DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

01-10-2022 07:30
SXEU31 DWAV 010800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 01.10.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
W z, Übergang zu W a

WIND/STURM:
Heute im höheren Bergland allgemein stark windig bis stürmisch mit Böen 8/9 Bft
in Kamm- und Gipfellagen. Auf exponierten Höhen wie dem Brocken, dem Fichtelberg
oder dem Feldberg im Schwarzwald Böen schwere Sturm- und orkanartige Böen 10 bis
11 Bft. In der Nacht zum Sonntag zunächst nachlassender Wind, in der zweiten
Nachthälfte erneut auffrischender Wind, in Gipfellagen der süddeutschen
Mittelgebirge und der Alpen stürmische Böen oder auch Sturmböen (Bft 8 bis 9)
aus Südwest.
Am Montag an der Ostsee stürmische Böen Bft 8, in den Hochlagen der östlichen
Mittelgebirge und am östlichen Alpenrand Sturmböen Bft 8/9.

GEWITTER:
Im Laufe des Samstags im Westen und Norden, teils auch auf die Mitte
übergreifend sowie in der Nacht zum Sonntag in Nordseenähe erneut kurze Gewitter
mit Sturmböen 8 bis 9 Bft sowie Graupel bzw. kleinkörnigem Hagel. Schwere
Sturmböen 10 Bft nur wenig wahrscheinlich, aber nicht gänzlich ausgeschlossen.


DAUERREGEN:
Heute Vormittag im Schwarzwald, danach auch an den Alpen einsetzender
Dauerregen, erst am Montagvormittag nachlassend. Dabei Niederschlagsmengen im
Schwarzwald zwischen 30 und 50 mm, an den Alpen 50 bis 90 mm, in exponierten
Staulagen auch darüber.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... greift auf Deutschland das okkludierende Frontensystem eines
Zentraltiefs bei Island über. Stromaufwärts ist bereits eine Zonalisierung
erfolgt, die sich auch über Mitteleuropa durchsetzt. Hierdurch liegt das
Frontensystem gut in der Strömung, d.h. dank einer nahezu frontsenkrechten
Windkomponente hat das Frontensystem mit seinem Niederschlagsband bereits gegen
Mittag weite Teile Deutschlands überquert und bis heute Abend bereits
Mittelpolen erreicht. Im Süden setzt jedoch Schleifen ein, wodurch zunächst im
Schwarzwald, etwa ab Mittag im Allgäu und im Laufe des Nachmittags auch am
östlichen Alpenrand länger andauernder Regen einsetzt. Da sich hinsichtlich
dieser Niederschläge bis Montagfrüh keine nennenswerten Unterbrechungen
abzeichnen, dürfte eine bis Montagfrüh terminierte Warnung vor Dauerregen
erforderlich werden. Bis dahin sind im Schwarzwald 30 bis 50 und an den Alpen 50
bis 90 mm Niederschlag zu erwarten, wobei sich an den Alpen die höchsten Summen
im Allgäu und am östlichen Alpenrand abzeichnen und was dann eine
Unwetterwarnung erforderlich machen würde.
Mit dem Übergreifen des Frontensystems frischt der Wind auf. Verbreitet sind
Windböen, in einigen Leelagen der Mittelgebirge stürmische Böen, an der Nordsee
und im Bergland Sturmböen Bft 8/9 und auf exponierten Berggipfeln schwere Sturm-
oder orkanartige Böen zu erwarten. Erst zum Abend hin flaut der Wind ab. Dann
sind nur noch an der Nordsee Windböen und in einigen exponierten Kamm- und
Gipfellagen Sturmböen Bft 8/9 zu erwarten.
Der rasch folgende Trog bringt eine Labilisierung mit sich. Im Norden und in der
Mitte Deutschlands werden bis etwa 400 J/kg CAPE generiert, der Gehalt an
niederschlagbarem Wasser ist mit Werten bis 20 mm nicht allzu ausgeprägt, aber
dafür fällt die Scherung, die vor allem niedertroposphärisch sehr ausgeprägt
ist, umso mehr ins Gewicht. Für kurze Gewitter ist dies hinreichend. Aufgrund
des kräftigen Oberwindes (bis 45 kt in 850 hPa) besteht in Verbindung mit
Gewittern die Gefahr von Sturmböen, auch schwere Sturmböen können nicht ganz
ausgeschlossen werden. Aufgrund der hohen Scherung (niedertroposphärisch bis 15
m/s) sind auch organisiertere konvektive Strukturen vorstellbar. Bedingt durch
die rasche Verlagerung der Konvektionszellen ist Starkregen eher
unwahrscheinlich. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 12 bis 16, im Westen bis
18 Grad.

In der Nacht zum Sonntag legt sich die schleifende Kaltfront an die Alpen, was
dort die Niederschläge andauern lässt. Von Westen her erfolgender Druckanstieg
und der hierdurch einsetzende leichte Leitplankeneffekt zögert das Abflauen des
Windes im Süden hinaus, so dass dort nach wie vor in Hochlagen Sturmböen Bft 8/9
und in freien Lagen unmittelbar an den Alpen Windböen Bft 7 auftreten. Ansonsten
sollten warnrelevante Böen auf die Küste (Bft 7) und auf exponierte Gipfel wie
dem Brocken und Fichtelberg (dort Bft 8/9) beschränkt bleiben. Allerdings kann
ein weiterer, aber relativ schwacher nach Osten ablaufender Kurzwellentrog die
Gewittertätigkeit an der Küste noch einmal etwas aufleben lassen. In Verbindung
mit diesen kurzen Gewittern können dort stürmische Böen nicht ganz
ausgeschlossen werden. In Nordseenähe können diese Gewitter infolge eines
Maximums der niedertroposphärischen Scherung heftiger ausfallen und mit teils
schweren Sturmböen einhergehen; auch organisiertere konvektive Strukturen wie
Superzellen können dort nicht ganz ausgeschlossen werden.
Aufgrund der meist mehrschichtigen Bewölkung und des Gradienten ist die
Nebelneigung gering.

Sonntag... dreht an der Vorderseite eines sich den Britischen Inseln nähernden
Höhenrückens und nach Abzug des Kurzwellentroges die Strömung auf Nordwest. Eine
nachfolgende Welle lässt die über den Alpen liegende Kaltfront als Warmfront
rückläufig werden. Dies lässt die Niederschläge unter merklicher Intensivierung
vom Alpenrand und vom Schwarzwald wieder nordwärts bis zur Südeifel und bis zum
südlichen Bayerischen Wald übergreifen. Warnrelevante Niederschlagsmengen sind
jedoch auf die o.g. Gebiete beschränkt. In den äußersten Süden wird
vorübergehend etwas labilere Luft eingesteuert, so dass dort und vor allem am
Alpenrand einzelne Gewitter, die durchaus in den Niederschlag eingelagert sein
können, nicht auszuschließen sind.
Ansonsten ist im Norden und Nordosten der Wettercharakter leicht konvektiv
geprägt. An der Küste sind noch einzelne kurze Gewitter möglich, die mit
stürmischen Böen einhergehen können. Bereits am Vormittag setzt an der Nordsee
Stabilisierung ein, an der Ostsee ist dies erst am späten Nachmittag der Fall.
Aufgrund des von Südwesten her erfolgenden Druckanstiegs lebt der Wind im Norden
und Nordosten vor allem in Verbindung mit den weit bis ins Binnenland hinein
auftretenden Schauern mit Böen bis Bft 7 noch einmal auf. Zwischen den Schauern
zeichnen sich im Tagesverlauf vermehrt Auflockerungen ab.
Dazwischen ergibt sich ein breiter Bereich, der sich von NRW bis nach Sachsen
und in die Oberpfalz erstreckt. Kompensierendes Absinken unterdrückt dort die
Schauertätigkeit; von skaligen Niederschlägen wird diese Region nicht erfasst.
Allerdings hält sich meist mehrschichtige Bewölkung, ein paar Wolkenlücken
zeichnen sich allenfalls nach Norden hin ab. Gegenüber den Vortagen erfolgt eine
Milderung, was die Temperatur auf 14 bis 19 Grad mit sich bringt.
In der Nacht zum Montag wölbt sich der auf die Britischen Inseln übergreifende
Rücken noch etwas auf, was die nordwestliche Strömung über Mitteleuropa
aufsteilen lässt. Die Kaltfront der nach Osten ablaufenden Welle wird hierdurch
an die Alpen gedrückt, was die Niederschläge in Richtung Alpen abziehen, aber
dort unverändert andauern lässt.
Letzte Schauer sind dann noch an der Ostsee zu erwarten, bevor auch dort
Wetterberuhigung einsetzt. Bedingt durch die Ausweitung eines Bodenhochs von
Frankreich auf den Westen Deutschlands bleibt im Norden und Nordosten
Deutschlands der kräftige Gradient bestehen, so dass an der Nordsee weiterhin
Wind- und an der Ostsee sowie in exponierten Kamm- und Gipfellagen der
nördlichen und östlichen Mittelgebirge teils stürmische Böen Bft 8 auftreten.
Im Bereich des Bodenhochs, d.h. im Westen und Süden Deutschlands, stellt sich
eine gradientschwache Lage ein, so dass sich dort gebietsweise Nebel bilden
kann.

Montag... arbeitet sich der Höhenrücken unter Umwandlung in einen Höhenkeil bis
in die Nordsee vor. Das korrespondierende Bodenhoch verlagert sich mit seinem
Schwerpunkt in den Westen und Süden Deutschlands. Dennoch sollten sich Nebel und
Hochnebel im Laufe des Vormittags auflösen. Mit dem Übergreifen des Hochs lassen
die Niederschläge an den Alpen bereits ab Montagfrüh nach, am Vormittag fallen
dann auch am östlichen Alpenrand die letzten Tropfen. Allerdings hält sich am
Alpenrand noch relativ kompakte Bewölkung. Vor allem in den westlichen
Landesteilen zeichnen sich größere Auflockerungen ab.
Mit dem Übergreifen des Bodenhochs auf den Westen und Süden Deutschlands bleibt
im Norden und Nordosten Deutschlands der kräftige Gradient zunächst noch
bestehen. Somit dürfte der Wind zwischen Ostsee und Erzgebirge sowie in Teilen
der Mitte im Tagesverlauf erneut mit einzelnen Böen Bft 7 aufleben. Windböen Bft
7 können auch noch an der Nordfriesischen Küste auftreten. Dort flaut der Wind
ab dem frühen Nachmittag ab. An der Ostsee und im nordöstlichen Binnenland ist
dies erst ab dem späten Nachmittag der Fall. In den Kamm- und Gipfellagen der
östlichen Mittelgebirge können bis zum Abend stürmische Böen Bft 8 auftreten.
Während am Vormittag im Nordosten und vor allem an der Ostsee noch einzelne
Schauer zustande kommen können, wird danach die Schauerneigung zusehends
geringer. Die Tageshöchsttemperaturen erreichen 13 bis 19, am südlichen
Oberrhein bei Sonne 20 Grad.

In der Nacht zum Dienstag setzt sich die Ostverlagerung des Höhenkeils fort.
Dienstagfrüh erstreckt sich dessen Achse von der Biskaya über den Ostausgang des
Ärmelkanals hinweg bis nach Südnorwegen. Folglich verbleibt Mitteleuropa unter
einer nord-nordwestlichen Strömung. Mit geringer werdender Wahrscheinlichkeit
können auf dem Kamm des Erzgebirges noch warnrelevante Böen auftreten.
Abgesehen vom Norden und Nordosten, wo im Randbereich des Bodenhochs noch etwas
Gradient vorhanden ist, sind die Luftdruckgegensätze gering. Im Süden und Westen
kann es gebietsweise aufklaren. Dann dürfte sich relativ rasch teils dichter
Nebel bilden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle stützen weitgehend die oben beschriebene Entwicklung.
Prognoserelevante Unterschiede lassen sich nicht ableiten. Eine Ausnahme stellt
UK10 dar, das bis Montagfrüh den Höhenkeil bereist auf das Vorhersagegebiet
übergreifen lässt.
Problematisch ist noch die Abschätzung der Niederschläge in Verbindung mit der
o.g. Dauerregenlage. Während ICON-EU und UK10 an den Alpen bis Montagfrüh
deutlich über 100 mm zeigen, simuliert EZMW nur halb so hohe
Niederschlagssummen. GFS liegt dazwischen. Nach COSMO-LEPS (Q90) wären Mengen
über 60 mm auf den östlichen Alpenrand beschränkt, nach ICON-EU EPS würde da
Niederschlagsmaximum mit Summen bis 70 mm über dem Allgäu zu erwarten.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Thomas Schumann