DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

19-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 190800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 19.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Zunächst Nord zyklonal (Nz), Übergang zu Hoch Mitteleuropa (HM)
Anfangs vor allem in der Osthälfte noch Schauer und Gewitter, in höheren Lagen
stürmisch, in den Alpen Schnee. Von Westen her zunehmend ruhiges Hochdruckwetter
mit Nebelneigung in den Nächten. Bei recht niedrigem Temperaturniveau zunehmend
nächtlicher Frost in Bodennähe.


Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Am heutigen Montag... ist unsere Großwetterlage von einem umfangreichen
Langwellentrog geprägt, der sich von Skandinavien ausgehend über weite Teile
Mittel- und Osteuropas erstreckt. In diesen sind auch zwei Höhentiefs
integriert: Nr. 1 befindet sich heute früh über dem südlichen Polen und markiert
auch das Zentrum der Kaltluft in der Höhe mit etwa -28°C in 500 hPa im
Kernbereich. Nr. 2 zieht über dem westlichen Russland nordwärts und steuert das
ebenso sehr umfangreiche und kräftige Tief Reili (international Ana getauft) mit
Kerndruck unter 985 hPa ebenso nach Norden. Dieses hat als steuerndes Tief für
halb Europa das Zepter von dem sich über Nordfinnland auflösenden Tief Queenie
übernommen. Den Gegenpart stellt ein Rücken westlich der Britischen Inseln dar,
der ein Bodenhoch mit Schwerpunkt im Bereich Irlands (namens Stefan) stützt, das
aber nach Norden bis über Spitzbergen hinweg reicht. Zwischen den Druckgebilden
hat sich eine Polarluftautobahn gebildet, mit der eine sehr kühle (T850 hPa um
2°C) und feuchte Luftmasse in unser Land gelangt ist und auch weiter zugeführt
wird.

Diese Luftmasse ist vom Osten bis zur Mitte des Landes im Einflussbereich der
Höhenkaltluft hochreichend labil geschichtet, im Westen gelangt sie aber
zunehmend unter leichtes Absinken und die Höhenkaltluft zieht ab, so dass dort
die Temps in der mittleren Atmosphäre allmählich stabiler werden. Darunter sind
sie aber weiterhin labil. Da die zugeführte Luftmasse auch einigermaßen feucht
ist, entstehen zahleiche Schauer und Gewitter, die in der ersten Tageshälfte
noch von dem Trog über Polen angefacht werden, im Laufe des Tages generiert dann
der Tagesgang vor allem im Norden etwas CAPE und zudem greift von Nordwesten
wieder ein Kurzwellentrog über, der von der Nordsee her bis in die Landesmitte
für Hebung und damit verstärkte Schaueraktivität sorgt. Je weiter wir nach Osten
kommen, desto hochreichender sind die Schauer potentiell, so dass dort auch die
Gewitterneigung zunimmt. Die Scherung ist insbesondere nach Osten hin nicht mehr
so hoch, nach Westen hin ist sie mit immer noch starkem Höhenwind noch etwas
stärker. Trotzdem sollte sich bei den nur mäßigen CAPE-Werten keine allzu
intensive Konvektion ausbilden, es dürfte sich im Wesentlichen um recht schnell
ziehende Multizellensysteme handeln, deswegen dürfte bei ppw's um 15 l/qm im
Allgemeinen keine Starkregenwarnung nötig sein, bei etwas besser organisierten
Systemen, etwas größeren Zellen oder im Stau der Mittelgebirge muss man etwas
aufpassen. Die Böen an den Schauern dürften sich zumeist im 7er Bereich
abspielen, einzelne stürmischen Böen müssen aber bei etwas Höhenwind und etwas
Dynamik einkalkuliert werden. Außen vor bleibt bei der Konvektion der schon
etwas mehr unter Hochdruckeinfluss stehende Südwesten, zudem deutet sich über
Schleswig-Holsteine dank Skandinavienföhn eine Schliere trockener Luft an, in
der die Konvektion stark reduziert ist.

In einem immer noch mäßig starken Gradienten weht der Wind lebhaft aus Nordwest,
allerdings dürfte es rein aus dem Gradient heraus nur noch vereinzelt steife
Böen im Flachland geben, am ehesten in einem Streifen von der Nordsee bis ins
östliche Bergland. Ziemlich sicher reicht es dagegen mit dem auflandigen
Nordnordwestwind an der Küste Ostfrieslands zu steifen Böen. Auch der Wind in
850 hPa schwächt sich etwas ab, auf den Bergen der Osthälfte kann es aber immer
noch zu stürmischen Böen reichen. Der Nordwestwind sorgt an den Alpen auch für
Stau, allerdings zieht das stärkste Niederschlagsgebiet ab und tagsüber regnet
es nur noch leicht und vor allem nach Osten hin. Nachdem die Luftmasse aber kaum
milder wieder wird (es wird nur durch den Tagesgang und nachlassende
Niederschläge etwas wärmer) steigt die Schneefallgrenze kaum über 1500 m an.
Insbesondere im östlichen Alpengebiet kommen 24-stündig aber durchaus noch 10
bis 15 l/qm zusammen, am Erzgebirge, wo es naturgemäß bei dieser Windrichtung
auch ordentlich anstaut, kann es auch etwas mehr werden, für eine Warnung dürfte
es aber nicht reichen.

Die Sonne spielt bei dieser Gemengelage kaum eine Rolle, vor allem im östlichen
Bergland und an den Alpen bleibt es trüb, auch sonst zeigt sich nur kurzzeitig
die Sonne, am ehesten in den von Nordwestföhn profitierenden Gebieten. Etwas
mehr Sonne gibt es unter leichtem Hochdruckeinfluss im Südwesten und von
Schleswig-Holstein bis zur Prignitz aufgrund des Skandiföhns. Die Temperatur
erreicht in der Nordwesthälfte etwas über 15°C, in der Südosthälfte bleibt es
eher etwas kühler.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt das südwestliche Höhentief Richtung Ukraine
und die gesamte Druckkonstellation zeigt sich leicht progressiv, so dass der
Höhentrog langsam nur noch die östlichen Landteile beeinflusst und im Westen das
Geopotential weiter steigt. Der eben erwähnte Kurzwellentrog schwenkt weiter
südostwärts und bringt in der gesamten Osthälfte etwas Hebung durch PVA, ein
weiter Kurzwellentrog zieht von der Ostsee her nach Vorpommern, scheint aber
nicht so viel Hebung zu bringen. Insgesamt nimmt tagesgangsbedingt die
Schauertätigkeit etwas ab, vor allem in der Osthälfte bzw. auch an der Nordsee
kommt es zu weiteren schauerartigen Regenfällen und Gewittern.

Der Druckgradient nimmt etwas ab und ein Keil des westlichen Hochs schiebt sich
in den Südwesten, so dass dort der Wind fast einschläft. Ausreichend Feuchte und
Jahreszeit erlauben dort bei auflockernder Bewölkung einzelne Nebel- und
Hochnebelfelder, ansonsten bleibt es bei recht ausgedehnter
Stratocumulusbewölkung mit einzelnen höherreichenden Cumuli. Klar kann es in
Schleswig-Holstein werden. Der Wind nimmt überall weiter ab, so dass alle
Windwarnungen auslaufen können. Auch auf den Bergen bedarf es im Verlauf der
Nacht dann keiner Warnung mehr.

Die Temperatur sackt bei den etwas schwächeren Windverhältnissen etwas tiefer ab
als bisher, so werden Tiefstwerte zwischen 7 und 4°C angepeilt. Über dem
südwestlichen Bergland kann es auch bis auf 2°C runtergehen, hier wird
Bodenfrost ein Thema. Über dem Meer bleibt es dagegen um 10°C mild.

Am Dienstag... schwenkt der oben erwähnte zweite Höhentrog von Vorpommern
Richtung Westpolen und könnte vorübergehend noch einen schwachen Höhentiefkern
ausbilden. Damit bleibt über dem Osten das zyklonale Umfeld erhalten und dort
bestimmt auch Höhenkaltluft (um -26°C) weiterhin die Schichtung, so dass die
Temps dort auch morgen hochreichend labil sind. Von Westen rückt jedoch der
Höhenrücken weiter heran und hinterlässt mit ordentlichem Absinken seine Spuren
in der Schichtung, die oberhalb 700 hPa sehr stabilisiert, so dass die
Schauertätigkeit in der gesamten Südwesthälfte dann weitgehend unterdrückt wird.
In der Nordosthälfte gibt es dagegen weiterhin Schauer und auch einzelne
Gewitter, die Starkregengefahr sollte im Vergleich zum Vortag noch einmal etwas
abnehmen. Einzelne steife Böen können nach wie vor mit von der Partie sein,
stürmische Böen soll bei Gewittern zumindest nicht ausgeschlossen werden. Vom
östlichen Alpengebiet über das gesamte östliche Bergland sorgt Nordweststau
weiterhin für durchwegs dichte Bewölkung, die Niederschlagssummen gehen aber im
Vergleich zum Vortag deutlich zurück. Etwas mehr Sonne als heute dürfte es nach
Westen zu geben, wo die Quellwolken häufiger auflockern. Richtig freundlich wird
es abermals ganz im Südwesten und in der Region im Norden, die weiterhin von der
trockenen Luftmasse, die im Lee des Skandinavischen Gebirges produziert wird,
profitiert. Diese Region reicht von Dänemark südwärts bis etwas ins
nordwestliche Brandenburg.

Ein Blick auf die Isobarenkarte zeigt weitere Auffächerung des Gradienten, was
nicht weiter verwunderlich ist, da das Tief Reili/Ana zur Barentssee abzieht.
Zugleich weitet sich die Bodenhochdruckzone immer weiter auf Deutschland aus.
Für mäßigen Nordwestwind reicht es in der recht instabil geschichteten
Grenzschicht tagsüber trotzdem noch, die Dose mit den Windwarnungen muss aber
nicht geöffnet werden. Beim Temperaturniveau hat die massive Zufuhr der
Polarluft ihre Spuren hinterlassen: In 850 hPa geht es nicht nach oben und auch
bodennah kommen die Staugebiete kaum über 10°C hinaus, in den mildesten
(sonnigen) Regionen reicht es für Werte um 17°C.

In der Nacht zum Mittwoch zieht der gesamte Trogkomplex weiter nach Osten bzw.
Südosten ab. Gleichzeitig dehnt sich der Höhenrücken im Westen immer weiter
nordostwärts aus und schiebt einen Keil bis nach Nordskandinavien vor. Damit
wird von dem östlichen Trog zunehmend ein Höhentief abgeschnürt. Bei uns ist
folglich weitere Geopotentialzunahme zu erwarten, zudem dreht der Höhenwind
leicht Richtung Ostnordost. Das Bodenhoch verlagert seinen Schwerpunkt bis in
die Südhälfte Deutschlands, zudem dehnt es sich weit nach Nordosten bis Finnland
aus. Damit stellt sich der Wettercharakter auch im Osten auf Hochdruckmodus um:
Die Schauer lassen in der Nacht rasch nach, an den Alpen und am Erzgebirge staut
es noch ein wenig an. Im übrigen Land soll die Bewölkung recht rasch auflockern,
was bei dem einschlafenden Wind für rasch absackende Temperaturen sorgt. Meist
kühlt es auf 6 bis 3°C ab, im Bergland und auch teils im Norden kann es noch
kühler werden. Dort kann es recht ausgedehnt Frost in Bodennähe geben. Um 10°C
mild ist es dagegen weiterhin unmittelbar an der See.

Am Mittwoch... setzt sich der Abzug des osteuropäischen Höhentiefs fort und der
Rücken weitet sich über Nordeuropa noch etwas nordostwärts aus. Die weiterhin
nordnordöstliche Höhenströmung bei uns schwächt sich noch etwas ab. Der
Schwerpunkt des Bodenhochs verbleibt über unserem Land, insgesamt besteht eine
sehr umfangreiche Hochdruckzone die im Westen Anschluss an das Azorenhoch hat,
sich aber auch noch Südosteuropa erstreckt und auch einen kräftigen Hochkeil bis
Nordrussland besitzt. Da der Schwerpunkt des Hochs etwas nach Norden wandert,
kann im Südwesten der Nordostwind leicht auffrischen (schwache Bisenlage),
allerdings reicht das nicht für Warnungen. Der Nebel und Hochnebel dürfte sich
im Tagesverlauf überall auflösen und dann stellt sich ein sonniger Frühherbsttag
ein. Da sich die Sonne aber am Freitag auf die Südhalbkugel verabschieden will,
dürfte sie kaum noch Energie aufbringen, die Luftmasse bei uns zu erwärmen, so
dass wir in 850 hPa bei 2 bis 3°C verharren und damit in 2 m bei 14 bis 18°C
Schluss ist.

Das schafft ein recht kühles Ausgangsniveau für die Nacht zum Donnerstag. Der
Hochschwerpunkt verlagert sich wieder etwas nach Süden, in ganz Deutschland weht
der Wind schwach. Damit kann die bodennahe Temperatur stark absinken und in
einigen prädestinierten Regionen (höhere Mittelgebirgstäler, höheres
Alpenvorland und Alpentäler, im Norden die Heide) kann es auch in 2 m mal
geringen Frost geben. Auf jeden Fall muss bei Tiefstwerten, die allgemein
zwischen 5 und 1°C liegen, recht verbreitet mit Frost in Bodennähe gerechnet
werden. Nur an der See bleibt es wie üblich milder. Da die bodennahe Luftmasse
weiterhin mit reichlich Feuchtigkeit ausgestattet ist, die Nacht schon recht
lang und die Inversion recht flach, darf wieder mit zahlreichen Nebel- und
Hochnebelfeldern gerechnet werden.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle zeigen auf synoptisch-skaliger Ebene keine deutlichen
Unterschiede im Kurzfristzeitraum. Auch der Wind und die Niederschläge werden
recht übereinstimmend simuliert. Lediglich Arome deutet heute recht hohe
Niederschlagssummen an, im Norden wie auch an den Alpen. Das erscheint etwas
übertrieben. Die Prognose der nächtlichen tiefen Bewölkung (Nebel, Hochnebel)
wird wohl in den einzelnen Modelle zu grundsätzlich verschieden berechnet, so
dass man diesbezüglich keine Übereinstimmung erwarten darf.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann