DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

28-09-2022 07:01
SXEU31 DWAV 280800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 28.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: TrM
Zunächst Troglage: Kühl und unbeständig, im Norden und in der Mitte vor allem
heute noch kurze Gewitter, an den Alpen und im Schwarzwald bis in die kommende
Nacht noch Dauerregen. Freitag nur kurze Wetterberuhigung.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... erstreckt sich ein breit angelegter Langwellentrog über Mitteleuropa
südwärts bis in den westlichen bzw. zentralen Mittelmeerraum. Das Drehzentrum
des Troges hat sich aktuell über Norddeutschland eingenistet und kommt nur
zögernd nach Osten voran, wobei es sich zunehmend ellipsenförmig in West-Ost
Richtung orientiert.
Bodennah korrespondiert das Höhentief mit einer Tiefdruckrinne, die sich im
Tagesverlauf ebenfalls zunehmend zonal orientiert und nachmittags/abends von der
südlichen Ostsee zur mittleren Nordsee reicht, wobei sie dann zwei kleinräumige
Drehzentren aufweist: Eines nördlich der Doggerbank und ein weiteres in etwa
über der Südküste Schwedens.
Nach wie vor verläuft über Süddeutschland in 300 hPa ein Jet hinweg (etwa 100
kn), der sich im Tagesverlauf allerdings allmählich über Tschechien nach
Südpolen verlagert. An dessen Südflanke wird eine Warmfrontwelle im Tagesverlauf
etwa entlang des Alpennordrandes rasch ostwärts geführt. Somit ist die Luftmasse
etwa südlich des Mains im Tagesverlauf zunehmend stabil geschichtet und vor
allem entlang bzw. südlich der Donau regnet es an der Nordflanke der Welle teils
länger anhaltend. Während die Regenfälle im Schwarzwald bereits im Tagesverlauf
abklingen, zieht sich das Ganze an den Alpen noch bis in die Nacht hinein, legen
heute am Vormittag vor allem im Allgäu sogar noch an Intensität zu, ehe sie ab
den späteren Nachmittagsstunden auch dort etwas nachlassen (aber nicht zum
Erliegen kommen). Für Schwarzwald (bis heute Abend) und Oberschwaben/Oberallgäu
(bis Donnerstagvormittag) laufen entsprechend auch noch Warnungen vor Dauerregen
(meist 40 bis 60 l/qm in 36 bis 48 Stunden), wobei vor allem im Oberallgäu in
Staulagen exponiert auch Unwetterkriterien erreicht werden können. Die
Schneefallgrenze liegt bei etwa 2000 m.
Dazu macht sich anfangs noch Leitplankeneffekt bemerkbar mit frischem, aber in
den Niederungen nicht mehr warnrelevantem Südwestwind im Alpenvorland und
stürmischen Böen, exponiert auch Sturmböen bzw. schweren Sturmböen im
Hochschwarzwald bzw. auf den Alpengipfeln. Im Tagesverlauf flaut der Wind dort
allerdings weiter ab.
Der Norden und die Mitte, etwa die Regionen nördlich von Main und Mosel, werden
dagegen von hochreichend labil geschichteter maritimer Polarluft geflutet. In
500 hPa ist die Temperatur auf etwa -24 bis -27 Grad gesunken, in 850 hPa
beträgt sie nur wenig über 0 Grad. Dabei verlagert sich aktuell ein flacher
Bodentrog samt eingelagerter Konvergenz mit schauerartigen, aber mengenmäßig
voraussichtlich nicht warnrelevanten Regenfällen (wobei I-D2 schwache Signale
für mehr als 20 l/qm in 6 Stunden auf der Agenda hat) über die Mitte und die
Osthälfte Deutschlands hinweg nordostwärts, wobei im Tagesverlauf auch mal ein
kurzes Gewitter nicht ausgeschlossen werden kann. An der Nordflanke des
Höhentiefs hat sich im äußersten Norden eine schwache Gegenstromlage eingestellt
(Ost bis Nordost in der Höhe, Südwest am Boden), die die Küsten und den
äußersten Nordosten ebenfalls mit schauerartigen Regenfällen versorgt. Ansonsten
lockern die Wolken zwischendurch auch mal kurz auf, durch die Einstrahlung kann
etwas Cape generiert werden und es entwickeln sich im Tagesverlauf einzelne
Schauer bzw. kurze Gewitter, die lokal eng begrenzt von Graupel bzw. steifen
Böen begleitet werden können, die meisten davon wohl in der Mitte des Landes.
Vor allem von Mosel und Main bis hinunter zur Donau herrscht dagegen eher
kompensatorisches Absinken, so dass es dort vielerorts trocken bleibt.
Die Temperatur macht nicht allzu große Sprünge, mehr als 9 bis 14 Grad sind
nicht drin.

In der Nacht zum Donnerstag weitet sich das inzwischen langgestreckte Höhentief
bis zum Baltikum bzw. zum Finnischen Meerbusen aus und erstreckt sich von dort
über Norddeutschland bis nach Südengland. Die beiden Bodentiefs verlagern sich
allmählich westsüdwestwärts nach Südostengland bzw. zur westlichen Ostsee. Die
Kaltfront der Welle hat inzwischen die Alpen überquert, die fortschreitende
Austrogung über dem westlichen Mittelmeerraum induziert dort Druckfall, so dass
sich entlang der Front über Oberitalien erneut ein Wellentief entwickelt. An
dessen Nordflanke bleibt vor allem am Alpenrand eine schwache Gegenstromlage
aufrecht und es gibt weitere Niederschläge, die bis ins Alpenvorland reichen,
allerdings kommen bis Donnerstagfrüh nur noch 5 bis nahe 10 l/qm zusammen. Die
Schneefallgrenze sinkt dabei auf etwa 1500 m.
Ansonsten sorgt diese Konstellation in weiten Teilen des Landes für schwachen
Druckanstieg und es stellt sich - unterstützt durch den "Tagesgang" - eine
gewisse Wetterberuhigung ein. Die Schauer und Gewitter klingen rasch ab und die
Wolken lockern gebietsweise auf. Bei schwachgradientigen Verhältnissen kann sich
dann gebietsweise dichter Nebel bilden. Lediglich an der Südflanke der
Tiefdruckrinne im äußersten Norden, insbesondere an den Küsten, gibt es, nicht
zuletzt aufgrund der anhaltenden Gegenstromlage, weitere schauerartige
Regenfälle, vereinzelt auch kurze Gewitter. Die Nacht fällt vor allem in der
Mitte bei teils aufgelockerter Bewölkung recht frisch aus mit Tiefstwerten
zwischen 7 und 3 Grad, an den Küsten bleibt es dagegen milder.

Donnerstag... setzt sich die Austrogung im westlichen Mittelmeerraum fort, so
dass der Höhentrog als Ganzes wieder mehr in die Meridionale kippt und sich
abends (mit Drehzentren in 500 hPa über Norddeutschland und dem Finnischen
Meerbusen) vom Süden Finnlands bis nach Zentralfrankreich erstreckt. Insgesamt
füllt sich der Trog allerdings ein wenig auf und verliert an Kontur, was auch
auf Kosten der Labilität der Luftmasse über dem Vorhersagegebiet geht.
Im Bodenfeld erstreckt sich allerdings nach wie vor eine flache Tiefdruckrinne
etwa vom Baltikum über die südliche Ostsee und Schleswig-Holstein bis nach
Südostengland, kippt allerdings ihrerseits ebenfalls ein wenig in die
Meridionale. Dabei verlagert sich das kleinräumige Bodentief über der westlichen
Ostsee bis zum Abend zur Deutschen Bucht und füllt sich etwas auf. An dessen
Süd- bzw. Ostflanke dreht der Wind entlang der Nordseeküste etwas auf Süd bis
Südwest zurück und frischt auf, je nach genauer Zugbahn des Tiefs reicht der
Gradient aber wohl höchstens nur über der offenen See bzw. auf Helgoland für
warnrelevante Böen Bft 7. Die schauerartigen Regenfälle rund um das Tief dauern
weiter an, wobei sich der Schwerpunkt allmählich über Schleswig-Holstein zur
Deutschen Bucht bzw. ins nordwestliche Niedersachsen verlagert. Kurze Gewitter
sind möglich und regional eng begrenzt ist (vor allem nach Lesart des I-D2) auch
mal ein mehrstündiges Starkregenereignis nicht ausgeschlossen.
Ganz im Süden dauen WLA und Gegenstromlage an der Nordflanke des Tiefs über
Oberitalien, das sich noch etwas weiter nach Westen ausweitet, weiterhin an, so
dass es von Südbaden bis ins Alpenvorland immer wieder regnet, wobei bis zum
Abend nur gebietsweise mehr als 5 l/qm simuliert werden. Lediglich GFS hat im
Ostallgäu kleinräumig höhere Mengen auf der Agenda. Die Schneefallgrenze steigt
im Tagesverlauf wieder etwas an auf nahe 2000 m.
Im Rest des Landes ist die Luftmasse nur noch leidlich labil geschichtet und
nach teils zäher Nebelauflösung kann mit etwas Einstrahlung gebietsweise ein
wenig Cape generiert werden. Somit entwickeln sich erneut hier und da kurze
Schauer, einzelne Gewitter sind wohl am ehesten über den mittleren Landesteilen
nicht ausgeschlossen. Vor allem in der östlichen Mitte überlappt die Cape mit
recht markanter hochreichender Scherung, so dass dort auch mal eine langlebigere
Schauer- bzw. Gewitterzelle mit steifen bis stürmischen Böen nicht
ausgeschlossen ist.
Die Sonne zeigt sich am ehesten in der Mitte und in der Osthälfte, insgesamt
aber durchaus häufiger als heute, bei nach wie vor lediglich 1 bis 3 Grad in 850
hPa liegen die Höchstwerte meist zwischen 10 und 15 Grad, in den Alpentälern
darunter.

In der Nacht zum Freitag kommt es über Nordwesteuropa zu einem markanten,
Richtung GB gerichteten Trogvorstoß. Vorderseitige WLA lässt den bisher für uns
wetterbestimmenden Trog mehr und mehr auffüllen, wobei er in mehrere Einzelteile
zerfällt, morgens lassen sich in 500 hPa drei Drehzentren ausmachen, nämlich
über dem Süden Finnlands, über Nordostdeutschland und über Südfrankreich.
Gleichzeitig wölbt sich ein Höhenkeil über die Nordsee bis nach Südnorwegen auf.

Im Bodenfeld verlagert sich das kleinräumige Tiefdruckgebiet über der Deutschen
Bucht allmählich westwärts und füllt sich zögernd auf, wobei es an dessen
Südostflanke über dem Nordwesten des Landes weiterhin gebietsweise schauerartige
Niederschläge gibt, die vielleicht auch noch die westlichen Landesteile
erfassen, aber wohl keinerlei Warnrelevanz aufweisen. Auch im Süden dauern die
leichten Niederschläge zunächst noch an, verlagern sich aber mit Ausweiten der
Tiefdruckrinne von Oberitalien über Slowenien und dem Osten Österreichs bis zur
Slowakei allmählich ostwärts, wobei sie vorübergehend weiter nach Norden
ausgreifen können und nach Lesart des GFS sogar bis knapp nördlich des Mains
vorankommen sollen, nach ICON-EU dagegen lediglich bis zur unteren Donau bzw.
zum Bayerischen Wald. Warnrelevant sind die Niederschläge aber auch dort bei
Weitem nicht.
In den Regionen dazwischen bleibt es dagegen aufgelockert bewölkt, eventuelle
Schauer klingen abends rasch ab, dann kann sich wieder vielerorts Nebel bilden.
An den Tiefstwerten ändert sich gegenüber der Vornacht nur wenig.

Freitag... kommt es im Rahmen der markanten Austrogung über Nordwesteuropa auch
im Bodenfeld zu einer für diese Jahreszeit recht beeindruckenden
Sturmtiefentwicklung südlich von Island. Abends weist dieses Tief nach Lesart
des ICON-EU einen Kerndruck von nahe 965 hPa auf. Vorderseitig verstärkt sich
die WLA über GB und der Nordsee weiter und macht sich zunehmend auch über
Nordwestdeutschland bemerkbar. Der Höhentrog wird über dem Vorhersagegebiet nun
endgültig zugeschüttet und verlagert sich als nur noch kurzwelliger Troganteil
bis zum Abend nach Polen, während der Südteil über dem Löwengolf abtropft und
sich bis nach Marokko bzw. Algerien ausweitet. Der Höhenkeil über der Nordsee
wird zwar mit Annäherung des Troges allmählich abgehobelt, kommt aber noch ins
Vorhersagegebiet voran.
Das kleinräumige Bodentief nahe der Deutschen Buchtgerät zunehmend in das
Zirkulationssystem des Sturmtiefs südlich von Island füllt sich rasch auf und
verlagert sich nordwärts. Das Frontensystem des Sturmtiefs greift bei
fortschreitendem Okklusionsprozess auf die Britischen Inseln über und erreicht
abends bereits die westliche bzw. nördliche Nordsee.
Somit stellt sich im Vorhersagegebiet eine gewisse, wenn auch nur kurzzeitige
Wetterberuhigung ein. Die gebietsweise im Nordwesten noch auftretenden
schauerartigen Regenfälle kommen nach Osten voran, klingen dabei aber bis
mittags weitgehend ab. Auch im Südosten klingen zumindest nach ICON-EU die
Regenfälle bereits morgens rasch ab, wohingegen nach Lesart des GFS die
Schleifzone dort wesentlich weiter nordwestlich als vom ICON-EU und IFS
simuliert verläuft und sich die Niederschläge über Bayern im Tagesverlauf sogar
noch intensivieren sollen (in einem Streifen vom Allgäu bis zum Oberpfälzer Wald
werden 5 bis 10 l/qm in 12 Stunden simuliert).
Ansonsten stabilisiert die Luftmasse im Tagesverlauf weiter, so dass es kaum
mehr für Schauer reichen sollte. Während sich im Westen und Nordwesten schon die
WLA in Form dichterer hoher und mittelhoher Bewölkung bemerkbar macht, scheint
vor allem im Osten und Nordosten, eventuell auch im Südwesten längere Zeit die
Sonne. Niedertroposphärisch kann sich die Luftmasse bis zum Abend bereits auf 3
bis 5 Grad in 850 hPa erwärmen und je nach Einstrahlung wird es auch bodennah
mit Höchstwerten zwischen 12 und 17 Grad etwas milder als an den Vortagen.
Anzusprechen bleibt noch der Wind, der mit Annäherung des Frontensystems im
Westen und Nordwesten am Nachmittag und Abend aus Süd bis Südwest auffrischt.
Eventuell reicht es dann bereits für erste steife Böen im Nordseeumfeld.

In der Nacht zum Samstag kommt das Frontensystem über die Nordsee rasch ostwärts
voran und greift morgens auf Nordwestdeutschland über. Bereits im Vorfeld setzen
schauerartige Regenfälle ein, die morgens in etwa eine Linie
Westmecklenburg-Pfalz erreichen. ICON-EU hat dabei die progressivste Variante
auf der Agenda und simuliert in den Staulagen der westlichen Mittelgebirge
zwischen 00 und 06 UTC sogar schon warnrelevante Mengen über 20 l/qm in sechs
Stunden.
Von Warnrelevanz ist aber auf jeden Fall der Wind. Der frischt deutlich aus Süd
bis Südwest auf, im Nordwesten und Westen dürfte es verbreitet für steife,
exponiert für stürmische Böen (Bft 7 bis 8) reichen, an der Nordsee und auf
einigen Gipfeln auch für Sturmböen (Bft 9), auf dem Brocken für schwere
Sturmböen bzw. sogar orkanartige Böen (Bft 10 bis 11).
Im Osten und Süden verläuft die Nacht dagegen - abgesehen von warnrelevanten
Böen auf einigen Berggipfeln - wettertechnisch ruhig, wobei sich bei
aufgelockerter Bewölkung vor allem im Südosten erneut dichter Nebel bilden kann.



Modellvergleich und -einschätzung
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Im Großen und Ganzen zeigen alle vorliegenden Globalmodelle eine sehr ähnliche
Wetterentwicklung. Im Detail gibt es aber Unterschiede, einerseits, was das
kleinräumige Bodentief über der Deutschen Bucht am Donnerstag angeht, das GFS
und IFS weiter nordöstlich auf der Agenda haben und entsprechend dort deutlich
weniger Niederschläge simulieren. Andererseits lässt das GFS die Niederschläge
über Süddeutschland am Donnerstag und in der Nacht zum Freitag weiter nordwärts
ausgreifen und am Freitag tagsüber sogar noch etwas intensivieren. Diese weisen
zwar keine Warnrelevanz auf, sind aber prognostisch durchaus relevant. GFS
stellt allerdings eine Einzellösung dar.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff