DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-10-2016 21:00
SXEU31 DWAV 091800
S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 09.10.2016 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Fortdauer der High-over-Low-Situation.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 12 UTC
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Aktuell ... Schaut man sich die aktuelle Potenzialverteilung über Mitteleuropa
und dem nahen Osteuropa an, so kann man mit Fug und Recht von einem ganz großen
"Geeiere" sprechen. Oder etwas professioneller ausgedrückt: Auf Basis von ICON,
Niveaufläche 500 hPa lassen sich gleich mal vier Höhentiefs detektieren, die
teils kreisrund, teils elliptisch konturiert sind. Um 18 UTC überquert ein
Höhentief gerade Jütland in Richtung Deutsche Bucht, ein zweites liegt über
Süddeutschland und den unmittelbaren Anrainern, während sich die anderen zwei
über der West- und der Nordukraine tummeln. Letztere spielen für die
Wetterentwicklung vor Ort, so dass wir uns im Folgenden auf die zwei
erstgenannten fokussieren. Dabei soll freilich nicht unerwähnt bleiben, dass
über dem Ganzen nach wie vor eine umfangreiche, bis in die obere Troposphäre
reichende Hochdruckzone über Nordeuropa thront, an deren Südflanke sich
Deutschland befindet und auch in den nächsten Tagen befinden wird.
Doch zurück zu den Höhentiefs: beide sind mit höhenkalter Luft um -28°C in 500
hPa angefüllt, was unter dem Strich eine recht beachtliche Labilitätsrate
ausmacht. Uns so verwundert es auch nicht, dass es heute tagsüber zwei
Konvektionsschwerpunkte gab, nämlich einen über der Ostsee (vor MV) und einen
weiteren über dem Südschwarzwald, wo es ganz oben übrigens kräftig geschneit
hat.
In der Nacht zum Sonntag zieht das nördliche HT gen südwestliche Nordsee mit
Austrogung Richtung Benelux und NW-Deutschland. Unter der höhenkältesten Luft
kommt es mit diabatischer Unterstützung von unten - die Nordsee ist in ihrem
südlichen Teil noch vergleichsweise hoch temperiert mit bis zu 16, vereinzelt
17°C - zu weiteren konvektiven Umlagerungen bis hin vielleicht zu kurzen
Gewittern, die sich aber im Wesentlichen über Waser abspielen und die Küste
allenfalls peripher tangieren. Im west- und nordwestdeutschen Binnenland ist die
Regenneigung eher gering, dafür steigen die Chancen auf Wolkenauflockerungen
(vor allem Niedersachsen präsentiert sich anfangs ja noch ziemlich "dicht").
Sollte es für längere Zeit aufreißen, kann sich in der feucht-kalten Luftmasse
gebietsweise Nebel bilden. Sollte sich dieser nicht bilden, sinkt die Temperatur
stellenweise auf wenig über null Grad ab, was die Gefahr von leichtem Bodenfrost
nach sich zieht. Diese Aussagen zum Nebel bzw. Frost/Bodenfrost lassen sich
übrigens auch auf den Rest des Vorhersageraums projizieren, wo die
Niederschlagsneigung im Laufe der Nacht nachlässt. Das gilt auch für den
Südschwarzwald und Umgebung, wo die Schauer aufgrund des über die Schweiz nach
Norditalien abziehenden Westteil des HTs bereits nachgelassen bzw. sich zu den
Eidgenossen und nach Österreich verlagert haben.

Montag ... verlagert sich der Schwerpunkt der nordeuropäischen Hochdruckzone
etwas nach Süden. Um 24 UTC liegt das Zentrum der Höhenantizyklone über dem
nördlichen Bottenbusen. Gleichzeitig schwenkt das westliche HT nach Süden in
Richtung Ostfrankreich, während sich über Austria ein zweites Drehzentrum
etabliert. Zum Tagesende schließlich steht eine relativ schmale Potenzialrinne
mit mehreren eingelagerten Drehzentren zu Buche, die von Ostfrankreich bis in
den äußersten SW Russlands reicht. Zwischen der Rinne und dem Höhenhoch im
Norden stellt sich in weiten Teilen Deutschlands eine zunehmende
ost-nordöstliche Höhenströmung ein, in der von der Ostsee respektive
Nordwestpolen her WLA einsetzt. Gleichzeitig formiert sich über dem äußersten
Norden des Landes eine schmale Tiefdruckrinne, in die mit etwas modern
gestrickter Fantasie eine Okklusion "eingescannt" werden kann
(niedertroposphärisches Feuchtemaximum mit schmaler Warmluftzunge). Diese
Okklusion entspricht freilich nicht den klassischen Entstehungsmechanismen der
norwegischen Schule, stellt aber durchaus eine Luftmassengrenze dar, die
feuchtkalte Luftmassen im Süden von aus dem Hochausfließender trockener Kaltluft
im Norden trennt.
Wie auch immer, entscheidend ist die WLA, die den nötigen Hebungsantrieb für
mehrschichtige Bewölkung und skalige Regenfälle liefert, die sich von der Ostsee
her auf die Regionen nordöstlich von Elbe und Havel ausbreiten. Die deutsche
Modellkette ist im 12-UTC-Lauf etwas zurückgerudert was die räumliche Ausdehnung
angeht. Bis zum Abend arbeitet sich der Regen etwa bis zu einer Linie
Elbmündung-nördlicher Oderbruch voran, wobei etwa 0,5 bis 5 mm, Richtung Ostsee
lokal auch bis nahe 10 mm innert 12 Stunden fallen sollen.
Zwischen der sich ganz piano nach Süden verlagernden Rinne und dem Hoch im
Norden nimmt der Gradient im Tagesverlauf langsam aber stetig zu, was zunächst
an der Ostsee, spätestens in der Nacht zum Dienstag dann auch an der Nordsee
einen merklich auffrischenden NO-Wind mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft zur Folge
hat.
Im großen Rest der Bundesrepublik startet die neue Woche vergleichsweise
unspektakulär und ruhig mit einer Mischung aus Nebel/Hochnebel, Wolken, aber
auch einigen Sonnenlücken (hier sieht die Statistik den SW in der Vorhand). Hier
und da entwickelt sich mal ein Schauer oder es fällt etwas Regen bzw.
Nieselregen geringer Intensität. Abgesehen von höheren Lagen liegt die
Tageshöchsttemperatur meist zwischen 7 und 13°C.

In der Nacht zum Dienstag breiten sich die stratiformen Niederschläge aus dem NO
süd-südwestwärts aus, verbleiben mit Ausnahme des Harzes (dort in den Hochlagen
Schnee bzw. Schneeregen) aber wohl noch der nördlich der Mittelgebirge.
Warnwürdige Regenmengen werden dabei weiterhin nicht zustande kommen.
Im Süden und bedingt in der Mitte kann sich bei Aufklaren erneut Nebel bilden.
Außerdem ist gebietsweise leichter Frost in Bodennähe, in ungünstigen Lagen
vereinzelt auch Luftfrost nahe -1°C möglich. An den Alpen sowie in Südostbayern
fällt in der o.e. Potenzialrinne etwas Niederschlag, oberhalb rund 1000 m als
Schnee.

Dienstag ... dauert die High-over-Low-Situation an. Am Abend findet man das
Zentrum des Höhenhochs etwa über dem mittleren Bottenbusen, während das
Höhentief gleichzeitig die Osthälfte Österreichs bis zur nördlichen Adria
überdeckt. Zwischen diesen beiden Gebilden verbleiben wir unter einer
ost-nordöstlichen Höhenströmung, in der die anfängliche WLA mehr und mehr zum
Erliegen kommt, bevor in der Nacht zum Mittwoch von Osten her ein neues
WLA-Gebiet auf die östlichen Landesteile zusteuert.
Bodennah strömt auf der Südflanke des mit offensichtlich ewiger Lebensdauer
gesegneten Hochs über Nordeuropa (HNF, sprich Hoch Nordmeer-Fennoskandien)
weiterhin feuchtkalte Luft in den Vorhersageraum, in der reichlich Bewölkung
keine rechte "Goldene-Oktober-Stimmung" aufkommen lassen will. Daran ändert auch
die Tatsache nicht viel, dass zumindest für den SW die Chancen auf einige
Auflockerungen oder gar sonnige Abschnitte nicht schlecht stehen.
Ansonsten gilt es festzuhalten, dass sich trotz nachlassender WLA der o.e. Regen
noch etwas weiter bis in die mittleren Landesteile ausbreitet (12h-Mengen meist
einstellig). Im Oberharz sowie im Hocherzgebirge fällt Schnee oder Schneeregen.
Auch an den Alpen sowie im südöstlichen Bayern fällt zeitweise leichter bis
mäßiger Niederschlag, wobei sich die Schneefallgrenze dort etwa bei 1100 m
einpendelt.
Obwohl die Tiefdruckrinne an Struktur verliert, bleibt über Nord- und Ostsee ein
veritabler Gradient übrig, der über See sowie an der Küste einen lebhaften und
böigen Nordostwind generiert mit Spitzen 7 Bft, exponiert 8 Bft. Temperaturmäßig
geht es eher etwas nach unten, große Teile Ost- und Süddeutschlands sowie des
Mittelgebirgsraums dürften über 10°C nicht hinauskommen.

In der Nacht zum Mittwoch bleiben vor allem nach S und SW hin Nebel sowie
Frost/Bodenfrost ein Thema, was detailliert aber erst recht kurzfristig
abgehandelt werden kann.

Mittwoch ... passiert weiterhin nicht allzu viel an der großräumigen Druck- und
Potenzialverteilung. Zwar schwächt sich das Hoch über Nordeuropa etwas ab, von
"Aufgabe" kann aber mitnichten die Rede sein. Also heißt es auch am Mittwoch
O-NO-Strömung mit vielen Wolken, Regen vor allem im Osten, etwas oder auch etwas
mehr Sonne dafür im Südwesten. An der Küste bleibt es windig, wenn auch
tendenziell etwas lascher als am Vortag. Für die eine oder andere steife Böe 7
Bft wird es wohl aber noch reichen. Bei weiterhin gleicher Luftmasse tut sich
auch auf dem thermischen Sektor nicht allzu viel.



Modellvergleich und -einschätzung
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Das Übliche: Die groben Strukturen weitgehend kongruent, die Details etwas
unscharf. Vor allem die genaue Positionierung von Nebel und Frost ist keine
einfache Sache.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann