DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 25.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang zu TrM (Trog Mitteleuropa)

THORVI im Anmarsch - unbeständiges Frühherbstwetter mit wiederholten
Regenfällen, einzelnen Gewittern und zurückgehenden Temperaturen.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... befindet sich Deutschland mitten unter einem stark positiv geneigten
Höhentrog, der von Südwesteuropa bis in den fennoskandischen Raum reicht, wo
sich über dem Westen Russlands ein hochreichendes Tief anschließt. Die
Hauptachse des Troges verläuft südwest-nordost-orientiert genau über den
Vorhersageraum, von wo aus sie nur ganz langsam südostwärts schwenkt.
Eingelagert in den Trog sind kurzwellige Anteile bis hin zu klitzekleinen
Höhentiefs, die in den Potenzialkarten selbst bei höchster Auflösung nicht
erkennbar sind. Dass sie tatsächlich da sind, ließ sich am frühen Morgen anhand
der Radarsignaturen über der westlichen Mitte erkennen, wo eine klassische
zyklonale Bewegung detektiert werden konnte. Insgesamt gesehen ist mit der
Bewegung bei uns aber nicht besonders gut gestellt, denn weder beim Potenzial,
noch beim Bodendruck sind auch nur Ansätze eines nennenswerten Gradienten zu
erkennen.

Apropos Bodendruck, der ist bei uns geprägt von einer relativ breiten, zunehmend
an Kontur verlierenden Tiefdruckrinne, die sich korrespondierend zum Höhentrog
vom westlichen Mittelmeer bis hoch nach Skandinavien erstreckt. Flankiert wird
die Rinne im Südosten von einem alten Bekannten, dem Hoch STEFAN und einem
namenlosen Hoch mit Zentrum über dem Ostatlantik. Angefüllt ist die Rinne
übrigens mit einer gut gesättigten, potenziell instabilen Luftmasse (T850 um
6°C, PPW um oder etwas über 20 mm), so dass wir mit Fug und Recht von einer
frühherbstlichen Sumpflage mit spätsommerlichem Touch sprechen können.
Ausgenommen davon sind lediglich der Westen und Nordwesten des Landes, wo mit
nordwestlichem Wind eine etwas kühlere, vor allem trockenere und stabilere Luft
von der Nordsee advehiert wird. In den Analysen wird noch eine alternde
"Gammelokklusion" mit Kaltfrontappendix geführt, allerdings ist der
Luftmassenwechsel eher graduell ohne große Baroklinität. Entsprechend sollten
wir uns nicht wundern, wenn die Front im Tagesverlauf dem Rotstift zum Opfer
fällt.

Wettertechnisch verläuft der heutige Sonntag recht unterschiedlich im Land. Im
Westen und Nordwesten scheint trotz einiger Quellungen (Inversion bei 700 hPa)
zeitweise die Sonne und es bleibt im Großen und Ganzen trocken. Anfänglich von
der Nordsee noch hereinziehende Schauer sollten sich im Tagesverlauf erledigen.
Im großen Rest des Vorhersagebereichs überwiegt der Luftmasse entsprechend
starke Bewölkung, aus der es heute Morgen vor allem in der Mitte, abgeschwächt
auch im Norden und Nordosten schauerartig, vereinzelt sogar gewittrig regnet.
Zudem hat sich in der Nacht vornehmlich in Bayern Nebel gebildet, den es in den
nächsten Stunden erst mal zu tilgen gilt. Im Verlauf des Tages wird dann
insbesondere im Süden und in der östlichen Mitte etwas ML-CAPE bereitgestellt
(etwa 100 bis 250 J/kg), auch wenn es mit der energetischen Aufbereitung durch
Einstrahlung alles andere als gut bestellt ist. Auf alle Fälle kommt es in den
genannten Gebieten zu schauerartigen Regenfällen respektive Schauern und
einzelnen Gewittern, die aufgrund kaum vorhandener Scherung als pulsierende
Einzelzellen daherkommen. Wegen der undynamischen Ausgangslage muss sowohl beim
Regen, als auch bei den Gewittern mit regional eng begrenztem Starkregen
gerechnet werden (teils in kurzer Zeit, teils mehrstündig), wie das gestern sehr
punktuell auch schon der Fall war. Prädestiniert ist laut ICON-D2-EPS vor allem
der östliche Teil der zentralen Mittelgebirge (Thüringer Wald/nordbayerische
Mittelgebirge bis hinüber zum Erzgebirge) sowie der unmittelbare Alpenrand.
Dabei sind durchaus auch Signale für vereinzelte Unwetter vorhanden, was im
Falle stehender Zellen oder stationären Regens nicht ganz von der Hand zu weisen
ist, auf der anderen Seite wegen der extremen Kleinräumigkeit auch nicht zu
offensiv kommuniziert werden muss.

Temperaturmäßig kommen wir heute auf Spitzenwerte zwischen 13°C im höheren
Alpenvorland und rund 19°C in der Lausitz, wo die Chancen für Auflockerungen -
den Westen und Nordwesten mal ausgenommen - noch am besten stehen.

In der Nacht zum Montag ist es allerhöchste Zeit, seine meteorologische
Aufmerksamkeit den Geschehnissen über Nordwesteuropa, eigentlich über dem
gesamten mittleren Nordatlantik zu widmen. Dass sich dort ein klassisches
Downstream Development vollzieht, wurde in den Vorgängerbulletins schon
ausführlich behandelt (Stichwort "extratropical transition" des Tropensturms
FIONA, Amplifizierung der Rossby-Wellen stromab). Für unserem Raum gewinnt
zunehmend ein Höhentrog an Bedeutung, der sich von Grönland und der Grönlandsee
permanent nach Süden ausweitet. Seine Achse erreicht im Laufe der kommenden
Nacht die westliche und südwestliche Nordsee. Eingelagert ist ein hochreichendes
Drehzentrum namens THORVI, das als sehr solides Sturmtief taugt, auch wenn es
sich unweit von Jan Mayen beginnt aufzufüllen (anfangs noch unter 975, am Morgen
nahe 980 hPa). Während also der neue Trog expandiert, wird der "alte" Trog bei
uns immer weiter nach Südosten abgedrängt respektive durch WLA vorderseitig des
neuen Troges von Nordwesten her langsam zugeschüttet. Trotzdem ziehen sich die
Regenfälle und anfänglichen Gewitter im Süden und in der östlichen Mitte nur
zögerlich in den Südosten zurück und vornehmlich am östlichen Alpenrand besteht
in der ersten Nachthälfte noch eine gewisse Starkregengefahr.

Vom Südwesten bis in die mittleren Landesteile setzt sich schwacher
Zwischenhocheinfluss durch (flacher Keil des Atlantikhochs), was die Wolkendecke
teilweise aufreißen lässt. Hier und da bildet sich Nebel, auch wenn die Luft
nicht mehr ganz so feucht ist wie in der Vornacht. Derweil zieht im Nordwesten
mehrschichtige und immer kompaktere Bewölkung auf, aus der es später zwischen SH
und dem Emsland anfängt zu regnen. Nicht minder interessant als der Niederschlag
ist die Windentwicklung auf und an der Nordsee. Dort kommt es nicht nur zu einem
signifikanten Rückdrehen von anfangs Nordwest auf Süd-Südwest am Morgen. Der
Wind frischt zudem merklich auf mit steifen bis stürmischen Böen 7-8 Bft, auf
offener See sowie vielleicht auch exponiert auf Helgoland, den Nordfriesischen
Inseln und den Halligen glatt 9 Bft.

Montag... weitet sich der Trog bis zum westlichen Mitteleuropa aus, wodurch er
auch bei uns den Fuß zusehends in die Tür bekommt. In den Abendstunden erreicht
die Trogachse auf 300 hPa etwa die Grenze zu Benelux. Die Kaltfront des nach
Süden ziehenden und sich weiter auffüllenden Tiefs THORVI (am Mittag etwas unter
985 hPa mittig zwischen Haltenbank (NOR) und Island) greift im Tagesverlauf auf
den Nordwesten über, von wo aus die aber nur langsam südostwärts vorankommt
(ungünstige Lage zum Höhentrog verhindert stärkere Progression). Stromab schiebt
der Trog einen flachen Höhenkeil vor sich her, der morgen in weiten Teilen Ost-
und Süddeutschlands für einen weitgehend trockenen und z.T. gar nicht mal so
unfreundlichen (im Sinne zeitweiligen Sonnenscheins oder größerer
Auflockerungen) Wochenstart sorgt. Letzte Nachttropfen im und am Erzgebirge
sollten schon am Vormittag Geschichte sein, so dass nur noch der Alpenrand als
potenzielle Schauerareal übrigbleibt. Ob es auch noch mal für ein Gewitter
reicht, ist fraglich, eher wohl inneralpin.

Ganz anders die Situation in der Nordwesthälfte, wo sich die kompakte Bewölkung
und der Regen aus dem Nordwesten langsam aber sicher ost-südostwärts
vorarbeiten. Akkumuliert über 12 Stunden kommen zwischen Nordsee/SH und
RP/Saarland gebietsweise 5 bis 10, in Staulagen der westlichen Mittelgebirge
auch mal 15 l/m² zusammen. Mit Annäherung des Troges und der damit einsetzenden
Abkühlung der Mitteltroposphäre geht der anfangs skalige Regen am ab dem
Nachmittag von der Nordsee und Benelux her in Schauer über. Vorderseitig der
Front frischt der inzwischen im ganzen Land auf West bis Süd rückgedrehte Wind
auf, was dem nordwestdeutschen Binnenland sowie dem westlichen Bergland inkl.
prädestinierter Leelagen Böen 7 Bft bringt. In exponierten Hochlagen stehen bis
runter in den Schwarzwald Böen 8-9 Bft, auf dem Brocken vielleicht sogar mal
eine 10 Bft auf der Karte. Stürmisch geben sich zunächst auch die Nordsee nebst
angrenzenden Binnenland sowie die westliche Ostsee, bevor im Laufe des
Nachmittags von Westen her eine Windabnahme erfolgt (postfrontale
Gradientaufweichung).

Während die Temperatur in der Südosthälfte präfrontal und mit zeitweiliger
Sonnenunterstützung noch mal auf 15 bis 19°C steigt, reicht es in im
regnerischen Nordwesten in der neuen maritimen Polarluft nur noch für 10 bis
15°C, im höheren Bergland noch nicht mal das.

In der Nacht zum Dienstag greift der Höhentrog auf die gesamte Westhälfte über,
was mit einer gesamttroposphärischen Abkühlung einhergeht. In der frisch
einfließenden maritimen Polarluft sinkt T850 auf bis zu +1°C, T500 auf -22 bis
-25°C. Damit ist trotz ungünstiger Tageszeit ausreichend Labilität
gewährleistet, um weitere Schauer, im äußersten Westen vielleicht sogar ein
kurzes Gewitter zu generieren. Derweil breiten sich die frontalen Regenfälle auf
den Süden und Osten aus, wobei im Osten allerdings nicht allzu viel ankommen
dürfte. Durch Überströmen des Erzgebirges von Süden her ist ein gewisser
Abtrocknungseffekt erkennbar, der dämpfend auf die Niederschlagsentwicklung
wirkt. Dafür können im Stau des Schwarzwaldes 10 bis 20 l/m² Regen in die Töpfe
fallen. In den Alpen sinkt die Schneefallgrenze von Westen her auf etwa 1500 m.
Der Süd- bis Südwestwind bleibt vor allem im Bergland sowie an der Ostsee (dort
ablandig und entsprechend gedämpft) noch flott unterwegs mit Böen 7 Bft, in
exponierten Hochlagen 8-10 Bft, bevor bis zum Morgen eine allmähliche Abnahme
erfolgt. Solide Durchmischung und Wolken sorgen dafür, dass der
Temperaturrückgang trotz KLA moderat ausfällt. Weniger als 10 bis 4°C dürften es
nicht werden.

Dienstag... wird´s richtig lausig, wenn nämlich Höhentrog und Höhenkaltluft so
richtig Platz über dem Vorhersageraum nehmen. Das Drehzentrum - wir reden immer
noch über THORVI - erreicht mit etwas unter 995 hPa die Nordsee bzw. in der
Nacht zum Mittwoch Jütland. Das ganze Land wird mit maritimer Polarluft
geflutet, in der T850 auf 2 bis 0°C und T500 auf -24 bis -27°C sinkt. Beste
Voraussetzungen also, um von den Küsten bis an die Alpen sowie der Grenze zur
Schweiz - bei dieser Gelegenheit einen sonntäglichen Gruß an die Diensthabenden
von MeteoSchweiz - eine mehr als rege Schaueraktivität in Gang zu bringen, bei
der natürlich auch einzelne kurze Graupelgewitter nicht fehlen dürfen.
Aufsummiert über den ganzen Tag können gebietsweise 5 bis 10 l/m², in
Weststaulagen, wo aus dem Schauer schnell mal ein Dauerschauer wird, auch etwas
mehr Niederschlag fallen. In den Alpen schneit es oberhalb rund 1500 m.
Abgerundet wird das herbstliche Feeling durch eher magere 8 bis 14°C, zwischen
Berlin und Lausitz vielleicht 15°C, kaum bis keiner Sonne und einen vor allem im
Süden auffrischenden West- bis Südwestwind (7 Bft, exponierte Hochlagen 8-9
Bft).

In der Nacht zum Mittwoch tut sich nichts Wesentliches an der Großwetterlage. Es
kommt zu weiteren Schauern bzw. schauerartigen Regenfällen, deren Schwerpunkt
bei aller noch gegebenen Modellunsicherheit im Südwesten zwischen Schwarzwald
und Allgäu zu liegen scheint. Dort zeigen sich die Hochlagen auch weiterhin
stürmisch.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Änderung der Großwetterlage wird modellübergreifend simuliert. Differenzen
ergeben sich wie so oft am ehesten bei den Niederschlägen (Intensität + genaue
räumliche Zuordnung).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann