DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

09-09-2022 08:30
SXEU31 DWAV 090800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 09.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal), zum Sonntag in HM (Hoch Mitteleuropa)
übergehend.

PEGGY gibt nicht auf - hochreichendes Tief bringt wechselhaftes und
konvektionsfreundliches Wetter bei moderaten Temperaturen. Ab Sonntag von Westen
her Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... steht ganz klar im Zeichen des hochreichenden Tiefs PEGGY, die,
nachdem sie sich tagelang über dem nahen Atlantik bzw. in UK/Irland aufgehalten
hatte, inzwischen die westliche Nordsee erreicht hat. Mobilität ist nach wie vor
nicht die Stärke dieser Dame, so dass es wenig verwundert, dass sie es bis
Tagesende so gerade vor die niederländische Nordseeküste nördlich der
Rheinmündung schafft. Der langsame Habitus ändert aber nichts an der Tatsache,
dass sie ihren Wirkungsradius weit nach Osten ausdehnt und damit auch den
Vorhersageraum beeinflusst. Der Blick auf die Höhenkarten zeigt dann auch recht
schnell, warum das so ist. Ausgehend vom Drehzentrum erstreckt sich ein breiter
Trog nach Süden, der langsam aber sicher von Westen immer näherkommt. Bereits
jetzt erzeugt er bei uns eine zyklonal konturierte südwestliche Höhenströmung,
mit der leidlich labil geschichtete und moderat temperierte Atlantikluft
herangespült wird. 7 bis 10°C auf 850 hPa stehen am Nachmittag rund -17°C auf
500 hPa gegenüber, was ausreicht, um eine zwar nur schmale, dafür aber
hochreichende Labilitätsfläche zu generieren. Die Feuchteverteilung zeigt die
höchsten PPW- und Grundschichtfeuchte im Norden sowie gebietsweise im Osten und
Südosten (um 25 mm sowie etwa 9 g/kg), wo mit Hilfe zeitweiliger Einstrahlung
einige hundert Joule pro Kilogramm ML-CAPE generiert werden. In der Mitte und
nach Westen bzw. Südwesten zu ist die Meeresluft teils durch Überströmung der
Mittelgebirge abgetrocknet (PPW unter 25 mm, gebietsweise sogar unter 20 mm),
entsprechend steht auch weniger CAPE zur Verfügung.

Trotzdem lässt sich heute keine Region herausarbeiten, wo nicht mindestens
einzelne Schauer, wenn nicht sogar Gewitter auftreten. Dazu braucht´s noch nicht
mal die ganz großen synoptischen respektive dynamischen Antriebe, die gibt´s
nämlich nicht. Die Diagnosekarten geben diesbezüglich ein diffuses Bild ab,
heißt, im Omegafeld werden verschiedene, aber nicht klar organisierte
"Hebungs-Hotspots" angeboten, die aus kurzwelligen, mit den schon etwas
gealterten Augen des Verfassers im Potenzialfeld nicht erkennbaren Troganteilen
resultieren. Da die Luftmasse nicht gedeckelt ist, reichen diabatische Antriebe
durch Einstrahlung (die Auslösetemperatur von rund 20°C ist kein Problem), die
Orografie sowie regionale Windkonvergenzen aus, um ein stattliches Paket
konvektiver Umlagerungen zu schnüren. Um Missverständnissen vorzubeugen,
stattlich heißt nicht, dass heute die ganz großen Raketen gezündet werden - das
gibt die Luftmasse nicht her -, vielmehr ist damit die Frequenz und Ausbreitung
der heutigen Schauer und Gewitter gemeint. In der Regel sprechen wir über
pulsierende Einzelzellen, die von kleinem Hagel respektive Graupel sowie steifen
bis stürmischen Böen 7-8 Bft begleitet sein können. Man wird neben Ocker
sicherlich aber auch die Farbe Gelb auf der Warnkarte zu Gesicht bekommen,
sprich, das eine oder andere Gewitter mit einer hundsnormalen Basiswarnung
würdigen. Im Süden, wo mit rund 15 m/s etwas DLS vorhanden ist, könnte der
Organisationsgrad der Überentwicklungen etwas besser sein, was die
Wahrscheinlichkeit für Hagel und Böen 8 Bft erhöht. Starkregen dürfte heute
nicht die ganz große Rolle spielen. Zwar ist in den oben genannten Gebieten
ausreichend Wasserdampf vorhanden, auf der anderen Seite ziehen die Zellen aber
auch, was eher kontraproduktiv ist. Nichtsdestotrotz, ganz vom Tisch fegen
sollte man das Thema nicht, 15 l/m² sind schnell erreicht und ICON-D2-EPS
liefert auch ein paar Signale in diese Richtung. Kurz noch eine Bemerkung zum
Westen und Nordwesten, wo im Tagesverlauf die LLS auf Werte um oder gar über 10
m/s zunimmt. Dazu ist in der unteren Schicht eine gewisse Richtungsänderung des
Windes erkennbar und das HKN sinkt z.T. auf unter 1000 m. Mit anderen Worten,
die eine oder andere Funnelcloud wäre keine Überraschung und sogar das Auftreten
eines Typ2-Tornados wäre nicht völlig dem Reich der Fabel entnommen.

Kurz noch ein paar Takte zu Sonne, Wind und Temperatur. Rein gradientbedingt und
konvektionsunabhängig lebt der Südwestwind mit Tagesgang leicht böig auf, wobei
die höchsten Windgeschwindigkeiten im Westen und Südwesten auftreten. In freien
bzw. höheren Lagen kann auch mal die eine oder andere "7" dabei sein, im
Hochschwarzwald (exponiert) gar stürmische Böen oder später Sturmböen 8 bis 9
Bft. Stichwort Sonne, die wird eigentlich überall mal zu sehen sein, schneidet
in der Tagesbilanz aber im Osten und Süden am besten ab. Temperaturmäßig kommen
wir heute auf 18 bis 24°C in der Spitze.

In der Nacht zum Samstag beginnt sich die gute PEGGY ganz allmählich
aufzufüllen, was sie aber keinesfalls davon abhält, weiterhin Aktien an unserem
Wetter zu halten. Auf ihrer Süd- bzw. Südostflanke pumpt sie weiterhin leidlich
labil geschichtete und auch wieder etwas feuchtere Luft in den Westen und
Südwesten, in der sich unter dem nach Osten vorankommenden Höhentrog weitere
Schauer entwickeln. Aufgrund langsam einsetzender WLA sowie mit Unterstützung
des Tagesgangs nimmt die Gewitterwahrscheinlichkeit ab und die Schauer beginnen
etwas zusammenzuwachsen respektive zu verclustern. Nach Osten zu nimmt die
Schauer- und Gewitterwahrscheinlichkeit ab und bei längeren Aufklaren bildet
sich das eine oder andere Nebelfeld. Während der Südwestwind in tiefen Lagen
weitestgehend dem Tagesgang zum Opfer fällt, bleibt es in exponierten Hochlagen
z.T. recht flüssig unterwegs. Insbesondere der Hochschwarzwald bekommt weiterhin
Böen bis Stärke 8-9 Bft. Es kühlt auf 14 bis 8°C ab, einzig direkt an der
"warmen" See bleibt es etwas milder.

Samstag... steht nach wie vor im Zeichen der werten Kollegin PEEGY, die trotz
andauernder Auffülltendenzen (das Höhentief überläuft das Bodentief) ihre Kreise
zieht. Das Drehzentrum des Höhentiefs verlagert sich in oder besser über die
Norddeutsche Tiefebene, während das Bodentief am Abend mit etwas über 1010 hPa
unweit des Niederrheins zu finden ist. Sowohl in der Höhe als auch in bodennahen
Luftschichten ist eine deutliche Expansion nach Osten an. Einige Modelle
simulieren über Polen ein zweites Drehzentrum, was eine dipolartige
Potenzialverteilung zur Folge hätte. Am Boden ähnelt das Ganze eher einer
breiten Tiefdruckrinne.

Wie auch immer, Tatsache ist, dass weiterhin moderat temperierte (T850 um 7°C
und T500 um -18°C) und potenziell instabile (mit skinny Labilitätsfläche)
Atlantikluft advehiert wird, die den wechselhaften Wettercharakter aufrechthält.
Nennenswerte synoptisch-skalige Hebungsantriebe sind nach wie vor nicht
vorhanden, wenn man mal den bedingt erfolgreichen Bemühungen einiger
kurzwelliger Troganteile absieht. Bedingt durch leichte WLA ist die
Gewitterbereitschaft gegenüber heute geringer, dafür bleibt die Tendenz zur
Verclusterung und Bildung kleiner, mesoskaliger Regengebiete erhalten. Schaut
man sich die apostrophierten Regenmengen über den Tag an, können insbesondere im
Stau der westlichen und südwestlichen Mittelgebirge 10 bis 15, lokal vielleicht
um oder über 20 l/m² in Summe zusammenkommen. Ob es südlich des Bodentiefs durch
Eindrehprozesse für deutlich größere Mengen reicht, wie von ICON-D2 für Teile
NRWs simuliert, muss ebenso bezweifelt werden wie die von ID2-EPS am Nachmittag
für die Nordhälfte verbreitet berechnete überdurchschnittliche
Wahrscheinlichkeit für Starkregen. Schlussendlich gilt ebenso wie bei der
Bewertung der Gewitter, die übrigens ähnliche Begleiterscheinungen haben dürften
wie heute, dass das Warnmanagement auf Nowcast getrimmt ist.

Während sich die Sonne im Süden und Westen sowie in weiten Teilen der Mitte
rarmacht, bestehen im Norden und Nordosten Chancen auf Auflockerungen oder sogar
ein paar sonnige Abschnitte. Dort wird es mit bis zu 22, lokal vielleicht 23°C
auch am wärmsten, während sonst je nach Regenandauer und geografischer Höhe nur
14 bis 20°C auf der Karte stehen. Der Südwestwind macht am ehesten im Süden auf
sich aufmerksam, wo in höheren Lagen Böen 7 Bft, exponiert 8-9 Bft auftreten. Im
Alpenvorland könnte es durch den Leitplankeneffekt ebenfalls für ein paar steife
Böen 7 Bft reichen.

In der Nacht zum Sonntag verlagert sich das Potenzialmuster weiter nach Osten,
was uns in der Höhe eine Winddrehung auf nördliche Richtungen bringt. Dabei gilt
es vor dem Hintergrund der weiteren Bertachtung einen sich über Westeuropa
aufwölbenden Höhenrücken zu erwähnen, den wir dem ehemaligen Tropensturm
DANIELLE (jetzt "Ex") zu verdanken haben. Dieser hat sich inzwischen in ein Tief
der mittleren Breiten umgewandelt und befindet sich reichlich Seemeilen westlich
von Irland. Auf seiner Vorderseite pumpt Ex-DANIELLE reichlich Warmluft nach
Norden, die eben zum Aufbau dieses Höhenrückens führt. Bis dieser sich bei uns
so richtig entfalten kann, dauert es noch anderthalb bis zwei Tage. Immerhin
sorgt er auf seiner Vorderseite für langsamen Druckanstieg und den Aufbau einer
langgestreckten meridionalen Hochdruckzone, die im Süden aus ROLAND und im
Norden aus Altmeister QUINTIN besteht. Zwar kommt uns die Zone in der Nacht zum
Sonntag schon ziemlich nah, was in der Südhälfte aber durch andauernde
schauerartige, kaum noch gewittrige Regenfälle konterkariert wird. Im Norden
dagegen nimmt die Niederschlagsneigung merklich ab und die Wolkendecke lockert
teilweise auf, was gebietsweise Nebel auf den Plan ruft. Tiefstwerte 14 bis 8°C,
an der See etwas milder.

Sonntag... verbringen wir unter der andauernden nördlichen Höhenströmung
zwischen dem langsam nach Osten abziehenden Höhentief und dem sich nur zögerlich
nähernden Rücken. Die Bodenhochdruckzone gibt sich nicht so scheu, sie greift
mehr und mehr auf den Vorhersageraum über. Zur Mittagszeit erstreckt sie sich
über tausende von Kilometern von Nordwestafrika über Mitteleuropa bis hoch zu
Europäischen Nordmeer, wobei sie nur wenig über 1015 hPa aufs Barometer bringt.
Es ist klar zu erkennen, dass mit Winddrehung auf Nordwest bis Nord (nur ganz im
Süden um West) stabilere und trockenere Luft den Weg zu uns findet, was zunächst
aber nur in der Westhälfte spürbar ist. Dort beginnt sich auch eine
Absinkinversion zu etablieren, die zunächst aber noch relativ hoch liegen dürfte
(um 700 hPa). Darunter bilden sich vermehrt Quellungen, die für einen wechselnd
wolkigen Wettercharakter sorgen. Vereinzelte schwache Schauer können dabei nicht
ausgeschlossen werden, viel fällt aber nicht mehr. Vor allem an der Nordsee,
aber auch in Südbaden setzt sich vermehrt die Sonne durch.

Im Osten und Südosten hingegen macht sich noch die Restfeuchte und -labilität
der vorherigen Luftmasse bemerkbar. Zunächst mal gilt es noch die Regenreste der
Nacht zu tilgen (Süden/Südosten), bevor sich im Tagesverlauf neue Schauer und
auch einzelne Gewitter entwickeln. Man merkt aber, dass die Luftmasse etwas
"ausgelutscht" ist, so dass die Gewitter in der Regel im gelben, nur vereinzelt
noch im ocker Bereich anzusiedeln sind. Mit gerade mal 17°C im Südosten Bayerns
und bis zu 23°C im Westen verbleiben die Temperaturen im mäßig warmen Bereich.

In der Nacht zum Montag setzt sich die Antizyklonalisierung fort. Anfängliche
Schauer und Gewitter machen alsbald die Grätsche und von Westen her lockert die
Wolkendecke mehr und mehr auf. Der frühherbstlichen Jahreszeit und z.T. noch
immer angefeuchteten Grundschicht entsprechend bildet sich gebietsweise Nebel,
wobei die Sichtweiten auch mal unter die 150m-Schwelle zurückgehen. Zurückgehen
tun auch die Temperaturen, 12 bis 6°C (an der See etwas mehr) sind klare
Vorboten des bevorstehenden Herbstes.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die beschriebene Entwicklung vergleichsweise kongruent.
Dass es beim Niederschlag und den Gewittern Unschärfen gibt, ist nicht unnormal,
beeinflusst das ohnehin nowcastbestimmte Warnmanagement aber nicht wirklich.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann