
auch I-D2 lässt die Bewölkung bis Sonntagfrüh lediglich bis nach
Westmecklenburg/Ostholstein und Nordbrandenburg vorankommen. UM dagegen in etwa
bis zur Weser, wobei es in den Frühstunden in Ostvorpommern nach Lesart des
Modells sogar wieder auflockern soll. Das hat natürlich unmittelbar Auswirkungen
auf die Temperaturprognosen. Unter den dichten Wolken ist Frost kein Thema und
es dürfte auch kaum unter 5 Grad, Richtung Küsten auch kaum unter 10 Grad gehen.
Im Rest des Landes ändert sich gegenüber der Vornacht nur wenig. Die Nebel- und
Hochnebelfelder in den Niederungen Süd- und Mitteldeutschlands weiten sich
wieder aus, ansonsten bleibt es gering bewölkt oder klar. Bei klarem Himmel kann
es in ungünstigen Lagen leichten Luftfrost, verbreitet aber Frost in Bodennähe
geben.

Sonntag... bekommt die nunmehr zunehmend in die Länge gezogene Höhenantizyklone
an ihrer Südwestflanke eine zyklonale Einbuchtung, die dem bis zum Abend mit
seinem Drehzentrum zur Toskana ziehenden Höhentief geschuldet ist. Insgesamt
reicht sie Sonntagabend vom Schwarzen Meer bis nach Norddeutschland, mit
Schwerpunkt nach wie vor über Zentral- bzw. Ostpolen, wobei sie sich weiterhin
etwas abschwächt. Allerdings verstärkt sich durch kräftige WLA vorderseitig
eines umfangreichen, inzwischen zum Ostatlantik vorgestoßenen Langwellentroges
ein über die Nordsee zur Norwegischen See gerichteter Höhenrücken und wölbt sich
nordwärts auf. Vorderseitig des Rückens setzt über Skandinavien und der Ostsee
Druckanstieg ein, wodurch sich eine langgestreckte, vom inzwischen über Rumänien
angelangten "CHARLY" bis nach Nordnorwegen reichende Hochdruckzone etabliert. An
deren Westflanke kann sich der Gradient auch über dem Vorhersagegebiet
geringfügig verschärfen, was die bei dieser Konstellation klassischen lokalen
Windsysteme im Bereich der markanten Inversion in Gang kommen lässt.
Insbesondere der Böhmische Wind dürfte sich in den ostbayerischen und in den
östlichen Mittelgebirgen bemerkbar machen, zumal das Böhmische Becken ordentlich
mit nebelträchtiger "Kaltluft" gefüllt ist. In einigen Tälern reicht es
eventuell für steife Böen (Bft 7), in Ostbayern aus Ost, in den östlichen
Mittelgebirgen aus Südost, in Kamm- und Kuppenlagen kann eventuell auch mal eine
stürmische Böe (Bft 8) dabei sein. Auch an den Alpen wird es leicht föhnig,
warnrelevant dürfte dieser aber noch nicht sein, ebenso wenig wie im übrigen
Mittelgebirgsraum, wo der Wind ebenfalls spürbar auffrischt.
Der zunehmende Gradient hat auch zur Folge, dass sich vor allem im Lee der
ostbayerischen Mittelgebirge, z.B. im Bereich der unteren Donau, der Nebel
eventuell schneller als am Vortag bzw. überhaupt auflösen kann. Ansonsten ändert
sich aber nur wenig, d.h. in einigen Regionen bleibt es unterhalb von etwa 300
bis 600 m wieder ganztägig neblig trüb. Nach wie vor unklar ist auch, wie es
sich mit der tiefen Bewölkung im Nordosten verhält. UM lässt diese sogar bis ins
Weser-Ems-Gebiet vordringen, wobei sie von Osten wieder auflockert, nach Lesart
des I-D2 beschränkt sie sich dagegen auf die Region Ostvorpommern bis
Ostholstein.
Erneut bleibt es bei Dauernebel bzw. unter den dichten Wolken im
Norden/Nordosten mit 5 bis 10 Grad relativ frisch, während ansonsten 11 bis 15
Grad, in mittleren Höhenlagen sowie an einigen Mittelgebirgsnordrändern (etwas
häufiger als am Vortag) 15 bis 18, vielleicht sogar 19 Grad erreicht werden.

In der Nacht zum Montag überquert der KLT die zentralen Alpen und greift morgens
auf die Region Schweizer Mittelland/Bodensee/Südbaden über (je nach Modell noch
mit kleineren Differenzen behaftet). Das Höhenhoch nimmt eine insgesamt
meridionalere Ausrichtung an, wobei der von ihm ausgehende Rücken inzwischen
über Südnorwegen und der Norwegischen See nordwestwärts bis nach Südostgrönland
reicht. Dadurch kann sich aus der langgestreckten Hochdruckzone im Bodenfeld ein
neues Hochdruckgeiet mit einer abgeschlossenen 1030 hPa-Isobare über dem
Baltikum etablieren. Zusammen mit dem durch den KLT ausgelösten schwachen
Druckfall kann sich der Gradient noch geringfügig verschärfen, so dass es vor
allem in den östlichen Mittelgebirgen, je nach genauer Zugbahn des KLT
vielleicht auch an den Alpen vermehrt Böen Bft 7 bis 8 aus Südost geben kann,
während in den ostbayerischen Mittelgebirgen die Anströmrichtung nicht mehr so
gut passt. Auch im Nordseeumfeld frischt der Wind aus Südost auf, eventuell mit
Böen Bft 7 über der offenen Nordsee und Helgoland.
Vor allem im Südwesten des Landes werden die Inversion und somit auch der
Hochnebel etwas angehoben, zugleich ziehen dort vermehrt hohe und mittelhohe
Wolkenfelder auf. Eventuell kann es in den Frühstunden in Südbaden auch schon
erste Tropfen geben.
Ansonsten ändert sich nur wenig. Nach Nordost- und Norddeutschland driften vor
allem nach Lesart des UM nach wie vor von Polen her immer wieder dichte
Stratusfelder, ICON-D2 bzw. ICON-EU haben diese zwar auch gebietsweise auf der
Agenda, allerdings nicht so verbreitet und auch nicht so dicht. Ansonsten weiten
sich in der Mitte und im Süden wieder Nebel- und Hochnebelfelder aus,
gebietsweise bleibt der Himmel klar. Dann kann es in ungünstigen Lagen auch
wieder leichten Luftfrost geben, insgesamt nimmt die Wahrscheinlichkeit für
Frost aber etwas ab.

Montag... zieht der KLT - und das wird inzwischen von den vorliegenden Modellen
relativ einheitlich simuliert - über BaWü und Rheinland-Pfalz bis zum Abend
irgendwo in die Region zwischen Eifel und Niederrhein. Entlang seiner Zugbahn
kühlen niedere und vor allem mittlere Troposphäre deutlich ab (2 bis 4 Grad in
850 hPa, -22 bis -24 Grad in 500 hPa), so dass die Luftmasse labilisiert.
Entsprechend nehmen die ihn begleitenden Regenfälle eher konvektiven Charakter
an. Sie breiten sich vor allem auf dessen Rückseite über den Süden und Westen
BaWü`s bis ins Saarland und vielleicht noch in die Pfalz bzw. nach GFS auch bis
in den Hunsrück und zur Südeifel aus. Meist fallen 1 bis 5 l/qm bis zum Abend,
gebietsweise, am ehesten wohl in Südbaden sowie im Bereich der Schwäbischen Alb,
auch bis über 10 l/qm. Ob es für vereinzelte Gewitter reicht, ist noch fraglich,
SuperHD hat z.B. keine auf der Agenda, ICON-EU gegen Abend an der Grenze zu
Luxemburg.
Das Bodenhoch zieht sich etwas nach Südosten zurück und schwächt sich ein wenig
ab, wodurch der Gradient in der Osthälfte beginnt aufzuweichen, während er sich
im Westen/Südwesten geringfügig verschärft. In den Kamm- und Gipfellagen einiger
Mittelgebirge reicht es noch für steife bis stürmische Böen, in den östlichen
Mittelgebirgen eher mit abnehmender, im Schwarzwald mit zunehmender
Wahrscheinlichkeit. Auch an den Alpen bleibt es leicht föhnig, ob der Wind
warnrelevant wird, ist aber noch unklar. Über der offenen Nordsee kann es nach
wie vor einzelne steife Böen aus Südost geben.
Während es im Südwesten meist wolkig bis stark bewölkt bleibt und auch im Westen
die Wolken dichter werden, ändert sich sonst nur wenig. Nach wie vor ist unklar,
inwiefern sich im Nordosten bzw. Norden dichte Stratus- bzw. SC-Bewölkung hält.
In den Niederungen Südost- bzw. Süddeutschlands sowie auch in den mittleren
Landesteilen kann sich erneut gebietsweise ganztägig Nebel und Hochnebel halten,
ansonsten scheint aber vor allem im Südosten und Osten sowie an den Nordrändern
der östlichen und zentralen Mittelgebirge die Sonne. Mit dem KLT kühlt die
niedere Troposphäre auch im Norden und Osten auf deutlich unter 10 Grad ab, so
dass an den Nordrändern der Mittelgebirge bzw. in den mittleren Höhenlagen die
15 Grad kaum mehr erreicht werden dürften. Mild bleibt es bei Sonne mit
Höchstwerten zwischen 9 und 13 Grad dennoch, bei Dauernebel werden nach wie vor
die 5 Grad nur schwer überschritten.

In der Nacht zum Dienstag "dockt" der KLT an den nach wie vor markant
ausgeprägten Langwellentrog über dem Ostatlantik an und zieht als Randtrog bis
Dienstagfrüh irgendwo in das Seegebiet westlich der Deutschen Bucht bzw. zur
Doggerbank. Ein weiteres kleinräumiges Höhentief zieht über die Alpen bis nach
Südostbayern, während das ehemalige Höhenhoch als langgestreckter Höhenrücken
nach wie vor vom Schwarzen Meer über die südliche Ostsee bis zur Norwegischen
See bzw. zum Nordmeer reicht. Somit bekommt die südöstliche Höhenströmung über
uns eine leicht zyklonale Kontur.
Die Bodenhochdruckzone zerfällt in zwei Schwerpunkte über Nordnorwegen und über
der Ukraine, während sich rückseitig des KLT eine flache Tiefdruckrinne über den
Westen und die Mitte des Vorhersagegebietes allmählich nordnordostwärts
verlagert. Darin eingebettet bzw. auf deren Rückseite fällt im Westen bzw.
Südwesten nach wie vor gebietsweise schauerartiger Regen, der somit eventuell
noch etwas weiter nach Osten, vielleicht bis nach Hessen und Ostwestfalen, nach
Lesart des GFS sogar bis nach Franken ausweiten kann. ICON-EU beschränkt die
Niederschläge dagegen weitgehend auf die Regionen entlang und westlich des
Rheins.
Weiter nach Osten voran kommt dagegen die den KLT begleitende Bewölkung, wobei
es diesbezüglich noch größere Modelldifferenzen gibt als beim Niederschlag.
Gering bewölkt bleibt es aber lediglich wohl im Osten und Südosten, wobei sich
dort in den Niederungen Nebel- und Hochnebelfelder ausbreiten. Bei länger klarem
Himmel kann es leichten Frost bzw. Frost in Bodennähe geben, während es unter
den dichten Wolken vor allem in der Westhälfte mit 9 bis 4 Grad relativ mild
bleibt.
In einigen Mittelgebirgslagen weht noch lebhafter Südostwind, eventuell reicht
es in entsprechend anfälligen Lagen nochmals für warnrelevante Böen, ebenso über
der offenen Nordsee. Insgesamt befindet sich der Wind aber eher auf dem
absteigenden Ast.


Modellvergleich und -einschätzung
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Mal abgesehen von den bereits im Text erwähnten kleineren Differenzen, die
Niederschläge und Bewölkungsverhältnisse vor allem im Bereich des
Kaltlufttropfens betreffend, sind keine warnrelevanten Modellunterschiede
auszumachen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff