DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-10-2022 07:30
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 28.10.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: SWa
Außergewöhnlich mild bis warm. Im Nordwesten leicht unbeständig, sonst meist
ruhiges Hochdruckwetter ohne markante Wettererscheinungen. Lediglich auf einigen
Gipfeln (insbesondere Brocken) zeitweise Böen Bft 8 bis 9).

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... steht einem umfangreichen, sich vom westlichen und zentralen
Mittelmeerraum über Mitteleuropa bis zur Norwegischen See bzw. zum Westen
Russlands erstreckenden Höhenrücken ein positiv geneigter Langwellentrog über
dem Ostatlantik gegenüber. Dieses klar strukturierte und auch relativ stationäre
Geopotenzialmuster beschert dem Vorhersagegebiet einen außergewöhnlich milden
bis warmen Oktoberausklang, da von Südwesten her auch niedertroposphärisch eine
für diese Jahreszeit extrem warme Luftmasse beständig aus dem nordafrikanischen
Raum bis nach Mitteleuropa transportiert wird.
Das mit dem Rücken korrespondierende Bodenhoch reicht dabei vom westlichen
Mittelmeerraum über Italien, dem Alpenraum und dem Balkan bis zur Ukraine bzw.
dem Schwarzen Meer.
Trotz antizyklonalem Grundmuster über dem Vorhersagegebiet - im Tagesverlauf
schwenkt eine der beiden Hauptachsen des Rückens allmählich über uns hinweg
ostwärts - gestaltet sich der Wetterablauf am heutigen Freitag nicht ganz
störungsfrei. Verantwortlich dafür ist einerseits die kräftige WLA im Bereich
der Rückenachse, die vor allem der Nordhälfte mit Passage der Warmfront des mit
dem Langwellentrog korrespondierenden mehrkernigen Bodentiefkomplexes westlich
von Irland viel hohes und mittelhohes Gewölk beschert. Es bleibt dort aber
überwiegend trocken. Andererseits wird der Rücken aktuell von einem
kleinräumigen und nur flachen kurzwelligen Troganteil überlaufen, der nur im
hochaufgelösten Geopotenzialfeld erkennbar ist. Dabei kann schwache PVA in
Kombination mit der WLA vor allem über den mittleren Landesteilen etwas
dynamischen Hebungsantrieb generieren. Die Folge sind dichtere mehrschichtige
Wolkenfelder und aktuell leichte Regenfälle, die sich im Vormittagsverlauf
allmählich über Westmecklenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Franken ostwärts
verlagern. Diese Niederschläge werden in erster Linie von den hochaufgelösten,
Konvektion erlaubenden Modelle simuliert (mit etwas zu hohen Mengen), während es
nach Lesart des ICON-EU, GFS und IFS weitgehend trocken bleiben sollte. Mittags
und nachmittags sollte es dann weitgehend trocken bleiben.
Die Luftmasse über dem Vorhersagegebiet ist aufgrund der aus
Nordafrika/Südwesteuropa advehierten elevated mixed Layer (EML) oberhalb der
Grundschicht hochreichend labil geschichtet und es wird auch einiges an MU-Cape
im Bereich des Troges generiert. ICON-D2 hat sogar einzelne Gewitter auf der
Agenda. Dennoch dürfte es dafür aufgrund der fortgeschrittenen Jahreszeit
voraussichtlich nicht mehr reichen. So ganz ausgeschlossen sind diese aber
nicht.
Mit Passage der oben genannten Warmfront, vor allem aber mit Annäherung der
Kaltfront des Tiefs, die abends den Nordwestteil der Deutschen Bucht erreicht,
verschärft sich der Gradient noch etwas, so dass der Wind vor allem in höheren
Lagen sowie im Nordseeumfeld aus südlichen Richtungen etwas auffrischt. In
einigen Kamm- und Gipfellagen gibt es steife, auf exponierten Gipfeln stürmische
Böen, auf dem Brocken eventuell auch einzelne Sturmböen. Unmittelbar vor der
Kaltfront kann es über der Deutschen Bucht gegen Abend erste steife Böen geben.
Ansonsten steht ein vom Wetterablauf her aber unspektakulärer Tag ins Haus. Die
Nebelfelder in einigen Niederungen Süddeutschlands - vor allem am Bodensee und
entlang der Donau - lösen sich teilweise nur zögernd auf. Auch die aktuell noch
dichteren, an den kurzwelligen Troganteil gekoppelten Wolkenfelder, die aktuell
weite Landesteile ostwärts überqueren, bekommen mehr und mehr Lücken. Vor allem
im Südwesten, an den Alpen, im Vorland, nach Osten zu sowie an den Nordhängen
der Mittelgebirge scheint aber auch längere Zeit die Sonne. Spektakulär
gestaltet sich dagegen die Temperaturentwicklung. Im Warmsektor steigt die 850
hPa-Temperatur auf Werte zwischen 17 Grad im Süden und 12 Grad im Nordwesten und
einige Lee-Lagen starten schon außergewöhnlich mild bis warm aus der Nacht (Bad
Harzburg um 7 Uhr schon 22 Grad, am Haarstrang verbreitet über 20 Grad, an den
Vogesen ebenfalls). Frisch ist es hingegen in Teilen Bayerns mit Minima zwischen
5 und 9 Grad. Ganz im Norden sowie in den Regionen, wo der Nebel erst spät
aufgeht, werden die 20 Grad nicht erreicht, bei Nebel bis in den frühen
Nachmittag hinein nur die 15 Grad knapp überschritten. Ansonsten liegen die
Höchstwerte zwischen 20 und 25 Grad, in einigen Lee-Lagen Südwestdeutschlands
werden vielleicht sogar an die 27 Grad erreicht. Etwas dämpfend könnte der
Saharastaub wirken, der sich im Warmsektor ausbreitet. Somit dürfte es wohl für
einige Dekadenrekorde reichen, für den Allzeitrekord der 3. Dekade (28,6°C) aber
wohl eher nicht.

In der Nacht zum Samstag überquert ein in die südwestliche Höhenströmung
eingebetteter flacher Kurzwellentrog die Nordsee rasch ostnordostwärts, so dass
die Rückenachse ins östliche Mitteleuropa abgedrängt wird. Trogrückseitig
verstärkt sich über Westeuropa aber rasch wieder die WLA, so dass sich bis
Samstagfrüh ein Höhenkeil nordnordwestwärts über den Britischen Inseln aufwölbt.
Dadurch dreht die Höhenströmung hierzulande vorübergehend etwas mehr auf
Westsüdwest und bleibt recht glatt konturiert.
Die Kaltfront über der Nordsee kommt anfangs noch recht flott nach Südosten
voran, wird aber über Westeuropa rückläufig und mündet in eine Frontalwelle
südwestlich von Irland, so dass sie zunehmend höhenströmungsparallel
positioniert ist und deutlich eingebremst wird. Sie erreicht morgens noch die
Norddeutsche Tiefebene (etwa eine Linie Emsland-Berlin) und geht dann im Westen
bereits über in die Warmfront der Frontalwelle. Da sie vom Trog und schwacher
KLA überlaufen wird, beschränkt sich ihre Wetterwirksamkeit hauptsächlich auf
dichtere Wolkenfelder über Norddeutschland, aus denen es aber kaum regnet. Erst
mit Annäherung der Warmfront fallen in den Frühstunden im Westmünsterland bzw.
im Emsland eventuell ein paar Tropfen.
Allerdings kann es mit Frontpassage bzw. postfrontal zunächst über der Nord- und
später auch über der Ostsee einzelne steife Böen geben, zumal von Südwesten her
ein flacher Bodenkeil folgt, an dessen Nordflanke sich der Gradient kurzzeitig
etwas verschärft.
Im Bereich des Keils weicht er dagegen rasch wieder auf, so dass es auch auf den
Mittelgebirgsgipfeln kaum mehr für warnrelevante Böen reichen sollte (außer
vielleicht noch auf dem Brocken).
Die teils mehrschichtige frontale Bewölkung weitet sich noch bis in die
mittleren Landesteile aus, während es im Norden postfrontal wieder auflockert.
In der Südhälfte bleibt es dagegen aufgelockert bis gering bewölkt, so dass sich
dort, am ehesten im Südosten, wieder Nebel und Hochnebel ausbreiten können. Dort
wird es mit Tiefstwerten zwischen 10 und 5 Grad - in einigen Mittelgebirgs- und
Alpentälern auch darunter - noch am frischtesten, auch postfrontal kann es in
Schleswig-Holstein gebietsweise auf unter 10 Grad abkühlen, sonst steht aber
erneut eine milde Nacht ins Haus mit Tiefstwerten zwischen 16 und 9 Grad, in
einigen Lee-Lagen bleibt es eventuell sogar noch milder.

Samstag... schwenkt der sich durch die beständige WLA weiter verstärkende und
amplifizierende Höhenkeil bzw. Höhenrücken zur Nordsee und nach Westdeutschland,
so dass die Höhenströmung über weiten Teilen des Vorhersagegebietes
vorübergehend sogar auf Westnordwest dreht.
Im Bodenfeld zieht die Frontalwelle nach Südwestirland und wird bis zum Abend
ins Zentraltief westlich von Irland inkludiert. Dessen Warmfront kommt über
Norddeutschland allmählich nordostwärts voran und erreicht abends in etwa eine
Linie Deutsche Bucht-Oderbruch. Mit Annäherung des Keils wird die WLA durch
Absinken mehr und mehr kompensiert, so dass es präfrontal bzw. mit Passage der
Front höchstens für ein paar Tropfen reicht. Allerdings bleibt es in weiten
Teilen Norddeutschlands und im Nordosten überwiegend stark bewölkt, lediglich
anfangs scheint in Schleswig-Holstein - in Vorpommern noch bis zum Mittag oder
frühen Nachmittag - gebietsweise noch die Sonne.
Im Rest des Landes dominiert dagegen der Einfluss des Hochdruckgebietes mit
Schwerpunkt über dem Alpenraum und Südosteuropa. Im Warmsektor verstärkt sich
auch niedertroposphärisch die WLA noch etwas und die Temperatur erreicht Werte
zwischen 12 Grad an der Warmfront und rekordverdächtige 18 bis 19 Grad im
Süden/Südwesten, während sie sich präfrontal im Norden/Nordosten zwischen 7 und
10 Grad bewegt. Beeindruckend auch die Luftmasse in den Prognosesoundings: Im
Südwesten zeigen diese eine fast bis 500 hPa reichende hochlabile EML, die
offensichtlich direkt aus Marokko zu uns gelangt. Entsprechend hat ICON-D2
extrem hohe MU-Cape örtlich an die 2000 J/kg auf der Agenda. Absinken, ein
starker Deckel und die trockene Luftmasse verhindern allerdings jegliche
Auslöse.
Die mehrschichtige Bewölkung wird mit der Warmfront allmählich nach Norden
abgedrängt, so dass auch in den mittleren Landesteilen die Wolken mehr und mehr
auflockern. Relativ sonnig wird es vor allem im Südwesten, an den Alpen, im
Vorland und an den Nordrändern der Mittelgebirge, während sich in den
Flussniederungen Bayerns erneut der Nebel länger halten kann. Zwar kann
Saharastaub erneut die Einstrahlung etwas dämpfen, eventuell auch für dichtere
hohe Bewölkung im Südwesten und Süden sorgen, dennoch wird es vor allem dort
wieder außergewöhnlich warm mit Höchstwerten zwischen 21 und 27 Grad (letztere
Werte wohl im Schwarzwaldlee und am Alpenrand). Eventuell können auch die 28
Grad nicht ganz ausgeschlossen werden. Bei zähem Nebel bleibt es natürlich
entsprechend kühler und die 20 Grad sind utopisch. Auch unter den dichteren
Wolken in der Nordhälfte bleibt es mit 15 bis 19 Grad frischer, in der Mitte
reicht es - je nach Wolkenauflösung - noch für 19 bis 24 Grad.
In den Kamm- und Gipfellagen der Mittelgebirge und der Alpen reicht der Gradient
für einzelne steife, ganz exponiert und auf dem Brocken eventuell auch noch für
stürmische Böen aus südlichen Richtungen.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der zunehmend kurzwellige, aber weiter
amplifizierende (und inzwischen bis nach Südostgrönland reichende) Höhenrücken
mit seiner Achse ganz allmählich über das Vorhersagegebiet hinweg nach Osten.
Die Warmfront des ins Seegebiet zwischen Irland und Island ziehenden
Zentraltiefs kommt ebenso zögerlich nach Nordosten voran, Ostvorpommern bleibt
bis in die Frühstunden wohl noch im präfrontalen Bereich. Dort kann es eventuell
noch ein paar Tropfen geben, sonst bleibt es trocken.
Ansonsten verläuft die Nacht im Einflussbereich des sich zögernd nach
Südosteuropa und etwas abschwächende Hochs wettertechnisch ruhig, wobei sich vor
allem in den Niederungen Süddeutschlands bei schwächerem Gradienten als in den
Vornächten vielerorts Nebel und Hochnebel ausbreiten. An den Minima ändert sich
gegenüber der Vornacht nur wenig.

Sonntag... kommt die Achse des Rückens nach wie vor nur sehr langsam nach Osten
voran und erreicht am Abend grade so das deutsch-polnische Grenzgebiet.
Rückseitig dreht die Höhenströmung wieder auf Südwest, bleibt aber noch
antizyklonal konturiert.
Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt eher Richtung Italien und
Südosteuropa und der Gradient über dem Vorhersagegebiet weicht weiter auf, so
dass auch die Advektion niedertroposphärisch extrem warmer Luft ein wenig
gekappt wird. Dennoch werden in 850 hPa nach wie vor außergewöhnlich hohe Werte
zwischen 14 Grad im Nordwesten und 17 Grad im Südosten erreicht.
Die Warmfront des bis zum Abend zur Südküste Island ziehenden Tiefs
verabschiedet sich nun endgültig aus dem Vorhersagegebiet und auch im Norden und
Nordosten lockern die Wolken mehr und mehr auf. Somit scheint im Tagesverlauf
vielerorts die Sonne, da auch mitteltroposphärisch die WLA allmählich zum
Erliegen kommt, was die hohen und mittelhohen Wolkenfelder reduziert. Erneut
kann aber der Eintrag von Saharastaub für "Überraschungen" sorgen, was z.B. die
Entwicklung hoher Wolkenfelder angeht.
Bei schwachgradientigem Druckfeld klappt es nicht mehr so gut wie am Vortag mit
der Durchmischung und die Nebel- bzw. Hochnebelfelder in den Niederungen
Süddeutschlands halten sich gebietsweise wieder bis in den Nachmittag hinein.
Die Höchsttemperaturen erreichen allgemein wohl nicht mehr ganz die Werte des
Vortages, dennoch wird es mit 19 bis 24 Grad, im Lee einiger Mittelgebirge bis
26 Grad wieder außergewöhnlich warm. Etwas kühler bleibt es ganz im Norden sowie
vor allem in den Regionen mit zähem Nebel im Südosten des Landes.

In der Nacht zum Montag schwenkt der Rücken weiter zur Ostsee und ins östliche
Mitteleuropa, die Höhenströmung hierzulande bleibt aber antizyklonal konturiert.
Weiter westlich greift allerdings ein Kurzwellentrog von Südwesten her auf
Frankreich über.
Die strömungsparallel eingebettete Kaltfront des Tiefs bei Island kommt somit
über der Nordsee bzw. Südwesteuropa kaum nach Osten voran und verwellt bei
Interaktion mit dem Kurzwellentrog über dem Westen Frankreichs. Somit bleiben
wir weiterhin im Warmsektor am Rande der quasistationären Hochdruckzone
südöstlich von uns im Bereich eines schwachgradientigen Druckfeldes. Über den
Westen und Nordwesten des Landes ziehen dabei wieder etwas dichtere Wolkenfelder
hinweg, ansonsten bleibt es aber meist gering bewölkt, so dass sich Nebel- und
Hochnebelfelder erneut ausbreiten können. Tendenziell fällt die Nacht etwas
frischer als die Vornacht aus, aber immer noch relativ mild.


Modellvergleich und -einschätzung
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Anhand der synoptischen Basisfelder lassen sich keine warn- und
prognoserelevanten Modellunterschiede ausmachen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff