DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

17-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 170800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 17.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Nordwest zyklonal (NWz)
Wechselhaftes, windiges und kühles Schauerwetter. Durch markante Randtröge
gebietsweise auch länger anhaltende Regenfälle. In den Alpen oberhalb 1500 m
Schneefall. Zur neuen Woche von Südwesten Wetterberuhigung.


Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... liegen wir weiterhin im Einflussbereich eines umfangreichen
Langwellentroges, der sich ausgehend vom Zentrum über Südfinnland bis zum
Nordmeer erstreckt und nach Süden immer schmaler werdend auf den Alpenraum
zuläuft. Die Trogspitze mitsamt IPV Maximum schwenkt dabei aktuell nach
Norditalien und löst über der Adria eine kräftige Zyklogenese mitsamt Orkanböen
und heftigen Starkregenfällen aus, die die teils katastrophale Lagen mit
Überschwemmungen und Schlammlawinen mancherorts noch verschärfen dürfte.

Über Deutschland hält sich die dynamische Hebung der Trogspitze aufgrund des
sehr südlichen Ausgreifens in Grenzen, die Niederschläge an den Alpen sind in
der zyklonal geprägten Nordwestströmung zum Großteil staubedingt. Bis zum Abend
sollten an den Alpen weitere 10 l/qm, in Staulagen bis 20 l/qm zusammenkommen,
wobei die Schneefallgrenze aktuell bei rund 1500 Metern liegt. Die Mengen sind
jetzt zwar nicht überbordend, aber aufgrund der persistenten Wetterlage besteht
erst einmal kein Handlungsbedarf an den geschalteten Dauerregen- und
Schneefallwarnungen, die bis in den morgigen Tag hinein Gültigkeit besitzen,
etwas zu ändern.

Zwischen Main und Donau bildet sich ein weiteres Niederschlagsmaximum ab, das
aktuell noch für Stundensummen von 3-4 mm gut ist und an einen Randtrog in der
Höhe gekoppelt ist, der gewissermaßen das Residuum der sich südwärts
abgekoppelten Trogspitze darstellt und auf dem Weg nach Südosten auch immer mehr
an Kontur verliert. Dementsprechend nimmt die Niederschlagsintensität auf dem
Weg Richtung Niederbayern auch ein wenig ab.

Ein zweiter, deutlich markanterer Randtrog, der ab 500 hPa aufwärts sogar ein
eigenständiges Drehzentrum aufweist, schickt sich an von Jütland südostwärts zu
uns zu schwenken und erreicht bis zum Abend den Großraum Berlin. Damit wird der
Trog und auch die höhenkalte Luft mit T500 teils < -25 Grad über Deutschland
regeneriert. Dadurch bleibt sowohl die Schauer- und Gewittertätigkeit nahezu
landesweit sehr rege und zusätzlich greift ähnlich wie gestern im Tagesverlauf
ein weiteres "Komma" in Form schauerartiger Regenfälle von der Elbmündung bis
zum Harz und später auch Richtung Leipzig aus. Bei der Schichtdickenadvektion
zeichnet sich entsprechend ein kleines WLA Maximum im angesprochenen Streifen
ab. Im besagten Gebiete liegen die PPW's immerhin um oder knapp über 20 mm und
gerade aufgrund des leicht schleifenden Charakters am hinteren Teil der
"Schleppe" sind ein oder auch mehrstündige Summen, die bis in den
Starkregenbereich gehen (um 15 mm/h bzw. um 30 mm in wenigen Stunden), sehr gut
vorstellbar. Die konvektionserlaubende Numerik reagiert entsprechend sensibel
mit teilweise bis 100 mm / 12h nördlich von Bremen wie beim AROME. Das
entspricht allerdings schon dem ICON-D2 EPS Maximum. Der Median liegt bei 15 bis
20 mm, die Wahrscheinlichkeiten für mehr als 40 mm erreichen bei Cuxhaven bis zu
45%. Das ist deutlich realistischer, zumal das AROME gestern schon viel zu hohe
Mengen prognostizierte. Hinzu kommt, dass in den küstennahen Gebieten
Niederschlagsmengen wie diese in der Regel sowieso impacttechnisch unkritisch
sind. In den übrigen Landesteilen kann es in den Schauern und Gewittern
ebenfalls mal kurzzeitig kräftig schütten - ohne dass jedoch Starkregenwarnungen
fällig werden, da das Schauspiel meist nach nur wenigen Minuten wieder vorbei
ist.

Das kleine Randtief zeichnet sich aber auch am Boden als kleiner Bodentrog ab,
der neben Niederschlägen an dessen Süd- und Westflanke aber auch für reichlich
Wind sorgt. Einem Kerndruck nahe 1000 hPa steht das meridional lang gestreckte
Hoch mit über 1025 hPa bei Irland gegenüber, weshalb der West- bis Nordwestwind
in Böen auch landeinwärts vermehrt die Stärke 7 (insbesondere natürlich in
Schauer- oder Gewitternähe), an der Nordsee und in Gipfellagen volle Sturmstärke
8-9 Bft erreicht mit vereinzelten Spitzen bis 10 Bft. Letzteres ist vor allem
dann möglich, wenn ein kräftigerer Schauer oder kurzes Gewitter direkt auf die
Nordseeküste "prallt". Vorderseitig weicht es den Gradienten in Ostseenähe und
im Nordosten eher auf, so dass der Wind dort teilweise nur schwach weht.

In der kühlen, wenngleich gut durchmischten Meereskaltluft mit T850 nur wenig
über dem Gefrierpunkt werden maximal 13 bis 16, an den Alpen teilweise kaum 10
Grad erreicht - es ist halt Herbst (wenn auch erst meteorologisch).


In der Nacht zum Sonntag verlässt uns der o.e. Randtrog in der zweiten
Nachthälfte über die Neiße ostwärts Richtung Polen. An dessen Südwestflanke
treten dabei noch gebietsweise Windböen Bft 7 auf, so dass zwischen Harz und
Erzgebirge voraussichtlich warntechnisch noch etwas nachgesteuert werden muss.
Im Osten gibt es zudem im Bereich des "Kommas" noch längere Zeit schauerartige,
teils gewittrig durchsetzte Regenfälle. Die Mengen liegen dabei meist im Bereich
von 5-10 mm und damit i.d.R. jenseits der Warnschwellen.

Sonst beruhigt sich die Konvektion tagesgangbedingt vorübergehend - ohne jedoch
komplett abzuebben. Nach Mitternacht greift von Nordwesten PVA-induzierte Hebung
eines weiteren Randtiefs auf Deutschland über, das sich rasend schnell vom Kap
Svinöy ebenfalls nach Jütland verlagert. In dessen südwestlichen Randbereich
stoßen wir allerdings schon in den Jet der Nordwestströmung auf der Rückseite
des Langwellentroges vor. Das bedeutet zwar hebungsfördernde Optionen im linken
Ausgang, gleichzeitig aber auch zunehmend limitierte Labilität (nur noch zarte
CAPE-Flächen wärmer -10 Grad), was die Niederschlagsanteile eher skalig
ausgeprägt sind und die Gewitterneigung von Westen abnimmt. Nichtsdestotrotz
bringen die Regenfälle zwischen Ems und Sauerland bis zum Morgen weitere 5,
stellenweise bis 10 mm.

Der Wind lässt nach Abzug des ersten Randtroges und tagesgangbedingten nach,
bleibt aber in den Kammlagen sowie an der Nordsee in Böen oft stürmisch. Die
Temperaturen gehen auf frische 10 bis 5, bei Aufklaren in Mittelgebirgstälern
bis 2 Grad zurück.

Sonntag... wiederholen sich im Prinzip die Geschehnisse vom Vortag, mit dem
Unterschied, dass das den Trog genierende Randtief breiter und intensiver
aufgestellt ist als sein Vorgänger. Es umspannt zur Mittagszeit die komplette
Ostseeküste Deutschlands sowie weite Teile Schleswig-Holsteins und
Mecklenburg-Vorpommerns. An dessen Südwestflanke stößt der Jet mit über 100 kt
in 300 hPa vom Ijsselmeer bis zur Mitte Deutschlands vor. Der bodennahe Wind
dreht noch etwas rück auf West, teilweise sogar Westsüdwest, was im Westen und
Südwesten zu einer leichten Rechtdrehung des Windes mit der Höhe führt (seichte
WLA) und die Schichtung weiter stabilisiert wird. Die überwiegend skaligen,
dennoch zu gewissen Anteilen noch konvektiv durchsetzten Regenfälle orientieren
sich in einem Streifen von NRW bis ins Vogtland, das in der Folge nur langsam
südwärts vorankommt und zum Abend allmählich auch die Donau erreicht. Dabei sind
verbreitet Mengen um 10 mm, in Staulagen und bei konvektiven Verstärkungen um 20
mm binnen 12 h zu erwarten. Signale für Stark- bzw. Dauerregen finden sich
allenfalls im Satu des Sauerlandes und Weserberglandes mit rund 30% bei ICON-D2
EPS. Auch die Deterministik ist im Großen und Ganzen unterhalb der
Warnschwellen, von daher darf man sich auch einfach mal freuen, dass die
Grundwasserspeicher ein Stück weit wieder aufgefüllt werden.

Im Bereich des Höhentiefs selber (Norden und Osten Deutschlands), dessen
Intensität auch in der Temperatur in 500 hPa ablesbar ist, die im Kern nahe -30
Grad erlangt, bleibt das wechselhafte Schauerwetter mit einzelnen kurzen
Gewittern erhalten. Potentiell etwas gefährlich erscheint der Übergangsbereich
zur stabileren Luft, da dort sehr hohe Scherungswerte (DLS bis 40 m/s, 0-1 km
bis 20 m/s) und stark gekrümmte Hodographen mit Helizitäten bis 300 m²/s²
anzutreffen sind (etwa von Ostwestfalen über Südniedersachsen bis nach Thüringen
und Großraum Leipzig). Neben lokalen Wasserhosen ist gerade in diesem Bereich
die Gefahr vereinzelter Typ II Tornados nicht zu unterschätzen. Die
Wolkenuntergrenzen sind in der feuchten Meeresluft ohnehin tief genug.

Nur ganz im Südwesten bleibt es in der Nähe zum Keil über Ostfrankreich des
Irlandhochs größtenteils trocken. Sonnenanteile bleiben rar gesät und finden
sich bei ähnlichem Temperaturniveau am ehesten Richtung Ober- und Hochrhein
sowie in Küstennähe.

Bei der Windentwicklung müsste man aufgrund des nahenden Jets ja fast Schlimmes
befürchten. Da sich im Bodendruckfeld aber kaum signifikante Änderungen ergeben
(gleichmäßiger leichter Fall) und die Schichtung in vielen Teilen stabilisiert,
bewegen wir uns etwa auf dem Niveau des Vortages mit gebietsweisen Windböen 7
Bft, an der Nordsee, in den Hochlagen sowie bei Gewittern auch Sturmböen Bft 8-9
aus West, an der Nordsee aus Nordwest. Die Oberwinde in 850 hPa liegen ähnlich
wie am Vortag zumeist bei 30, strichweise um 40 Knoten und nehmen eigentlich
erst oberhalb von 600 hPa markant zu.


In der Nacht zum Montag schwenkt das Randtief unter Abschwächung südostwärts und
ist zum Morgen in der unteren und mittleren Troposphäre nur noch als Randtrog
über Südpolen auszumachen. Dementsprechend ziehen sich auch die Regenfälle
zunehmend in die Südosthälfte des Landes zurück, wo sie immerhin noch für Mengen
um 5 mm, am Rande des Erzgebirges und der Alpen um 10 mm gut sind. In den Alpen
fällt oberhalb etwa 1500 Metern damit weiter Schnee, was zunächst einmal gute
Voraussetzungen zum Start ins kommende Winterhalbjahr bedeuten sollten mit
teilweise einem halben Meter Neuschnee bis Montag.

Auch in Küstennähe bleibt die Konvektion diabatisch bedingt aufrecht, sonst
beruhigt sich das Wetter von Westen. Der Wind lässt nun auch an der Nordsee
allmählich etwas nach bei 10 Grad, landeinwärts bei Auflockerungen bis 3 Grad.


Montag... unternimmt der Trog einen vorerst letzten, aber fast schon verzweifelt
anmutenden Versuch sich nochmals zu regenerieren. So schwenkt nur noch ein
flacher kaum mit Advektionen belegter Randtrog vom Skagerrak südostwärts ab,
beult den Haupttrog aber so gut wie nicht mehr westwärts aus. Der einstige Kern
des Zentraltiefs füllt sich über Südfinnland allmählich auf und wird durch eine
hoch barokline Neuentwicklung an dessen Ostflanke über Westrussland ersetzt.
Dadurch rutscht der ganze Komplex als solches progressiv ein Stück weit ostwärts
und die Achse des Rückens über dem nahen Ostatlantik verschiebt sich zunehmend
nach Westeuropa. Dadurch steigt der Druck auch über Deutschland auf dessen
Vorderseite allmählich an und der Keil des Bodenhochs, das inzwischen über der
Keltischen See liegt, kann sich mit 1020 hPa über Süddeutschland ausweiten.
Folglich bleibt es im Südwesten weitgehend trocken und die Sonnenanteile nehmen
zu.

Unterdessen zieht sich die höhenkalte Luft mehr und mehr in die Bereiche östlich
von Weser und Elbe zurück, wo es weiterhin einzelne Schauer und auch kurze
Gewitter geben wird. Intensität und Häufigkeit sollten aber allmählich
nachlassen. Anströmungsverhältnisse scheinen nun begünstigter, um zumindest
zeitweise bei der leicht aufsteilenden Strömung ein veritables
Skandinavienföhnfenster über Schleswig-Holstein zu öffnen.

Auch die Aufweichung des Gradienten macht langsam Fortschritte. Von der Nordsee
bis zu den östlichen Mittelgebirgen treten aber noch zeitweise Windböen Bft 7
aus West bis Nordwest auf. Stürmische Böen Bft 8 sind aber inzwischen Ausnahme,
denn Regel. Das Temperaturniveau bleibt bei etwa 15 Grad maximal, mit
Sonnenunterstützung und lokalen Effekten am Oberrhein bis 18 Grad.

In der Nacht zum Dienstag macht die Verlagerung des Hochs nach Mitteleuropa
weitere Fortschritte, so dass allmählich auch die Schauer an der See und in den
östlichen Mittelgebirgen seltener werden. Auch der Wind spielt dann keine große
Rolle mehr. Spannend wird, ob es stärker auflockern kann und es somit bodennah
schon in die Nähe des Gefrierpunktes geht. Die weiterhin nordwestliche
Grundströmung spricht jedoch eher dagegen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder, inklusive der zahlreichen Randtröge und -tiefs, sind räumlich,
zeitlich und qualitativ modellübergreifend gut erfasst. Unterschiede bezüglich
der Niederschlagsschwerpunkte sind an den konvektiven Charakter und damit die
Modellauflösung bzw. Parametrisierung geknüpft und zwangsläufig vorhanden. Eine
Einordnung der Diskrepanzen wurde bereits oben im Text vorgenommen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen