DWD Synoptische Übersicht Mittelfrist

10-11-2022 11:01

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T M I T T E L F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 10.11.2022 um 10.30 UTC



Zunächst meist ruhiges, mildes Herbstwetter. Zur Wochenmitte Grenzwetterlage
möglich (kalt im Nordosten, mild im Südwesten).
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Synoptische Entwicklung bis zum Donnerstag, den 17.11.2022


Zu Beginn der Mittelfrist am Sonntag liegt ein Höhenhoch mit Schwerpunkt über
Polen. Von ihm ausgehend reicht ein Rücken über Südskandinavien und die
Norwegische See bis nach Grönland. Dieser stützt eine umfangreiche Hochdruckzone
vom Balkan über das östliche Mitteleuropa und Skandinavien bis zum Nordmeer. Der
Rücken wird flankiert von einem recht stark amplifizierten Trog über dem nahen
Nordostatlantik und einem eher breit angelegten Trog über Osteuropa. Während
diese Strukturen eine sehr eingeschränkte Mobilität aufweisen, führt ein kleiner
Kaltlufttropfen an der Südwestflanke des Rückens ein recht agiles, schwer
vorherzusagendes Eigenleben. Wahrscheinlich wird er über Italien zum westlichen
Alpenraum geführt. Somit sorgt er wohl nur im äußersten Südwesten Deutschlands
für nennenswerte Hebung und schauerartig verstärkte, eventuell auch gewittrige
Regenfälle. Stark- und/oder Dauerregen sind nur gering wahrscheinlich. Ansonsten
herrscht ruhiges, abseits teils zäher und ausgedehnter Nebel- und
Hochnebelfelder sonniges Wetter. Abseits des Wirkungsbereiches des KLTs ist die
aus Südosten advehierte Luftmasse bei 8 bis 12 Grad Celsius auf 850 hPa sehr
mild. Vor allem an den Nordwesträndern der Mittelgebirge sind mit viel
Sonnenschein Höchstwerte über 15 Grad möglich, in den Nebelgebieten in Tälern
und Luvlagen hält sich dagegen bodennahe Kaltluft. An den Alpen stellt sich eine
leichte Föhnsituation ein, sodass auf den Gipfeln Sturmböen möglich sind. In den
ostbayerischen und sächsischen Mittelgebirgen führt der Böhmischer Wind zudem
vereinzelt zu stürmischen Böen.

Am Montag zieht der Kaltlufttropfen über den äußersten Südwesten und Westen des
Landes nordwestwärts und bringt weitere schauerartige, vereinzelt gewittrige
Regenfälle. In der Folge wird er in den westeuropäischen Trog integriert und als
Randtrog nordwärts zur Nordsee gesteuert. In weiten Teilen des Landes dominiert
aber weiterhin der blockierende Rücken nebst der Bodenhochdruckzone, dessen Lage
sich im Vergleich zum Vortag nur unwesentlich ändert. Die Temperaturen auf 850
hPa gehen aufgrund der Hebung im Umfeld des KLT etwas auf 3 bis 9 Grad zurück,
großen Einfluss auf die bodennahen Temperaturen hat dies aber nicht, zumindest
in den Lee- und Sonnengebieten bleibt es mild. In den Alpen sorgt der leichte
Föhn weiterhin exponiert für einzelne Sturmböen.

Am Dienstag spaltet sich innerhalb des Rückens über Skandinavien eine
Höhenhochparzelle ab, die ein kräftiges Bodenhoch mit Kern über dem
fennoskandischen Raum stützt. An der Ostflanke erfolgt ein Kaltluftvorstoß bis
ins Baltikum, was eine Randtrogentwicklung und Regenerierung des
Langwellentroges über Osteuropa nach sich zieht. Derweil kommt der
Westeuropatrog bis nach Frankreich und Großbritannien voran. Das
teil-okkludierte Frontensystem des mit dem Trog korrespondierenden Tiefs nähert
sich von Westen und bringt dem äußersten Westen eventuell schon dichtere Wolken
und etwas Regen. Sonst bleibt schwacher Hochdruckeinfluss wirksam. Die mit
südlicher bis südöstlicher herangeführte Luftmasse bleibt im 850-hPa-Niveau bei
4 bis 10 Grad insgesamt mild und setzt sich bevorzugt in der Westhälfte und in
Leelagen auch bis zum Boden durch.

Zur Wochenmitte und auch in Richtung nächstes Wochenende setzt sich die
fennoskandische Blockierungslage fort. Deutschland befindet sich an der
Südflanke des verantwortlichen Höhenhochs im diffusen Übergangsbereich zwischen
den aus dem Nordatlantik/Westeuropatrog herauslaufenden Störungen und dem sich
von Osteuropa weit nach Westen bis ins östliche Mitteleuropa ausdehnenden
Randtroges. Letzterer wandelt sich im Verlauf in einen Kaltlufttropfen um. In
der Südwesthälfte dominiert eher der atlantische Tiefdruckeinfluss mit milder
und feuchter Meeresluft aus Südwesten. Zeitweiliger Regen und knapp zweistellige
Höchstwerte stünden auf der Tagesordnung. Die Nordosthälfte könnte dagegen in
den Genuss kalter und trockener Kontinentalluft kommen, die mit böigem, vor
allem an der Ostsee mitunter auch stürmischem Ostwind herangeführt wird. Mit
mäßigen Nachtfrösten und regionalem Dauerfrost müsste gerechnet werden. Im
Übergangsbereich der Luftmassen wären zudem die feste und/oder gefrierende
Niederschlagsphase nicht auszuschließen. Es ist allerdings völlig unklar, wo der
Übergangsbereich zwischen atlantischem und kontinentalem Einfluss zu finden sein
wird. Eventuell dominiert der atlantische Einfluss auch landesweit.

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Bewertung der Konsistenz des operationellen Laufs


Die Konsistenz der jüngsten IFS-Modellläufe ist lediglich als mäßig
einzuschätzen, wobei die Unsicherheiten vor allem ab Mitte der kommenden Woche
signifikant zunehmen.
Bis dahin werden die großräumigen Strukturen zwar sehr ähnlich simuliert, im
Detail sorgt ein immer noch recht volatil berechneter Kaltlufttropfen (KLT) aber
bereits zu Beginn der Mittelfrist am So/Mo für regionale Unsicherheiten. Die
beiden neusten IFS-Läufe rechnen den KLT ein gutes Stück südwestlicher als der
gestrige IFS-Lauf von 00 UTC, sodass nur noch der äußerste Südwesten und Westen
von etwaigen schauerartigen und gewittrigen Regenfällen erfasst wird.
Zur Wochenmitte favorisierte der gestrige IFS-00UTC-Lauf noch einen
blockierenden Rücken über dem östlichen Mitteleuropa und Osteuropa. Über
Deutschland hätte sich auf der Vorderseite eines Westeuropatroges dabei eine
milde Süd- bis Südwestlage eingestellt, die mit Übergreifen der atlantischen
Frontensystem zunehmend zyklonal dahergekommen wäre. Die beiden jüngsten
Modellläufe sehen eher eine skandinavische Blockierung, an dessen Südflanke sich
über Deutschland eine südöstliche bis östliche Anströmung einstellen könnte. Aus
Osteuropa stieße kalte Festlandsluft bis in den Nordosten und Osten Deutschlands
vor, allerdings hielten atlantische Frontensysteme mit milder und feuchter Luft
im Südwesten und Westen dagegen.

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Vergleich mit anderen globalen Modellen


Auch die anderen Globalmodelle favorisieren einen "Skandi-Block", wobei in den
meisten Berechnungen eher der (milde/unbeständige) atlantische und weniger der
(kalte/trockene) kontinentale Einfluss dominiert.

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Bewertung der Ensemblevorhersagen


Die Rauchfahnen des IFS-EPS zeigen für die 850-hPa-Temperatur im Median einen
sukzessiven Rückgang im Verlaufe der Mittelfrist von gut 10°C am Sonntag auf
knapp 5°C am Donnerstag im Süden und wenig über 0°C im Nordosten. Die
Ensembleschar ist bis Wochenbeginn noch einigermaßen eng gebündelt, weitet sich
zur Wochenmitte dann aber immer mehr auf. Besonders groß ist der Spread im Osten
mit einer Standardabweichung von 5 K und einem Gesamtspread von 20 K (-10°C bis
+10°C). Die meisten Member bewegen sich aber im Bereich zwischen -3 und +3°C,
wobei sich der deterministische Lauf eher am unteren Ende einordnet. Nach Westen
zu ist der Spread etwas geringer, der deterministische Lauf gut eingebettet und
es gibt auch kaum kalte Ausreißer.
Auch beim Geopotenzial ist ein Abwärtstrend erkennbar, der aber eher seicht
ausfällt. Der Spread ist meist gering, lediglich So/Mo zeigen sich größere
Unsicherheiten im Südwesten und Westen (Kaltlufttropfen).

In der erweiterten Mittelfrist weitet sich auch die Geopotenzialfahne deutlich
auf, wobei die Einzelmember zunehmend ins Schlingern geraten. Der Median der
850-hPa-Temperatur "dümpelt" landesweit um die 0°C herum.

Im Zeitraum +72-96 h (So/Mo) werden 3 Cluster gebildet, die alle der Klasse
"Blocking" zugeordnet werden. Leichte Unterschiede ergeben sich vor allem im
Hinblick auf den Kaltlufttropfen.

Im Zeitraum +120-168 h (Di-Do) wird das EPS in 4 Cluster geteilt (2x Blocking,
1x neg. NAO, 1x pos. NAO). Cluster 1 und 4 (26/51 Member + HL/CL) fallen durch
eine kräftige positive und abgeschlossene Geopotenzialanomalie über Skandinavien
auf (Skandi-Block), wobei diese über Mitteleuropa sowohl von Westen als auch von
Osten von Trögen "unterlaufen" wird (Hoch Fennoskandien zyklonal, HFz). Cluster
2 und 3 (25/51 Member) simulieren eher einen blockierenden Rücken über östlichen
Mitteleuropa, flankiert von einem Langwellentrog über Westeuropa (S/SW z/a).

FAZIT:
Die Vorhersage des Kaltlufttropfens ist zwar noch mit Unsicherheiten behaftet,
den Südwesten und Westen scheint er aber beeinflussen zu können mit
schauerartigen und eventuell gewittrigen Regenfällen. Ansonsten startet die
Mittelfrist ruhig.
Spannend wird es ab Wochenmitte: Baut sich ein Skandinavien-Block auf, der zu
einer Grenzwetterlage über Deutschland führt? Wenn ja, überwiegt der milde
atlantische oder der kalte kontinentale Einfluss? Ensemblediagnose und
Modellvergleiche vermögen diese Frage nicht zu beantworten, dennoch scheinen ein
paar kalte Tage mit flächigem Nachtfrost und Höchstwerten von kaum über 0 Grad
zumindest im Nordosten und Osten durchaus im Bereich des Möglichen zu sein. Ein
Fortdauer des milden, aber zunehmend zyklonalen Wettergeschehens im Zuge einer
Großwetterlage S/SWz kann aber auch nicht ausgeschlossen werden.
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Wahrscheinlichkeiten für signifikante Wettererscheinungen


STURM:
Am Sonntag und Montag in den Alpen leichte Föhnlage mit einzelnen Sturmböen Bft
8-9 auf den Gipfeln. In den ostbayerischen und sächsischen Mittelgebirgen
Böhmischer Wind, dabei stürmische Böen Bft 8 gering wahrscheinlich.

GEWITTER:
In der Nacht zum Montag und am Montag im Südwesten und Westen teils gewittrige
Regenfälle, wahrscheinlich aber keine markante Begleiterscheinungen.
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Basis für Mittelfristvorhersage
IFS det./EPS, MOS-EZ
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VBZ Offenbach / Dipl. Met. Adrian Leyser