DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-09-2022 16:01
SXEU31 DWAV 151800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 15.09.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Windig, unbeständig und kühl sind in der Kurzfrist die Adjektive des Wetters!

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 12 UTC
Das Wetter gestaltet sich in den nächsten Tagen recht einheitlich. Aufbauend
auf das IFS-EPS wird bis einschließlich Sonntag zu nahezu 100% die
Großwetterlage NWz für Nordwest zyklonal ausgegeben.

Die Strömungsrichtung gepaart mit der Krümmung stehen dabei für einen
unbeständigen und kühlen Witterungsabschnitt.

Verantwortlich für die zunächst festgefahrene Wetterlage ist ein Langwellentrog,
der sich ausgehend von einem Höhentiefkomplex modellübergreifend über
Skandinavien südwärts erstreckt. Gleichzeitig kann sich über dem Atlantik ein
Rücken nordwärts bis nach Grönland amplifizieren. In die nordwestliche
Grundströmung sind in den kommenden Tagen wiederholt auch mehr oder weniger
ausgeprägte Kurzwellentröge eingelagert, die die über West- und Mitteleuropa
südwärts wandern und dabei dem Langwellentrog nach und nach mehr Amplitude
bescheren. Bodennah korreliert der Rücken mit einem Hoch, das sich von der
Biskaya über die Britischen Inseln hinweg bis nach Island erstreckt. Als
Gegenpart induziert der Höhentiefkomplex am Boden ein großräumiges und kräftiges
Tief über Finnland.

Durch die relativ meridional ausgerichtete Geopotential- und Luftdruckstruktur
kann dabei Luft aus der Polarregion angezapft werden, die allerdings auf dem Weg
nach Deutschland durch die warme See deutlich erwärmt wird. Dennoch liegen die
Temperaturen im Vergleich zu den Vorwochen auf einem signifikant kühleren
Niveau. Schon am heutigen Donnerstag wird in 850 hPa die 10 Grad Isotherme nach
Süden aus dem Land verdrängt. In der Nacht zum Samstag erreicht dann auch die 5
Grad Isotherme den Alpenraum und hat somit das ganze Land im Griff. Die 0 Grad
Isotherme ziert sich dagegen noch etwas und schafft es nicht ins Land, sodass in
850 hPa die tiefsten Werte etwa bei 1 Grad verharren. Gerade im höheren Bergland
ist dies jedoch schon ausreichend, um erstmals in diesem meteorologischen Herbst
die Frage der Niederschlagsphase zu stellen.

Denn Niederschläge stehen bis zum Wochenstart immer auf der Speisekarte. Die
kurzwelligen Anteile induzieren PVA, welche die Wolken in die Höhe schießen
lässt. Sind dann noch diabatische Prozesse im Spiel, wie z.B. über dem warmen
Wasser der Nordsee, so können auch kräftigere vertikale Umlagerungen im
Küstenumfeld und dem angrenzenden Binnenland Schauer und Gewitter auslösen.
Gleiches trifft auch für den Bereich der einströmenden Höhenkaltluft zu, welche
die Labilität steigert und den Pater Noster der Luftsäule ordentlich in Bewegung
setzt. An den Alpen sowie im Nordstau der Mittelgebirge ist es dagegen die
orografische Hebung, die Niederschläge verstärkt bzw. induziert. Gerade da
kommen dann aber auch die tieferen Temperaturen ins Spiel und sorgen für einen
Phasenwechsel. So können oberhalb von rund 1300 Meter Schneeflocken beobachtet
werden, die etwa über 1700 Meter auch liegen bleiben können.
Ansonsten sinkt mit den tieferen Temperaturen das Starkregenpotential bei
kräftigeren Gewittern, da die Luftmasse weniger Feuchte enthält. Dennoch können
wiederholt auftretende Schauer und Gewitter regional durchaus noch mehrstündigen
Starkregen produzieren. In den kommenden Stunden steht dabei der Alpenrand im
Fokus. Am Freitag besteht diesbezüglich vor allem im Nordwesten eine größere
Wahrscheinlichkeit, lokal kann dort auch heftiger Starkregen nicht völlig
ausgeschlossen werden. Erst ab Sonntag kann sich im Südwesten langsam ein
Hochkeil bemerkbar machen und die Niederschlagsneigung dämpfen.

Neben dem Niederschlag ist aber auch der Wind nun eine wichtige Zutat in der
Wetterküche. Zwischen dem Hoch bei den Britischen Inseln und dem Tief über
Finnland kann sich ein ordentlicher Gradient ausbilden, der die Windproduktion
anheizt. Vor allem von der Nordsee südostwärts ist der Gradient stärker
ausgeprägt, während er im Osten durch weniger intensivere Trogstrukturen
zeitweise auffächert. Insgesamt muss über das Wochenende hinweg nahezu
landesweit mit einem auffrischen Wind gerechnet werden, der mit starken bis
steifen Böen einhergeht. Im Nordseeumfeld sowie dem angrenzenden Binnenland, im
Bergland und teilweise auch an der Ostseeküste stehen stürmische Böen oder
Sturmböen auf der Agenda. In exponierten Berglagen wie dem Brocken sowie auf der
offeneren Nordsee fegt wohl schwerer Sturm. Zudem ist auch in Gewitternähe immer
mit höheren Windspitzen bis in den Sturmbereich zu rechnen.

Bei einem Blick über dem Tellerrand hinweg fällt in den kommenden Tagen
besonders ein Lee-Tief auf, welches sich auf der Alpensüdseite im Golf von Genua
verstärkt und von dort über den Balkanraum hinweg Richtung Ungarn und die
Ukraine zieht. An diesem Tief ist schließlich eine signifikante Luftmassengrenze
gekoppelt, die mit kräftigen Niederschlägen und teils schweren Gewittern
einhergeht.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Geopotential- und Luftdruckstrukturen werden modellübergreifend vergleichbar
simuliert. Auch die Phasenverlagerung ist bei den betrachteten Globalmodellen
relativ gleich. Im Detail gibt es allenfalls bei der räumlichen Einordnung der
Höhenkaltluft sowie auch deren Intensität geringfügig Abweichungen, was jedoch
Einfluss auf die räumliche Einordnung der konvektiven Niederschläge hat. Je nach
Lage und Intensität des Bodentiefs, welche leicht abweichend gezeigt werden,
kann sich auch der stärkste Gadient in West-Ost-Richtung etwas verschieben.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Lars Kirchhübel