DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-09-2022 17:30
SXEU31 DWAV 141800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.09.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Markante Luftmassengrenze mit teils gewittrigen Regenfällen, im Laufe des
Donnerstags zu den Alpen abziehend. Nachfolgend leicht wechselhafte Troglage und
von Norden sukzessive kühler. An der See zunehmend stürmisch.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 12 UTC
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Aktuell ... starten wir mal kurz mit einem Update zur Regenbilanz der letzten
Stunden. Aufsummiert über die letzten 30h sind (also seit Beginn der
Dauerregenevents gestern Nachmittag) in einem breiten Streifen von Eifel und
nördlichem Oberrheingraben bis zur Oberpfalz verbreitet 15 bis 30, lokal um 50
Liter pro Quadratmeter gefallen. Und das bis auf wenige Ausnahme sogar relativ
gleichmäßig und damit ein Segen für die leidgeprüfte Natur und Umwelt. Bei
gewittrigem Starkregen fielen allerdings heute Nachmittag in der Eifel teilweise
mehr als 60 l/qm binnen 2 Stunden (Schneifelforsthaus).

Die dafür verantwortliche, markante Luftmassengrenze, die feucht-warme Luft
tropischen Ursprungs im Süden (Taupunkte knapp 20 Grad südlich von Mosel und
Main, Theta850 > 50 Grad) von kühler Meeresluft polaren Ursprungs im Norden
(Taupunkte um 10 Grad über der Norddeutschen Tiefebene, Theta850 < 35 Grad)
trennt, liegt aktuell noch immer zonal über der Mitte Deutschlands. Eine darin
eingebettete (neuerliche) Welle mit etwa 1003 hPa im Kern über Mittelhessen
läuft in den nächsten Stunden ostwärts ab. Diese ist in der Höhe an einen
Kurwellentrog gekoppelt, der ausgehend vom umfangreichen Höhentief über
Skandinavien positiv geneigt über der Nordsee und Nordfrankreich zurückhängt.
Rückseitig dieses Troges schneiden Isohypsen und Isothermen zwar nicht
senkrecht, aber in 850 hPa immerhin signifikant mit etwa 45°, weshalb aus
Nordwesten zunehmend KLA übergreift und die Luftmassengrenze dadurch effektiv
südostwärts vorankommt. Unbeeindruckt davon zeigt sich weiterhin der ehemalige
Tropensturm DANIELLE, der weiter am Kap Finisterre sein Eigenleben führt.

Südlich der Welle...geht in den nächsten Stunden niederschlagstechnisch weiter
"die Post ab" mit zahlreichen - aufgrund der Tageszeit, hochreichenden Scherung
und großskaligen Hebung oftmals verclusterten - Schauern und Gewittern, die
lokal weiterhin Starkregen mit im Gepäck haben. Verbreitet fallen in der
Südhälfte nochmals um 10 l/qm binnen 12h, wo ein gewittriges Starkregenband
längere Zeit strömungsparallel drin liegt auch 20 bis 40 l/qm in einer bzw. bis
60 l/qm in wenigen Stunden (lokal UNWETTERGEFAHR). Die Signale dafür sind aber
im ICON-D2 EPS mit 10 bis 30% vom Saarland über Nordbaden und den Odenwald bis
zur Oberpfalz im Vergleich zu manchen Vorläufen nur noch gering. UK10 und AROME
deuten es in den 06 UTC Läufen ebenfalls für diesen Bereich nur sehr punktuell
an.

Ein Minimum kristallisiert sich in der Numerik vom Bodensee bis in den Großraum
München heraus, was einer leichten Abtrocknung der Luftmasse geschuldet ist.
Ursächlich dafür sind wohl leichte Föhneffekte in der südwestlichen Strömung aus
den Alpen heraus und auch ein wenig kompensatorisch zwischen Hebungsgebieten
entlang der LMG und des Alpenhauptkammes. Gleichwohl kann es auch in diesem
Bereich zu örtlichen Schauern oder Gewittern kommen. Ein präventives
Warnmanagement bietet sich eher nicht an, die in der Fläche wohl keine markanten
Niederschlagssummen südlich des Dauerregenstreifens erreicht werden. Daher
bleibt es wohl - wie bereits am Nachmittag - beim Nowcasting. Im höheren
Bergland bleibt es weiterhin windig mit einzelnen Sturmböen in Gipfellagen.

Nördlich der Welle... von Westen allmählich dünner werdende Aufgleitbewölkung.
Sonst mit Übergreifen des Troges allmählicher Rückgang der T500 auf unter -15
Grad und in Verbindung mit warmen Wassertemperaturen von knapp 20 Grad
zunehmende Labilisierung und Schauertätigkeit, die gewissermaßen als Prolog für
die kommenden Tage verstanden werden kann. Zudem frischt der Wind an der See
allmählich etwas auf mit einzelne Böen der Stärke 7, an der Nordsee zum Morgen
exponiert auch stürmischen Böen (Bft 8) aus West bis Nordwest.

Die Tiefstwerte liegen entsprechend der Luftmassenverteilung bei 18 bis 14 Grad
im Süden, nördlich der Mittelgebirge bei 14 bis 8 Grad.

Donnerstag ... kommt der oben erwähnte Kurzwellentrog langsam südostwärts
voran, wird aber im Tagesverlauf immer diffuser und lässt sich dann irgendwann
in der allgemein zyklonal geprägten Höhenströmung am Rande des Troges über
Skandinavien nicht mehr identifizieren. Stetige KLA an dessen Südrand sorgt
allerdings dafür, dass er sich auf breiter Basis peu a peu südwärts nach
Mitteleuropa ausweiten kann. So geht die Temperatur in 500 hPa bis zum Abend in
Schleswig-Holstein schon auf knapp -25 Grad zurück (T850 +3 Grad). Der Tiefkern,
der als Zentraltief schon längst achsensenkrecht ist, verbleibt mehr oder
weniger stationär über dem Bottnischen Meerbusen. Gemeinsam mit der sich
westwärts anschließenden, langgestreckten Hochdruckbrücke, die von Grönland über
Island bis ins Seegebiet westlich der Biskaya reicht, kommt über der
Norwegischen See eine kräftige Nordströmung in Gang. Darin wird eine für Mitte
September doch schon stattlich gereifte Meereskaltluft mit T850 unter -5 Grad
südwärts geführt. Die erwärmte Polarluft mit der 0 Grad-Isotherme in 850 hPa
erreicht bis zum Abend immerhin schon die Schottischen Highlands.

So verwundert es nicht, dass neben örtlichen, meist schwachen Schauern und
vereinzelt auch kurzen Gewittern der Marke "Kaltluft" (die seichte KLA schafft
es nicht sämtliche Konvektion zu unterdrücken, Cloudtops bis immerhin -25 Grad
in etwa) bei windigen 16 bis 19 Grad in der Nordhälfte schon richtiges
Herbstfeeling aufkommen dürfte. A propos Wind: Der legt mit einem kleinen
Randtrog über dem Oslofjord und der tagesgangbedingten Durchmischung auch im
küstennahen Binnenland deutlich zu und erreicht auch dort zeitweise die Bft 7 in
Böen, von Sylt über Fehmarn bis nach Rügen reicht es abschnittsweise auch für
stürmische Böen (Bft 8).

Über dem Süden Deutschlands erreicht die Luftmassengrenze um die Mittagszeit in
etwa die Donau, bis zum Abend dann allmählich auch die Alpen. Dabei setzen sich
die Prozesse des Vortages und der Nacht gewissermaßen nahtlos fort. Am Nordrand
der LMG befindet sich noch ein Regengebiet mit überwiegend skaligem Charakter,
dem durch die nachlassende Hebung des sich verlierenden Kurzwellentroges langsam
die Luft ausgeht. Dahingegen sind am Südrand am Vormittag vorübergehend weniger,
zum Nachmittag sicherlich wieder häufiger auch gewittrige Starkregenfälle
eingelagert bzw. präfrontal neu entstehen. Eine schwache Tiefdruckrinne am Boden
bildet sich innerhalb der LMG zwar noch ab, der Druck steigt von Westen aber
allmählich an und die Luftmasse verliert immer mehr ihre einst tropischen
Eigenschaften. Exemplarisch dafür der Rückgang der PPW's auf Werte um 30 mm und
die CAPE-Werte erreichen mangels Einstrahlung kaum noch 500 J/kg. Auch die
hochreichende Scherung wird deutlich schwächer. Für Gewitter und damit
verbundenen Starkregen um 20 l/qm reicht es aber noch immer und allen Modellen
zufolge muss großflächig mit weiteren 5 bis 15 l/qm Regen gerechnet werden. Nach
ICON-D2-EPS sind vom Südwesten ausgehend noch bis nach etwa Bayerisch-Schwaben
ostwärts auch noch höhere Signale für unwetterartigen Starkregen vorhanden, nach
Osten zu dann nicht mehr.

Prinzipiell kann es im Vorfeld der Luftmassengrenze auch noch zur
Bildung einzelner Superzellen reichen, dann müsste man auch mit Hagel und
Sturmböen rechnen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber wesentlich geringer als
heute. Im Vorfeld der Front kommt es im südlichen Alpenvorland noch einmal zu
einem ausgeprägten Leitplankeneffekt, so dass dort der West- bis Südwestwind bis
in den Bereich steifer Böen auffrischt, insbesondere im südlichen Alpenvorland
dürfte es nach ICON-EU auch für stürmische Böen reichen. Stürmisch bleibt es
auch auf den Alpengipfeln, wo der Wind zunehmend in Richtung West bis Nordwest
dreht.

Über der Mitte kehrt nach Abzug der LMG vorübergehend etwas Ruhe ein und es
bleibt bei vielen Wolken und etwas Sonne meist trocken. Die Höchstwerte liegen
dort bei rund 20 Grad, Richtung Rosenheim nochmals bei schwül-warmen 24 Grad.


In der Nacht zum Freitag schwenkt der eher unscheinbare Randtrog, der primär für
die leichte Windzunahme an den Küsten verantwortlich war, zum Baltikum ab und im
Westteil erreicht ein neuer Randtrog von Norden die Britischen Inseln. Insgesamt
macht dadurch der südwärtige Vorstoß des Haupttroges weitere Fortschritte. In
der zweiten Nachthälfte greift von Dänemark auch ein kleines WLA Maximum auf die
küstennahen Gebiete über. Es sind diese klassischen Troglagen im Herbst, die
neben Sturm auch einiges an Regen im Gepäck haben können. Die reinen
Modelloutputs sind dabei aktuell aber noch mit 1 bi 5, lokal um 15 l/qm binnen
12 Stunden recht zurückhaltend. Auch ein kurzes Gewitter kann in die
Schauerstraßen eingelagert sein. Unabhängig davon treten an der See verbreitet
stürmische Böen, exponiert Sturmböen aus West bis Nordwest auf.

Mit jedem Kilometer landeinwärts geht den Schauern bei häufig einstelligen
Tiefstwerten "von unten" zunehmend die Puste aus. Vielerorts bleibt es trocken.


Im Süden sorgt postfrontaler Druckanstieg für Wetterberuhigung und die
Stauniederschläge klingen in der zweiten nachthälfte auch an den Alpen ab. Die
Schneefallgrenze ist bis dahin auf etwa 2400 Meter zurückgegangen und der Wind
lässt auch in den Hochlagen rasch nach.

Freitag ... stößt zwischen dem Hoch, dessen Zentrum sich nun nördlich von Irland
etabliert und dem Zentraltief über Finnland Meereskaltluft polaren Ursprungs
weiter südwärts vor und wird mit einem kleinen Schlenker über die Nordsee aus
West bis Nordwest in abgeschwächter Form auch nach Deutschland geführt. Der
bereits erwähnte Randtrog über den Britischen Inseln schwenkt südwärts nach
Frankreich und regeneriert dadurch den Landwelentrog bzw. weitet ihn noch weiter
nach Süden aus. Die höhenkalte Luft mit < -20 Grad erfasst zunehmend auch die
Mitte des Landes, womit neben dem Norden auch dort vermehrt Schauer sowie
vereinzelt kurze Gewitter mit Graupel auftreten. Punktuell kann es bei
Schauerstraßen vor allem in Nordseenähe bis in den Starkregenbereich (teils
mehrstündig) gehen, was sowohl durch diabatische Effekte als auch durch eine
leichte Küstenkonvergenz begünstigt wird.

Mit Annäherung des Hochs sowie einen Bodentrog, dessen Achse von Seeland bis
nach Nordfriesland reicht, verschärft sich der Gradient vor allem an der See
noch etwas, so dass neben Sturmböen vereinzelt auch schwere Sturmböen (Bft 10)
aus westlichen Richtungen auftreten können. Über der Norddeutschen Tiefebene
kommt es zeitweise zu Windböen der Stärke 7, im küstennahen Binnenland zu
stürmischen Böen Bft 8.

Auch über dem Süden soll sich ein kleines Regengebiet bilden (wahrscheinlich
durch etwas PVA auf der Vorderseite des Langwellentroges), das sich später an
die Alpen legt. Im Norden und im Süden darf man folglich nicht viel Sonne
erwarten, etwas besser sieht es über der Mitte aus. Auch wenn das
niedertroposphärische Temperaturniveau sich vorübergehend recht konstant hält,
sorgen die windigen und trüben Verhältnisse für weiteren Temperaturrückgang, so
dass maximal noch 15 bis 18 Grad zu erwarten sind.


In der Nacht zum Samstag stoßen Trog und Höhenkaltluft weiter Richtung Westalpen
vor, was bei uns auch im Süden für einen weiteren Temperaturrückgang sorgt. In
850 hPa liegen die Temperaturen dann noch zwischen +1 und +4 Grad, die
Schneefallgrenze sinkt dementsprechend in den Alpen je nach
Niederschlagsintensität teilweise deutlich unter 2000 m ab.

Vor allem über der See hält die teils gewittrige Konvektion an, auch über der
Mitte soll ein neues, schwaches Regengebiet entstehen, das aus dem einstigen WLA
Maximum über Dänemark resultiert, das auf dem Weg nach Süden reaktiviert wird.
Das hat zur Folge, dass auch diese Nacht wieder ziemlich trüb verläuft: Die
Temperatur geht an der See auf etwa 11 Grad zurück, sonst auf 9 bis 4 Grad mit
den tiefsten Werten im südlichen Bergland.

Der Wind nimmt vor allem im Ostseebereich und im nördlichen Binnenland etwas ab.
Über der Nordsee gibt es weiterhin Sturmböen (Bft 8 bis 9) aus Nordwest.


Samstag ... schwenkt der Kurzwellentrog unter Verkürzung seiner Wellenlänge nach
Norditalien, womit die Trogspitze im wahrsten Sinne des Wortes vom breiten
Höhentief über Skandinavien respektive der Norwegischen See nach Süden zu immer
spitzer auf den Alpenraum zuläuft. Neben Staueffekten setzt die
Krümmungsvorticity auch einiges an Hebungsprozessen in Gang, die primär aber
voraussichtlich unsere Nachbarstaaten betreffen. Gleichwohl kommt es an den
Alpen zu länger anhaltenden, teils schauerartig verstärkten Niederschlägen bei
einer Schneefallgrenze, die zeitweise bis an die 1500 m absinken sollte.
Mengentechnisch sind in diesem Zusammenhang 5 bis 10, in Staulagen bis 20 mm
binnen 12 Stunden realistisch.

Im großen Rest des Landes setzt sich im Trogbereich das wechselhafte und recht
kühle Schauerwetter fort. Die Mengen bleiben im gleichen Zeitraum aber vielfach
im einstelligen Bereich. Auch einzelne kurze Graupelgewitter sind nach wie vor
mit von der Partie.

Der Gradient bleibt über der Nordsee weiterhin bissig mit anhaltenden Sturmböen
aus Nordwest. Für eine kleine Sturmflut in Hamburg reicht es aber wohl nicht.

An den Temperaturen ändert sich bei guter Durchmischung in weiten Landesteilen
kaum etwas. Im Süden aber sind aufgrund der Bewölkungsverhältnisse, schwächeren
Windgeschwindigkeiten und Höhenlage Höchstwerte von teils kaum über 10 Grad zu
erwarten. Das ist dann nun wirklich Vollherbst!


Modellvergleich und -einschätzung
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Bis auf geringe Unterschiede in der Vorhersage der genauen
Niederschlagsschwerpunkte (vor allem bezüglich der konvektiven Verstärkungen am
Südrand und südlich der LMG) sowie hinsichtlich der Böeneinschätzung südlich der
Donau am morgigen Donnerstag (ICON voraussichtlich 1 Bft zu hoch, ähnlich wie
heute) stimmt der allgemeine Fahrplan in den Basisfeldern in der Kurzfrist gut
überein.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen