DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

08-09-2022 07:30
SXEU31 DWAV 080800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 08.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HFz
Heute vor allem im Norden und Osten Unwettergefahr aufgrund von teils
gewittrigem Starkregen. Am Freitag und Samstag im Einflussbereich eines
allmählich von GB ins Vorhersagegebiet ziehenden Tiefs immer wieder Schauer und
Gewitter mit Starkregen, dabei kleinräumig auch Unwetter nicht ausgeschlossen.
Dabei maximal nur noch mäßig warm.


Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... geraten wir mehr und mehr in den Einflussbereich der inzwischen
schon "ewigen Peggy", einem hochreichenden Tiefdruckgebiet mit einer nahezu
vertikal orientierten Achse, das sich nach Tagen des Stillstandes endlich ein
wenig in Bewegung gesetzt hat und sein Drehzentrum zögernd von der Südküste
Irlands bis zum Abend immerhin zur walisischen Küste verlagert. Vorderseitig hat
sich ein markanter, mit negativer Achsneigung ausgestatteter Randtrog inzwischen
in den Südwesten des Vorhersagegebietes vorgearbeitet, erstreckt sich aktuell
über Baden-Württemberg südostwärts bis nach Südbayern und kommt im Tagesverlauf
allmählich nordostwärts, bis etwa zur Mitte Deutschlands (abends NRW-Vogtland)
voran, wobei die Trogachse immer mehr zonale Ausrichtung annimmt. Der bisher vor
allem für den Nordosten noch wetterwirksame vorgelagerte Höhenrücken, dessen
Achse sich aktuell noch über den Westen Polens nordwärts bis nach Skandinavien
bzw. zur Norwegischen See und von dort aus weiter bis nach Island erstreckt,
wird mit seinem Südteil nach Osten, Richtung Weißrussland und dem Baltikum
abgedrängt.
Durch kräftige PVA kann trogvorderseitig zunächst über den mittleren
Landesteilen, im Tagesverlauf dann aber vor allem im Norden und Osten des Landes
markante Hebung generiert werden, die vor allem im Nordosten noch zusätzlich
durch WLA unterstützt wird.
Im Bodenfeld interagiert der Randtrog im Tagesverlauf zunehmend mit einer
Tiefdruckrinne, die sich aktuell (samt eingebetteter Konvergenz) etwa vom
Westmünsterland bis nach Ostsachse erstreckt. Mit zunehmendem trogvorderseitigen
dynamischen Hebungsantrieb kann sie sich noch etwas vertiefen und kommt aufgrund
der Blockadewirkung durch das fennoskandische Hoch (Schwerpunkt aktuell über der
mittleren Ostsee bzw. Finnland) nur langsam nach Nordosten voran. Die Luftmasse
im Rinnenbereich bzw. vorderseitig ist potenziell instabil geschichtet mit
PPW-Werten zwischen 35 und 40 mm und vor allem am Vormittag noch gebietsweise
nahe 1000 J/kg MU-Cape. Aktuell konzentrieren sich die stärksten Hebungsprozesse
allerdings noch auf die Rückseite der Rinne, wo es verbreitet schauerartig
regnet, die Mengen aber unterhalb der Warnschwellen verbleiben. Erste kräftige
konvektive Entwicklungen, teilweise eingebettet in kleinräumige
Starkregengebiete, teilweise aber auch isoliert, gibt es aber bereits auch im
Rinnenbereich bzw. vorderseitig. Hohenreinkendorf (Uckermark) meldete z.B. um 7
Uhr bereits 40 l/qm/h im Bereich eines nur langsam ziehenden Gewitters.
Im Tagesverlauf verlagert sich die Hauptniederschlagsaktivität mit schneller als
die Rinne nach Nordosten voranschreitendem Hebungsantrieb dann zunehmend in den
Rinnenbereich und knapp nordöstlich davon, also in die instabilste Luftmasse.
Mangels Einstrahlung kann nur wenig ML-Cape generiert werden, am ehesten ist das
noch an Oder und Neiße der Fall, eventuell auch in Vorpommern. Dort sind dann
auch die kräftigsten Einzelentwicklungen zu erwarten, wobei Starkregen als
Begleiterscheinung im Fokus steht, kleinkörniger Hagel und Sturmböen dagegen nur
eine untergeordnete Rolle spielen. Bzgl. Starkregen dürfte aufgrund der hohen
PPW-Werte und der (allerdings abnehmenden) MU-Cape rasch das Unwetterkriterium
gerissen werden.
Im Rinnenbereich treten die Niederschläge dagegen eher flächig auf und kommen
allmählich nach Nordosten voran. Vor allem nach Osten/Nordosten zu werden
teilweise mehr als 15 m/s hochreichende Scherung und auch 10 bis 15 m/s low
Level Shear simuliert. Somit kann an der Vorderkante der Niederschläge eventuell
auch linienförmig organisierte Gewittertätigkeit auftreten, was einige
Konvektion erlaubenden Modelle auch auf der Agenda haben. Dann können neben
Starkregen auch Sturmböen auftreten.
Ansonsten bleibt der Starkregen im Fokus. Dieser tritt vielerorts auch
ungewittrig auf. Die Luftmasse ist hochreichend gesättigt und die Nullgradgrenze
befindet sich in etwa 3000 m, so dass wir es mit einer "warmen Regenlage" zu tun
haben. Bei dieser unterschätzen die radarbasierten Niederschlagsprodukte (z.B.
RH) vor allem innerhalb größerer Starkregengebiete gerne mal die Summen.
ICON-D2-EPS hat die höchsten Wahrscheinlichkeiten für Unwetter-Starkregen (mehr
als 35 mm/6h) zunächst vor allem von Westsachsen bis ins südliche Sachsen-Anhalt
bzw. südwestliche Brandenburg auf der Agenda, nachmittags dann eher im
nördlichen Niedersachsen, in Ostholstein und an der Neiße. Im Großen und Ganzen
simulieren die aktuell zur Verfügung stehenden Konvektion erlaubenden Modelle
ein ähnliches Szenario mit leicht unterschiedlicher Schwerpunktsetzung. Da
Unwetter-Starkregen aber wohl eher nur punktuell und nicht großräumig auftritt,
wird voraussichtlich von einer Vorabinformation abgesehen.
Der Rinne folgt im Westen und Süden und später auch in den mittleren
Landesteilen erwärmte subpolare Meeresluft (T850 hPa zwischen 8 und 11 Grad),
die zunächst stabiler geschichtet, vor allem aber durch Absinken deutlich
abtrocknet (PPW nur noch um, teils unter 20 mm). Nach Abzug des Regens lockern
die Wolken auf, vor allem im Südwesten wird es vorübergehend sonnig, durch
Einstrahlung kann die Luftmasse erneut labilisieren. Gebietsweise werden 100 bis
500 J/kg ML-Cape generiert. Die Folge sind vereinzelte Schauer und auch
Gewitter, Starkregen (aber nur markant) kann dabei lokal eng begrenzt nicht
ausgeschlossen werden. Vielerorts bleibt es aber auch trocken. Die Temperaturen
erreichen im Regen nur noch Werte um 17/18 Grad, sonst werden 19 bis 24, in der
Lausitz und am Oberrhein gebietsweise bis 26 Grad erreicht.
Anzusprechen bleibt noch der Wind. Vor allem im Nordosten verschärft sich mit
Annäherung der Rinne an das Hoch der Gradient und an der Ostsee weht lebhafter
Ost- bis Südostwind. An Küstenabschnitten mit auflandigem Wind gibt es steife,
exponiert eventuell auch stürmische Böen (Bft 7 bis 8).

In der Nacht zum Freitag verlagern sich Randtrog und Rinne allmählich zur
südwestlichen bzw. südlichen Nordsee und die schauerartigen, teils noch
gewittrigen Regenfälle ziehen nordostwärts ab. Vor allem in Vorpommern und an
der Oder kann es anfangs noch Starkregen geben, in der zweiten Nachthälfte
bleibt es dann aber auch dort meist trocken. Der Wind an der Ostsee lässt nach
Durchschwenken der Rinne rasch nach.
Das hochreichende Tiefdruckgebiet zieht über England hinweg allmählich ostwärts
und erreicht morgens die englische Nordseeküste. Vorderseitig schwenkt ein
flacher Höhenkeil zunächst über das Vorhersagegebiet hinweg nordostwärts und
auch mit dem Tagesgang lösen sich eventuelle Schauer im Süden und in der Mitte
auf. Im weiteren Verlauf gelangt vor allem der Westen des Landes auf die
diffluente Vorderseite der sich nähernden Haupttrogachse. Die Schichtung
labilisiert dort und es können mehrere 100 J/kg MU-Cape generiert werden. Der
dynamische Hebungsantrieb bleibt diffus und gering, dennoch dürfte es im Lauf
der Nacht für einzelne Schauer und eventuell auch kurze Gewitter reichen, die
sich bis in den zentralen Mittelgebirgsraum vorarbeiten.
Ansonsten lockern die Wolken auch mal stärker auf, örtlich bildet sich Nebel.
Die Minima liegen zwischen 15 und 8 Grad, an den Küsten bleibt es etwas milder.

Freitag... kommt "Peggy" bis zu den westfriesischen Inseln voran. Somit gerät
das gesamte Vorhersagegebiet in den Einflussbereich des Höhentroges, in 500 hPa
sinkt die Temperatur auf etwa -18/-19 Grad bei 7 bis 10 Grad in 850 hPa, die
Schichtung ist hochreichend labil mit einer allerdings nur schmalen
Labilitätsfläche. Dynamischer Hebungsantrieb ist vielerorts vorhanden, bleibt
aber eher marginal und diffus, kleinräumige flache kurzwellige Troganteile sind
im Geopotenzialfeld kaum auszumachen. Mit Übergreifen des Bodentroges lebt von
Westen her im Tagesverlauf die Schauer- und Gewittertäri9gkeit wieder auf. Im
Osten und Südosten dauert das noch am längsten, dort kann zunächst länger die
Sonne scheinen, wobei gebietsweise 500 bis 800 J/kg ML-Cape generiert werden.
Die PPW-Werte steigen im Westen, Norden und Nordosten erneut auf über 25 mm, im
Südwesten und Süden werden dagegen aufgrund der Abtrocknung im Lee von
Schwarzwald, Alb und Alpen kaum 20 mm erreicht. Somit dürften sich die
Begleiterscheinungen der Gewitter überwiegend im markanten Warnbereich abspielen
(Starkregen, kleiner Hagel, Sturmböen). Hochreichende Scherung (um 15 m/s) ist
am ehesten noch im Südosten vorhanden, was den Organisationsgrad der Gewitter
erhöht und Hagel bzw. Sturmböen etwas wahrscheinlicher erscheinen lässt.
Das Potenzial für Unwetter-Dauerregen ist dagegen, wenn überhaupt, noch im
Norden und Nordosten am höchsten, wo die Gewitter erst am Nachmittag ankommen
und am meisten Cape zur Verfügung steht, überlappend mit den höchsten
PPW-Werten. Dennoch sind Unwetter lediglich punktuell zu erwarten und stellen
eher die Ausnahme dar. Im Südwesten genügen die Gewitter oft sogar nicht einmal
markanten Warnkriterien.
Warnrelevant wird dagegen vor allem im Südwesten und in der Mitte der Wind. Mit
Annäherung des Tiefs verschärft sich der Gradient und der Südwestwind frischt
auf. Zumindest in freien Lagen sind dort auch außerhalb der Schauer steife Böen
möglich, auf einigen Mittelgebirgsgipfeln auch stürmische Böen.
Die Temperaturen erreichen Höchstwerte zwischen 19 und 24 Grad, in der Lausitz
und im Süden mit mehr Sonne auch knapp 25 Grad.

In der Nacht zum Samstag erreicht "Peggy" mit ihrem Drehzentrum den Nordwesten
Deutschlands, wobei das Drehzentrum des Höhentiefs das vor der niederländischen
Küste quasistationäre Bodentief überläuft, das sich dadurch beginnt allmählich
aufzufüllen.
Über dem Vorhersagegebiet bleibt die Luftmasse nach wie vor hochreichend labil
geschichtet und in der Nordwesthälfte auch feucht mit PPW-Werten zwischen 25 und
30 mm. Vor allem dort dauert die Schauertätigkeit bei abnehmender Intensität
auch die Nacht über an, wobei Gewitter allmählich seltener werden und oft nur
noch "gelbe" Warnkriterien erreichen, lokal eng begrenzte Starkregenereignisse
aber nach wie vor nicht ausgeschlossen sind.
Im Süden und Osten klingen die Schauer dagegen ab und vielerorts lockern die
Wolken auf, wobei sich gebietsweise Nebel bildet. Der Wind flaut ab, einerseits
tagesgangbedingt, andererseits fächert auch der Gradient mit Auffüllen des Tiefs
etwas auf. Meist kühlt es auf 14 bis 9 Grad ab, an den Küsten bleibt es
teilweise milder.

Samstag... verlagern Höhen- und Bodentief ihr Drehzentrum ganz allmählich in die
Norddeutsche Tiefebene, wobei sich ein Dipol über dem Osten Polens entwickelt.
Das Bodentief füllt sich dabei weiter auf und wandelt sich eher in eine breit
angelegte Rinne um, die über den Norden und Osten des Landes bis nach Polen
reicht. Somit befindet sich das gesamte Vorhersagegebiet im Zentralbereich des
Höhentief mit -18 Grad in 500 hPa und ca. 8 Grad in 850 hPa, die Luftmasse ist
hochreichend labil geschichtet und nach wie vor feucht mit PPW-Werten zwischen
knapp unter 30 mm im Norden und Westen und knapp über 20 mm im Süden und
Südosten. Dabei können je nach Einstrahlung mehrere 100m J/kg ML-Cape generiert
werden.
Dynamische Hebung wird vor allem vorderseitig durchschwenkender kurzwelliger
Troganteile an der Südflanke des Tiefs im Westen und Süden des Landes simuliert,
fällt aber nicht allzu markant aus. Dennoch deutet sich dort im Tagesverlauf ein
gewisses Maximum der Schauer- und Gewitteraktivität an, vor allem in den
Staulagen der zentralen Mittelgebirge simulieren einige Modelle auch
großräumiger mehr als 10 l/qm in 6 Stunden. Die geringsten Mengen werden dagegen
im Achsenbereich der Rinne über der Norddeutschen Tiefebene simuliert, im
Nordosten - vielleicht auch durch Lake Effekt - wieder etwas mehr.
Als markante Begleiterscheinung der Gewitter kommt am ehesten der Starkregen in
Frage; kleinkörniger Hagel und stürmische Böen sind bei kräftigeren
Entwicklungen, denen am ehesten im Südwesten und Süden aufgrund dort vorhandener
Scherung noch ein gewisser Organisationsgrad zugeschrieben werden kann,
ebenfalls nicht ausgeschlossen.
Der Wind spielt warntechnisch eine eher untergeordnete Rolle. Im südlichen
Alpenvorland kann es durch Leitplankeneffekt einzelne steife Böen aus Südwest
geben, auf exponierten Alpengipfeln Sturmböen. Die Sonne zeigt sich am ehesten
im Nordosten und Norden, und entsprechend bewegen sich die Höchstwerte zwischen
18 und 23 Grad, mit Sonne im Osten gebietsweise bis 24 Grad.

In der Nacht zum Sonntag füllt sich der Höhentiefdipol über Norddeutschland
zugunsten des Drehzentrums über Polen, das unter Vertiefung nach Osten zieht,
komplett auf, verlagert sich als Randtrog nach Süden und das Vorhersagegebiet
gerät unterhalb einer schwachen nördlichen Höhenströmung, da sich zugleich ein
Höhenrücken über den Britischen Inseln aufwölbt und verstärkt.
Die Rinne im Bodenfeld füllt sich ebenfalls weiter auf und verlagert sich
ostwärts. Vor allem in der Westhälfte stabilisiert die Luftmasse zusehends.
Mit dem nach Süden schwenkenden Randtrog ist dort noch ein gewisser dynamischer
Hebungsantrieb wirksam, so dass die Schauertätigkeit dort bis weit in die Nacht
hinein andauert, bei allerdings etwas abnehmender Intensität. Vereinzelt können
auch kurze Gewitter auftreten. Ansonsten klingen die Schauer aber ab, lediglich
an den Küsten gibt es noch einzelne, die der diabatischen Komponente über dem
relativ warmen Oberflächenwasser geschuldet sind. Die Wolken lockern vor allem
in der Mitte und im Norden auf, wobei sich gebietsweise Nebel bildet. Dabei
kühlt es auf 13 bis 8 Grad ab, an den Küsten bleibt es milder.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die vorliegenden Modelle simulieren allesamt ein sehr ähnliches Szenario, der
Fahrplan bis zur Nacht zum Sonntag steht also im Groben.
Im Detail ergeben sich aber vor allem für den heutigen Tag noch Unterschiede,
wie bei konvektiven Lagen aber üblich. Aufgrund der Kleinräumigkeit eventuell
auftretender unwetterartiger Starkregenereignisse wird von einer
Vorabinformation abgesehen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff