DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-11-2022 09:01
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 09.11.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von SWz zu SWa (Südwest zyklonal bzw. antizyklonal), ein bisschen
auch CM (CHARLY Mitteleuropa)

Zunächst Durchgang einer schleifenden Kaltfront mit nachfolgendem Höhentrog. Ab
Donnerstag dann CHARLY, das Monumentalhoch aus dem Südwesten.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verlässt der Höhentrog über dem nahen Atlantik seine angestammte
Position, was vor dem Hintergrund seiner Unverrückbarkeit in den vergangenen
Wochen schon allein eine Schlagzeile darstellt. Doch keine Angst, für Nachschub
ist gesorgt, auch wenn zwei bis drei Tage braucht, bis sich das neue Exemplar
richtig eingeschwungen und seinen Platz eingenommen hat. Zunächst aber mal zum
aktuellen Trog, der in seinem Nordteil unter Verkürzung seiner Wellenlänge Fahrt
aufnimmt und nach Osten schwenkt, wobei seine Passage bei uns in der kommenden
Nacht erfolgt. Zuvor gilt es sich mit der vorgeschalteten, aufgrund ihrer
höhenströmungsparallelen Exposition schleifenden Kaltfront auseinanderzusetzen.
Sie ist an das Tief PHILOMENA angebunden, dessen Hauptkern (#1) heute zwischen
Island und Schottland einen deutlichen Auffüllprozess erfährt. Am
Okklusionspunkt bildet sich noch ein kleines Randtief (#2), das heute Mittag im
Bereich südlicher Bottenbusen/Südfinnland zu finden ist. Wie auch immer, die
Front hat den Vorhersagebereich bereits erreicht, den sie heute diagonal
durchzieht und in eine Nordwest- und Südosthälfte teilt. An bzw. rückseitig der
Front (Anacharakter) kommt es zu Regenfällen, die sich nur sehr langsam ostwärts
verlagern und in ihrem Nordteil immer mehr zerfransen. Ohnehin muss man
konstatieren, dass der Regen im Südwesten deutlich intensiver ausfällt als
weiter nördlich. Zum einen ist der Support aus der Höhe (PVA) besser, zum
anderen zeichnet sich eine flache Wellenbildung ab und drittens kommt im
Schwarzwald (vor allem im Süden) noch Stau dazu. Dort wird es noch einige Zeit
weiterregnen, wobei nach der deutschen Modellkette inkl. EPS punktuell etwas
über 25 respektive 30 l/m² innert 12 fallen können. Ob das die Ausgabe einer
Dauerregenwarnung berechtigt, ist aufgrund der Kleinräumigkeit sowie fehlender
Unterstützung anderer Modelle fraglich. "Kann, muss aber nicht", lautet hier die
Devise, wobei sich für "Kann" entschieden wurde.

Fakt ist, dass aufgrund der behäbigen Progression der Front der Süden und Osten
Bayerns bis zum Abend trocken bleiben. Nach z.T. nur schleppender Auflösung von
Nebel und Hochnebel zeigt sich vor allem am östlichen Alpenrand trotz hoher
Wolkenfelder noch für längere Zeit die Sonne. Auflockerungen mit gelegentlichem
Sonnenschein gibt es auch aus dem postfrontalen Nordwesten zu vermelden. In der
einströmenden, alles andere als kalten maritimen Subpolarluft (zwar geht T850
auf rund 3°C zurück, was durch gute Durchmischung und diabatische Erwärmung über
den vorgelagerten Meeresgebieten aber problemlos kompensiert wird) stellt sich
ein wechselnder Wolkencharakter ein. Mit Annäherung des Troges nimmt zunächst an
der Nordsee, dann auch im westlichen NDS und in SH die Schauerwahrscheinlichkeit
zu. An und über der Deutschen Bucht sind zudem kurze Gewitter nicht
ausgeschlossen (schon heute früh sind solche über der freien See in einer
trogvorderseitigen Linie zu beobachten), die mit stürmischen Böen 8 Bft
einhergehen können.
Apropos stürmische Böen, der südwestliche Wind frischt heute insbesondere an und
über der Nordsee sowie im zentralen und westlichen Bergland auf. An der
nordfriesischen Küste sowie allgemein auf den Inseln treten Böen 7 Bft,
exponiert, vor allem aber in Schauer- und Gewitternähe 8 Bft auf. 7er-Böen
stehen im Bergland, vereinzelt auch in Leelagen auf der Karte, der Böhmische
Wind im Osten Sachsens, besser die Warnung wird noch etwas verlängert. In freien
Kamm-, Kuppen- und Gipfellagen sind Böen 8 Bft, auf dem Brocken 9 bis 10 Bft
möglich. Temperaturmäßig geht´s hoch auf 12 bis 17°C, einzig bei zähem Nebel
bleibt es frischer.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt der Trog langsam über Deutschland hinweg
ostwärts, wobei er nach Süden hin etwas hinterherhinkt. Entsprechend lange
braucht die Kaltfront im Süden und Südosten, ehe sie in die Nachbarstaaten
Österreich und Tschechien abzieht. Die Folge ist schwerpunktmäßig auf der
"kalten" Seite länger andauernder Regen. Akkumuliert über 12 h fallen
gebietsweise 5 bis 10, in Alpennähe sowie im Erzgebirge lokal auch mal um 15
l/m². Postfrontal bleibt es im Norden und Westen sowie in Teilen der Mitte bei
einer Mischung aus Wolken und Auflockerungen. Der mit dem Potenzialtrog
korrespondierende thermische Trog spült vorübergehend etwas Höhenkaltluft
insbesondere in den Norden (T500 bis etwa -27°C), was zu einer kurzzeitigen
Labilisierung führt. Delta-T zwischen 850 und 500 hPa wächst auf 28/29 Kelvin
an, was äußerst stattlich ist. Was nicht passt, ist die Tageszeit und
Novembernächte sind verdammt lang. Mit anderen Worten, eine nennenswerte
konvektive Offensive wird durch den Tagesgang verhindert, trotzdem treten vor
allem im Norden einzelne Schauer und in Küstennähe (Stichwort diabatische
Labilisierung) vielleicht auch kurze Gewitter mit Böen 7-8 Bft auf. In der
zweiten Nachthälfte setzt im Nordwesten WLA ein, die eine merkliche
Stabilisierung zur Folge hat. Der Südwest- bis Westwind an und über der See
nimmt mehr und mehr ab.

Noch mal zurück in den Süden, genauer in den Südwesten, wo der Luftdruck von
Frankreich und der Schweiz her steigt und die Annäherung von CHARLY ankündigt.
Gemeint ist das Hoch über der Iberischen Halbinsel, das seine Fühler zaghaft bis
zu uns austreckt, bevor es in den nächsten Tagen so richtig auf die Anzeigetafel
kommt. Auflockernde Bewölkung plus durch vorherigen Regen feuchte Grundschicht
plus Windarmut bedeuten im November erhöhte Nebelgefahr. Mit 9 bis 4°C (an der
See etwas darüber) bleibt die Nacht deutschlandweit sowohl in der Luft als auch
am Boden frostfrei.

Donnerstag... spannt sich in Folge kräftiger WLA west-südwestlich von uns ein
breiter, zunächst aber noch nicht übermäßig amplifizierter Rücken auf, der
zunehmend auch auf den Vorhersageraum übergreift. Zuvor gilt es erst noch den
Trog zu verabschieden, was bis zum Vormittag aber erledigt ist. Am Boden steigt
der Luftdruck weiter an, was den Süden und die Mitte in den Innenbereich CHARLYs
bringt. Am Mittag reicht die Hochparzelle mit über 1025 hPa von Nordspanien bis
nach Austria und Tschechien. Trotzdem, am Morgen und am Vormittag regnet es im
Schlepptau der scheidenden Kaltfront am östlichen Alpenrand noch etwas, bevor am
Nachmittag Schluss damit ist. Dafür kann es dann (und bereits auch schon vorher)
ganz im Norden etwas regnen oder nieseln, was der dortigen Hochrandlage sowie
der Passage einer Warmfront geschuldet ist. Diese gehört zum Tief QUISINA, dem
Nachfolgemodell der vormals wirkenden PHILOMENA, die ihre Karriere beendet bzw.
nur noch rudimentäre Reste aufzuweisen hat. QUISINA befindet sich um 12 UTC mit
einem Kerndruck von etwas unter 970 hPa dicht südlich bei Island. Zwischen ihr
und dem treuen CHARLY (Fans von Eintracht Frankfurt denken da natürlich sofort
an die Vereinslegende Karl-Heinz "Charly" Körbel, aber das nur am Rande) baut
sich ein veritabler Luftdruckgradient auf, vom dem vor allem die Deutsche Bucht
in Form eines auffrischenden Südwestwinds mit Böen 7, exponiert 8 Bft
profitiert. Das Binnenland und die Ostsee sind weniger betroffen, der Brocken
bringt es auf eine solide, für das Plateau aber nicht besondere "9".

Wettertechnisch lässt sich die Sonne vor allem im Westen und Südwesten (höhere
Lagen in der Vorhand, unten muss sich erst mal der Nebel auflösen) sowie an den
Alpen (Westteil) blicken. Auch in einigen Leegebieten wie z.B. hinter dem Harz
lockert die Wolkendecke stärker auf. Ansonsten ziert sich die vorhandene
Bewölkung noch etwas, sich zu entblößen, was zum Nachmittag hin aber allmählich
besser wird. Weitgehend dicht bleiben die Schotten ganz im Norden unter der
(warm)frontalen Schichtbewölkung, hier lohnt sich vielleicht ein Ausflug ins
Solarium. Zwar steigt T850 advektiv, aber auch absinkbedingt langsam wieder an
auf 3 bis 6°C, gleichwohl wird es mit 11 bis 16°C geringfügig kühler als heute,
aber mitnichten kalt.

In der Nacht zum Freitag steigen Geopotenzial und Luftdruck weiter an.
Deutschland gelangt immer mehr unter den sich von Südwesteuropa bis nach
Südskandinavien aufspannenden Rücken. CHARLY legt auch noch ein paar Pfund zu
auf etwas über 1030 hPa, wobei sich der Schwerpunkt in den östlichen Alpenraum
verlagert. Niedertroposphärisch steigt die Temperatur weiter an (T850 am Morgen
6 bis 11°C), was neben der nächtlichen Abkühlung die Ausbildung einer
abgekoppelten Grundschicht fördert. Schaut man sich diesbezüglich die
Prognosetemps etwas genauer an, fällt die sehr niedrig liegende Inversion auf.
Offensichtlich gibt es keine abgehobene Absinkinversion, vielmehr geht diese in
die Strahlungsinversion über respektive kann von dieser nicht wirklich
unterschieden werden. Dementsprechend ist die Grundschicht vertikal nicht
besonders mächtig, sondern eher eine "dünne Haut". Trotzdem bildet sich in der
Südhälfte vielerorts Nebel, teils mit Sichtweiten unter 150 m. Darüber hinaus
kühlt es ganz im Süden vor allem in den Tälern auf 0°C oder etwas darunter ab,
gebietsweise gibt es leichten Frost in Bodennähe.

Nach Norden hin ist Nebel aus zweierlei Gründen weniger wahrscheinlich. Erstens
sind noch frontale Restwolken vorhanden (zumindest im äußersten Norden),
zweitens geht etwas Wind. An und auf See ist der Südwestwind sogar richtig flott
unterwegs mit Böen 7-8 Bft an der Nordsee inkl. dem nördlichen SH. An der Ostsee
sind 7er-Böen meist offshore, lediglich dort, wo bei Südwest etwas Fetch gegeben
ist (z.B. Darß), reicht es für die eine oder andere steife Böe. Dass es auf dem
Brocken für 8er-Böen reicht, ist fast schon institutionell.

Freitag... ist die Geschichte relativ zügig erzählt. Der monumentale Rücken
weitet sich nach etwas nach Norden und Nordosten aus, wobei sich über Frankreich
und Deutschland eine eigenständige Parzelle etabliert. Diese korrespondiert mit
dem inzwischen von der Schwarzmeerregion bis nach Südwesteuropa reichenden
Bodenhoch, das drauf und dran ist, auf über 1035 hPa im Zentrum zu steigen -
CHARLY, der Nimmersatte. Der äußerste Norden und Nordwesten verbleiben
allerdings am Rand des Hochs, was neben einigen Wolken (aber kaum Regen) einen
weiterhin mäßigen bis frischen, an der Nordsee teils warnwürdigen (7-8 Bft)
Südwestwind bedeutet.

Im großen Rest des Landes stehen die Chancen auf einen sonnigen Tag ziemlich
gut. Allerdings gilt es, erst die nächtlichen Nebelfelder zu tilgen, was mal
mehr, mal weniger gut funktioniert. Von Vorteil ist, dass wie erwähnt die
Grundschicht ziemlich flach ist, so dass der Nebel vertikal nicht besonders hoch
reicht. Auch die Hochnebelbildung wird dadurch erschwert. Trotzdem, in einigen
Flussniederungen wie z.B. dem Oberrhein und der Donau, aber auch am Bodensee,
könnte es lange dauern mit der Auflösung. Und wir sollten uns nicht wundern,
wenn es an der einen oder anderen Stelle bei nur schwachem östlichen Wind gar
nicht klappt. Die Temperatur steigt auf 10 bis 15°C, nördlich der zentralen und
westlichen Mittelgebirge stellenweise auf 16 oder gar 17°C. In Gebieten mit
zähem Nebel stehen hingegen nur 5 bis 10°C auf dem Zettel.

In der Nacht zum Samstag ändert sich wenig an der Großwetterlage. Bei gering
bewölktem bis klarem Himmel bildet sich erneut Nebel bzw. breiten sich
vorhandene Reste vom Tag wieder aus. Dabei nimmt auch im Norden und Nordosten
die Nebelwahrscheinlichkeit etwas zu. Außerdem muss verbreitet mit leichtem
Frost in Bodennähe, stellenweise auch mit Luftfrost gerechnet werden. An und auf
dem Meer nimmt der Wind deutlich ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Keine Ergänzungen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann