DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

11-11-2022 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 11.11.2022 um 10.30 UTC



Übergang zu Blockadehoch über Skandinavien (mit einem Konglomerat aus den
Großwetterlagen HFz, WW und SWz bei uns); dabei unbeständig bei einem für die
Jahreszeit halbwegs normalen Temperaturniveau, aber kaum markante
Wettererscheinungen.
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Synoptische Entwicklung bis zum Freitag, den 18.11.2022


Die Tendenz zu blockierenden Wetterlagen dauert bis in den erweiterten
Mittelfristzeitraum weiter an, allerdings verlagert sich der "Block" allmählich
aus den mittel- bzw. osteuropäischen Raum nach Nord- und Nordosteuropa.
Am Montag erstreckt sich der blockierende Rücken aus dem südosteuropäischen Raum
über das östliche Mitteleuropa und Südskandinavien bis zum Nordmeer. Flankiert
wird er von einem Höhentrog über dem mittleren Nordatlantik, der über dem
Ostatlantik westlich von GB nach Süden vorstößt und einem umfangreichen
Langwellentrog über der Barentssee bzw. Nordwestrussland. Dabei gelangt an der
Westflanke des mit dem Rücken korrespondierenden Bodenhochs, das seinen
Schwerpunkt allmählich vom Baltikum zur Ukraine verlagert, höhenmilde Luft
zumindest in den Norden und Osten Deutschlands (8 bis 12 Grad in 850 hPa). Dort
dominiert ruhiges Hochdruckwetter, wobei sich vor allem in den Niederungen
Südostdeutschland gebietsweise beständig Nebel- und Hochnebelfelder halten.
Auf den Südwesten und Westen des Landes greift hingegen von Süden her ein
Kaltlufttropfen über, der zunehmend mit dem Trog über dem Atlantik interagiert
bzw. in der Nacht zum Dienstag von einem vorlaufenden, über GB auf die Nordsee
und morgens auf Benelux bzw. Nordwestdeutschland übergreifenden Randtrog
"eingefangen" wird. Dort setzen im Tagesverlauf schauerartige Niederschläge ein,
die allmählich nach Norden vorankommen und sich in der Nacht zum Dienstag noch
bis in den zentralen Mittelgebirgsraum ausweiten.

Am Dienstag wandert dieses "Gemisch" aus Kaltlufttropfen und Randtrog allmählich
über Norddeutschland und die Deutsche Bucht Richtung Skagerrak, wo es gegen den
nach wie vor von Südosteuropa bis ins Nordmeer reichenden Höhenrücken läuft und
sich allmählich auflöst. Zugleich stößt der (auch aufgrund der Blockadewirkung)
mit zunehmend negativ geneigter Achse ausgestattete Höhentrog auf die Britische
Inseln und Frankreich vor. Das Bodenhoch über der Ukraine wird weiter abgebaut,
gleichzeitig verstärkt sich der Hochdruckeinfluss über Nord- und
Mittelskandinavien. Mit Annäherung des Troges greift ein erstes atlantisches
Frontensystem von Benelux und Frankreich her in der Nacht zum Mittwoch auf
Deutschland über.
Während die den ehemaligen Kaltlufttropfen begleitenden Niederschläge am
Vormittag nordwärts abziehen, setzen am Nachmittag im Westen mit Annäherung des
Frontensystems erneut Regenfälle ein, die in der Nacht allmählich nach Osten
vorankommen. Im Osten und Südosten des Landes bleibt es aber noch trocken. Der
Wind frischt präfrontal aus Südost auf und dreht mit Frontpassage im Westen auf
Südwest, dabei kann es über der offenen Nordsee und auf einigen Bergen
stürmische Böen geben.

Am Mittwoch greift der Höhentrog auf Mitteleuropa über, kommt aber aufgrund der
Blockadewirkung eines sich über Nord- und Mittelskandinavien weiter
verstärkenden Höhenhochs nur zögerlich nach Nordosten voran und verliert auch an
Kontur. Übrig bleibt eine Potenzialrinne, die an der Südflanke des Höhenhochs
über Nordostdeutschland und Polen hinweg bis zum Trog über Nordwestrussland bzw.
dem Ural reicht.
Ähnlich wie dem Trog ergeht es dem Frontensystem im Bodenfeld, das nach Lesart
des IFS noch den Nordosten und Osten des Landes mit leichten Regenfällen
überquert, sich dann aber auflöst. Im Einflussbereich des dem Frontensystem
folgenden Troges gibt es vor allem im Westen und Nordwesten noch Schauer und
eventuell auch kurze Gewitter, ehe nachts ein flacher kurzwelliger Höhenkeil für
kurzzeitige Wetterberuhigung sorgt. Der Front folgt ein Schwall erwärmter
Polarluft (um 0 Grad in 850 hPa), so dass sich die Höchstwerte auf einem für die
Jahreszeit nur noch leicht zu milden bis normalen Temperaturniveau bewegen
dürften. Dabei bleibt es an en Küsten und auf den Bergen windig, für markante
Böen dürfte es aber kaum reichen

Am Donnerstag weitet sich ein weiterer, recht breit angelegter Höhentrog von den
Britischen Inseln allmählich Richtung Nordsee und Nordwestdeutschland aus,
während sich die Höhenantizyklone über Nordskandinavien noch etwas verstärkt und
ihren Schwerpunkt ein wenig nach Osten verlagert. Das korrespondierende
Bodenhoch reicht inzwischen von der Nordhälfte Skandinaviens über den Nordwesten
Russlands ostwärts bis in die Regionen östlich des Urals.
Das mit dem Trog korrespondierende Bodentief zieht von Irland in das Seegebiet
nördlich von Schottland. Dessen okkludierendes Frontensystem greift mit
Niederschlägen meist leichter, nur gebietsweise mäßiger Intensität
Donnerstagvormittag auf den Westen Deutschlands über, kommt aufgrund der
Blockadewirkung nur langsam nordostwärts voran und überquert nach Lesart des
aktuellen IFS-Laufes erst am Freitagfrüh zögernd die Elbe. Vor allem präfrontal
deutet sich erneut eine Gradientverschärfung an, an Küstenabschnitten mit
auflandigem Wind könnte es für stürmische Böen aus Südost reichen, auf einigen
Gipfeln für Sturmböen. In die Nordosthälfte sickert präfrontal etwas kühlere
Festlandsluft, dort werden die 5 Grad wohl nur wenig überschritten, sonst ändert
sich an den Temperaturen kaum etwas.

Am Freitag stößt von Nordwesten her erneut ein Höhentrog zu den Britischen
Inseln vor. Der nach Nordwestdeutschland bzw. ins nördliche Mitteleuropa
reichende Randtrog schwächt sich ab und geht in eine Potenzialrinne über, die an
der Südflanke des Höhenhochs über den Norden Polens und das Baltikum hinweg bis
in den Südwesten Russlands reicht. Dabei stellt sich an dessen Südflanke über
weiten Teilen des Vorhersagegebietes eine nur noch schwache westsüdwestliche
Höhenströmung ein.
Im Bodenfeld kommt das über dem Nordosten Deutschlands angelangte Frontensystem
nicht weiter nordostwärts voran und schwächt sich allmählich ab, wobei es dort
weitere, allerdings nach wie vor nicht warnrelevante Regenfälle gibt. Im Rest
des Landes sorgen durchschwenkende, allerdings nicht allzu wetteraktive
kurzwellige Troganteile für leicht unbeständiges Wetter mit einzelnen Schauern.
Insgesamt geht die Temperatur in 850 hPa noch ein wenig zurück (etwa +2 bis-1
Grad in 850 hPa). Der Wind kommt ganz im Nordosten präfrontal noch aus Südost,
sonst aus Südwest und spielt warntechnisch wohl keine Rolle mehr. Sollte es in
der Nacht zum Samstag gebietsweise aufklaren, kann es leichten Frost geben.

In der erweiterten Mittelfrist schwenkt der Höhentrog von den Britischen Inseln
am Wochenende allmählich über Mitteleuropa hinweg ostwärts, schwächt sich dabei
aber ab. Danach etabliert sich nach Lesart des aktuellen IFS-Laufes ein
zentralsteuerndes und hochreichendes Tiefdrucksystem knapp südlich von Island,
an dessen Südostflanke zu Beginn übernächster Woche die Frontalzone eventuell
auch auf Mitteleuropa übergreifen könnte. Das blockierende Hoch wird dabei weit
nach Nordwest- bzw. Nordrussland abgedrängt.
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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Umstellung der Großwetterlage auf Blockadehoch Skandinavien haben auch von
den beiden gestrigen Läufen bereits auf der Agenda. Nach deren Lesart kann
allerdings an der Südflanke des Skandinavienhochs kalte Festlandsluft bis in die
Nordosthälfte des Vorhersagegebietes gelangen. Vor allem der gestrige 12
UTC-Lauf simuliert etwa ab der Nacht zum Donnerstag eine über Nord- und
Ostdeutschland verlaufende Luftmassengrenze, an deren Nordflanke es in der
Norddeutschen Tiefebene bei östlichen Winden sogar vorübergehend bis in tiefe
Lagen schneien könnte. Erst am übernächsten Wochenende kann sich im gestrigen 12
UTC-Lauf von Südwesten her die etwas mildere Meeresluft auch ganz im Norden des
Landes durchsetzen. Auch im aktuellen Lauf ist die kalte Festlandsluft nie so
wirklich weit weg (etwa Nordpolen-westliche Ostsee-Südnorwegen), so dass diese
winterliche Option nicht ganz außer Acht gelassen werden sollte. Zumal auch der
gestrige 00 UTC-Lauf die Blockade etwas nachhaltiger auf der Agenda hat,
allerdings in einer mehr antizyklonalen Umgebung mit südöstlichen Winden und
einer nur schwach ausgeprägten Luftmassengrenze.
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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Sowohl ICON als auch GFS simulieren das blockierende Hochdruckgebiet statt über
der Nordhälfte Skandinaviens und Nordwestrussland im Zeitraum Mittwoch bis
Freitag eher über dem Baltikum bis in den Westen/Südwesten Russlands reichend.
An dessen Südwestflanke dominiert somit nach Lesart beider Modelle eher eine
südsüdöstliche Strömung als eine östliche, so dass sich auch nördlich des
Vorhersagegebietes keine klar definierte Luftmassengrenze etablieren kann.
Dieser Umstand hat aber nach aktuellem Modellstand kaum Einfluss auf den
Wetterablauf hierzulande.
Allerdings werden erwartungsgemäß die Richtung Mitteleuropa vorstoßenden, sich
dabei aber abschwächenden Frontensysteme unterschiedlich progressiv simuliert,
beginnend bereits am Montag mit dem Einbinden des Kaltlufttropfens, der sich
über Westdeutschland nordwärts verlagert, in den auf Westeuropa vorstoßenden
Trog. Somit ergeben sich zwar kleinere Differenzen in der Abfolge der
Frontpassagen und der sie begleitenden Niederschläge, am generellen
Wettercharakter (unbeständig bei für die Jahreszeit meist normalen Temperaturen)
ändert das aber kaum etwas.
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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Zu Beginn der Mittelfrist, im Zeitraum 72 bis 96 Stunden, verteilen sich die 49
ENS-Member, der Haupt- und Kontrolllauf auf 5 Cluster, die sich, Mitteleuropa
betreffend, kaum unterscheiden. Lediglich der Kaltlufttropfen wird
unterschiedlich in den auf Westeuropa vorstoßenden Höhentrog eingebunden, was
aber nur wenig Einfluss auf das Wettergeschehen hierzulande hat.

Der Zeitraum 120 bis 168 Stunden hat dann nur noch zwei Cluster auf der Agenda
(32 und 19 Member, Haupt- und Kontrolllauf in C1), die sich in der
Blockadewirkung durch das Skandinavienhoch unterscheiden. Letzteres hat C1 etwas
markanter als C2 auf der Agenda (C2 am Ende schon Großwetterlagenregime "NAO+",
C1 dagegen noch "Blocking"). Letztendlich haben diese Unterschiede aber keinen
relevanten Einfluss auf die Wetterentwicklung hierzulande.
Auch in den 5 Clustern der erweiterten Mittelfrist bleibt ein blockierendes
Hochdruckgebiet erhalten. In C1 (14 Member) wird dieses aber sehr rasch weit
nach Osteuropa abgedrängt und es stellt sich bereits am übernächsten Wochenende
eine zyklonale W bis SW-Lage ein mit Sturmoptionen auch für das
Vorhersagegebiet.
Nach C2 und C4 (jeweils 13 und 7 Member) bleibt die Blockadesituation für
Mitteleuropa noch aufrecht. Nach Lesart des C2 erstreckt sich das blockierende
Bodenhoch von Osteuropa bis nach Südskandinavien, so dass sich Deutschland von
Osten her im Zustrom recht kalter Festlandsluft befinden würde. Frontensysteme
weichen über Frankreich in den Mittelmeer- bzw. Alpenraum aus. Nach C4 stellt
sich dagegen zwischen dem Hoch über Osteuropa und tiefen Druck bei Island bzw.
über dem Ostatlantik eine eher antizyklonal konturierte Süd- bis Südostlage ein.

C3 (10 Member, inklusive Kontrolllauf) und C5 (7 Member, inklusive Hauptlauf)
stellen eher so ein "Zwischending" dar mit einem nur langsam nach Osten
abgedrängten Blockadehoch und leicht zyklonalen Einfluss vom Atlantik her in
Mitteleuropa.

Die Kurvenschar der 850 hPa-Temperatur in den Rauchfahnen für verschiedene
Gitterpunkte im Vorhersagegebiet verläuft im Großen und Ganzen in einem relativ
engen Spread, der erst zum Ende kommender Woche signifikant größer wird. Noch
immer gibt es Einzelläufe (etwa 2 bis 4 von 50), nach deren Lesart vor allem im
Norden und Osten Deutschlands die 850 hPa-Temperatur auf -4 bis -8 Grad sinkt,
was dem Vordringen kalter Festlandsluft dorthin geschuldet ist. Das Groß der
Läufe ist sich inzwischen aber einig, dass diese Luftmasse außen vor bleibt, was
ein kurzes Winterintermezzo im Nordosten nun doch eher unwahrscheinlich
erscheinen lässt.
Niederschlagssignale stehen ab Dienstag verbreitet auf der Agenda, signifikante
Mengen werden aber kaum angedeutet.

FAZIT:
Unbeständig bei einem für die Jahreszeit normalen, anfangs vielleicht noch
leicht übernormalen Temperaturniveau. Die Wahrscheinlichkeit eines kurzen
Winterintermezzos im Norden bzw. Osten Deutschlands ist gegenüber gestern noch
geringer geworden, sollte aber nicht ganz außer Acht gelassen werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


Markante Wettererscheinungen stehen im Mittelfristzeitraum kaum auf der Agenda.
Zwar gibt es immer wieder Niederschläge, diese fallen aber insgesamt wenig
intensiv aus und dürften keine warnrelevanten Mengen erreichen. Vor allem am
Montag kann es im Südwesten/Westen vereinzelte Gewitter geben.
Der Wind frischt zeitweise aus Südost bis Südwest auf, für markante Böen (Bft 8
bis 9) reicht es aber zunächst am ehesten auf einigen Gipfeln (Montag an den
Alpen leichter Föhn), am Donnerstag und Freitag dann vielleicht auch an den
Küsten, zumindest an Abschnitten mit auflandigem Wind.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS, IFS-EPS, MOSMIX
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Jens Winninghoff