DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-10-2022 09:30
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 31.10.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von SWa zu SWz (Südwest antizyklonal => zyklonal).

Zunehmend wechselhaft, dabei mitunter windig, an der See auch stürmisch. Und,
man glaubt es kaum, am Mittwoch in Norddeutschland Aufschlagen der 0°C-Isotherme
auf 850 hPa (dachte schon, die gibt´s gar nicht mehr).

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... endet der Oktober, der (noch inoffiziell) wohl als der wärmste,
schlechtestenfalls als zweitwärmster seit Beginn der Aufzeichnungen in die
Chroniken aufgenommen wird (es geht wohl um kleinste Kleinigkeiten hinter dem
Komma). Kein Wunder, wenn man sich den Witterungsverlauf der letzten Zeit,
insbesondere der letzten Dekade anschaut, wo die Temperatur - sei es tags, sei
es nachts - scheinbar keine Grenzen nach oben kannte. Auch das zurückliegende
Wochenende hatte im Süden und in der Mitte wieder einige Sommertage zu bieten.
Die, so viel sei vorab schon verraten, wird es heute sehr wahrscheinlich nicht
mehr geben, kalt endet der Monat aber trotzdem nicht.

Zur Lage, die auch heute mit dem seit gefühlt einer Ewigkeit präsenten Muster
aufwartet: LW-Trog über dem nahen Atlantik, Höherücken über dem europäischen
Kontinent (zumindest über Teilen). Das einzige, was sich geändert hat, sind die
inzwischen verkürzte Wellenlänge sowie die Tatsache, dass der Trog etwas dichter
an den Vorhersageraum herangerückt ist. Im Umkehrschluss bedeutet das nichts
anderes, als dass wir uns unter einer südwestlichen Höhenströmung befinden, die
langsam aber sicher von antizyklonal auf zyklonal übergeht. Auslöser sind
wiederholt nordostwärts schwenkende KW-Tröge, die es in der Folge chronologisch
abzuarbeiten gilt. Das erste Exemplar erreicht heute Nachmittag von der Schweiz
und Ostfrankreich den Westen und Südwesten, wo er aber im Bodendruckfeld auf
antizyklonales Terrain trifft. Denn noch immer hält sich zäh wie Leder der
Richtung Nordsee gerichtete Keil des Hochs ZACHARIAS, das vom nahen Ost- bis
nach Südeuropa reicht. Die Kaltfront des Tiefs JENNY unweit von Island, die es
in der Nacht noch bis zu uns geschafft hat, ist schwach und nahezu wirkungslos,
weshalb sie alsbald von den Wetterkarten verschwinden wird. Und da die
inzwischen ganz schön gealterte Luftmasse auch nicht dazu taugt, zyklonale
Prozesse zu befeuern (Labilität ist zwar vorhanden, aber zu trocken und
gedeckelt), läuft der gute KW-Trog (wir nennen ihn der Übersicht halber die #1)
mehr oder weniger ins Leere.

Wettertechnisch bedeutet das einen weitgehend niederschlagsfreien Wochenstart,
an dem nach teils zäher Auflösung von Nebel und Hochnebel (stellenweise kann es
bis weit in den Nachmittag dauern) über den Norden und Westen mal mehr, mal
weniger dichte Wolken ziehen. Am ehesten fallen zwischen Emsland und Nordsee
respektive SH ein paar Tropfen, viel wird´s nicht sein. In der östlichen Mitte
bzw. in Teilen Ostdeutschlands und im Süden scheint abseits des obligatorischen
Herbstgraus vielfach die Sonne, vor allem an den Alpen und im Vorland, aber auch
in Sachsen. Bei geringer Luftbewegung und T850 zwischen 7°C an der Deutschen
Bucht und bis zu 17°Cim südlichen Alpenvorland (12 UTC) steigt die Temperatur
auf Höchstwerte von 15 bis 19°C, im Süden und der östlichen Mitte auf 17 bis 22,
lokal vielleicht noch mal bis 23 oder 24°C. Bei zähem Nebel wird es freilich
schwer, an die 15°C-Marke heranzukommen.

In der Nacht zum Dienstag kommt ein wenig Bewegung in das bisher eher
beschauliche Strömungsmuster. Zunächst mal dackelt die #1 ohne nennenswerte
Wetterwirksamkeit (Wolken ja, Regen eher nein oder nur ganz wenig) nordostwärts
über das Land hinweg. Ihm folgt ein flacher und sehr kurzer Rücken, der nur sehr
kurz etwas Wirkung entfaltet, weil die #2, also ein weiterer Randtrog in die
Show einsteigt. Zwar setzt dieser Randtrog weiter westlich an - er bevorzugt die
Route Westeingang Ärmelkanal-England-westliche Nordsee -, er ist aber deutlich
schärfer gekrümmt als sein Vorgänger und weiß zudem ein veritables Randtief
(KARSTA) an seiner Seite, die fast denselben Kurs wie der Trog einschlägt und
auf einen Kerndruck zwischen 995 und 990 hPa kommt. Natürlich verfügt KARSTA
auch über eine Kaltfront, zwar teilokkludiert, aber deutlich barokliner und
wetterwirksamer aufgestellt als das o.e. "Gerät". Die Front wird im Lauf der
Nacht die westlichen Landesteile erreichen und dort für zeitweiligen Regen
sorgen, der sich bis in die mittleren Landesteile vorarbeitet. Viel wird nicht
fallen (nur wenige Millimeter, teils sogar unter 1 mm), aber immerhin. Und, ganz
wichtig, die Annäherung der Kaltfront geht mit einer spürbaren Windauffrischung
einher, die dem einsetzenden Druckfall vorderseitig des Tiefs (bei gleichzeitig
konstantem Druck im Südosten) geschuldet ist. Aus südlichen Richtungen kommend -
präfrontal Südost bis Süd, postfrontal auf Südwest drehend - lebt der Wind
zunächst über der freien Nordsee sowie in einigen Hochlagen auf. Später sind
dann auch die Leelagen der westlichen Mittelgebirge sowie Teile des
west-nordwestdeutschen Flach- bzw. Binnenlands dabei. Böen 7 Bft, in exponierten
Hochlagen sowie gegen Morgen auf Helgoland 8 Bft, auf den Brocken 9 Bft sind die
Zahlen, die es in die nächtliche Windverlosung schaffen.

Im Osten und Süden merkt man nicht allzu viel von der Front, hier greift noch
der scheidende Hochdruckeinfluss. Vor allem im Südosten bildet sich wieder
Nebel, teils bleibt der Himmel aber auch klar. Im Süden und Osten Bayerns sinkt
die Temperatur stellenweise auf 5°C oder etwas darunter, dafür bleibt es im
Norden und Westen häufig zweistellig.

Dienstag... schwenkt die Kaltfront in ihrem Nordteil relativ zügig über das Land
hinweg, während sie im Süden zurückhängt und über Frankreich in den
Warmfrontabschnitt eines ellenlangen Frontenzugs übergeht, der irgendwo über dem
mittleren Nordatlantik endet. An bzw. vor der Front regnet es zwar noch etwas,
durch die Abkopplung vom KW-Trog geht aber der Support aus der Höhe mehr und
mehr in die Knie, was das Regenband zerbröseln lässt. Rückseitig wird ein
Schwall erwärmter und abgetrockneter, dazu relativ stabiler Meeresluft
subpolaren Ursprungs herangeführt, in der T850 mit Ausnahme des Südostens auf 6
bis 3°C zurückgeht. Die Wolkendecke lockert auf und die Sonne setzt sich
mitunter durch, insbesondere im Südwesten. Im präfrontalen Südosten muss sich
erst der Nebel auflösen, bevor auch dort noch etwas die Sonne durchkommt. Zum
Nachmittag hin wird es dort aber immer wolkiger und gelegentlich regnet es
etwas. Postfrontal bleibt es hingegen trocken, weil sich in der Luftmasse (auch
mangels Höhenkaltluft) keine Schauer entwickeln können. Erst spät am Tage könnte
es an und über der Deutschen Bucht für erste Huschen reichen.

Im Fokus steht weiterhin der auf Südwest bis West drehende Wind, der sich am
Vormittag noch etwas verstärkt. Im west- und nordwestdeutschen Tiefland +
Leelagen muss mit Böen 7 Bft, an und auf der Nordsee sowie exponiert im
küstennahen Binnenland mit Böen 8-9 Bft, auf Helgoland vielleicht einer kleinen
"10" gerechnet werden. Im Bergland stehen je nach Exposition Böen 8-9 Bft, auf
dem Brocken 10 Bft auf der Karte. Mit Ausnahme der freien Nordsee sowie
exponierter Hochlagen (dort weiterhin stürmisch) geht der auf Süd rückdrehende
Wind bereits am Nachmittag wieder unter die untere Warnschwelle 7 Bft zurück.
Die Temperatur erreicht morgen zwar keine 20°C mehr (wahrscheinlich zumindest),
ist bei größtenteils guter Durchmischung mit einer Spanne von 14 bis 19°C aber
mehr als prominent aufgestellt für einen 1. November.

In der Nacht zum Mittwoch kommt der nächste Trog auf uns zu, Gott zum Gruße #3.
Hierbei handelt es sich nicht um einen klassischen Randtrog sondern um den Rest
des eigentlichen Haupttroges, der rückseitig aber schon wieder regeneriert wird.
Wie auch immer, dem Trog vorgeschaltet ist die nächste Kaltfront, die in den
Norden zieht und dabei für etwas schauerartigen Regen sorgt. Außerdem legt der
Gradient im Westen und Nordwesten wieder deutlich zu, was zu einem erneuten
Aufleben des südlichen bis südwestlichen Windes führt. In tiefen Lagen werden
Böen 7 Bft, an der Nordsee sowie in höheren Lagen je nach Exposition 8 bis 9
Bft, Brocken 10 Bft erwartet.

Im großen Rest des Landes tut sich nicht allzu viel, sieht man mal davon ab,
dass im äußersten Süden die Reste der zurückhängenden, in der Vorhersagekarte
gar nicht mehr abgebildeten Vorläufer-Kaltfront aktiviert werden. Mehr als ein
paar Tropfen zwischen Alpenrand respektive südlichem Vorland bis hinüber zum
Bajuwarischen Wald springen dabei aber nicht heraus. Etwas weiter nördlich
könnte es in Bayern bzw. Franken für das eine oder andere Nebelfeld reichen. Die
Tiefstwerte liegen zwischen 11 und 5°C, im Südosten sowie in einigen Hochtälern
Süddeutschlands bei längerem Aufklaren noch etwas darunter (=> lokal leichter
Frost in Bodennähe).

Mittwoch... stellt sich grob gesagt eine Zweiteilung des Wetters in Deutschland
ein. Während im Süden das sich von Südwesteuropa bis zu den Alpen ausdehnende
Hoch ANDRE seine Wirkung entfaltet, gilt es im Norden die Passage des
Höhentroges inkl. thermischen Troges und Kaltfront zu verarbeiten. Für
Süddeutschland bedeutet das anfangs am Alpenrand noch etwas Regen, sonst viel
Sonne, aber auch einige Wolken. Der Wind spielt dabei nur eine untergeordnete
Rolle.

Das sieht im Norden etwas anders aus, wo zwischen dem Hoch im Süden (immerhin um
1025 hPa) und einem über Südskandinavien ziehenden Randtief (um 1005 hPa) ein
veritabler Gradient vorherrscht, der einen flotten und stark böigen Südwest- bis
Westwind generiert. Hinzu kommt aufgrund der ausgeprägten Labilität der
einfließenden erwärmten Meereskaltluft (rund 0°C auf 850 hPa stehen rund -27°C
auf 500 hPa gegenüber) eine gute Verbindung zum Höhenwind, der auf 925 und 850
hPa vereinzelt bis auf 50 Kt hochgehen soll. Böen 7 Bft teils bis in den
Mittelgebirgsraum reichend, in Schauern 8 Bft, an der Nordsee bis 9 Bft stehen
auf dem Zettel, Tendenz am Nachmittag bereits wieder nachlassend und auf
südliche Richtungen rückdrehend. Neben einzelnen Schauern, ganz im Norden auch
kurzen Gewittern (mit Sturmböen), zeigt die Bewölkung durchaus Bereitschaft,
größere Lücken für die Sonne zu öffnen bei Tageshöchstwerten von 12 bis 15°C. In
den übrigen Landesteilen darf mit 14 bis 18°C gerechnet werden.

In der Nacht zum Donnerstag folgt dem Trog ein flacher Rücken, der aber nicht
verhindern kann, dass sich von der Nordsee und Benelux her die nächste Kaltfront
nähert. Absender ist das kleine Sturmtief MARION, das morgen noch als flache
Welle draußen auf dem Atlantik agiert, sich später aber entwickelt und am
Mittwoch dicht an Irland und Schottland vorbeizieht. In den Frühstunden fängt es
im Nordwesten also schon wieder an zu regnen und auch der Wind frischt wieder
auf, am stärksten über der Nordsee (bis Sturmstärke).
Im übrigen Deutschland bleibt die Nacht trocken, teils bildet sich Nebel
(Süden).

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grunde simulieren die Modelle die Entwicklung einheitlich. Trotzdem sind im
Detail Unschärfen erkennbar, so z.B. zum morgigen Wind, der in Vorläufen
durchaus schärfer gerechnet wurde. Auch für Mittwoch (Trogpassage im Norden)
stehen noch nicht alle Details fest. Die zunehmende Zyklonalisierung nebst
Normalisierung der Temperatur sind unstrittig.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann