DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

07-09-2022 08:01
SXEU31 DWAV 070800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 07.09.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Hoch Fennoskandien zyklonal (HFz)

Von Südwesten mehrere Staffeln gewittrigen Starkregens, die entlang der Elbe
ausgebremst werden. Dabei am Donnerstag gebietsweise erhöhte Unwettergefahr
durch heftigen Starkregen bzw. ergiebigen Dauerregen - vielerorts aber mehr
Segen als Fluch! Am Freitag wechselhaftes Schauerwetter und Temperaturen der
Jahreszeit entsprechend.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... startet der Tag unter dem Motto: "Täglich grüßt das Murmeltier".
Wenn man sich nämlich einmal die Mühe macht und sämtliche Modellfelder sowie
Remote-Sensing Produkte mit der Situation des gestrigen Morgens vergleicht, so
stellt man auf Anhieb viele Gemeinsamkeiten fest. Im Unterschied zu gestern hat
dabei insbesondere ICON-D2 die aktuellen Radarsignaturen aber deutlich besser
erfasst.

So wird ein Höhenrücken, dessen Achse von Österreich über Ostdeutschland bis
nach Seeland reicht, von Westen von einem schwachen Trog überlaufen. Dieser
spiegelt sich auch am Boden in Form einer flachen Tiefdruckrinne nieder, die
aktuell vom Emsland bis nach Mittelfranken reicht. Auf deren Vorderseite läuft
ein Regenband mit eingelagerten Gewittern auf dem Weg nordostwärts in den
nächsten Stunden in die vormittägliche Depression hinein und sollte sich (auch
wegen der Annäherung an den Rücken) weiter abschwächen. Daher kommen
höchstwahrscheinlich - Schleswig-Holstein einmal ausgenommen - nordöstlich der
Elbe kaum noch nennenswerte Niederschläge an. Allerdings ist damit zu rechnen,
dass die Konvektion im Bereich der Rinne beziehungsweise an ihrer unmittelbaren
Rückseite am Nachmittag wieder auflebt. Bis dahin liegt sie in etwa auf einer
Linie Wesermündung-Erzgebirge. An der Südflanke ist die Rinne nicht sonderlich
gut definiert, weshalb es südlich des Mains eher bei isolierten Schauern und
Gewittern bleibt.

Im Laufe des Nachmittags ist neben dem Bereich der beschriebenen Rinne nahezu
über der kompletten Südwesthälfte des Landes mit neuer Auslöse zu rechnen, wo
mit der südwestlichen Strömung weiterhin feuchte und instabil geschichtete
Subtropikluft zu uns gelangt. Lediglich von Niederrhein und Eifel fließt später
etwas trockenere Luft ein (spezifische Feuchte sinkt unter 10 g/kg und PPW's auf
25 mm). Ansonsten wird mithilfe der noch immer kräftigen Einstrahlung einiges an
ML CAPE generiert. Dabei sprechen wir immerhin von mehreren Hundert J/kg, von
Südbrandenburg über Sachsen und Bayern bis nach Baden-Württemberg sogar von
1000-1500 J/kg. Durch den allmählichen Vorstoß des Jets nach Frankreich am
Südrand des steuernden Tiefs PEGGY bei Irland nimmt zudem die hochreichende
Scherung von Südwesten zu auf dann 15-20 m/s. So wird es wohl im Laufe des
Nachmittags (überwiegend, aber nicht ausschließlich) vom Bergland ausgehend zu
neuen Schauern und Gewittern kommen, die neben Multizellen auch einzelne
Superzellen produzieren können. Neben Starkregen bis in den Unwetterbereich
hinein (PPW's immerhin bis 35 mm) muss man dann vor allem auch mit größerem
Hagel von 2-3 cm und auch teils schweren Sturmböen (Bft 10) rechnen. Dass es
irgendwo vom Schwarzwald über die Schwäbische Alb bis ins Allgäu sowie zwischen
Bergischem Land und dem Harz mal "rot" wird, ist quasi fast sicher. Bis dahin
fehlt allerdings noch ein richtiger dynamischer Hebungsimpuls, weshalb die
Modelle in der Mehrheit nur mit regionalen Überentwicklungen reagieren. Von
daher drängt sich auch für den heutigen Mittwoch keine Vorabinformation auf.

Gänzlich außen vor bleibt nur der äußerste Nordosten des Landes, wo am Rande des
Hochs QUINTIN über Skandinavien mit einer mitunter strammen östlichen Strömung
trockene Festlandsluft dagegenhält. Auf Rügen und Usedom wird es abschnittsweise
ab den Nachmittagsstunden für die ein oder andere Windböe (Bft 7) reichen bei
angenehmen 20 bis 24 Grad. Sonst werden es eher schwül-warme 24 bis 29 Grad.


In der Nacht zum Donnerstag verlagert sich das hochreichende Tief PEGGY kaum.
Allerdings nimmt das Höhentief eine zunehmend ovale Form an, sodass sich über
Westeuropa ein markanter Randtrog ausbilden kann, der sich von Frankreich dem
Vorhersagegebiet nähert. Auf seiner stark diffluenten Vorderseite wird die
Südwesthälfte von kräftiger, PVA-bedingter Hebung erfasst. Der Trog schiebt eine
neuerliche Rinne vor sich her, die bis zum Morgen auf den Süden und Westen
übergreift. Die Rinne über dem Norden und Osten wird dagegen zugeschüttet.

Die Gewitter, die anfangs im Osten und Nordosten noch zu finden sein werden,
gelangen damit wieder zunehmend ins Ostwindregime, womit sie aufgrund des
Eintrainments trockener Luft, des versiegenden Hebungsantriebes sowie des
Tagesganges langsam abklingen. Umso verwunderlicher ist es, dass ICON-D2 über
der Uckermark anhaltend und teils kräftige Gewitter simuliert. Ernstzunehmende
Signale für unwetterartigen Starkregen zeichnen sich sogar im ICON-D2 EPS ab mit
teils über 40% für mehr als 40 mm binnen 12 Stunden. Auch von SuperHD und AROME
wird das zumindest recht ähnlich gerechnet, wenn auch etwas isolierter und
schwächer. Es könnte tatsächlich die Region sein, in der Schauer und Gewitter
aus den Nachmittags- und Abendstunden aus dem Umfeld des Harzes hinziehen und
dort zunächst erst einmal ausgebremst werden und zum Erliegen kommen (also statt
Frontenfriedhof gewissermaßen "Gewitterfriedhof"). In der Regel sollte es aber
bei markanten Entwicklungen bleiben. Einmal angefeuchtet, ist das Entrainment
aufgrund des dort nur noch schwachen Ostwindes vermutlich nicht mehr stark
genug. Ansonsten ist es in der Nordosthälfte unterschiedlich bewölkt, aber
zumeist trocken. Gebietsweise kann sich Nebel bilden.

Anders in der Südwesthälfte: Mit Einsetzen der synoptisch skaligen Hebung ab
etwa Mitternacht kommen von Südwesten her auf breiter Front Schauer und Gewitter
auf, die bis zum Morgen die mittleren Landesteile erreichen. Zwar ist die
Luftmasse nicht mehr ganz so labil wie in der Vornacht, allerdings nehmen sowohl
die bodennahe als auch die hochreichende Scherung weiter signifikant zu. Knapp
vorderseitig der Rinne simuliert ICON6 markant gekurvte Hodographen, was zu
recht hohen Werten der sturmrelativen Helizität führt (teils 200 bis 350 m2/s2).
Es handelt sich also seit langem mal wieder um eine sehr dynamische
Gewitterlage, die verbreitet organisierte Konvektion hervorbringen kann. In den
ICON-D2 Pseudoreflektivitäten zeichnet sich beispielsweise relativ konsistent
über mehrere Läufe hinweg ein großes Multizellencluster mit eingelagerten
Superzellen ab. Zwar wird die Gefahrenlage durch das Timing in der Nacht etwas
gedämpft, dennoch besteht insbesondere bezüglich des Starkregens, zumindest
regional, Unwetterpotential. Ein möglicher Schwerpunkt dafür zeichnet sich laut
ICON-D2 EPS aktuell vor allem über Franken ab, wobei die Wahrscheinlichkeiten
mit maximal 50% für mehr als 40 mm / 12 h bis Donnerstagmittag noch "im Rahmen"
sind. Von den deterministischen, konvektionserlaubenden, externen Modellen
finden sich weder einheitliche Schwerpunkte - noch erdrückende Hinweise auf
verbreitete Unwetter. Kurzum: Auch für die kommende Nacht drängt sich keine
überregionale Unwetterlage mit Ausgabe einer entsprechenden Vorabinformation
auf. Gerade am Anfang können aber im Grenzbereich zu Frankreich und Benelux auch
größerer Hagel und schwere Sturmböen noch für das Unwetterkriterium ausreichen.


Die Tiefstwerte liegen je nach Bewölkung und Niederschlag meist bei 17 bis 12
Grad, in den Ballungsgebieten im Westen und Südwesten bis zum Einsetzen der
Regenfälle aber meist noch um oder knapp über 20 Grad.


Donnerstag... macht die ostwärtige Progression des Höhentiefs aufgrund der
blockierenden Wirkung QUINTINs weiterhin nur langsame Fortschritte. Zur
Mittagszeit legt das steuernde Tief PEGGY über der Irischen See, der Randtrog
schwenkt nordostwärts zur Mitte Deutschlands. Die mit dem Trog korrespondierende
Rinne orientiert sich bis zum Abend in etwa am Verlauf der Elbe. Dabei
kristallisieren sich innerhalb der Rinne modellübergreifend über der Nordsee und
über der Lausitz eingelagerte Tiefzentren heraus, wie es bei derart
langgestreckten Rinnen häufig zu beobachten ist. Vor allem letztgenanntes könnte
durch verstärkten Hebungsimpuls und begünstigte Scherungsbedingungen eine
entscheidende Rolle zukommen.

Die gewittrigen Regenfälle, die sich stark auf die Bereiche der Rinne
konzentrieren, werden dabei auf dem Weg nach Norden und Osten entsprechend
ebenso zunehmend ausgebremst. Damit nimmt dort die Wahrscheinlichkeit speziell
für mehrstündigen, teils heftigen Stark- oder ergiebigen Dauerregen deutlich zu,
obwohl die Labilität der Luftmasse immer
weiter aufgebraucht wird. Kräftige Einzelentwicklungen mit Hagel und/oder
Sturmböen werden somit immer unwahrscheinlicher. Die Prog-Temps sind
hochreichend gesättigt und auch die 0 Grad Grenze ist mit etwas über 10000 FT
(3000 m) ziemlich hoch, weshalb wir es mit einer klassischen "warmen Regenlage"
zu tun haben. Bei dieser unterschätzen die radarbasierten Niederschlagsprodukte
wie z.B. das RH gerne mal die Summen.

Was bietet uns die Modellwelt eigentlich so an? ICON6, IFS und UK10 haben durch
die Bank Signale für das Überschreiten markanter Warnschwellen mit 12-stündige
Mengen zwischen 30 und 50 mm, in der Spitze bis 80 mm im Programm, vor allem für
Teile des Ostens (Stichwort: eigenständiges Drehzentrum). Die
konvektionserlaubenden Modelle gehen da gar nicht mal drüber, sondern sind in
der Fläche teilweise sogar verhaltener, was eindeutiges Indiz für den zunehmend
reduzierten Anteil an eingelagerten Gewittern ist. ICON-D2 EPS zeigt in einem
breiten Streifen von der Ems bis zur Lausitz flächendeckend 40-70% für mehr als
25 mm binnen 12h. Die Wahrscheinlichkeiten für Unwetter mit Mengen über 40 mm
binnen 12 Stunden sind mit bis zu 60% von der Altmark über die Leipziger
Tieflandsbucht bis ins Vogtland am höchsten. Die Kunst wird im Warnmanagement
auch darin bestehen, die Regenmengen im Optimalfall mit ausreichend Vorlauf
verbreitet ocker abzuwarnen und gewittrige "HotSpots" (die dann wohl erst zum
Überschreiten der Unwetterkriterien führen) entsprechend erst im Nowcasting
"drüberzulegen".

Die ostseenahen Gebiete sind noch am längsten außen vor, da hier noch immer der
trockene Ostwind zu stark dagegenhält. Allerdings verschärft sich durch die
Annäherung der Rinne von Süden der Gradient weiter und es treten an auflandigen
Küstenabschnitten zunehmend stürmische Böen (Bft 8), exponiert (Nordspitze
Rügens) auch Sturmböen (Bft 9) auf.

Rückseitig der Rinne schiebt sich ein Keil nach Süddeutschland, was zu einer
recht markanten Druckanstiegswelle führt. So fließt mit ebenfalls spürbarem, in
Böen teils starkem Südwestwind trockenere und etwas kühlere (aber immer noch
stark erwärmte) Meeresluft (T850 zwischen 8 und 11 Grad) in den Süden und Westen
ein. Sie ist allerdings noch leicht labil geschichtet, sodass vereinzelte
Schauer auftreten können, auch kurze Gewitter sind nicht ganz ausgeschlossen.
Neben Schauern und Quellwolken zeigt sich aber vor allem im Südwesten längere
Zeit die Sonne. Die Höchstwerte liegen meist zwischen 20 und 24 Grad.

In der Nacht zum Freitag wird die Rinne mit den schauerartigen, anfangs teils
auch noch gewittrigen Regenfällen im Norden und Nordosten nur langsam nordwärts
herausgedrückt. Allerdings nimmt die Niederschlagsintensität sukzessive ab und
damit auch die Unwettergefahr durch den Stark- und/oder Dauerregen. Von
Schleswig-Holstein bis nach Vorpommern fallen dabei aber nochmal gut und gerne
20-30 mm binnen 12 h, lokal auch etwas darüber. Da dies sehr gleichmäßig
geschieht, ist es für viele ein Segen, wenn ein Push der
Stark-/Dauerregenwarnung auf den Displays aufleuchtet.

In den übrigen Regionen klingen die Schauer unter dem Einfluss des Hochkeils
über dem Alpenraum zunächst ab und es klart auf. Im Südwesten nimmt die
Schauerneigung im Nachtverlauf aber wieder zu, da sich der Haupttrogbereich des

sich nach Südengland verlagernden hochreichenden Tiefs PEGGY langsam annähert.
Die Luft kühlt ab auf 13 bis 7 Grad, an der Nordsee bleibt es mitunter milder.



Freitag... verlagert sich PEGGY zur Themsemündung. Der Haupttrogbereich greift
auf die Südwesthälfte Deutschlands über und sorgt für zyklonale Verhältnisse.
Die schmale Tiefdruckrinne, die anfangs noch über dem Nordosten zu finden ist,
verliert an Kontur bzw. geht in einen breiter angelegten, zonal orientierten
Bodentrog über der Nordhälfte über. Letzte Regenfälle der ehemaligen Rinne über
dem Nordosten ziehen zur Ostsee ab, danach ist es dort wie auch in Teilen des
Ostens bei wechselnder Bewölkung überwiegend trocken.

Ansonsten labilisiert die einfließende maritime, erwärmte Meeresluft mit
Übergreifen des Trogbereiches und einigermaßen höhenkalter Luft (T500 bei
-18/-19 Grad, T850 zwischen 7 und 10 Grad). Somit stellt sich wechselhaftes
Schauerwetter ein. Bei ML-CAPE-Werten von einigen Hundert J/kg sind auch kurze
Gewitter wahrscheinlich. Meist sind es pulsierende Einzelzellen, die vereinzelt
mal Starkregen mal bringen. Im Süden ist etwas mehr hochreichende Scherung am
Start, sodass ein gewisser Organisationsgrad zu erwarten ist und neben
Starkregen auch Hagel und Sturmböen möglich sind.

Der Südwestwind weht vor allem im südwestdeutschen Bergland mäßig bis frisch, in
Böen stark bis stürmisch. Exponiert sind im Schwarzwald Sturmböen möglich. Die
Höchsttemperaturen liegen recht einheitlich zwischen 19 und 24 Grad.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumigen Strukturen werden von den verschiedenen Modellen recht ähnlich
simuliert. Trotz kleinerer Timingunterschiede steht außer Frage, dass die
Störungen in Form kurzwelliger Randtröge zu einem für schwere Konvektion
ungünstigen Zeitpunkt aufziehen (Nacht zu Donnerstag). Dies dämpft das
Gefahrenpotenzial, sodass eine überregionale Unwetterlage zurzeit nicht
angedacht ist. Es wird folglich auf Vorabinformationen verzichtet und
Akutwarnungen im Nowcast herausgegeben.

Der etwaige heftige Starkregen und/oder ergiebigen Dauerregen (Grenzbereich da
Zeitraum von 6h teilweise nicht ausreicht) am Donnerstag bis in die Nacht zum
Freitag hinein im Norden und Osten muss weiter im Auge behalten werden. Sollten
sich die Anzeichen für Unwetter in EPS und Deterministik in den Folgeläufen
erhärten (gerade auch was die Intensität des kleinen Mesotiefs in der Rinne
anbelangt), so wird darüber spätestens in der morgigen Frühkonferenz bezüglich
einer Vorabinformation entschieden.



Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen