DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-09-2022 08:30
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 30.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL (gestern vergessen): Am langen Wochenende Wz/NWz (West bis Nordwest
zyklonal)

Auf einen unspektakulären letzten Septembertag folgt ein nasses und windiges
erstes Oktoberwochenende - vielen Dank WALBURGA dafür - mit zum Sonntag hin
deutlich zunehmenden Prognoseunsicherheiten.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... endet ein September, der in der Fläche gemessen an 1991-2020 leicht
zu kühl, mit "normaler" Sonnenscheindauer und z.T. deutlich zu nass in die
Wetterchroniken eingeht. Die Verabschiedung als solche verläuft zumindest
tagsüber ziemlich unspektakulär, fast schon dröge für einen Monat, der uns den
Regen zurückgebracht hat und dafür von den meisten Zeitgenossen gefeiert wird.
Die Ursache für den ruhigen Ausklang liegt - wie sollte es anders sein - in der
Großwetterlage, die heute Zwischenhocheinfluss für uns vorsieht. Der Luftdruck
steigt schon seit geraumer Zeit leicht an, so dass aus der gestern noch
präsenten Tiefdruckzone inzwischen eine schwache Hochdruckbrücke geworden ist,
die ausgehend vom Azorenhoch genau über den Vorhersageraum in Richtung Nordosten
verläuft, wo sie Tuchfühlung zu einen weiteren Hoch über Russland aufnimmt. Zwar
befindet sich aktuell noch ein von Südwest nach Nordost exponierter Höhentrog
über uns, der aber keine nennenswerten Impulse mehr setzen kann. Zum einen
tropfte er in Kürze über dem Löwengolf ab, zum anderen wird das Residuum durch
von Westen einsetzende WLA mehr und mehr zugeschüttet respektive nach Osten
abgedrängt.

Apropos WLA, die wird von dem hochreichenden Sturmtief WALBURGA dicht bei Island
initiiert, das seinen Entwicklungshöhepunkt noch vor sich hat. Höhen- und
Bodentief liegen noch leicht versetzt zueinander, so dass durch Höhendivergenz
noch für längere Zeit Masse abfließen kann. Lag der Kerrdruck vergangene Nacht
noch bei etwas unter 975 hPa, so werden im Lauf des Tages für Ende September
mehr als stattliche 960 hPa angepeilt. Zurück noch mal zur WLA, der zu Folge
sich zwischen dem o.e. abziehenden Trogresiduum und einem Richtung UK/Irland und
später zur Nordsee vorstoßenden Randtrog ein schmaler Rücken gebildet hat, der
sich heute von Westen her nähert. Vorderseitige NVA generiert Absinken, das vor
allem mitteltroposphärisch eine Erwärmung und somit auch eine Stabilisierung der
alternden polaren Luftmasse bewirkt. Bei rund 700 hPa deutet sich die Bildung
einer zaghaften Sperrschicht an, unter sich mit dem Tagesgang aus der trotz
einiger Nebelfelder inzwischen leidlich abgetrockneten Grundschicht einige
Quellungen bilden. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass nach
Nebelauflösung in weiten Teilen des Landes die Sonne scheint. Etwas wolkiger
präsentiert sich der äußerste Nordwesten, wo insbesondere an der ostfriesischen
Nordseeküste anfangs noch ein paar Schauer auftreten können (Windkonvergenz +
diabatische Effekte).

Im Süden, vor allem aber im Südosten ist es mit der Sonnenscheindauer nicht so
gut bestellt. Unter dem sich nur langsam verabschiedenden Trog ist noch immer
eine leichte Gegenstromlage wirksam, die es nur bedingt oder sogar überhaupt
nicht zulässt, dass die vorhandene Wolkendecke substanziell aufreißt. Vor allem
vom Alpenrand bis hinüber nach Niederbayern und auch noch in die Oberpfalz
bleiben die Schotten weitgehend dicht und mitunter fallen sogar noch ein paar
Tropfen. Richtung Franken sowie in BaWü stehen die Chancen für Auflockerungen
besser, vor allem im nördlichen Ländle scheint zeitweise die Sonne.

Bei nur wenig steigenden Temperaturen auf 850 hPa - die dynamische Erwärmung
durch Absinken greift erst weiter oben so richtig - erwärmt sich die Luft
verbreitet auf 13 bis 18°C, im bedeckten Südosten z.T. nur um oder wenig über
10°C.

In der Nacht zum Samstag erfolgt der offizielle Monatswechsel, der nun zumindest
partiell doch noch etwas dynamischer gefeiert wird als das tagsüber der Fall
war. Grund sind die Annäherung des o.e. Randtroges in Richtung Nordsee nebst
korrespondierender Okklusion. So kommt es präfrontal bereits ab den Abendstunden
zu einer Gradientverschärfung schwerpunktmäßig im Westen und Nordwesten, die für
einen auffrischenden Wind aus südlichen Richtungen sorgt. Im west- und
nordwestdeutschen Binnenland reicht es für die eine oder andere steife Böe 7
Bft, in Leelagen der westlichen Mittelgebirge auch stürmische Böen 8 Bft.
Stürmisch wird es auf und an der Nordsee sowie in den Hochlagen der
Mittelgebirge, wo es für Böen 8 bis 9 Bft reicht. Zum Morgen hin sind auf dem
schwarzwälder Feldberg schwere Sturmböen 10 Bft, auf dem Brocken gar orkanartige
Böen 11 Bft möglich. Im Osten und Süden hingegen spielt der Wind noch keine
entscheidende Geige.

Ansonsten sorgen die WLA und später sich hinzugesellende PVA auf der
Trogvorderseite für den Aufzug mehrschichtiger Bewölkung und gegen Mitternacht
von Benelux her einsetzenden skaligen Regen, der sich bis zum Morgen etwa zu
einer Linie Lübecker Bucht-Harz-Vorderpfalz vorarbeitet. Aufgrund der günstigen
Hebungsbedingungen fällt der Regen vielfach mit mäßiger Intensität, so dass
gerade zwischen Hunsrück und Deutscher Bucht 5 bis 10, im Emsland sowie in
Staulagen bis zu 15 l/m² innert 6 Stunden zusammenkommen können. Nach Osten und
Süden zu merkt man noch nichts von der Wetterumstellung. Dort bleibt es trotz
Wolkenaufzug trocken und in Bayern, wo die Wolkendecke sogar erst mal aufreißt,
bildet sich stellenweise Nebel. Mit 7 bis 3°C wird es frischer als im
durchmischen Nordwesten, wo 12 bis 7°C auf der Karte stehen.

Samstag... marschiert die Okklusion nach Osten durch, wobei sie zunehmend vom
o.e. Randtrog überlaufen wird. Folglich verschlechtern sich die
Hebungsbedingungen und der frontale (skalige), sich ostwärts ausbreitende Regen
verliert an Intensität. Am längsten trocken bleibt es zwischen Königssee und
Passau sowie an Oder und Neiße, wo anfänglich noch Auflockerungen oder
Aufhellungen vorhanden sind, bevor es am spätestens am frühen Nachmittag aber
auch dort anfängt zu regnen. Im Osten fallen häufig nur bis zu 5 l/m², im Süden,
wo die Front nach Westen zurückhängt und leicht ins Schleifen kommt bis zu 10
l/m², in Staulagen (Mitte/Süden) bis 15 l/m².

Rückseitig der Front gelangt ziemlich rasch ein Schwall labil geschichteter
Meeresluft subpolaren Ursprungs in die Nordhälfte (T850 um +4°C, T500 um -22°C).
Mit Hilfe postfrontaler Auflockerungen wird die Luftmasse soweit energetisch
aufbereitet, dass wenige hundert Joule pro Kilogramm ML-CAPE zur Verfügung.
Hinzu kommen sehr gute Scherungsbedingungen, insbesondere von Westfalen bis zur
östlichen Mitte, wo neben DLS von teils 25 m/s auch LLS bis 15 m/s simuliert
werden. Das Groß davon entfällt auf Geschwindigkeitsscherung, trotzdem lassen
die Hodographen auch etwas bodennahe Richtungsscherung erkennen (teils durch
einen flachen Bodentrog, teils orografisch getriggert). Wenn man jetzt noch
berücksichtigt, dass Teile der Nordhälfte unter den linken Ausgang des von
Westen vorstoßenden Jets gelangen, kann man sich sehr gut rege, sich vom
Nordwesten ost-südostwärts ausbreitende Konvektion vorstellen. Die Bildung
einiger low-topped Superzellen ist durchaus denkbar, auch deuten die
hochauflösenden Modelle linienhafte Segmente an. Kurzum, es entwickeln sich
zahlreiche Schauer und einzelne Gewitter, die mit Graupel respektive kleinem
Hagel, Böen 8-9 Bft (Oberwinde 30-40 Kt, aber bei Organisation ist auch mal mehr
drin) und bei Mehrfachtreffern sogar Starkregen (PPW liegt um 20 mm) einhergehen
können. Auch die Bildung kurzlebiger Tornados kann nicht ausgeschlossen werden,
wofür u.a. auch die deutlich absinkende Wolkenuntergrenze auf teils deutlich
unter 1000 m in den Schauern und Gewitter spricht.

Zweite Baustelle neben Regen und Gewittern ist der Wind, der präfrontal nun auch
im Osten und Süden aus südlichen Richtungen auffrischt. Hier und da treten Böen
7 Bft auf, im höheren Bergland wird es durchweg stürmisch (8-9 Bft, exponiert 10
Bft). Postfrontal dreht der Wind auf Südwest bis West (Nordsee), wobei er
zunächst mal nachlässt. Insbesondere über der Deutschen Bucht geht der am Morgen
noch anhaltende Sturm binnen kurzer Zeit von Westen her einknickt und in eine
mäßige bis frische Luftbewegung übergeht. Zum Nachmittag hin frischt der
Südwestwind vor allem in der Mitte wieder auf, wobei der Haupttrigger aber von
der Konvektion, weniger vom Gradienten kommt.

Thermisch wird der Oktober mit Maxima zwischen 12 und 17°C eröffnet, was leicht
unterkühlt bis normal ist.

In der Nacht zum Sonntag gilt es den geschulten Blick stromauf in Richtung
Irland/Keltische See/Westeingang des Ärmelkanals zu richten. Dort schlägt ein in
die flotte west-nordwestliche Höhenströmung eingelagerter KW-Trog auf, der mit
einer flachen Welle im Bodendruckfeld interagiert. Dabei versucht der Trog, die
Welle zu entwickeln, was in gestrigen Läufen von GFS auch ganz gut gelungen ist,
indem dort ein kleines "Sturmtiefchen" gerechnet wurde. Soweit wird es
wahrscheinlich aber nicht kommen, die Welle wird weitgehend stabil bleiben
wahrscheinlich im Laufe des Sonntags unter Konturverlust bei uns ankommen. Diese
Beschreibung spiegelt allerdings nicht das von ICON feilgebotene Szenario wider,
das den KW-Trog nicht so richtig auf dem Schirm hat respektive flacher und
schneller simuliert. Folglich ist auch die Bodenwelle flotter unterwegs und
erreicht bereits am frühen Sonntagmorgen den Südwesten - eine Lösung, die nicht
ausgeschlossen ist, aufgrund hoher Volatilität bei der Konsistenz (die externen
Modelle sind stabiler) sowie weitgehender Alleinstellung nicht unbedingt die
Favoritenrolle einnimmt.

Dass die unterschiedlichen Szenarien einen Impact auf die Vorhersage haben,
insbesondere hinsichtlich Niederschlag und Wind, ist evident. Immerhin,
unabhängig vom Lebenslauf der Welle fällt vor allem an den Alpen weiterer Regen,
der sich noch etwas intensiviert, so dass man über eine 12-18-stündige
Dauerregenwarnung bis Sonntagmorgen zumindest im Allgäu nachdenken kann. Ob es
auch weiter nördlich und nordwestlich von Westen her wieder stärker,
möglicherweise sogar warnwürdig anfängt zu regnen, wie von ICON avisiert, muss
in Frage gestellt werden

Ansonsten gilt es nur noch zu konstatieren, dass die konvektive Aktivität
tagesgangbedingt deutlich nachlässt. Lediglich im küstennahen Bereich sowie auf
offener See schauert und gewittert es munter weiter. Nachlassen tut auch der
Wind, wenn man mal die weiterhin stürmischen Hochlagen ausklammert. Sollte die
Welle doch wider Erwarten im Westen, Südwesten oder wo auch immer aufschlagen,
könnte der Wind südlich davon, also quasi im Warmsektor, ebenfalls merklich
auffrischen.

Sonntag... überquert die Welle nach ICON Süddeutschland bis zum Nachmittag
ostwärts. Dabei würde es vor allem in einem Streifen von Nordbaden bis hinüber
nach Niederbayern sowie im Stau des Schwarzwaldes kräftig regnen (bis zu 25
l/m², lokal mehr innert weniger Stunden). Aufgleitbewölkung und schwächerer
Regen würden bis in die Mitte ausgreifen. Zudem würde der Wind ab Neckar und
Donau merklich, Richtung Alpenvorland gar stürmisch auffrischen (Leitplanke).
Wie gesagt, das alles im sehr wackeligen Konjunktiv. Orientieren wir uns an der
vom Verfasser als wahrscheinlicher eingeschätzten IFS-Lösung, wird die zuvor als
Kaltfront im äußersten Süden "schlummernde" Front in die Warmfront der gen
Frankreich ziehenden Welle transformiert. Die Warmfront verlagert sich langsam
nordwärts, wobei es in BaWü und in Teilen Bayerns zu länger andauerndem Regen
kommt. Wie stark dieser dann ist und wie die genaue Positionierung aussieht, ist
freilich noch offen.

Im großen Rest des Landes stellt sich unter einer lebhaften, zyklonal
konturierten west-nordwestlichen Höhenströmung wechselhaftes und windiges
Schauerwetter mit einzelnen Gewittern ein. Die Begleiterscheinungen sind dabei
ähnlich wie am Vortag, auf Details muss angesichts der schon fortgeschrittenen
Zeit verzichtet werden. Die Höchsttemperatur liegt meist zwischen 14 und 18°C,
bei Dauerregen eher darunter. Sollte der äußerste Südwesten (Hochrhein,
südlicher Oberrhein) tatsächlich in den Warmsektor der Welle gelangen und es
sogar mal auflockert, sind lokal Werte um 20°C möglich.

Ganz kurz noch die Nacht zum Montag, die wirklich nicht mehr allzu häufig
auftretende Modellunterschiede auf allerhöchster Skala offenbart. Am
deutlichsten wird das anhand der RR-Prognosen. Während IFS und GFS im Süden und
Südwesten veritablen, möglicherweise sogar warnwürdigen Regen auf der Karte
haben (Welle mit Warm-, später dann Kaltfront), konstruiert ICON hinter der
schon weit nach Süden abgezogenen Kaltfront einen markanten Druckanstieg und
weitgehend trockene Verhältnisse. Mehr ist an dieser Stelle erst mal nicht zu
sagen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Im Grunde ist alles gesagt. Dass sie Situation alles andere als zufriedenstellen
ist, kam hinreichend zum Ausdruck. Gerne hätte man heute schon belastbarere
Prognosen ausgegeben. So bleibt uns nichts anderes übrig als zu prokrastinieren,
was im Alltag ja nichts Außergewöhnliches ist (wenn ich so an die
Steuererklärung oder schmutzige Wäsche denke;)

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann