DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

16-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 160800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 16.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWz (Nordwest zyklonal)

STEFAN und QUEENIE voll auf Herbstkurs - unbeständiges, vielfach nasses,
zeitweise windiges bis stürmisches und kühles Wochenende mit hohem
Sportschaupotenzial.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... der 16. September 2022 und man mag es kaum glauben, der Herbst ist
da. Zwar noch nicht mit voller Wucht, aber spürbar. De jure ist das völlig in
Ordnung, faktisch eigentlich auch, befinden wir uns doch bereits seit über 2
Wochen im meteorologischen Herbst, während der kalendarische respektive
astronomische erst in genau einer Woche am 23. September um 3:03 MESZ startet.
Aber was heißt das schon, nicht selten ignoriert, ja verhöhnt geradezu die
Atmosphäre solche Vorgaben und macht was sie will. Was sie aktuell will, ist
eindeutig, womit wir auch schon bei der Ausgangslage für das bevorstehende
Wochenende wären.

Die in den vergangenen Tagen viel zitierte Luftmassengrenze, die der Mitte und
dem Süden Deutschlands um die Wochenmitte herum reichlich Regen und teils
kräftige Gewitter gebracht hat, ist nach Süden abgezogen und hat die Alpen
überquert. Auch das nicht minder häufig zitierte Viererdruckfeld -
schlussendlich hauptverantwortlich für die besagte Luftmassengrenze - hat
inzwischen zwei ihrer prominenten Teilnehmer verloren. Genau genommen hat das
südliche Paar, verantwortlich für die Zufuhr feuchter Subtropikluft aus
südlichen Breiten, sein Wirken eingestellt. Hoch RONALD hat sich mittlerweile in
Richtung Schwarzes Meer verabschiedet und vom ehemaligen Tropensturm Ex-DANIELLE
sind nur noch ein paar kümmerliche Reste über und nahe der Iberischen Halbinsel
übrig.
Ganz anders das nördliche, das "kalte" Paar, das nun ganz klar die Oberhand
gewonnen hat und das uns bis weit in die kommende Woche beschäftigen Wird. Da
wäre auf der einen, der östlichen Seite das nahezu stationäre und altbekannte
Zentraltief QUEENIE über Südfinnland, dem das stark meridional exponierte Hoch
STEFAN mit Zentrum wenig nordwestlich von Schottland gegenübersteht. Beide haben
nur eines im Sinn, nämlich Mitteleuropa auf vergleichsweise direktem Wege mit
polarer, labil geschichteter Meeresluft aus hohen Breiten zu versorgen, was
bisher auch schon ganz gut gelungen ist. Zwar reicht es noch nicht, die
0°C-Isotherme auf 850 hPa bis zu uns vorankommen zu lassen (über UK/Irland ist
Schluss), man darf aber auch nicht vergessen, dass wie erst Mitte September
haben und die vorgelagerten Meeresgebiete noch relativ warm sind. Wie auch
immer, die permanente KLA sorgt nicht nur für eine gesamttroposphärische
Abkühlung, auch der Potenzialverlust ist immens. Aktuell ist der Höhentrog,
unter dem wir uns befinden, zwar noch relativ breit aufgestellt. Schon in den
nächsten Stunden und auch noch am Wochenende wird sich das aber deutlich ändern.
Wiederholt von Nordwesten in die Rückseite hineinlaufende Sekundärtröge
bewerkstelligen eine stetige Vergrößerung der Amplitude, die nebenbei auch noch
immer spitzer wird. Die Hauptachse des Troges verlagert sich dabei zum östlichen
Mitteleuropa, so dass wir eher im hinteren Bereich liegen. Das erklärt auch,
warum die GWL eher als NWz und nicht TrM (Trog Mitteleuropa) klassifiziert wird.


Kommen wir zum Wetter, das sich heute - was Wunder - ziemlich wechselhaft
gestaltet. Bereits am frühen Morgen waren im Norden zahlreiche Schauer in
Popcorn-Manier unterwegs, während die Schauer im Süden eher einen verclusterten
Eindruck machten. Im weiteren Verlauf des Tages kommt noch mehr Schmackes in die
Bude, weil die Labilität (die im Norden und in der Mitte mit T500 um -24°C über
T850 um 4°C am ausgeprägtesten ist) durch den Tagesgang diabatisch zusätzlich
motiviert wird, in konvektive Umlagerungen zu investieren. Neben Schauern können
dann auch einzelne kurze Graupelgewitter mit von der Partie sein. Insbesondere
im Norden, wo am Nachmittag die Höhenwinde in der unteren Troposphäre auf nahe
40 Kt zunehmen (925, 850 hPa), können die Gewitter von Böen 8 Bft, vereinzelt 9
Bft begleitet sein. Starkregen hingegen ist zunächst kein Thema, allerdings
könnte sich auch das am Nachmittag ändern. Grund ist die Annäherung des ersten
der o.e. Sekundärtröge, der mit einem Bodentrog korreliert und von Nordsee zu
uns hereinschwenkt. Aufgrund seiner stark konfluent geprägten Vorderseite ist
kaum oder keine PVA zu erwarten (die Diagnosekarten signalisieren sogar etwas
NVA), dafür ist vor allem niedertroposphärisch überkompensatorische WLA wirksam.
Schwerpunktmäßig an der Nordsee und im angrenzenden Binnenland wachsen Schauer
und eingelagerte Gewitter nicht nur zusammen, sondern intensivieren sich auch.
Küstenkonvergente Effekte sowie das noch relativ warme Oberflächenwasser der
Nordsee tun ihr Übriges, um die Starkregengefahr sowohl ein- als auch
mehrstündig in den genannten Gebieten anwachsen zu lassen. Angesichts guter bis
sehr guter Scherungsbedingungen gerade im untersten Troposphärenbereich (LLS bis
15 m/s mit Richtungsscherung durch Trog und Küstenkonvergenz) einhergehend mit
einem deutlich absinkenden HKN sollte uns das Auftreten eine Typ2-Tornados nicht
völlig überraschen, aber das nur am Rande.
Weiter südlich fallen die Niederschläge weniger intensiv aus und es gibt sogar
Gebiete, wo nur ganz wenig oder sogar gar kein Regen fällt. Zu nennen wären da
beispielsweise Teile Ostdeutschlands, wo zudem die Sonne auf einige leidliche
Auftritte kommt. Auch zwischen Main und Donau bleibt es gebietsweise trocken.
Dagegen regnet es an den Alpen und im höheren Vorland wiederholt und z.T. auch
länger andauernd.

Abschließend noch ein paar Sätze zum Wind und zur Temperatur. Aufgrund des
veritablen Gradienten zwischen den Herrschaften STEFAN und QUEENIE (etwas über
1025 hPa vs. etwas unter 990 hPa) frischt der West- bis Nordwestwind von en
Küsten bis an die nördliche Mitte heran merklich und stark böig (konvektive
Komponente) auf. An der See ist wiederholt mit Böen 8-9 Bft, im Binnenland mit
7-8 Bft zu rechnen. Thermisch bleiben wir deutschlandweit unter der 20°C-Marke,
14 bis 19°C, im höheren Bergland nur um 10°C lautet die Spanne.

In der Nacht zum Samstag schwenkt der o.e. Sekundärtrog unter Intensivierung
südostwärts über den Vorhersageraum hinweg, was wie schon geschrieben der
Amplifizierung des Haupttroges in die Karten spielt. Das schauerartig verstärke
Meso-Regengebiet aus dem Nordwesten verlagert sich über die (westliche) Mitte
langsam gen Süddeutschland, wo es aber erst am Samstagvormittag so richtig
ankommt. Im nördlichen und westlichen Niedersachsen besteht am Abend bis in die
erste Nachthälfte noch die Gefahr von Starkregen, bevor der Regen mit jedem
Kilometer weiter süd-südostwärts schwächer wird.
Während also der erste Randtrog durchschwenkt, schlägt nach Mitternacht schon
der zweite an der Nordsee auf. Dieses Modell verfügt über eine diffluente
Vorderseite, was ein ausgeprägtes PVA-Maximum zur Folge hat. Im Gegensatz zum
Vorgänger ist hier aber KLA im Spiel, die die PVA zumindest teilkompensiert. Wie
auch immer die Kräfteverteilung ausfällt, Fakt ist, dass es mit diabatischer
Unterstützung an der Nord-, mit gebremstem Schaum aber auch an der Ostsee zu
weiteren Schauern und einzelnen Gewittern kommt. An der Nordsee besteht
weiterhin die Gefahr begleitender Böen der Stärke 8-9 Bft und auch lokaler
Starkregen ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Darüber hinaus stürmt es an und
über der Deutschen Bucht rein gradientbedingt munter weiter, auf offener See
sind sogar schwere Sturmböen 10 Bft möglich. Derweil wird der westliche Wind an
der Ostsee außerhalb von Gewittern auf Stärke 6-7 Bft heruntergefahren und im
Binnenland geht er gänzlich in die wohlverdiente Nachtruhe (Ausnahme exponierte
Hochlagen).

Vom Norden in den Süden, von wo es ebenfalls was Interessantes zu berichten
gibt. So stellt sich an den Alpen langsam eine Staukomponente ein. Hinzu kommen
synoptisch-skalige Antriebe vorderseitig des sich zuspitzenden Troges, so dass
am Alpenrand sowie im südlichen Alpenvorland zu dauerhaften Niederschlägen
kommt. Advektiv aber auch durch Niederschlagsabkühlung sinkt die Temperatur
kontinuierlich (T850 am Morgen nur noch bei 1°C), was mit einem Absinken der
Schneefallgrenze von anfangs rund 2000 m auf etwa 1500 m einhergeht. Darüber
kommen durchaus 5 bis 15 cm, lokal um 20 cm Neuschnee zusammen - herzlich
Willkommen auch von dieser Stelle.

Die Temperatur geht je nach Bewölkung auf 10 bis 3°C zurück, nur direkt an der
See bleibt es etwas milder.

Samstag... schwenkt der zweite Randtrog über den Norden und Osten des Landes
hinweg, was eine leichte Progression des Haupttrogs bewirkt. Dahinter stellt
sich eine indifferente bis leicht zyklonal konturierte nordwestliche
Höhenströmung ein, mit der weiterhin munter hochreichende maritime Polarluft
herangeschaufelt wird. Von Nordwesten geht dabei eine Blase mit etwas unter
-25°C auf 500 hPa durch, was bei einer konservativen T850 um +2°C nach wie vor
reichlich Labilität garantiert. Folgerichtig entwickeln sich auch morgen
zahlreiche Schauer und einzelne Graupelgewitter mit der höchsten Intensität und
Frequentierung im Norden. Neben Böen 8-9 Bft gibt es dort auch wieder Signale
für Starkregen, die aber etwas schwächer ausfallen als heute. Die Sonne lässt
sich zwischen den Schauern eher selten blicken, die besten Chancen auf ein paar
Auflockerungen oder gar sonnige Momente sind im Westen und Nordwesten gegen.

Düster sieht es dagegen im Süden und Südosten aus, wo es zunächst mal den von
Nordwesten hereinkommenden "Meso-Regen" zu verdauen gilt. Dieser erreicht im
Tagesverlauf die Alpen, wo es zu weiterem Dauerniederschlag bei einer
Schneefallgrenze um 1500 m kommt. Dahinter lockert die Bewölkung kaum auf, es
folgen aber noch Schauer und vereinzelte Gewitter (weniger als im Norden) nach.


Vom Süden noch mal zurück in den Norden, genau genommen in den Nordwesten und in
Mitte, wo der West-Nordwestwind gradient- und tagesgangbedingt merklich
auffrischt. Ursache ist u.a. die Passage eines Randtrogs von Dänemark in
Richtung MV und BB (=> nur wenig Wind im Nordosten). Auf seiner Südwestflanke
kommt es zu einer Komprimierung der Isobaren und entsprechender Windauffrischung
mit Böen 7 Bft, bei ausreichend Konvektion sowie in höheren Lagen 8 Bft, in
exponierten Hochlagen (klar, der Brocken, aber auch der Fichtelberg) sowie an
der Nordsee 9 Bft. Wenn auch nur mit geringer Wahrscheinlichkeit, an der Nordsee
ist sogar eine schwere Sturmbö 10 Bft möglich. Von der Mitte bis in den Süden
wird es zwar nicht so windig wie weiter nördlich, für einige Böen 7 Bft reicht
es aber trotzdem (z.B. freie Lagen, Alpenvorland), im höheren Bergland auch
mehr.

Temperaturmäßig gilt es gegenüber heute weitere Einbußen hinzunehmen,
insbesondere im Süden und Südosten, wo nur noch 10 bis 15°C, stellenweise sogar
unter 10°C auf der Karte stehen. In den übrigen Regionen werden abseits des
Berglandes 13 bis 17°C erwartet, was nicht nur vom Empfinden, sondern auch per
definitionem schlichtweg als kühl zu bezeichnen ist.

Wärmer wird es auch in der Nacht zum Sonntag nicht, was jetzt aber keine
wirkliche Überraschung ist (Tmin 10 bis 3°C, Küste etwas darüber). Die
Großwetterlage bleibt im großen Maßstab konservativ, allerdings nähert sich von
Südskandinavien her der nächste Randtrog - wir sind inzwischen bei #3 - mit
eingelagertem Drehzentrum dem Norden des Landes. Auf der Südflanke kommt es zu
schauerartig verstärkten Regenfällen (Überlappung von PVA und WLA), die
wahrscheinlich wieder in ein skalig anmutendes Meso-Regengebiet münden, das sich
von Nordwesten bis in die Mitte vorarbeitet. In Küstennähe muss derweil mit
diabatisch getriggerten Schauern und Gewittern gerechnet werden. Im Süden lässt
die Schauerei nach, an und in den Alpen regnet oder schneit es aber weiter mit
meist leichter, mitunter auch mal mäßiger Intensität weiter.

Der Wind lässt im Binnenland nach Abzug des Bodentroges in Richtung Polen nach,
in höheren Lagen bleibt es aber windig bis stürmisch. Und auch an und auf der
Nordsee wird der Blanke Hans durch den andauernden Nordweststurm (8-9 Bft)
ordentlich auf Trab gehalten.

Sonntag... zieht das kleine Höhentief über den Nordosten und Osten in Richtung
Polen. In der Nordhälfte sinkt die 500-hPa-Temperatur auf -26 bis -29°C, was bei
T850 um +1°C eine mordsmäßige Labilität garantiert. Zwar ist die
gesamttroposphärische Feuchte nicht überbordend hoch, trotzdem reicht es, um so
viel CAPE zu generieren, aus der mit dem Tagesgang wiederholt Schauer und kurze
Gewitter generiert werden können. Inzwischen hat der Meso-Regen den Westen und
die Mitte erreicht, von wo aus der unter Intensitätsverlust nach Süddeutschland
weiterzieht, die Alpen aber noch nicht erreicht. Gebietsweise können mit
orografischer Unterstützung (Stau) 10 bis 20, lokal vielleicht 25 l/m² innert
weniger Stunden zusammenkommen. Während es in der Mitte also ordentlich schifft,
lassen die Niederschläge an den Alpen und im Vorland zögerlich nach respektive
ziehen sich nach Österreich zurück.
Auflockerungen oder sogar ein paar sonnige Abschnitte sind im äußersten Norden
(vor allem SH) sowie im Südwesten (vor allem Südbaden) am wahrscheinlichsten.
Das ändert aber nichts daran, dass es mit 9 bis 15°C ziemlich kühl bleibt.
Lediglich im südlichen Oberrheingraben sind mit etwas Glück 1 oder 2 Grad mehr
drin.

Der West- bis Nordwestwind frischt landesweit auf mit Spitzen 7-8 Bft, höhere
Lagen 9 Bft. Der Nordosten bleibt allerdings relativ windschwach und auch an der
Nordsee wird es etwas Dampf rausgenommen (weiterhin aber noch Böen 7-8 Bft).

Kurz noch die Nacht zum Montag, die wir nach wie vor unter dem hinteren Teil des
Langwellentroges verbringen. Unter dem Strich bedeutet das eine hochreichende
nordwestliche Höhenströmung, die die Zufuhr maritimer Polarluft aufrechthält.
Dabei kommt es zu weiteren schauerartigen, in Staulagen auch länger andauernden
Niederschlägen (Schneefallgrenze um 1500 m), in Küstennähe zu Gewittern. In den
Hochlagen bleibt es windig bis stürmisch, an der Nordsee Böen 7-8 Bft aus
Nordwesten. Tiefstwerte 12 bis 4°C.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Troglage am Wochenende ist fest eingetütet, was ja auch mittelfristig schon
der Fall war. Detailunterschiede zeigen sich vor allem beim Niederschlag
(räumliche Verteilung, Timing, Intensität). Akkumuliert man z.B. am Alpenrand
über 48 Stunden von heute Mittag bis Sonntagmittag, kommt man stellenweise auf
40 bis 50 l/m². Damit wäre formal die Schwelle für markanten Dauerregen
überschritten, trotzdem wird vorerst auf eine Warnung verzichtet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann