DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

10-09-2022 18:01
SXEU31 DWAV 101800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 10.09.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Bayern erneut nur Remis vs. wackere Schwaben - ansonsten anfangs noch
schauerartige Regenfälle und Gewitter mit Starkregen, ab Sonntag dann
Wetterberuhigung. Nach hochdruckbestimmtem Wochenbeginn ab Dienstag
Vierdruckfeld mit Frontogenese.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 12 UTC
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Aktuell ... heißt es Abschied nehmen von einer bemerkenswerten "Frau", einer
Frau, die uns und der Natur den langersehnten Regen zurückgebracht hat. Peggsche
PEGGY, maat et jut, du warst klasse.
Spaß beiseite, wie die meisten Leser und Leserinnen dieses Bulletins oder auch
andere, über das übliche "meine Wetter-App sagt dies und das" hinausgehende
Wetterinteressierte wissen, handelt es sich bei PEGGY um ein hochreichendes
Tief, das vom nahen Atlantik bzw. UK/Irland zu uns herübergekommen ist. Sie hat
in den letzten Tagen viel und intensiv gearbeitet, was merkliche Spuren
hinterlassen hat. Inzwischen ist sie am in Westfalen angekommen, wo sie etwas
über 1010 hPa auf das Barometer bringt. Der Auffüllprozess setzt sich in den
nächsten Stunden weiter fort, was u.a. daran liegt, dass das Bodentief vom
korrespondieren Höhentief überlaufen wurde und zudem von Westen her Druckanstieg
übergreift.

Kurzum, die letzten Stunden der treuen PEGGY sind eingeläutet, die bevorstehende
Nacht wird sie aber noch kämpferisch überstehen. Sie zieht von NRW in die
mittleren Landesteile, wodurch sich die schauerartigen Regenfälle und einzelnen
Gewitter auf ihrer Südflanke mehr und mehr in den Süden und den Südosten
zurückziehen. Dabei kommt es kleinräumig weiterhin zu Starkregen, der auch mal
mehr als eine Stunde andauern kann. Laut dem neuesten Lauf von ICON-D2 von 15
UTC ist davon vor allem Osthessen betroffen (insbesondere um die Rhön herum),
während später in Franken eine deutliche Abschwächung erfolgt. Die aktuell
beobachteten Stundensummen zeigen nur sehr vereinzelt Mengen über 10 l/m², so
dass auf weitere präventive Starkregenwarnungen erst mal verzichtet wird.
Außerdem lässt sich sagen, dass die Gewitterneigung immer weiter abnimmt und in
der Nordhälfte generell die Niederschläge immer weniger werden. Dafür lockert
die Wolkendecke vermehrt auf, was in der feuchten Grundschicht gebietsweise
Nebel mit Sichtweiten teils unter 150 m nach sich zieht. Die Temperatur geht
landesweit auf 14 bis 8°C zurück, einzig direkt am Wasser von Nord- und Ostsee
bleibt es geringfügig milder.

Sonntag ... beginnt mit einem Paukenschlag. Schaut man sich die Mittagskarte der
Berliner Wetterkarte/FU-Berlin an, springt einem über dem südlichen
Baltikum/Belarus ein schönes 1005er-Tief namens - Achtung!! - PEGGY ins Auge.
Reinkarnation, Klonen, Fehlerteufel - was ist passiert? Fakt ist, dass es sich
bei diesem Tief nicht um das o.e. Exemplar handelt, das löst sich definitiv. Es
handelt sich vielmehr um eine Neuentwicklung, die nur im weiteren Sinne mit der
"alten" PEGGY zusammenhängt. Ausgehend vom ursprünglichen Höhentief erstreckt
sich ein breiter Trog nach Osten, in dem es bereits in der Nacht zur Bildung
eines Dipols kommt. Mit anderen Worten, der westliche Teil löst sich auf, dafür
entsteht im Osten ein neuer.

Nehmen wir es wie es ist, und da sieht die Angelegenheit so aus, dass wir den
morgigen Sonntag unter einer nördlichen Höhenströmung verbringen Zwischen dem
erwähnten Höhentief und dem hochreichenden Ex-Tropensturm Ex-GABRIELLE über dem
Atlantik hat sich ein Rücken aufgebaut, der sich anschickt, Mitteleuropa zu
besuchen. Morgen reicht´s dafür noch nicht ganz, dafür setzt sich am Boden
leichter Druckanstieg durch, der sich in einer großen, meridional exponierten
Hochdruckzone widerspiegelt. Diese hört, so sie denn hören könnte, auf den Namen
RONALD und erstreckt sich - leicht versetzt zum Höhenrücken - von Nordwestafrika
über Mitteleuropa bis hoch zur Norwegischen See. Damit liegt Deutschland de jure
unter Hochdruckeinfluss, de facto hakt die Sache aber noch ein bisschen. Zwar
strömt mit Winddrehung auf West bis Nord sukzessive etwas trockenere, vor allem
aber stabilere Luft heran, mit dem Absinken klappt es aber noch nicht so
richtig. Deutlich wird das, wenn man sich die Prognosesoundings anschaut, in
denen tagsüber noch keine klare Absinkinversion auszumachen ist. Und so
verwundert es auch nicht, dass sich in weiten Teilen des Landes mehr oder
weniger dichte Quellwolken bilden, die sogar zu einzelnen, meist leichten
Schauern heranwachsen. Im äußersten Osten und Südosten ist die Restlabilität
sogar so hoch, dass einige Modelle vereinzelte Gewitter oder zumindest
gewittrige Schauer anbieten. Das Problem ist allerdings die durch die starke
Bewölkung erheblich limitierte Produktion notwenigen CAPEs, insbesondere im
Südosten, wo es bis in den Vormittag hinein noch die Reste des nächtlichen
Regens zu verarbeiten gilt. Kurzum, wenn es irgendwo blitzt und donnert, sollte
eine gelbe Grundwarnung genügen.

Die besten Chancen auf Sonnenschein haben die Regionen rund um die Nordsee bis
hinüber nach Ostholstein sowie vom südlichen Oberrheingraben bis nach bayerisch
Schwaben. In der noch immer gemäßigten Luftmasse (T850 um 7°C) erreicht die
Temperatur Maximal zwischen 17 oder 18°C im Chiemgau und bis zu 24°C bei Sonne
am Oberrhein.

In der Nacht zum Montag rückt der Rücken dichter an den Vorhersageraum voran,
was die antizyklonalen Rahmenbedingungen kräftigt. Abendlicher Restkonvektion im
Osten und Südosten geht rasch die Puste aus und die Wolken lockern respektive
lösen sich zusehends auf. Der bereits fortgeschrittenen Jahreszeit entsprechend
bildet sich vielerorts Nebel, gebietsweise mit Sichtweiten unter 150 m. Dazu
wird´s frühherbstlich frisch mit 12 bis 5°C. Nur direkt an der See..., naja, ihr
wisst schon.

Montag ... beginnt eine neue Woche, die wettermäßig Einiges zu bieten haben
dürfte. Der Montag gehört aber noch nicht dazu, hier ist die Geschichte rasch
erzählt. Der Höhenrücken macht weiter Boden nach Osten hin gut und schiebt dabei
die Hochdruckzone vor sich her. Die meridional ausgerichtete Divergenzachse
erreicht bis zum Mittag etwa eine Linie Vogtland-Darß. Dahinter dreht der Wind
auf Ost bis Süd, während weiter östlich zunächst noch nordwestlicher Wind
auftritt. Dort, also grob vom Erzgebirge bis hoch nach Vorpommern, simulieren
einige externe Modelle noch eine schwache Schauerneigung, während ICON die
Inversion auf rund 800 ansetzt, was nur Quellungen bedeuten würde.

Insgesamt stellt sich landesweit aber ein recht sonnenscheinreicher
Spätsommertag ein, an dem es im Großen und Ganzen trocken bleibt und die
Temperatur nicht nur auf 850 hPa (am Abend zwischen 7°C an der Oder und bis zu
14°C über dem Oberrhein), sondern auch in 2 m Höhe ansteigt. 21 bis 26°C stehen
auf der Karte mit den höchsten Werten im Westen und Südwesten.

Bei allem gebotenen Respekt vor dem Hochdruckeinfluss, mindestens mit einem Auge
sollte der geneigte Meteorologe auch schon mal die Geschehnisse im Südteil der
Norwegischen See begutachten. Dort schlägt nämlich ein kleines aber feines
Cut-Off-Tief auf, das heute schon südlich von Island zu sehen ist, ausgestattet
mit einem korrespondierenden Bodentief namens QUEENIE. Der zugehörige, zunächst
noch recht flache Höhentrog schwenkt zur nördlichen Nordsee, wo er anfängt, den
Rücken abzuhobeln. Im Vorfeld driften hohe und mittelhohe Wolken in den
Nordwesten, die die Sonneneinstrahlung am Nachmittag mehr und mehr dämpfen.

Noch dichtere Wolken dann in der Nacht zum Dienstag, wenn sich das Tief
Südnorwegen nähert. Die zugehörige teilokkludierte Kaltfront nähert sich dem
äußersten Norden und Nordwesten und bringt erste, evtl. mit einzelnen Gewittern
durchsetze Regenfälle. Ob diese sich schon bis nach RP und Hessen ausbreiten,
wie von IFS (00 UTC) vorgeschlagen, ist fraglich. Die meisten anderen Modelle
geben sich defensiver und belassen den Niederschlag im Nordwesten.

Der größte Teil des Landes verbleibt noch unter leichtem Hochdruckeinfluss,
heißt gering bewölkt bis klar, gebietsweise Nebel. Tiefstwerte 13 bis 6°C, im
Westen und Nordwesten etwas milder.

Dienstag ... steht bereits der nächste Wetterwechsel an, was gleichbedeutend
damit ist, dass der Verfasser im vorgestrigen Mittelfristdienst den berühmten
Griff ins Klo gemacht hat. So gab es am letzten Donnerstag zwar
Prognoseunsicherheiten (die gibt´s mittelfristig eigentlich immer), aber auch
substanzielle Signale, dass der Hochdruckeinfluss mindestens noch am Dienstag,
wenn nicht sogar am Mittwoch andauert, was dann auch gleich mal in den
offiziellen Wetterbericht aufgenommen wurde. Denkst´e Puppe, Pustekuchen, zu
schwach der gute RONALD, um dem Druck der umliegenden Tiefdruckgebiete
standzuhalten.

Dabei sind es gleich zwei Prozesse, die den Übergang zu einer erneut zyklonal
geprägten Wetterlage bewerkstelligen. Zum einen kommt die o.e. Kaltfront mit den
schauerartig verstärkten und vereinzelt gewittrigen Regenfällen noch etwas
landeinwärts voran, wobei sich der Niederschlag aber zusehends abschwächt. Zum
anderen hat sich großräumig mittlerweile ein astreines Viererdruckfeld aufgebaut
mit dem schwächelnden Hoch RONALD im Alpenraum sowie über Südosteuropa und einem
weiteren Hoch (noch namenlos) süd-südwestlich von Island. Dem gegenüber stehen
die Tiefs QUEENIE über Südskandinavien und Ex-DANIELLE knapp westlich der
Iberischen Halbinsel (12 UTC). Während das nördliche Pärchen emsig versucht,
polare Meeresluft nach Süden zu verfrachten, schaufelt das südliche Pärchen
Warmluft in Richtung Norden. Treffen tun sich die beiden Luftmassen über Teilen
West- und Mitteleuropas, darunter auch in Deutschland. So reicht am Mittag die
Spanne der 850-Temperatur von etwa 6°C an der Grenze zu Dänemark bis zu 17°C im
äußersten Süden.

Frontogenetisch nennt man so etwas und die Modelle reagieren auch darauf, indem
sie - abgesetzt vom frontalen Regen im Norden - einen zweiten Korridor
simulieren, in dem es von Westen anfängt zu regnen. Ob dieser Korridor mehr in
der Mitte oder etwas weiter im Süden liegen wird, ist derzeit noch unsicher. Die
grundsätzliche Entwicklung als solche ist aber unstrittig. Und dass es dann in
der Nacht zum und am Mittwoch teilweise kräftig und länger andauernd regnet, ist
mehr als wahrscheinlich. Die Fortsetzung folgt in den nächsten Übersichten, für
Spannung ist gesorgt...


Modellvergleich und -einschätzung
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Die anstehenden Wetterwechsel werden übereinstimmend simuliert, wenn auch noch
mit den handelsüblichen Unschärfen hinsichtlich Timing und räumlicher
Verteilung.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann