DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

31-08-2022 08:01
SXEU31 DWAV 310800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 31.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Heute im Süden schauerartig verstärkter Regen mit einzelnen Gewittern, dabei
regional begrenzt Starkregengefahr. Lokale Unwetter nicht ausgeschlossen. Auch
im Westen und Südwesten einzelne Gewitter. Am Donnerstag und Freitag über weite
Strecken ruhiges Wetter, ab Freitagabend im Südwesten und an den Alpen wieder
zunehmende Schauer- und Gewitterneigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
--------------------------------------------------------------
Mittwoch... ist insofern ein besonderer Tag, als dass er der letzte des
meteorologischen Sommers 2022 ist - ein Sommer, den man wahrscheinlich nicht
vergisst, über den an anderer Stelle aber noch ausreichend berichtet wird. Hier
beschäftigen wir uns mit dem heutigen Wetter bzw. den synoptischen
Rahmenbedingungen, die dafür verantwortlich zeichnen. Im Bodendruckfeld ist die
Sache relativ klar: umfangreiches Hoch (QUINTIN) über dem Ostatlantik und dem
Europäischen Nordmeer mit Zentrum über der Norwegischen See. Für uns bedeutet
das Hochrandlage mit nordöstlichen Winden, die in den Norden trockene und mäßig
warme, kontinental geprägte Luftmassen transportieren (T850 5-7°C). So konnten
heute Morgen abseits der Küsten nicht nur einstellige Taupunkte, sondern auch
ein gering bewölkter oder klarer Himmel beobachtet werden. In Quickborn vor den
Toren Hamburgs hat es in der Nacht auf 3,8°C abgekühlt, Worpswede-Hüttenbusch
nördlich von Bremen meldete gar leichten Frost in Bodennähe - der Herbst kommt,
allerdings noch nicht heute. Da scheint heute in Norddeutschland häufig die
Sonne, auch wenn sich aus der trockenadiabatisch geschichteten Grundschicht
heraus (Absinkinversion bei rund 800 hPa) ein paar tagesgangbedingte Quellungen
bilden werden. Im Nordosten, wo die Inversion etwas höher liegt, sind von der
Ostsee sogar ein paar schwache Schauer möglich (angesichts der relativ hohen
Wasseroberflächentemperatur und 850-hPa-Temperaturen von rund 5°C kann man sogar
von einem gewissen Lake-Effekt sprechen). Mit 19 bis 24°C, Richtung südliches
Emsland vielleicht 25°C, verabschiedet sich der Sommer auf einem moderaten
thermischen Niveau.

Vom Norden in die Mitte und den Süden, wo die Sachlage eine etwas andere ist.
Dort ist die Luftmasse nicht nur feuchter (Süden mehr als Mitte), sondern auch
etwas labiler. Außerdem gilt es nun auch mal ein oder mehrere Blicke in die Höhe
zu werfen, weil sich sonst die Wetterentwicklung schwer erklären lässt. Wie in
den vergangenen Tagen auch schon ist der Forecaster gut beraten, die Auflösung
der Potenzialfelder nach oben zu schrauben, damit einigermaßen was zu erkennen
ist. Tut man das zunächst mal großräumig, fällt ein umfangreicher Rücken über
dem nahen Atlantik und dem Nordmeer ins Auge, der äußerst harmonisch mit dem
o.e. Bodenhoch korrespondiert. Als Konterpart agiert ein Trog über dem
fennoskandischen Raum, der dort meridional exponiert ist, Richtung Mittel- und
Westeuropa aber deutlich zurückhängt und quasi in eine zonale und zunehmend
diffuse, weil in kurzwellige Anteile zersplitterte Potenzialrinne übergeht. Bei
uns wird die Lage von einem kleinen, aber durchaus griffigen Randtrog geprägt,
der heute früh mit negativ geneigter Achse über dem Westen und Südwesten liegt.
Auf seiner diffluenten Vorderseite wird durch Advektion zyklonaler Vorticity
(gemeinhin PVA genannt) synoptisch-skalige Hebung generiert, die wiederum auf
eine dankbare Luftmasse trifft (siehe oben). Die Folge sind schauerartig
verstärkte Regenfälle mit eingelagerten Gewittern, die von BaWü bis hinüber ins
südliche Alpenvorland sowie nach Norden hin bis ins südliche Rheinland reichen.
Lokal liegen die Stundensummen bei über 10 l/m², womit klar ist, dass der Fokus
beim Regen und den Gewittern eindeutig auf Starkregen liegt.

Das wird sich auch in den nächsten Stunden und den ganzen Tag über nicht ändern,
wenn der Randtrog in seinem Südteil Süddeutschland ostwärts passiert. Damit
verlagert sich der Schwerpunkt der Regenfälle mehr und mehr in die Südhälfte
unseres südöstlichsten Freistaats, wobei weiterhin einzelne eingelagerte
Gewitter wahrscheinlich sind. Für´s große Feuerwerk reicht es nicht zuletzt
mangels Einstrahlung aber nicht. Die warnende Meteorologenschaft muss bei PPWs
von 25 bis 30 mm nach wie vor auf Starkregen achten, sei es innert kurzer Zeit,
sei es auch mal in 2-3 Stunden. Gerade im Bereich der Donau sowie südlich davon
kann lokal vielleicht auch mal das Unwetterkriterium gerissen werden, auch wenn
die Signale seitens ICON-D2 nicht überbordend ausfallen. Wie schnell es gehen
kann, hat man heute früh in Lindau gesehen, wo binnen einer Stunde rund 30 l/m²
runtergekommen sind - prognostisch in so einem konvektiv durchsetzten
"Regenkuchen" nahezu unmöglich in den Griff zu bekomme, wenn man nicht mit
Kanonenkugeln auf Spatzen schießen möchte.

Das kleine Regengebiet im Westen kommt aufgrund des zurückhängenden, sich kaum
bewegenden Randtroges nur noch wenig ost-südostwärts voran, wobei es zusehend
diffuser wird. Ungewittriger Starkregen ist eher unwahrscheinlich, dafür kann -
auch rückseitig - hier und da mal ein perfides, weil im Vorfeld schwer
detektierbares Gewitter aufleben (max. markant wegen Starkregen). Einzelne
Gewitter sind im Tagesverlauf allgemein im Südwesten noch möglich. Zwar ist die
Trogachse dann schon durch, es findet aber kein wirklicher Luftmassenwechsel
statt. Und da die Wolkendecke von Frankreich und BeLux her schon heute
Morgen/Vormittag beginnt aufzureißen, wird mit Hilfe der nachfolgenden
Einstrahlung etwas ML-CAPE (laut Numerik in der Spitze um oder etwas über 500
J/kg) generiert. Die Auslösetemperatur von 20 bis 25°C wird erreicht und mit
Unterstützung der Orografie sowie lokaler Windkonvergenzen dürfte es für die
eine oder andere Überentwicklung mit Schwerpunkt Starkregen reichen. Während die
Temperatur im regnerischen Südbayern Schwierigkeiten hat, die 20°C-Marke zu
erreichen, geht es am Rhein und seinen Nebenflüssen hoch auf 25 bis 27°C, also -
standesgemäß - mit einem Sommertag am letzten Sommertag.

In der Nacht zum Donnerstag drückt von der Nordsee her ein Höhenkeil nach
Norddeutschland rein. Dadurch wird die Potenzialrinne etwas nach Süden
geschoben, was aber keine nennenswerten Konsequenzen hat. Es werden keine
Hebungsprozesse mehr ausgelöst und da auch noch der Tagesgang dazukommt,
verwundert es nicht, dass sich das Wetter alsbald beruhigt. Anfänglich vor allem
in Südostbayern noch auftretender Regen (oder Gewitter) schwächen sich zusehends
ab. Die Wolkendecke lockert vielerorts auf, wobei sich im Süden in der vom Regen
angefeuchteten Grundschicht teils dichter Nebel bildet. Ansonsten nur noch der
Hinweis, dass an der Ostseeküste Vorpommerns einzelne diabatisch getriggerte
schwache Schauer möglich sind. Und dass die Temperatur auf 14 bis 7°C, an der
See auf rund 16°C zurückgeht.

Donnerstag... zieht sich das Zentrum des Bodenhochs in Richtung Spitzbergen
zurück. Es bleibt aber ein prominenter Keil übrig, der sich bis zur Nordsee und
nach Polen erstreckt. Gestützt wird dieser durch den o.e. Höhenkeil, der sich
von der Nordsee her noch etwas weiter landeinwärts ausweitet. Das wiederum hat
eine weitere Verlagerung der südlich anschließenden Potenzialrinne gen Süden zur
Folge, wobei sie sich beginnt aufzufüllen. Kurzum, summa summarum ein
vergleichsweise antizyklonales Setup, das deutschlandweit für einen ruhigen
Donnerstag sorgt. Hinzu kommt ja auch noch, dass mit dem leicht auflebenden
Ost-Nordostwind die feuchte Luftmasse im Süden immer mehr ausgeräumt wird. So
liegt z.B. das PPW am Nachmittag meist nur noch unter 20 mm.

Vor diesem Hintergrund ist die morgige Wettergeschichte rasch erzählt. Nach
vielfach sonnigem, im Süden stellenweise nebligem Tagesbeginn bilden sich im
Verlauf Quellwolken, die im Südosten am dichtesten ausfallen und dort für eine
etwas reduzierte Bilanz der Sonnenscheindauer sorgen. Insbesondere in
Südostbayern ist auch noch ein kurzer Schauer möglich, weil sich die
Absinkinversion noch im Aufbau befindet und bei rund 700 hPa relativ hoch liegt.
Schwache Schauer sind auch weiterhin von der Ostsee her in Vorpommern möglich
(ausreichend Grundschichtfeuchte, Inversion bei 750 hPa). Im großen Rest der
Republik bleibt es aber meist trocken bei Tageshöchstwerten von 19 bis 24°C, im
Westen und Südwesten bis zu 27°C.

In der Nacht zum Freitag weiten sich Höhen- und Bodenkeil noch etwas weiter nach
Süden bzw. Südosten aus. Die Tagesquellungen werden kleiner respektive lösen
sich ganz auf, so dass die Nacht verbreitet gering bewölkt oder klar verläuft.
In der trockenen Luftmasse ist Nebel kaum ein Thema, dafür fällt die
Abkühlungsrate mit Tiefstwerten von 14 bis 8, lokal bis 6°C ziemlich prominent
aus. Nur direkt am Meerwasser bleibt es noch etwas milder.

Freitag... bekommt der Höhenkeil Unterstützung von einem flachen Rücken, der von
Westen zu uns reinwandert, um letztlich mit dem Keil zu fusionieren. Unter dem
Strich beschert uns das einen meist sonnigen Tagesstart, bevor sich später die
obligatorischen Quellwolken bilden. Diese sind zunächst lockerer Natur, so dass
sie die direkte Strahlung nur sehr eingeschränkt dämpfen. Am Nachmittag und
Abend allerdings gilt es dann den Fokus etwas detaillierter auf den äußersten
Südwesten sowie den Alpenrand zu legen. Dort ist sowohl eine leichte
Feuchteakkumulation als auch eine Labilisierung der Luftmasse zu erkennen.
Letztere wird u.a. diabatisch, aber auch durch niedertroposphärische WLA
(Anstieg T850 von rund 11°C am Morgen auf rund 14°C am Abend) bewerkstelligt.
Darüber hinaus nähert sich von Frankreich eine rinnenartige Tiefdruckzone, so
dass die Wahrscheinlichkeit einzelner Gewitter zunimmt. Die Numerik ist aktuell
aber noch zurückhaltend hinsichtlich konvektiver Umlagerungen, was sich auch in
geringen CAPE-Werten widerspiegelt, die zudem noch gedeckelt sind. Trotzdem, so
ganz sollte man den gemeinhin anfälligen Schwarzwald und den Alpenrand nicht aus
den Augen verlieren. Wenn´s rumst, steht Starkregen ganz oben auf der Liste der
begleitenden Parameter.

Die Temperatur steigt in der Osthälfte auf 21 bis 25°C und in der Westhälfte auf
24 bis 28°C. An Küstenabschnitten mit auflandigem Wind (dieser kommt nach wie
vor aus östlichen Richtungen) bleibt es etwas kühler, wobei der Wind über der
Deutschen Bucht vor allem zum Nachmittag hin stark böig auffrischt
(Gradientzunahme durch Annäherung der o.e. Rinne). Ob das letztlich für eine
Warnung reicht z.B. auf den Ostfriesischen Inseln oder auf Helgoland, bleibt
abzuwarten.

In der Nacht zum Samstag nähert sich von Frankreich her ein neuerlicher Randtrog
bei allerdings weiterhin extrem schwachen Potenzialgradienten. Außerdem
zerfleddert der Trog immer mehr, was auf Kosten seiner Kontur geht. Trotzdem
kommt im Südwesten Hebung auf, was aber auch an der langsam übergreifenden
Bodenrinne liegt, die quasi die Vorderseite eines hochreichenden Tiefs knapp
westlich von Irland markiert. Die Modelle sind sich einig, dass es im Südwesten
zu schauerartigen Regenfällen und einzelnen Gewittern mit lokaler
Starkregengefahr kommt. Uneins ist sich Numerik allerdings noch bezüglich der
genauen räumlichen Ausdehnung. So könnten bestenfalls das südliche NRW,
Südhessen und fast ganz BaWü was abbekommen (offensivste Variante von IFS). ICON
und UK10 hingegen setzen auf kontrollierte Defensive und dehnen die
Niederschläge nicht so weit aus. Abwarten heißt hier die Devise.

Fakt ist, dass der größte Teil des Vorhersageraums außen vor bleibt und eine
meist gering bewölkte oder klare Nacht erlebt. Dabei kühlt die Luft auf 15 bis
7°C ab.

Modellvergleich und -einschätzung
--------------------------------------------------------------
Im Großen und Ganzen simulieren die Modelle die Entwicklung ähnlich. Dass das
beim Niederschlag und den Gewittern nicht ganz so gut funktioniert, ist
hinlänglich bekannt. Lagen wie die heutige mit viel Wasser und wenig Eis in der
Luftsäule gehören für Prognostiker und Warnmeteorologen zu den undankbarsten,
weil auch das Remote-Sensing sowie die Anschlussverfahren an ihre Grenzen
stoßen. Als Beispiel sei das RH-Produkt erwähnt, das stellenweise mit dem
Quotienten 1:1 verwendet werden kann, in anderen Regionen aber wieder zu hohe
Werte anzeigt. Unschön, aber nicht zu ändern. Warnstrategisch sollte im Süden
offensiv gewarnt werden, auch wenn die FAR dadurch zu hoch ausfällt.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann