DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

14-09-2022 09:01
SXEU31 DWAV 140800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 14.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Aktuell etwas schwierig, aber Übergang zu Nordwest zyklonal (NWz)

Heute über der Mitte Dauerregen, über dem Süden heute und morgen teils starke
Gewitter mit hoher Starkregengefahr, auch Unwetter bezüglich Starkregens
regional wahrscheinlich. Nachfolgend von Norden her deutlich zurückgehende
Temperatur und weiter unbeständig und windig.


Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Am heutigen Mittwoch... liegt eine Luftmassengrenze über der südlichen Mitte
Deutschlands. Deren Entstehung haben wir einem klassischen "Viererdruckfeld" zu
verdanken: So wird zwischen einem Hoch über dem Nordostatlantik, das von einem
dort liegenden kräftigen Höhenrücken gestützt wird, und einem hochreichenden
Tief über Skandinavien Meeresluft polaren Ursprungs südwärts bis in den Norden
Deutschlands gelenkt. Gleichzeitig befindet sich über dem Südosten Europas hohes
Geopotential und ein schwaches Hoch sowie ein Höhentrog und tiefer Luftdruck
über Südwesteuropa. Dort befinden sich auch die Überreste des ehemaligen
Hurrikans Danielle, der sich übrigens westlich von Kap Finisterre wieder zu
einem kleinen aber feinen Stürmchen hochgeschaukelt hat, mit klassischen
(sub-)tropischen Eigenschaften, nämlich frontenlos und rein durch die aus der
Konvektion freigesetzte Energie angetrieben, damit einen warmen Kern besitzend
und zumindest was die hochreichende Bewölkung angeht, lässt sich sogar ein Auge
erkennen. Die Luftmassen tropischen Ursprungs, die Danielle nach Europa
mitgebracht hat, lassen sich anhand hoher ThetaÄ-Werte im westlichen Mittelmeer
ausmachen und ebendiese Luftmassen haben sich durch die oben erwähnte
Druckkonstellation bis in den Süden Deutschlands durchgesetzt. So weist die
Luftmasse über dem Südwesten in 850 hPa Temperaturen von 17 bis 18°C auf (heute
Nacht gemessen), die bodennahen Taupunkte liegen im Südwesten bei 18°C und die
simulierten Summen des niederschlagbaren Wassers liegen heute früh in der
westlichen Mitte über 40 l/qm (AMDAR über Frankfurt heute früh mit 47 l/qm).
Damit kommen wir schon allmählich zum Thema: An der erwähnten Luftmassengrenze
befindet sich nämlich ein flaches Tief, das von Westen langsam auf Deutschland
übergreift. Auf dessen Vorderseite kommt aktuell die Luftmassengrenze noch als
Warmfront langsam nach Nordosten voran und durch die frontale Querzirkulation
angetrieben kommt es zu mäßigen bis teils sogar starken stratiformen Regenfällen
mit Stundensummen von gebietsweise über 5 l/qm. Im Laufe des Tages kommt die
Luftmassengrenze als Warmfront noch etwas nach Norden voran, wobei die
Regenfälle im Westen im Münsterland schon ihre maximale Ausdehnung erreicht
haben, im Osten soll noch der Süden Brandenburgs erreicht werden. In dem
Bereich, in dem sich die Luftmassengrenze etwas länger aufhält, sollen dabei
durchaus 20 bis 40 l/qm Regen erreicht werden, punktuell auch um 50 l/qm.
Deswegen wurden die entsprechenden Regionen auch schon gestern mit einer
markanten Dauerregenwarnung versehen, die aber den aktuellen Prognosen zufolge
noch geringfügig (vielleicht 50 km) nach Norden ausgedehnt wurden.
Auch südlich der Luftmassengrenze tut sich einiges: Zu den bereits oben
erwähnten Eigenschaften (die regional CAPE-Werte von über 1000 J/kg verursachen)
kommen auch noch erhöhte Scherungswerte, und zwar teilweise über 10 m/s auf dem
untersten Kilometer (die aber aufgrund teils abgehobener Konvektion nicht
unbedingt für die Superzellentstehung zur Verfügung stehen) und teils über 20
m/s bis 6 km. Dabei ist im Süden Deutschlands Geschwindigkeitsscherung dominant
(gerade Hodographen), lediglich nördlich des Mains (und damit nördlich des
flachen Bodentiefs) kann es auch signifikante Richtungsscherung in Bodennähe
geben, dort ist aber aufgrund der Zufuhr kühlerer Luft in den unteren Schichten
die Konvektion erst recht abgehoben. Die Konstellation im Süden reicht aber auf
jeden Fall für linienhaft organisierte Strukturen und auch einzelne Superzellen,
so dass neben den sowieso bezüglich aller Parameter möglichen Gewitter markanter
Ausprägung auch unwetterartige Entwicklungen mit größerem Hagel (2 bis 3 cm) und
Starkregen möglich sind, wobei letzterer aufgrund der recht flotter
Zuggeschwindigkeit der Zellen (um 40 km/h) aufgrund der extrem hohen
Feuchtewerte zustande kommt, zudem ist nicht ausgeschlossen, dass es wiederholte
Starkregenereignisse gibt, bzw. in Mainnähe der Starkregen in Regionen fällt,
die zuvor schon über 20 l/qm stratiformen Regen abbekommen haben. Bezüglich des
Windes sollten bei Superzellen schwere Sturmböen angenommen werden dürfen,
allerdings zeigen die konvektionserlaubenden Modelle keine so starken Signale.
Wo wir schon beim Wind sind: An der Südflanke des flachen Tiefs an der
Luftmassengrenze ist der Gradient etwas stärker, so dass auch dort tagsüber der
Westwind bis ins Flachland in Böen Stärke 6 bis 7 erreichen dürfte, im Bergland
wird verbreitet Stärke 7 erreicht, in höheren Lagen der Alpen, des Schwarzwaldes
und des Bayerischen Waldes Stärke 8 bis 9. Nördlich der Luftmassengrenze
befindet sich ein kleines Druckmaximum, bevor in Richtung Skandinavien zum
nördlichen Tief hin der Druck deutlich abfällt, so dass auch ganz im Norden
recht frischer Westwind weht, der aber im Tagesverlauf auch an der See keine
warnwürdigen Böen mehr produzieren sollte. Kommen wir zum Schluss noch zu den
Temperaturen: Diese erreichen im Süden mit zumindest etwas Sonne noch einmal
knapp über 25°C, vom Norden bis in die Dauerregenzone hinein werden dagegen 20°C
nicht erreicht.

In der Nacht zum Donnerstag schwenkt am Rande des skandinavischen Höhentroges
ein Kurzwellentrog von der Nordsee her nach Deutschland. Bodennah zieht das Tief
an der Luftmassengrenze nach Tschechien ab, dennoch verbleibt eine flache Rinne
über der südlichen Mitte Deutschlands, die mit der Luftmassengrenze in der Nacht
sehr langsam südwärts vorankommt und bis zum Morgen eine Linie Pfälzer
Wald-Fichtelgebirge erreichen soll. Zusammen mit der durch PVA generierten
Hebung kommt es an der Luftmassengrenze selbst weiterhin zu leicht konvektiven
Regenfällen, die durchaus regional weitere 10 bis 20 l/qm bringen können, was
anfangs noch durch die laufende Dauerregenwarnung abgedeckt ist. Nach Süden hin
in der nach wie vor labilen Luftmasse kommt es weiterhin zu starken Gewittern,
die bei in der Nacht etwas zurückgehenden CAPE-Werten keine so große Hagelgefahr
mehr mit sich bringen, auch die Sturmgefahr wird nachlassen. Die
Starkregengefahr lässt aber nicht nach, so dass vor allem am südlichen Rand der
Luftmassengrenze, aber auch weiter südlich davon, lokal Starkregenmengen bis in
den Unwetterbereich auftreten können. Vor allem in der zweiten Nachthälfte zeigt
Cosmo-LEPS hierzu sehr deutliche Signale im Südwesten mit Wahrscheinlichkeiten
von teils über 30% für mehr als 35 l/qm in 6 Stunden. Auch Arome zeigt in dieser
Region etwas verstärkte Konvektion. Weitgehend außen vor dürfte in der Nacht
noch der äußerste Süden bleiben.
Mit der nach Süden vorankommenden Luftmassengrenze gelangt der Norden wieder
stärker in den Einflussbereich des Skandinavientiefs, so dass zumindest an den
Küsten der Nordwestwind wieder so stark zunimmt, dass an den entsprechend
exponierten Abschnitten steife Böen auftreten können. Zudem verstärkt sich die
Zufuhr kühler Luft, so dass in 850 hPa die Temperatur über dem Norden auf 4°C
zurückgeht. Die dort einfließende Luft ist feucht und wolkenreich, so dass die
Nacht auch im Norden recht trüb verläuft, ein paar Tropfen können zumindest in
Seenähe nicht ausgeschlossen werden. Die Temperatur geht im Norden und der Mitte
auf Werte um 10°C zurück, im Süden auf Werte um 15°C.

Am Donnerstag... kommt der oben erwähnte Kurzwellentrog langsam südostwärts
voran, wird aber immer diffuser und lässt sich dann irgendwann in der allgemein
zyklonal geprägten Höhenströmung am Rande des Troges über Skandinavien nicht
mehr identifizieren. Zunehmend übernehmen die oben beschriebenen beiden
nördlichen Druckgebilde die Regie, nämlich das skandinavische Bodentief über dem
Bottnischen Meerbusen und eine Hochdruckzone, die sich von Grönland bis westlich
von Irland erstreckt, so dass über dem Nordwesten Europas massive Zufuhr polarer
Kaltluft stattfindet. In Deutschland wird die Luftmassengrenze im Tagesverlauf
weiter südwärts gedrückt und erreicht am Abend die Alpen, dort geht die
Temperatur bis zum Abend in 850 hPa auf etwa 10°C zurück, während über der
Nordhälfte die Temperatur zunächst kaum weiter sinkt. Mit mäßigem Nordwestwind
gelangt sehr feuchte Luft ins Land, allerdings fällt aus der vielfach starken
Bewölkung kaum Regen. Richtung Nordosten, zum Skandinavientief hin, ist der
Gradient noch etwas stärker, so dass an den Küsten mit steifen Böen aus Nordwest
gerechnet werden muss, an einzelnen exponierten Abschnitten sind stürmische Böen
durchaus vorstellbar.
Im Süden setzt sich dagegen an der Luftmassengrenze die Entwicklung der Nacht
fort: An ihrem Südrand sorgt Hebung für starke Konvektion, allerdings ist die
Luftmasse nicht mehr so tropisch wie am Vortag, so liegen die ppws meist nur
noch um 30 l/qm und die CAPE-Werte erreichen kaum noch 500 J/kg. Auch die
hochreichende Scherung wird schwächer. Für Gewitter und damit verbundenen
Starkregen um 20 l/qm reicht es aber noch immer und allen Modellen Zufolge muss
großflächig mit weiteren 5 bis 15 l/qm Regen gerechnet werden. Nach ICON-D2-EPS
sind vom Südwesten ausgehend noch bis nach etwa Bayerisch-Schwaben ostwärts auch
noch höhere Signale für unwetterartigen Starkregen vorhanden, nach Osten zu dann
nicht mehr. Prinzipiell kann es im Vorfeld der Luftmassengrenze auch noch zur
Bildung einzelner Superzellen reichen, dann müsste man auch mit Hagel und
Sturmböen rechnen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist aber wesentlich geringer als
heute. Im Vorfeld der Front kommt es im südlichen Alpenvorland noch einmal zu
einem ausgeprägten Leitplankeneffekt, so dass dort der West- bis Südwestwind bis
in den Bereich steifer Böen auffrischt, insbesondere im südlichen Alpenvorland
dürfte es nach ICON-EU auch für stürmische Böen reichen. Stürmisch bleibt es
auch auf den Alpengipfeln wo der Wind zunehmend in Richtung West bis Nordwest
dreht.
Beim Temperaturniveau zeigt sich der allmähliche Rückgang: In weiten
Landesteilen bleibt die Temperatur unter 20°C, nur im Süden geht es noch einmal
ein wenig darüber.

In der Nacht zum Freitag zieht die Luftmassengrenze nach Süden ab. Die Rinne, in
der sie liegt, löst sich allmählich auf, so dass auf ihrer Rückseite an den
Alpen nur kurzzeitig Stau auftritt und dort in der zweiten Nachthälfte die
Regenfälle nachlassen. Zudem lässt der Wind sowohl im oberen Alpenvorland und
auch auf den Bergen nach. Ganz Deutschland gelangt in den Einflussbereich des
Skandinavientiefs, so dass die Winde überall auf Südwest bis West, an der See
teils Nordwest drehen. Der Gradient im Norden nimmt weiter zu, so dass über der
See zunehmend verbreitet stürmische Böen erwartet werden, möglicherweise reicht
es in exponierten und weit nördlich liegenden Lagen (List, Arkona) schon zu
ersten Sturmböen. In der Höhe breitet sich der Trog nebst Höhenkaltluft immer
weiter südwärts aus, was über den Meeren die Konvektion in Gang bringt, so dass
es an den Küsten zunehmend schaurig wird, insbesondere in Ostfriesland deutet
sich durch auflandigen Wind und Küstenkonvergenz auch etwas stärkere
Regenakkumulation an.

Wolkenauflockerungen bleiben in der Nacht noch die Ausnahme. Deswegen bleibt die
Nacht noch verhältnismäßig mild mit Tiefstwerten zwischen 12°C im Süden und 7°C
im nördlichen Bergland.

Am Freitag... stößt am Westrand des Hochs, das jetzt sein Zentrum nordwestlich
von Irland besitzt, Kaltluft weiter nach Süden vor, so dass sich der Höhentrog
vor allem im Westen, von der Nordsee bis Benelux weiter nach Süden ausweitet.
Etwas großräumiger betrachtet liegen jetzt große Teile Europas unter einem
langwelligen Höhentrog. Das Zentraltief, das jetzt über Finnland liegt, ist
ebenso sehr umfangreich. In seinem Einflussbereich weht auch bei uns überall
westlicher Wind, der bei noch etwas zunehmendem Gradienten bis ins norddeutsche
Flachland mit steifen Böen auftritt. Auch im Süden weht der Wind zunehmend
mäßig. Weiterhin in Böen stürmisch und exponiert mit Sturmböen bläst der Wind
über der See, wobei er über der Nordsee zunehmend auf Nordnordwest dreht. Der
Rückgang der Temperatur in der mittleren Troposphäre geht mit entsprechender
Labilisierung und damit zahlreichen Schauern und Gewittern über den Meeren
einher, die auch aufs Binnenland übergreifen (die Gewitter, die Meere
hoffentlich nicht!). Insbesondere am Nachmittag deuten ICON und IFS in
Ostfriesland Niederschlagssummen im warnwürdigen Bereich an, wo sich bei dem
straffen Nordnordwestwind die Küstenkonvergenz noch verstärkt. Auch über dem
Süden soll sich ein kleines Regengebiet bilden (wahrscheinlich durch etwas PVA
auf der Vorderseite des Langwellentroges), das sich später an die Alpen legt.
Im Norden und im Süden darf man folglich nicht viel Sonne erwarten, etwas besser
sieht es über der Mitte aus. Auch wenn das niedertroposphärische
Temperaturniveau sich vorübergehend recht konstant hält, sorgen die windigen und
trüben Verhältnisse für weiteren Temperaturrückgang, so dass nur noch 15 bis
19°C erreicht werden.

In der Nacht zum Samstag stoßen Trog und Höhenkaltluft weiter Richtung Westalpen
vor, was bei uns auch im Süden für einen weiteren Temperaturrückgang sorgt. In
850 hPa erreicht die 2°C-Isotherme die Alpen, dort kommt es durch die Hebung auf
der Vorderseite weiterhin zu Niederschlägen, die bei dieser Konstellation
zunehmend bis deutlich unter 2000 m in Schnee übergehen. Vor allem über der See
hält die teils gewittrige Konvektion an, auch über der Mitte soll ein weiteres
Regengebiet südwärts ziehen. Das hat zur Folge, dass auch diese Nacht wieder
ziemlich trüb verläuft: Die Temperatur geht an der See auf etwa 11°C zurück,
sonst auf 9 bis 4°C mit den tiefsten Werten im südlichen Bergland.

Der Wind nimmt vor allem im Ostseebereich und im nördlichen Binnenland etwas ab.
Über der Nordsee gibt es weiterhin stürmische Böen aus Nordnordwest und damit
halten auch die wiederholten Schauer an den Küsten Ostfrieslands an.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen synoptischen Strukturen werden von den vorliegenden Modellen
recht übereinstimmend vorhergesagt. Bei der Prognose der Niederschlagssummen
gibt es noch leichte Unterschiede im Osten: So zeigen GFS, Arome und UKMO den
Regen weniger weit nach Nordosten ausgreifend als ICON, IFS ist generell am
nördlichen Rand etwas schwächer. Aktuell wurde dort noch etwas zurückhaltender
gewarnt, eventuell muss nachgesteuert werden. Auch bezüglich der in den
Nachmittags- und Nachtstunden (und auch morgen weiterhin) erwarteten
Starkniederschläge gibt es noch Unterschiede bezüglich Stärke und
Positionierung, das muss aber ohnehin alles im Nowcasting erledigt werden.

Auch bezüglich der morgen im südlichen Alpenvorland zu erwartenden Böen gibt es
noch Unterschiede, wobei ICON dort die stärksten Böen im Programm hat.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl.-Met. Peter Hartmann