DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

30-08-2022 07:01
SXEU31 DWAV 300800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 30.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa
Heute Nachmittag/Abend im Südwesten erste vereinzelte kräftige Gewitter möglich,
kommende Nacht und Mittwochvormittag im Südwesten und Süden gebietsweise
Starkregen, teils gewittrig, Unwetterwahrscheinlichkeit eher gering,
Mittwochnachmittag dort noch einzelne kräftige Gewitter.


Synoptische Entwicklung bis Donnerstag 24 UTC
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Dienstag... befindet sich Deutschland an der Südflanke eines umfangreichen und
kräftigen, weite Teile Nordwest- und Westeuropa überdeckenden Hochdruckgebietes
mit Schwerpunkt über dem Nordmeer. Das Hoch wird gestützt durch einen
blockierenden Höhenkeil, der vom Seegebiet knapp westlich der Britischen Inseln
über das Nordmeer nordwärts reicht und weitet sich im Tagesverlauf noch etwas
Richtung Skandinavien bzw. zur südlichen Nordsee aus. An der Südflanke des Hochs
gelangt von Nordosten her relativ trockene Festlandsluft ins Vorhersagegebiet.
Im Norden und vor allem im Nordosten wurde diese allerdings durch Überströmen
der warmen Ostsee unterhalb einer Absinkinversion (in etwa 750 hPa) deutlich
angefeuchtet, so dass der Tag dort mit teils dichten Wolkenfeldern beginnt, die
sich im Bereich der Inversion ausgebreitet haben. Gleichzeitig reicht, ausgehend
von einem Langwellentrog über dem Norden und Osten Skandinaviens bzw.
Nordosteuropa, ein recht breit angelegter, aber insgesamt flacher bzw.
konturarmer Randtrog über die südliche Ostsee und Norddeutschland ostwärts bis
nach England. Dieser wird zwar im Tagesverlauf mehr und mehr abgebaut, dennoch
sorgt ein kurzwelliger Anteil, der an der Südflanke des Troges aktuell über
Norddeutschland hinweg ostwärts geführt wird, vor allem auch
niedertroposphärisch für etwas dynamischen Hebungsantrieb innerhalb der dort bis
zur Inversion fast feuchtegesättigten Luftmasse. Die Folge sind leichte, teils
schauerartige (Niesel)regenfälle, die vor allem in der zweiten Nachthälfte im
Nordosten für die geringe vertikale Erstreckung der Luftmasse gar nicht mal so
geringe Mengen gebracht haben. In Grünow (Nordbrandenburg) fielen zwischen 5 und
6 Uhr sogar 5 l/qm innerhalb von einer Stunde, meistens waren es allerdings
weniger als 1 l/qm. Die Wolken kommen vielleicht noch etwas nach Süden voran,
lockern aber vor allem nach Westen zu mit Abzug des Troges mehr und mehr auf und
nachmittags bleibt es dann, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch in der
Osthälfte meist trocken.
Im übrigen Land beginnt der Tag überwiegend gering bewölkt oder wolkenlos, vor
allem in der Mitte kann sich die Festlandsluft mit einstelligen Taupunkten voll
entfalten, während sie im Süden und Südwesten die dort vorher noch lagernde
feuchte Luftmasse nicht komplett verdrängen konnte, so dass es stellenweise
sogar Nebel gab.
Während der kurzwellige Troganteil mangels potenter Luftmasse also nur wenig
Wetterwirksamkeit entfaltet, sieht das im Südwesten im Tagesverlauf etwas anders
aus. Diese Region gerät nämlich am Nachmittag und Abend zunehmend auf die
Vorderseite eines weiteren, nur in hoher gpdam-Auflösung erkennbaren, aber etwas
schärfer konturierten Kurzwellentroges, der am Abend den Nordosten Frankreichs
erreicht. Zwar splittet sich dieser Trog in (mindestens) zwei Anteile, wobei der
nördlichere weit nach Westen zurückhängt und kann somit seine volle Wirksamkeit
nicht entfalten, dennoch wird durch PVA etwas dynamische Hebung generiert, die
auch Baden-Württemberg erfasst. Im gesamten Südwesten wird die Luftmasse somit
im Tagesverlauf zunehmend labilisiert, gleichzeitig weitet sich von Frankreich
her eine flache Tiefdruckrinne dorthin aus. Die PPW-Werte steigen zum Abend hin
im Bereich Schwarzwald/Südbaden/Oberschwaben auf nahe 30 mm, vorher kann noch
durch Einstrahlung nach Lesart des ICON-D2 stellenweise mehr als 500 J/kg
ML-Cape generiert werden. Entsprechend simulieren sowohl ICON-D2 als auch
SuperHD dort am (späten) Nachmittag und Abend einzelne kräftige Gewitter. Als
Begleiterscheinung steht vor allem der Starkregen im Fokus, ICON-D2-EPS hat
sogar gar nicht mal so geringe Wahrscheinlichkeiten für Unwetter-Starkregen (im
aktuellen 03 UTC-Lauf im Hegau) auf der Agenda. Kleinkörniger Hagel bzw.
Hagelansammlungen und stürmische Böen (je nach Grundschichtfeuchte auch
Sturmböen) sind ebenfalls möglich.
Im übrigen Land scheint dagegen bei nur wenigen Wolken die Sonne und es bleibt
trocken.
Die Temperatur in 850 hPa steigt im Bereich der Rinne in der Südwesthälfte auf
11 bis 15 Grad, während sie im Norden und Osten zwischen 6 und 10 Grad verharrt.
Entsprechend werden dort nur Höchstwerte zwischen 19 und 24 Grad erreicht, sonst
wird es mit 25 bis nahe 30 Grad (Rhein) sommerlich warm.

In der Nacht zum Mittwoch nimmt der auf Süddeutschland übergreifende
Kurzwellentrog Verbindung zum Randtrog bzw. zur übrig gebliebenen Potenzialrinne
über Norddeutschland und der südlichen Nordsee auf, wobei sich ein kleinräumiges
Höhentief über den Niederlanden abspaltet, das mit Mittwochfrüh nach
Unterfranken zieht. An dessen Süd- und Ostflanke wird beständig, wenn auch nur
kleinräumig und diffus, aufgrund von PVA dynamische Hebung generiert, in erster
Linie über dem Südwesten und zunehmend auch äußersten Süden des Landes. Da sich
dieser gesamte Trogkomplex in mehrere kleinräumige Anteile aufsplittet und auch
in den hochaufgelösten Modellfeldern kaum klare Strukturen erkennbar sind,
gestaltet sich die Vorhersage der räumlichen Verteilung der konvektiv
durchsetzten Niederschläge als ziemlich schwierig, zumal die Modelle, auch die
Konvektion erlaubenden, noch recht unterschiedliche Lösungen an. Das
plausibelste Szenario sind Schauer und Gewitter, die sich vom Südwesten noch
etwas nach Norden (Richtung Nordbaden, der Pfalz und das Saarland, eventuell
auch noch bis zum Hunsrück) und nach Osten (Alpen, Alpenvorland) ausweiten, sich
aber vor allem nach Norden zu aufgrund des Entrainments trockener Festlandsluft
mehr und mehr abschwächen. MU-Cape steht vor allem im Westen und Süden
Baden-Württembergs sowie in Südbayern zur Verfügung, die Scherung bleibt (mal
abgesehen von bodennaher Richtungsscherung im Südwesten) marginal. Somit
organisieren sich die Gewitter eher zu Multizellencluster und vor allem in der
Südwesthälfte Baden-Württembergs (erste Nachthälfte) sowie an den Alpen und im
südlichen Alpenvorland (dort eher zweite Nachthälfte) hat ICON-D2-EPS
Wahrscheinlichkeiten für teils mehrstündigen (und gebietsweise eventuell auch
ungewittrigen) Starkregen auf der Agenda. Unwetterartige Mengen zeigen aber
lediglich lokal eng begrenzt wenige Einzelläufe, viel zu wenig für eine
eventuelle Vorabinformation.
Auch im Westen und in der Mitte Deutschlands werden die Wolken allgemein etwas
dichter, im Norden und Nordosten kann sich unterhalb der dort nach wie vor
markanten Absinkinversion gebietsweise wieder dichtere SC-Bewölkung ausbreiten,
teilweise bleibt es dort aber auch gering bewölkt. Dann kann die Nacht dort
abseits der Küsten recht frisch ausfallen mit Tiefstwerten zwischen 10 und 6
Grad. Ansonsten liegen die Minima zwischen 17 und 10 Grad, am mildesten bleibt
es am Oberrhein sowie an einigen Küstenabschnitten.

Mittwoch... bleiben die diffusen Strukturen über dem Vorhersagegebiet erhalten.
Das Höhentief kommt über Franken ein wenig ostnordostwärts voran, ein etwas
besser strukturierter, aber an Kontur verlierender kurzwelliger Troganteil zieht
an dessen Südflanke über Südbayern hinweg allmählich nach Osten. Weiter westlich
folgen weitere flache Kurzwellentröge, von denen einer nach Lesart des ICON-D2
über Nordostfrankreich eine recht kräftige Gewitterlinie generiert, die sich
aber abends noch knapp westlich des Vorhersagegebietes auflöst.
Mit der Ostverlagerung des oben genannten Troganteils kommen die schauerartigen,
teils auch mit Gewittern durchsetzten Regenfälle über dem Süden
Baden-Württembergs nach Osten voran und überqueren auch die Südhälfte Bayerns,
wobei nach wie vor gebietsweise mit teils mehrstündigem Starkregen zu rechnen
ist. Signale für Unwetter, hat ICON-D2 dabei am ehesten am Alpenrand sowie
nachmittags Richtung Bayerwald auf der Agenda, diese fallen aber schwach aus und
schwanken von Lauf zu Lauf etwas. Nach Abzug der Regenfälle, die im Osten
Bayerns wohl bis in die Nacht zum Donnerstag (bei abnehmender Intensität)
andauern, lockern die Wolken vor allem in Baden-Württemberg am Nachmittag wieder
auf. Dort kann dann noch etwas Cape generiert werden (nach ICON-D2 sogar
kleinräumig mehr als 500 J/kg) so dass sich vor allem orographisch getriggert
erneut einzelne Gewitter entwickeln können, die sich durch eine geringe
Zuggeschwindigkeit auszeichnen, so dass bei PPW-Werten um oder knapp über 25
Grad erneut Starkregen im Fokus der Begleiterscheinungen steht, Unwetter
punktuell nicht ganz ausgeschlossen. Insgesamt kann sich diese feuchtere und
labilere Luftmasse über Rheinland-Pfalz auch bis in den Süden NRWs bzw. nach
west- und Südhessen ausweiten, so dass auch dort einzelne Schauer und Gewitter
nicht ausgeschlossen sind.
Im übrigen Land bleibt es aber im Einflussbereich der an der Südflanke des
quasistationären Nordmeerhochs einströmenden Festlandsluft trocken und auch im
Nordosten scheint die Sonne nun häufiger als am Vortag. Mit Durchzug des flachen
Troges sinken die 850 hPa-Temperaturen auch im Südwesten wieder und bewegen sich
um 18 UTC zwischen 5 Grad im Norden und 11 Grad im Süden/Südwesten. Somit
erreichen die Höchsttemperaturen Werte zwischen 19 Grad bei auflandigem Wind an
den Küsten sowie unter den dichten Wolken im Südosten (dort bleibt es
gebietsweise auch noch kühler) und 25, vielleicht 26 Grad mit mehr Sonne an
Rhein, Mosel und Untermain.

In der Nacht zum Donnerstag verstärkt sich, ausgehend von der Höhenantizyklone
über dem Nordmeer bzw. der Norwegischen See, ein nach Nord- bzw. Ostdeutschland
gerichteter Höhenkeil. An dessen Nordostflanke gelangt mit auf Nord drehender
Höhenströmung auch niedertroposphärisch relativ kühle Luft aus dem
skandinavischen Raum in den Nordosten und äußersten Norden des Landes (4 Grad in
850 hPa). Diese strömt über die recht warme Ostsee und kann dort unterhalb der
auf nahe 700 hPa steigenden Inversion deutlich labilisieren, so dass es durch
Lake Effekt an der vorpommerschen Küste eventuell auch für einzelne Schauer
reicht.
Das Höhentief über Nordbayern füllt sich allmählich auf, übrig bleibt aber nach
wie vor eine flache Potenzialrinne, die sich über Süddeutschland und
Nordfrankreich hinweg bis zur Biskaya erstreckt. Somit ist im Laufe der Nacht
auch über dem Südosten kein nennenswerter dynamischer Hebungsantrieb mehr
auszumachen und die Regenfälle über Teilen Süd- und Ostbayerns klingen
allmählich ab, kommen aber nicht überall zum Erliegen. Für warnrelevante Mengen
sollte es aber kaum mehr reichen.
Weiter westlich klingen die einzelnen Schauer und Gewitter in der ersten
nachthälfte rasch ab und die Wolken lockern auf. Vor allem im Norden und Westen
und zunehmend auch in der Mitte ist es oft gering bewölkt. Sollten die Wolken im
Südwesten stärker auflockern, kann sich dort Nebel bilden. Die Tiefstwerte
liegen meist zwischen 15 und 8 Grad, an den Küsten bleibt es teils milder.


Donnerstag... zieht sich das Bodenhoch mit seinem Schwerpunkt ins Seegebiet
nördlich des Nordkaps zurück, nach wie vor erstreckt es sich aber, gestützt
durch den robusten, inzwischen von Norddeutschland bis nach Spitzbergen
reichenden Höhenrücken bzw. -keil, über das Nordmeer und Skandinavien bis zur
Nordsee und ins östliche Mitteleuropa. An dessen Südflanke kann sich die
trockenere Festlandsluft im Einflussbereich der dort allmählich an Kontur
verlierenden, aber quasistationären Potenzialrinne nur zögernd auch wieder im
Südwesten und Süden Deutschlands durchsetzen, so dass es in Teilen Bayerns eher
bewölkt bleibt und vor allem nach Lesart des ICON-EUs stellenweise auch noch
etwas Regen fallen kann. An den Alpen könnte die Luftmasse mit etwas
Einstrahlung auch noch so weit labilisieren, dass es für einzelne Gewitter
(lokal eng begrenzt mit Starkregen) reicht.
Ansonsten steht aber bei im Tagesverlauf mäßig auffrischendem Ostwind ein
wettertechnisch ruhiger Tag auf der Agenda. Vor allem im Bereich der Ostseeküste
reicht es durch den Lake Effekt am ehesten noch am Vormittag noch für einzelne
Schauer, sonst bleibt es trocken. Außer im Südosten scheint vielerorts bei nur
wenigen Quellwolken (Absinkinversion in 700 hPa) die Sonne, am häufigsten im
Nordwesten und Westen. Die 850 hPa-Temperatur erreicht Werte zwischen 4 Grad im
Nordosten und 11 Grad im Südwesten, somit liegen die Höchstwerte zwischen 19
Grad an der Ostsee und bei dichter Bewölkung stellenweise im ostbayerischen
Bergland bzw. an den Alpen und 26, vielleicht 27 Grad im Westen und Südwesten.

In der Nacht zum Freitag zieht sich die Potenzialrinne nach Tschechien zurück,
ansonsten ändert sich an der großräumigen Konstellation nur wenig. Nach und nach
sickert die trockenere Festlandluft nun auch in den süddeutschen Raum, so dass
es auch in Bayern, nachdem sich eventuelle Gewitter an den Alpen aufgelöst
haben, trocken bleiben sollte. Innerhalb der noch relativ feuchten Grundschicht
kann sich aber gebietsweise Nebel bilden.
Auch sonst bleibt es locker bis gering bewölkt, vielerorts im Laufe der Nacht
auch wolkenlos, durch Lake Effekt können sich über der pommerschen Bucht und
rund um Rügen aber wieder einzelne Schauer entwickeln. Mit Tiefstwerten zwischen
14 und 7 Grad fällt die Nacht recht frisch aus, nur an den Küsten bleibt es
milder.

Modellvergleich und -einschätzung
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Abgesehen von der Niederschlagsentwicklung in der kommenden Nacht und am
Mittwoch lassen sich keine warn- und prognoserelevanten Modellunterschiede
ausmachen.
Kleinräumig sind bzgl. Starkregen unwetterartige Entwicklungen nicht
ausgeschlossen, dennoch sind wir weit entfernt von einer Unwetterlage.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Winninghoff