DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 29.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Ruhiger Septemberausklang. Am Wochenende dann deutlich mehr Bambule mit Wind,
Regen und Gewittern und gerade zum Sonntag hin zunehmender Prognoseunsicherheit.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... steht im Zeichen eines elliptisch geformten Höhentrogs, der sich
von Südwesteuropa bis nach Fennoskandien erstreckt und dabei - wie sollte es
anders sein - mitten über Deutschland verläuft. Löst man die Isohypsen in den
Potenzialkarten hoch genug auf, lässt sich sehr schön die Hauptachse des Troges
detektieren, die südwest-nordost-orientiert über den äußersten Norden des
Vorhersageraums verläuft. Darüber hinaus ist der Trog mit mehreren kleinen
Drehzentren gespickt, von denen sich eins heute im Bereich Jütland/westliche
Ostsee aufhält. Im Tagesverlauf kippt die Achse langsam gegen den Uhrzeigersinn,
so dass sich der Trog mehr und mehr einer Merdionalstellung annähert. Das ändert
zunächst aber erstmal nichts an der Tatsache, dass der größte Teil des Landes
unter einer nur schwachen bis mäßigen südwestlichen Höhenströmung liegt. Nur im
äußersten Norden und Nordwesten weht der Höhenwind diametral entgegengesetzt aus
nordöstliche Richtung.

Am Boden korrespondiert der Höhentrog mit einer umfangreichen Tiefdruckzone, in
der sich u.a. mehrere kleine "Restkerne" des ehemals so stolzen Sturmtiefs
THORVI sowie über Norditalien das Tief VERONIKA befinden. Einer der Teilkerne
ist mit dem o.e. Höhentief bei Jütland verbandelt und ist dabei genauso
unbeweglich wie sein Pendant in der Höhe. Genau genommen verläuft über den
äußersten Norden sogar eine Tiefdruckrinne mit eingelagerter Okklusion, die sich
von der Deutschen Bucht in nordöstliche Richtung erstreckt und einen veritablen
Windsprung aufweist (West-Südwest südlich der Konvergenzachse vs. Nordost
nördlich davon). Diese Konstellation führt dazu, dass es insbesondere von der
Nordsee bis nach Schleswig-Holstein hinein zu wiederholten, teils länger
andauernden Regenfällen kommt. Die eingeflossene polare Luftmasse erscheint auf
den ersten Blick labil genug, um auch Gewitter zuzulassen (T500 um -25°C, T850
um +2°C), allerdings ist das CAPE-Angebot aufgrund mangelnder Feuchte eher
dürftig und auch die bis maximal 650 hPa hinaufreichende Labilitätsfläche in den
Prognosetemps fällt sehr, sehr schmal aus. Kurzum, die
Gewitterwahrscheinlichkeit ist gering, trotzdem ist es nicht ausgeschlossen,
dass hier und da mal das mehrstündige Starkregenkriterium gerissen wird.

Vom äußersten Norden in den äußersten Süden, wo sich eine leichte Gegenstromlage
eingestellt hat (Ost bis Nord ganz unten vs. Südwest weiter oben) und zudem
periphere Hebungsimpulse der kreiselnden VERONIKA zu verzeichnen sind. Unter dem
Strich bedeutet das für den Süden Bayerns und BaWüs heute eine geschlossene
Wolkendecke und zeitweise meist leichter Regen, der schon heute früh als
"Schweizer Importware" auf den äußersten Süden übergreift. Aufsummiert über den
Tag reicht es gebietsweise noch mal für 5 bis10 l/m², eine Verlängerung der auf
09:00 MESZ taxierten Dauerregenwarnung im Allgäu scheint aber nicht
erforderlich.
Bliebe abschließend noch das große Gebiet zwischen den beiden beschriebenen
Flanken, in dem der Tag teils sonnig oder neblig (nördlich der
Mittelgebirgsschwelle), teils bewölkt oder neblig startet. Vor allem in einem
von NRW bis in den Osten und Nordosten reichenden Streifen wird sich heute
häufiger die Sonne zeigen, während es weiter südlich nicht ganz so gut damit
bestellt ist. Im Bereich des zentralen und westlichen Mittelgebirgsraum wird in
der weder besonders labil geschichteten noch überbordend feuchten Luftmasse
etwas CAPE generiert, so dass neben einzelnen Schauern auch ein vereinzeltes
Gewitter nicht überraschen sollte. Ob das dann irgendwo mal mit Starkregen
verbunden ist, wie von I-D2-EPS apostrophiert, darf angesichts des schmalen PPWs
(unter 15 mm) bezweifelt werden. Allerdings, wenn erst mal ein Gewitter
entstanden ist, könnte es aufgrund der flauen Strömungsbedingungen zu einem
"Stehburger", der dann doch mal 15 l/m² ablädt - viel Konjunktiv.

Blieben abschließend nur noch die Temperaturen, die mit 10 bis 16°C eher
verhalten ausfallen. Im regnerischen Süden reicht es z.T. nicht mal für die
Zweistelligkeit.

In der Nacht zum Freitag macht die Kippbewegung des zunehmend schmaler werdenden
Höhentroges weitere Fortschritte. Am Morgen (06 UTC) reicht die Achse auf 300
hPa etwa vom Ostrand der Pyrenäen genau über Deutschland bis nach Gotland.
Vorderseitig steilt die südwestliche Höhenströmung auf, ohne dass dabei
nennenswerte Hebungsantriebe generiert werden. Drucktechnisch verbleiben wir in
einer weitgehend strukturlosen, als amorph zu bezeichnenden Landschaft ohne
jedwede Dynamik. Am Ende läuft es so ab, dass sich die Regenfälle sowohl im
Norden/Nordwesten als auch im Süden immer weiter abschwächen, bis zum Aufstehen
aber nicht überall gänzlich aufhören. In der breiten Mitte sowie im Osten bildet
sich bei längerem Aufklaren stellenweise dichter Nebel. Dazu kühlt es auf 7 bis
1°C ab, vereinzelt ist sogar leichter Luftfrost nahe 0°C möglich (z.B. in der
Eifel oder in der Lüneburger Heide). Bodenfrost steht in der Nordhälfte
gebietsweise auf der Karte, allerdings nicht direkt an der See, wo es
grundsätzlich milder bleibt als im Binnenland.

Freitag... gibt der September 2022 seinen Abschied, ein September, der vor allem
aufgrund seiner in vielen Regionen überdurchschnittlichen Niederschläge den
Titel "mensis grata " oder "mensis magna" (keine Ahnung, ob das mein alter
Lateinlehrer so durchwinken würde;) verdient hat. Der morgige Tag allerdings
gehört nicht zu den regenauffälligen Septembertagen, im Gegenteil, es bleibt
landesweit weitgehend trocken. Zunächst mal tropft der Höhentrog über
Südfrankreich ab und das nördliche Residuum schwenkt langsam über den
Vorhersageraum hinweg ostwärts. Ihm folgt von Westen her ein schmaler Höhenkeil,
auf dessen Vorderseite NVA und entsprechend generiert wird. Der Luftdruck steigt
geringfügig an, vor allem aber stabilisiert sich die alternde polare Luftmasse,
weil die Temperatur vor allem in der Mitteltroposphäre ansteigt. Mit einem Auge
geht der Blick allerdings schon in Richtung naher Atlantik, wo sich knapp
süd-südöstlich von Island das hochreichende Sturmtief WALBURGA in Stellung
bringt und Vorbereitungen trifft, um uns ein "nettes" erstes Oktoberwochenende
zu kredenzen.

Bevor es allerdings so weit ist, gilt es erst einmal den leichten
Zwischenhocheinfluss abzuarbeiten, der zumindest dem nördlichen und mittleren
Drittel des Landes einen mehr als erträglichen Frühherbsttag beschert. Nach
Nebelauflösung stellen sich heiter bis wolkige, vor allem nach Osten und
Nordosten hin teils auch sonnige Verhältnisse ein. Dabei bleibt es im Großen und
Ganzen trocken, lediglich im Nordseeumfeld sind vereinzelte kurze Schauer nicht
ausgeschlossen. Nach Süden hin sieht es mit der Sonnenscheinbilanz nicht ganz so
optimistisch aus wie weiter nördlich. Gerade nach Südosten hin, quasi vom
Alpenrand bis hinüber zum Bayerischen respektive Böhmerwald halten sich doch
noch reichlich Restwolken, aus denen hier und da ein paar Tropfen fallen und die
nur wenig bis gar kein Interesse aufbringen, der Sonne ein paar Lücken zu
gewähren. Besser stehen die Chancen diesbezüglich Richtung Franken und allgemein
in BaWü.

Temperaturmäßig stehen verbreitet Höchstwerte zwischen 13 und 17°C, im Südosten
Bayerns teils nur 10 oder 11°C auf dem Zettel.

In der Nacht zum Samstag wandert der schmale Höhenkeil ostwärts über Deutschland
hinweg. Damit wird der Platz frei für einen südostwärts vorstoßende Randtrog
ausgehend vom nach wie vor dicht bei Island positionierten Sturmtief WALBURGA.
Dieses bringt in seinem Kern übrigens unter 965 hPa aufs Barometer, nach dem
UK-Modell sogar unter 960 hPa. So oder so, Fakt ist, dass das bereits stark
okkludierte Frontensystem Kurs auf Mitteleuropa nimmt. Die vorauslaufende WLA
erfasst bereits in den Abendstunden den Nordwesten. Nachfolgend setzt
klassischer Aufzug ein und zwischen Nordsee und RP/Saarland beginnt es skalig zu
regnen. Da sich die präfrontalen Hebungsprozesse durch PVA noch intensivieren,
lässt sich auch der Regen nicht lumpen. So können binnen weniger Stunden bis zu
10, in Staulagen sowie an der Nordsee teils sogar um 15 l/m² Niederschlag
zusammenkommen.
Darüber hinaus frischt der südliche Wind mit Ausnahme des Ostens und Südosten
auf. An und auf der Nordsee wird es ebenso stürmisch wie im Bergland (8-9 Bft,
Brocken 10, evtl. 11 Bft), im west- und nordwestdeutschen Binnenland reicht es
für steife Böen 7 Bft. Der Osten und Südosten bleiben von der zyklonalen Attacke
noch verschont, vor allem in Bayern, wo es noch für längere Zeit aufgelockert
bleibt, bilden sich einige Nebelfelder. Dort wird die Nacht mit 5°C oder weniger
auch am frischesten im deutschlandweiten Vergleich.

Samstag... schwenkt die Okklusion mit dem zugehörigen frontalen Regengebiet
ostwärts über Deutschland hinweg. Am längsten dauert es an Oder und Neiße sowie
im südöstlichen Oberbayern, bis der Regen ankommt. Im Süden hängt die Okklusion
nach Westen zurück und kommt etwas ins Schleifen, was dem Alpenrand, dem höheren
Vorland sowie dem deutsch-schweizer Grenzbereich etwas längeren Regen bescheren
könnte. Die Mengen, die mit Frontpassage zusammenkommen, sind unkritisch, meist
wird es nicht mehr als 5 bis 10 l/m², lediglich in Staulagen punktuell etwas
mehr. Interessant wird es auf der Rückseite, wenn a) ein Schwall labil
geschichteter Meeresluft subpolaren Ursprungs (T850 um 4°C) in den Norden und
Westen vorstößt und b) der Jet von Westen her bis zu uns vorstößt. Der Norden
und Westen gelangen unter den berühmt-berüchtigten, hebungswirksamen
"left-exit"-Bereich, so dass in Verbindung mit dem Tagesgang ein formidables
Setup für eine rege frühherbstliche konvektive Aktivität gegeben ist. Veredelt
wird das Ganze noch durch veritable Geschwindigkeitsscherung, die einen gewissen
Organisationsgrad der Konvektion garantiert. Kurzum, es entwickeln sich
zahlreiche Schauer und Graupelgewitter, die mit stürmischen, vereinzelt
vielleicht sogar Sturmböen einhergehen können (8-9 Bft). Starkregen ist trotz
Feuchteakkumulation - PPW steigt auf über 20 mm - nicht überbordend
wahrscheinlich, weil die Gewitter in der soliden Grundströmung ziehen (könnte
allerdings für Doppeltreffer reichen).

Zweites Thema neben Regen und Gewittern ist der Wind, der landesweit auffrischt.
Er kommt präfrontal aus südlichen Richtungen, dreht dann aber auf Südwest bis
West. Stürmisch wird es insbesondere im Bergland, wo je nach Exposition Böen
8-10 Bft auf der Karte stehen. Noch mehr, also 11 bis 12 Bft sind auf dem
Brocken sowie auf dem schwarzwälder Feldberg zu erwarten. In tiefen Lagen bleibt
es abgesehen von konvektiven Böen in der Spitze meist bei 7 Bft. An und auf der
Nordsee geht der Wind am Vormittag nach Frontdurchgang und Drehung auf West
spürbar in die Knie, so dass vorübergehend wahrscheinlich noch nicht mal
7er-Böen auftreten.

Thermisch gilt es sich auf Tageshöchstwerte zwischen 11 und 17°C einzustellen.

Ab der Nacht zum Sonntag nehmen die Modellunterschiede - leider muss man sagen -
substanziell zu. Auch die Konsistenz im Vergleich zu den vergangenen Läufen
lässt zu wünschen übrig. ICON beschert dem Süden eine flache Welle, die gestern
noch ausgeprägter simuliert wurde und über die Mitte ziehen sollte. Verbunden
ist oder besser wäre die Welle mit dauerhaften und ergiebigen Regenfällen im
Süden mit erklecklichen Mengen in Staulagen (Schwarzwald/Alpenrand). Unterstützt
wird diese Version nur von UK. Bei IFS und GFS wird die Welle deutlich
defensiver simuliert, wobei GFS sogar ein kleines Sturmtief rechnet, das
Sonntagfrüh über der Keltischen See liegt. Bei IFS liegt die Welle zur gleichen
Zeit über dem Westeingang des Ärmelkanals.
Lange Rede, kurzer Sinn, wo und wann genau der dicke Regen kommt, ist derzeit
noch völlig offen, was natürlich auch für den Wind gilt. Bleibt zu hoffen, dass
die numerischen Koalitionsverhandlungen alsbald einen Konsens bringen, mit denen
eine belastbare Vorhersage möglich ist. Für den Augenblick ist erst mal alles
gesagt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Zunächst mal gibt es keinen Anlass, an den Modellen herumzumäkeln. Das ändert
sich ab Samstagabend (siehe oben), wenn es um die neue Welle geht. Der Grund für
die Verzögerung ist übrigens ein kleiner aber feiner Randtrog, der Sonntagmorgen
unweit von Irland aufschlägt und dabei Einfluss auf die Welle nimmt. Bei ICON
fehlt dieser Randtrog, so dass die Welle kaum entwickelt mit der glatten
west-nordwestlichen zügig durchgeschleust wird- derzeit eine Außenseiterlösung.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann