DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-11-2022 08:30
SXEU31 DWAV 100800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 10.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Mittelding zwischen SWa und HM (Südwest antizyklonal bzw. Hoch
Mitteleuropa)

CHARLY der Blocker übernimmt - Hochdruck bis zum Abwinken.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... den 10.11., 05:18 UTC, der Luftdruck steigt und das aus gutem
Grund. Morgen beginnt die fünfte Jahreszeit und da schadet es nichts, wenn das
Wetter mitspielt. Sturm, Dauerregen, Glatteis o.ä. Unbilden sind da nicht so
gefragt und es scheint, dass sich Petrus in diesem Jahr als Jäcke outet und für
ruhiges Fahrwasser sorgt. Wobei, was heißt hier Petrus, genau genommen ist es
CHARLY, der sich der Sache annimmt und das Heft des Handelns in die Hand nimmt.
Vielleicht ist er ein Määnzer oder Kölner oder von mir aus auch Dusseldorfer,
man weiß es nicht. Spielt auch keine Rolle. Wichtiger ist die Tatsache - und
damit wären wir wieder beim Druckanstieg -, dass es sich bei CHARLY um das
wetterbestimmende Hoch handelt, dass die Geschicke der nächsten Tage in weiten
Teilen Kontinentaleuropas bestimmt. Aktuell ist er dabei, sich von Südwesteuropa
und Frankreich her bis zu uns auszudehnen, wobei der Süden die Hauptzielregion
ist. Unterstützt wird CHARLY von einem Höhenrücken, der aktuell noch, leicht
westlich von uns positioniert, in der frühen Phase seiner Blüte steht. Ihm steht
- das ist auf Basis aller vorliegenden Modelle unstrittig - eine große Karriere
bevor, wie ihr in den kommenden Zeilen noch lesen werdet, doch zunächst mal zum
heutigen Donnerstag.

Da gilt es zunächst mal den etwas nach Südwesten zurückhängenden Höhentrog zu
verabschieden (wir sagen aus gutem Grund "Auf Wiedersehen", dazu später mehr),
der in der vergangenen Nacht einen Großteil des Vorhersageraums überquert hat.
Während er in seinem Nordteil kurz vor Übertritt auf Polen steht, wird es weiter
südlich etwa bis Mittag dauern, bis er selbiges in Richtung Tschechien und
Österreich tut. Entsprechend fällt am Alpenrand sowie im südöstlichen Bayern
anfangs auch noch etwas Regen, obwohl die vorgelagerte Kaltfront im wahrsten
Sinne des Wortes schon über alle Berge ist.
Eine Warmfront gibt es übrigens auch, allerdings gehört die zu einem neuen
atlantischen Frontensystem, das dem Tief QUISINA anhängig ist. QUISINA liegt mit
einem Kerndruck nahe 970 hPa knapp südlich von Island, von wo aus sie nur
langsam ostwärts zieht. Während die Kaltfront aufgrund ständiger Wellenbildung
und weitgehend strömungsparalleler Exposition weit, weit draußen bleibt,
schwenkt die Warmfront über den Norden und somit auch nonchalant über den Rücken
hinweg ostwärts. Neben mehrschichtiger, z.T. bis in die mittleren Landesteile
ausgreifender Bewölkung, fällt ganz im Norden mitunter marginaler Regen oder
etwas Nieselregen.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass sich in der vergangenen Nacht im Süden
und in der Mitte (dort häufig durch aufliegende Wolken) Nebel gebildet hat, der
sich aber, wenn z.T. auch schleppend, auflösen dürfte. Dann stellt sich eine
trockene Mischung aus mehr oder weniger dichten Wolken und Sonnenschein ein,
wobei die meiste Sonne für den Südwesten und Westen (nördlich der Eifel
simuliert wird. Am Nachmittag nehmen die Bemühungen, Löcher oder Lücken in die
Wolkendecke zu bekommen, zu. Am Nordrand der zentralen Mittelgebirge hilft dabei
der Wind etwas mit, zumindest den tiefen Wolken das Überleben schwer zu machen.
Aus Südwesten kommend lebt er im Tagesverlauf etwas auf und erreicht sein
Maximum - welch Überraschung - auf dem Blocksberg im Harz, wo es für Böen der
Stärke 8-9 Bft reicht. Windig wird es auch an der Küste, wobei hier die Nordsee
eindeutig in der Vorhand ist. Böen 7 Bft, auf Helgoland sowie exponiert an der
nordfriesischen Küste 8 Bft stehen auf der Karte, wobei die eine oder andere
steife Böe auch im nördlichen SH auftreten kann. An der Ostsee beschränken sich
7er-Böen auf Teile von Fehmarn sowie vom Darß bis hinüber nach Nordrügen, wo der
Südwestfetch über ausreichend Anlauf verfügt.

Bei absink- und advektivbedingt steigender T850 (heute früh um 3°C, heute Abend
3 bis 9°C) stehen Tageshöchstwerte zwischen 11 und 16°C auf dem Zettel.

Die Nacht zum Freitag bringt weiteren Druck- und Potenzialanstieg. So wölbt sich
der Höhenrücken von Südwesten her immer weiter auf, dass er fast zu platzen
droht (was natürlich Unsinn ist). Als "Ventil" schafft er sich eine
abgeschlossene Höhenhochparzelle, deren Zentrum in der Früh im Bereich
Belgien-Luxemburg-NO-Frankreich zu finden ist. Derweil legt auch der gute CHARLY
noch ein paar Pfunde zu. Im Zentrum, dass über oder nahe den Alpen zu verorten
ist, kommt er am Morgen auf knapp unter 1035 hPa. Bei so viel Antizyklone ist
klar, dass Absinken das Geschehen bestimmt und so verwundert es nicht, dass die
tagsüber anfangs noch etwa bei 800 hPa positionierte Absinkinversion immer
weiter absinkt ("nomen est omen") und quasi in die strahlungsbedingte
Bodeninversion übergeht. Im Umkehrschluss heißt das nichts anderes, dass die
sich unweigerlich bildende nächtliche Grundschicht vertikal nicht besonders
mächtig ist. Trotzdem wird sich vornehmlich im Süden, bedingt aber auch in der
Mitte teils dichter Nebel bilden. Betroffen sind vor allem die üblichen
Verdächtigen wie die Donauniederungen, das Oberrheintal sowie die
Bodenseeregion. Aber auch sonst sind insbesondere Flusstäler sowie andere Mulden
und Senken nebelanfällig. Darüber hinaus kühlt es in Alpentälern sowie in
einigen süddeutschen Mittelgebirgstälern auf etwas unter 0°C ab, während
leichter Frost in Bodennähe in Süddeutschland häufiger auftritt.

Nördlich der Mittelgebirgsschwelle nimmt die Nebelwahrscheinlichkeit deutlich
ab. Ganz im Norden brauchen wir überhaupt nicht drüber reden, weil Reste der
(warm)frontalen Bewölkung und der an der See weiterhin prominent Südwestwind
(keine Einbußen gegenüber dem Tag) jegliche Bemühungen der Atmosphäre,
sichtreduzierende Maßnahmen zu ergreifen, im Keim erstickt werden respektive gar
nicht erst aufkommen. Weiter südlich ist zwar weniger Gewölk vorhanden, trotzdem
sollte der nicht ganz ins Land der Träume abwandernde Südwestwind ausreichen,
keinen nennenswerten Nebel aufkommen zu lassen.

Freitag... weitet sich das Höhenhoch immer weiter nach Osten aus und platziert
sich mit seinem 588-gpdm. Zentrum mitten über Deutschland. Umspannt wird es von
einem riesigen Rücken, der quasi den gesamten Westteil Kontinentaleuropas bis
hoch nach Südskandinavien überdeckt. Dabei wird weiterhin gemeinsame Sache mit
CHARLY gemacht, der sich ebenfalls weiter ausdehnt und sogar Fühlung zu einem
Hoch über Russland aufnimmt. Weite Teile Deutschlands kommen morgen Mittag auf
ein QFF zwischen 1030 und 1035 hPa, lediglich der äußerste Norden bleibt etwas
drunter. Dort kann man dann auch von einer Hochrandlage sprechen, während der
große Rest im Herzen CHARLYs den Elften-Elften verbringt. Es ist evident, dass
diese Wetterlage hochgradig blockierend ist und etwaigen zyklonalen und/oder
frontalen Bemühungen, einen Fuß in die mitteleuropäische Tür zu bekommen, von
Vornherein den Hahn abdreht. Allerdings, das soll nicht verschwiegen werden,
weil es in den nächsten Tagen auch für uns noch Bedeutung erlangen kann, gilt es
einen Cut-Off-Prozess zu vermelden, der sich über Bulgarien vollzieht. Dabei
tropft kein Geringerer als der o.e. Trog ab, der uns heute gen Osten verlässt.
Das resultierende Höhentief nimmt in Ermangelung eines bodennahen Pendants
sofort den Status eines Kaltlufttropfens (KLT) an, der bis Tagesende
Nordmazedonien bzw. Albanien ansteuert.

Zurück nun aber aus den Schluchten des Balkan in unsere Gefilde, wo morgen in
weiten Teilen die tiefstehende Novembersonne scheint. Ausnahmen bilden der
äußerste Norden, wo bei nur langsam nachlassenden Südwestwind immer wieder tiefe
Bewölkung durchzieht, die kaum Lücken aufweist, aber auch keinen Regen im Gepäck
hat. Zweite Ausnahme sind die bei Nebellagen berühmt-berüchtigten Areals
Süddeutschlands, wo es zu einer sehr, sehr zähen Angelegenheit werden kann, das
träge Novembergrau aufzulösen. Und es steht zu befürchten, dass das in Teilen
der Donauniederungen bis hoch nach Oberfranken, an Hoch- und Oberrhein sowie am
Bodensee am Ende nicht überall gelingt. Auch die Flusstäler des Saarlands und
von RP stehen auf der schwarzen Liste potenziellen Dauernebels, wobei natürlich
wie immer bei solchen Lagen auch ein wenig Überraschungspotenzial gegeben ist.
Förderlich für die Auflösung könnte die wie erwähnt nur dünne feuchte
Grundschicht sein, während der weitgehend ausbleibende Wind eher
nebelkonservierend wirkt. Wer auf Nummer Sicher gehen will, macht am besten
einen Ausflug in höhere Gefilde.
Abschließend noch die Temperatur, die auf 850 hPa inzwischen auf satte 12°C
(+/-) gestiegen ist. Dass die zu dieser Jahreszeit nicht trockenadiabatisch nach
unten weitergereicht werden, ist sicherlich nicht nur in Fachkreisen bekannt.
Trotzdem, Tageshöchstwerte von 10 bis 15°C, am Nordrand der zentralen
Mittelgebirge teils 16 oder 17°C sind für einen 11.11. äußerst bemerkenswert,
aber vielleicht wird das bald ja zur Norm. Einzig in den Gebieten mit zähem
Nebel haut es mit der Erwärmung nicht so hin, dort muss man sich mit 5°C oder
nur weniger Grad darüber zufriedengeben.

In der Nacht zum Samstag ändert sich die Großwetterlage kaum. Das Kreiseln des
KLTs am Südrand des Hochs gen Adria macht das ganze System eher noch stabiler.
Auch der Trog, der sich über dem Ostatlantik neu formiert und sich aufgrund der
Blockierung nach Süden orientieren muss, sorgt für eine Festigung des
Gesamtkonstrukts. Lange Rede, kurzer Sinn, es bildet sich wieder Nebel bzw. noch
vorhandene Reste vom Tage breiten sich aus. Der Schwerpunkt verbleibt in der
Südhälfte, gleichwohl kann auch nördlich der Mittelgebirgsschwelle das eine oder
andere Nebelfeld nicht ausgeschlossen werden. Grund ist Druckanstieg und der
beginnende Aufbau eines zur Nordsee gerichteten Keils, der eine
Gradientaufweichung zur Folge hat. Diese führt auch dazu, dass der Wind im
äußersten Norden immer weiter in die Knie geht. Die alternde Luftmasse kühlt nun
doch etwas stärker aus, so dass punktueller Luftfrost nicht allen auf den Süden
beschränkt bleibt, sondern auch in der Mitte auftreten kann. Mit Frost in
Bodennähe muss mit Ausnahme des äußersten Nordens häufiger gerechnet werden.


Samstag... dehnt sich das Höhenhoch noch weiter nach Osten aus, wobei wir aber
unter dem Schwerpunkt verbleiben. Derweil macht der KLT im Süden wenn auch
langsam Boden nach Westen hin gut, erreicht im Tagesverlauf italienisches
Festland. Das Bodenhoch verlagert sein Zentrum ins ost-südöstliche Mitteleuropa,
wo es auf über 1035 hPa kommt. Der o.e. Keil verstärkt sich noch etwas und
weitet sich bis zum Südrand des Europäischen Nordmeers aus. Kurzum,
Hochdruckeinfluss bis zum Abwinken und das heißt trotz der fortgeschrittenen
Jahreszeit vielerorts Sonne satt. Allerdings, und das gehört zur Wahrheit dazu,
trifft das nicht für alle zu. So müssen sich insbesondere die Bewohner
süddeutscher Flussläufe auf einen trüben letzten Bundesligasamstag vor der
WM-Pause einstellen, aber auch in der Mitte dürfte es für ein paar resistente
Grauschleier reichen. Im äußersten Norden/Nordosten ziehen weiterhin tiefe,
teils hochnebelartige Wolken durch, ansonsten kann sich Norddeutschland aber auf
einen sehr sonnenscheinreichen Novembertag freuen. Die Temperaturen erreichen
deutschlandweit ähnliche Werte wie am Vortag. Interessant dabei vor allem der
Temperaturgegensatz zwischen oben und unten in Süddeutschland. Während im
Dauergrau teilweise bei 5°C rumgekrepelt wird, können in rund 1000 m Höhe gut
und gerne 15°C oder sogar noch etwas mehr erreicht werden, was unweigerlich zu
einer hemdsärmeligen Wanderung einlädt. Die Gefahr vereister oder
schneebedeckter Wanderwege besteht in diesen Höhenlagen jedenfalls nicht.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle lassen keinen Zweifel an der geschilderten Entwicklung aufkommen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann