DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-10-2022 17:01
SXEU31 DWAV 271800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 27.10.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Sehr mild. Nachts im Südosten Nebel. In Gipfellagen böiger Wind.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
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Aktuell ... liegt Deutschland unter einem Höhenrücken in 500 hPa, der zwei
Hauptachsen aufweist. Die erste, die sich in ihrer Kontur allmählich abschwächt,
liegt von Süd-Südwest nach Nord-Nordost orientiert über dem Baltikum und
verlagert sich zögerlich nach Osten. Die zweite Achse, die über der Nordsee
allmählich nach Osten vorankommt, ist von Südost nach Nordwest ausgerichtet und
verstärkt sich im Laufe der Nacht durch zunehmende Warmluftadvektion. Westlich
des Höhenrückens liegt über dem nahen Nordostatlantik ein hochreichendes
mehrkerniges Tief (IRIS), dessen dominierender Kern ausgangs der Nacht mit einem
Kerndruck von unter 990 hPa westlich von Schottland zu finden sein wird.
Zwischen dem Rücken und dem Tief hat sich über Westeuropa nieder- und
mitteltroposphärisch eine zumeist südwestliche Strömung eingestellt, in der
Wellenmuster auf eingelagerte Frontensysteme hinweisen. Der Rücken, zusammen mit
dem korrespondierenden großräumigen Bodenhoch (ZACHARIAS) über Südosteuropa,
blockiert ein nachhaltiges Übergreifend der Frontensysteme auf Deutschland,
sodass man für große Teile Mitteleuropas von einer Hochrandlage sprechen kann.
Zwar werden im Laufe der Nacht im Westen, Norden und auch in der Mitte die hohen
und mittelhohen Wolken dichter, geringe Niederschläge sind laut ICON aber nur
über dem Norden zu erwarten. Das sehen GFS, UK10 und vor allem IFS etwas anders.
Nach diesen Modellen sind auch in den westlichen und zentralen Mittelgebirgen
schwache Niederschläge möglich. Der Grund dafür ist ein schwacher
Kurzwellentrog, der den Rücken umläuft und dabei für Hebung sorgt - ob das aber
bei der trockenen Grundschicht reicht, dass dieser potentielle Regen überhaupt
am Boden ankommt? Ansonsten bleiben aber auch die letztgenannten Modelle
trocken, so dass sich vor allem im Süden und Südosten wieder Nebel bilden kann.
Dem Nebel in den genannten Regionen spielt natürlich auch der dort nur schwache
Wind in die Karten. Dies ist im Westen und Norden anders. Dort weht der Wind
zumindest lebhaft, eventuell ist in der einen oder anderen Gipfellage sogar mal
eine Bft 7 mit dabei. Die wird man warntechnisch wohl als Einzelfallentscheidung
durchwinken. Ob das auf dem Brocken, wo MOSMIX immerhin eine Bft 9 auf der
Agenda hat, auch der Fall sein wird, darf bezweifelt werden - sprich: Dort ist
wohl eine Warnung fällig. Beim Blick auf die Temperaturen fällt das sehr hohen
Niveau in 850 hPa (Spanne von knapp 11°C im Norden bis knapp 17°C im Südwesten)
auf. Entsprechend liegen auch die Tiefstwerte wieder sehr hoch. Um 17°C sagt
MOSMIX als Minimum für Teile des Westens (z.B. Nordlee der Eifel, Rheinland)
voraus. Auch in mittleren Lagen, innerhalb der sich gebietsweise ausbildenden
Inversion, bleibt es mit Tiefstwerten um 15°C sehr mild. Am kühlsten wird es mit
Minima um 5°C im Südosten Bayerns, wo ohne Wolken die Ausstrahlung gut
funktioniert und sich entsprechend "Kaltluftseen" ausbilden können.

Freitag ... läuft auf der Ostflanke des Langwellentrogs über dem nahen Atlantik
ein relativ scharf konturierter Randtrog ab, der über den Norden Englands und
Schottland bis zur Nordsee ausgreift. Auf seiner Vorderseite schiebt sich eine
Kaltfront, die an einen der kleineren, sich im Tagesverlauf aber verstärkenden
IRIS-Kerne gekoppelt ist, bis an die Deutsche Bucht heran. Sie wird dann aber
schon wieder rückläufig und beschreibt einen Bogen, der über Benelux und
Nordfrankreich bis zur nördlichen Biskaya verläuft. Neben der Kaltfront wird
aber auch der Höhenrücken nach Osten abgedrängt, dessen Achse liegt zum Abend
über der Osthälfte Deutschlands, der westlichen Ostsee sowie dem Süden
Skandinaviens. Bewölkungstechnisch bleibt es zumeist bei hohen oder mittelhohen
Wolken. Laut ICON können in Verbindung mit der Kaltfront in den äußersten
Nordwesten auch mal tiefe Wolken hereindriften. Nennenswerte Niederschläge sind
aber weder dort noch sonst irgendwo im Lande zu erwarten. Hinsichtlich der
Auflösung von Nebel und Hochnebel zeigen sich die Modelle relativ optimistisch,
auch wenn es stellenweise etwas dauern wird, vor allem im Südosten. Ursache
dafür könnte der weiterhin lebhaft simulierte, vornehmlich südliche bis
südwestliche Wind sein, der für Durchmischung sorgt. In exponierten Hochlagen
sind Böen 6-7 Bft, auf dem Brocken 8-9 Bft nicht ausgeschlossen. Am
interessantesten ist ohnehin die Frage, wie hoch es morgen mit der Temperatur
geht. Die auf 850 hPa angebotenen Werte sind mehr als üppig und könnten ohne
aufzufallen auch im Hochsommer auftreten. Im Süden geht´s hoch auf 16/17°C, aber
auch sonst sind meist 12 bis 15°C angesagt - und für Ende Oktober ein echtes
Statement. Dass diese hohen Werte zu dieser Jahreszeit nicht mehr 1:1 nach unten
durchgereicht werden, ist zwar evident. Trotzdem sind MOS, aber auch der DMO
verschiedener Modelle der Meinung, dass es am Nordrand der Mittelgebirge, mit
leicht föhniger Unterstützung am Alpenrand sowie in Teilen Baden-Württembergs
örtlich für einen Sommertag mit 25°C oder sogar etwas mehr reicht. MOSMIX hat
seine Prognosen im Südwesten auf bis zu 27°C hochgetunt - mal schau'n, ob's
dafür wirklich reicht. Denn ein paar Fragezeichen sind zu erkennen. So z.B., ob
s in der Nacht wirklich so mild bleibt, wie es die Modelle erwarten. Und ob die
Bewölkung am Ende nicht doch etwas dichter ist, als die jetzigen Simulationen
zeigen. In diesem Zusammenhang kommt auch noch Saharastaub ins Spiel, der mit
der Einstrahlung auch die Temperaturen dämpfen könnte. Am Ende dürfte es für
einige Stations-Dekadenrekorde reichen, aber wohl nicht für einen
Dekaden-Allzeitrekord (diesen Rekord hält das baden-württembergische
Emmendingen-Mundingen mit 28,6°C am 26.10.2006). Dort, wo kein Sommertag
erreicht wird, was mehrheitlich ja der Fall sein wird, stehen 19 bis 24°C auf
der Karte. Nur stellenweise im Südosten sowie direkt an der See wird es nicht
ganz so warm.

In der Nacht zum Samstag verstärkt sich Hoch ZACHARIAS punktuell auf über 1030
hPa. Ein von ZACHARIAS ausgehender, anfangs nach England gerichteter Bodenkeil
verschieb sich nach Norden und weist ausgangs der Nacht zur Nordsee. Auf der
Nordflanke das Bodenkeils kann die IRIS-Kaltfront noch bis in die Norddeutsche
Tiefebene (laut ICON etwa auf eine Linie Hannover - Berlin, laut IFS eher auf
eine Linie Emden - Berlin) vorankommen, wobei sie über dem westlichen
Niedersachsen schon wie oben geschildert rückläufig wird. Weiter nördlich
überquert sie Dänemark sehr rasch und erreicht zum Morgen schon die Danziger
Bucht. Über eventuelle Niederschläge an der Front herrscht zwischen den Modellen
noch keine Einigkeit. Laut IFS soll gegen morgen im äußersten Westen und
Nordwesten leichter Regen aufkommen - aktuell noch eine ein Einzellösung, die
vielleicht auch der rascheren Verlagerung der Front und der damit verbundenen
höheren Dynamik geschuldet ist. In den übrigen Gebieten gestaltet sich die Nacht
wolkig bis gering bewölkt, teils auch klar, wobei sich erneut Nebel oder
Hochnebel bildet, was wiederum vor allem den Südosten betrifft. Das
Nordwest-Südost-Temperaturgefälle bleibt erhalten, wobei es in mittleren
Hochlagen Süddeutschlands in der nächtlichen Inversion allerdings sehr mild
bleibt (teils über 15°C).

Samstag ... wird der Höhenrücken über Westeuropa durch Warmluftadvektion erneut
verstärkt, so dass sich eine Achse verstärkt bzw. neu ausbildet, die zum Abend
vom Westen Deutschlands über die Nordsee hinweg bis nach Island reicht. Da die
"alte" Achse über das Baltikum hinweg nach Nordwestrussland ausgreift, bildet
sich zwischen den Achsen eine zonale Höhenströmung aus, unter der der Norden
Deutschlands zu finden ist. Während die am Morgen weitegehend von West nach Ost
über dem Norden liegende Front über der Osthälfte nur zögerlich rückläufig wird
und damit auch nur zögerlich nach Norden vorankommt, verlagert sie sich über
Niedersachsen recht flott nordwärts und erreicht laut ICON zum Abend die
dänische Grenze und die Nordsee. Dabei ist mehrschichtiger Bewölkung ebenso am
Start wie auch etwas Regen. Da auf der "kalten" Seite der Front die Temperatur
in 850 hPa vorübergehend auf 10 bis 7°C zurückgeht, liegen auch die
Tageshöchstwerte im Norden nur noch bei 15 bis 18°C. Ansonsten gilt es zu
konstatieren, dass die Temperatur im großen antizyklonalen Warmsektor auf 850
hPa noch etwas zulegt auf fast schon sagenumwobene 18/19°C im äußersten Süden
und Südwesten. Einen Zuschlag in 2 Meter Höhe soll es gegenüber dem Vortag aber
nicht geben, die Höchstwerte werden bei 20 bis 25°C, ganz im Süden bei bis zu
27°C erwartet. Wettertechnisch scheint nach teils schleppender Auflösung von
Nebel und Hochnebel die Sonne, die mal mehr, mal weniger von durchziehenden
Cirren, möglicherweise aber auch durch Saharastaub getrübt wird. Wenn´s ganz
dumm kommt, fallen die Cirren durch den Staub dichter aus als jetzt noch
simuliert, was dann natürlich eine dämpfende, im worst case sogar spürbar
dämpfende Wirkung auf die Höchsttemperatur hat. Abgesehen von einigen
exponierten Hochlagen weht der Wind meist nur schwach aus Südost bis Süd.

Die wichtigste Nachricht für die Nacht zum Sonntag lautet: Zurückstellen der Uhr
auf Winterzeit, eine Stunde länger schlafen. Das Wetter dürfte es hingegen nicht
in die Schlagzeilen schaffen. Bei weiterhin antizyklonalen Rahmenbedingungen -
die Warmfront im Norden sucht das Weite - wird es vielfach gering bewölkt oder
klar und niederschlagsfrei mit den typischen Nebel-/Hochnebelprozessen. Dabei
kann sich im Gegensatz zu den Vornächten auch im Norden gebietsweise Nebel
bilden (feuchte Grundschicht durch vorherigen Regen, Wolkenauflockerungen,
schlapper Wind).

Sonntag ... überwiegt weiterhin der antizyklonale Einfluss. Die Achse des breit
angelegten, vom westlichen bzw. zentralen Mittelmeerraum
über Mitteleuropa und Skandinavien bis ins nördliche Nordmeer reichenden
Höhenrückens verlagert sich ostwärts, in der Nacht zum Montag verlässt seine
Achse uns in Richtung Polen. Dabei läuft auf seiner Westflanke ein
Kurzwellentrog ab, der sich aber allenfalls im Westen mit dichteren Wolken und
in der Nacht zum Montag auch eventuell mit ein paar Tropfen bemerkbar macht.
Ansonsten dominiert aber weiterhin der Einfluss der von Ost- bzw. Südosteuropa
bis nach Mitteleuropa reichenden Hochdruckzone. Somit
scheint am Sonntag außerhalb von Nebel- und Hochnebelfeldern, die vor allem in
den Niederungen Süddeutschlands teils beständiger sind, vielerorts die Sonne.
Lediglich im Norden und Nordwesten bleibt es bewölkt. Mit 13 bis 17°C ist es in
850 hPa weiterhin außergewöhnlich mild bis warm. Daraus lassen sich Höchstwerten
von 19 bis 24°C ableiten (zumindest außerhalb der Nebelregionen), in einigen
Lee-Lagen kann es durchaus noch einmal
einen Sommertag mit über 25 Grad geben. Erneut, wie am Vortag, könnten einige
Temperaturrekorde ins Haus stehen. Etwas kühler bleibt es lediglich in
Küstennähe und natürlich dort, wo der Nebel nicht aufgeht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden modellübergreifend sehr ähnlich gerechnet. Die
Kernfragen, die numerisch nicht vollständig beantwortet werden, beziehen sich
auf den Nebel (wo und wie lange?), die Temperatur (vor allem wie hoch am Freitag
und am Samstag?) und den Niederschlag (in der Nacht zum morgigen Freitag im
Westen und in der Mitte? Wieviel am Samstag an der Warmfront im Norden?).
Näheres dazu wurde im Text bereits angerissen.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas