DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

29-08-2022 08:01
SXEU31 DWAV 290800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 29.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: HNa (Hoch Nordmeer antizyklonal)

Unspektakulärer Wochenstart. Erst ab Dienstagabend im Südwesten und Süden wieder
"Wetter" in Form von lokalen Gewittern und regionalen Starkregenfällen.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... muss man wie schon in den vergangenen Tagen kräftig an der
Auflösungsschraube drehen, um in den Geopotenzial- und Luftdruckkarten
einigermaßen Struktur zu erkennen. Gerade das Potenzialfeld ist extrem flau über
weiten Teilen Kontinentaleuropas und eine Frontalzone oder etwas Ähnliches
scheint gar nicht zu existieren. Auf alle Fälle liegt Deutschland unter einer
schwachen westlichen Höhenströmung, in der ein eingelagerter flacher Rücken
heute über uns von West nach Ost hinwegwandert. Dabei interagiert er mit einem
quasistationären Bodenhochkeil, der sich ausgehend von einem äußerst prominent
aufgestellten Hoch über der Norwegischen See (QUINTIN) bis nach Mitteleuropa
erstreckt. Bei uns ist der Keil zonal ausgerichtet, heißt, seine Divergenzachse
verläuft heute Mittag etwa über die Mitte des Landes. Nördlich davon wird von
Norden her eine mäßig warme und vor allem in der Grundschicht angefeuchtete
Luftmasse advehiert (T850 7 bis 10°C), die in weiten Teilen Norddeutschlands für
einen wolkigen bis stark bewölkten Tag sorgt. Hauptverantwortlich dafür zeichnen
neben einigen Cirren im Tagesverlauf zunehmende Quellungen, die zumindest
gebietsweise an der bei rund 800 hPa positionierten Absinkinversion derart
breitlaufen, dass zeitweise kaum oder keine direkte Sonnenstrahlung auf
norddeutsches Territorium trifft. Hier und da können sogar ein paar schwache
Koaleszenzschauer auftreten, wie am frühen Morgen schon in den küstennahen
Gebieten von Nord- und Ostsee beobachtet. Je weiter man allerdings in SH nach
Norden kommt, aber auch direkt an der Nordsee, desto größer die Chancen auf
sonnige Abschnitte oder gar längeren Sonnenschein.

Vom Norden in die Mitte und in den Süden, also in die Regionen, die im Bereich
der Divergenzachse bzw. südlich davon liegen. Insbesondere in der nördlichen
Mitte ist die eingeflossene Meeresluft deutlich abgetrocknet, wie die
einstelligen Taupunkt und die niedrigen Temperaturen von heute früh
eindrucksvoll belegen (im Rothaargebirge wurden lokal unter 5°C in 2 m Höhe
gemessen). Hier dürfte mit Cumulusbewölkung kein allzu großer Staat zu machen
sein (was einige flache Cu hum nicht ausschließt), so dass trotz einiger hoher
Wolkenfelder meist die Sonne scheint. Das trifft auch für den Süden zu, wo die
Luft noch etwas feuchter ist und sich der Nebel rasch auflösen wird.

Während es im meist bewölkten Norden nicht wärmer als 19 bis 23°C wird, erwärmt
sich die Luft im Rest des Landes (T850 10 bis 15°C) auf 24 bis 29°C. Zwar lebt
der nordwestliche bis nordöstliche Wind tagesgangbedingt und der Hochrandlage
entsprechend (leicht supergeostrophische Komponente) mitunter leicht böig auf
(am spürbarsten im Nordosten), der Warnhebel muss deswegen aber nicht bedient
werden.

In der Nacht zum Dienstag tut sich herzlich wenig an der Großwetterlage. Okay,
über der Deutschen Bucht taucht gegen Morgen ein flacher Randtrog auf, der aber
außer vielleicht einiger Wolkenfelder über der Nordsee nix ausrichten kann.
Trotzdem gilt es zu konstatieren, dass sich im Norden und Nordosten die Wolken
vom Tage schwertun, sich aufzulösen respektive aufzulockern. Von daher bleibt
der wolkige bis stark bewölkte Charakter erhalten. Sollte es doch mal für
längere Zeit aufgehen, droht das eine oder andere Nebelfeld.

Zur Mitte und nach Süden hin verläuft die Nacht gering bewölkt oder klar. Durch
den tagsüber bewerkstelligen Abtransport von Grundschichtfeuchte nach oben ist
die Nebelneigung tendenziell geringer als in der Vornacht. Erfreulich - so
zumindest die Sichtweise des Verfassers - ist die nächtliche Abkühlungsrate, die
die Temperatur auf 15 bis 7°C zurückgehen lässt. Nur direkt am warmen Nord- und
Ostseewasser sowie örtlich im Südwesten bleibt es etwas milder. Dafür kann es in
einigen Senken und Mulden der zentralen und westlichen Mittelgebirge lokal noch
etwas frischer werden.

Dienstag... schwenkt der kleine Randtrog über den Küstenrum hinweg ostwärts.
Vorderseitig wird die Inversion im Nordosten zwar nicht wegrationalisiert, wohl
aber etwas angehoben. Die Grundschicht wird entsprechend gestreckt und die
Quellungen vertikal etwas mächtiger, was die Numerik mal etwas mehr, mal etwas
weniger mit einzelnen Schauer vornehmlich in den beiden Bundesländern MV und BB
würdigt. Auf alle Fälle präsentiert sich der Nordosten abzüglich der ostseenahen
Gebiete (dort viel Sonne) vielfach wolkig, mitunter auch stark bewölkt, während
im Nordwesten häufig die Sonne zum Zuge kommt. Dort machen sich das weiterhin
über der Norwegischen See thronende Hoch (etwas über 1030 hPa im Zentrum) sowie
eine mit Winddrehung auf Nordost einströmende trockenere Luftmasse bemerkbar.

Auch im großen Rest der Republik scheint am vorletzten Tag des meteorologischen
Sommers die Sonne. Zwar bilden sich im Verlauf des Tages einige Quellungen, die
zunächst aber nicht mehr als zeit- und räumlich begrenzten Schatten produzieren.
Das könnte sich allerdings ab den Abendstunden ändern, wenn sich von Frankreich
her ein weiterer Randtrog nähert, der deutlich schärfer geschnitten ist als das
flache Exemplar, das zuvor den äußersten Norden überquert. Der Trog ist einem
Höhentief über der Nordsee anhängig und weist vor allem nach Süden eine
diffluente Vorderseite auf. Es setzt leichter Druckfall ein, durch den sich eine
schwach ausgeprägte Tiefdruckrinne bis in den Südwesten Deutschlands ausweiten
kann. Und auch die Luftmasse im Süden wird langsam wieder labiler und
gesamttroposphärisch feuchter, was die Voraussetzungen für aktives Wetter
begünstigt. In BaWü wird gebietsweise ML-CAPE von über 500 J/kg angeboten. Wie
viel bis zum Abend tatsächlich passiert, wird von der Numerik derzeit noch nicht
ganz einheitlich simuliert. Nur Bewölkungsverdichtung oder doch schon konvektive
Umlagerungen? Auf alle Fälle sollte man die Gebiete vom Saarland und der
Südpfalz bis hinunter nach BaWü ebenso auf dem Schirm haben wie den
unmittelbaren Alpenrand. Schauerartiger Regen oder auch einzelne Gewitter sind
möglich, wobei einmal mehr lokaler Starkregen ganz oben auf der Agenda der
Begleiterscheinungen steht.

Noch ein Wort zur Temperatur, die im Osten und Norden auf maximal 20 bis 25°C,
in den übrigen Regionen auf 24 bis 29°C kommt.

Die Nacht zum Mittwoch wird im Südwesten nicht so ruhig wie die Nacht zuvor. Der
o.e. Randtrog rückt dichter an den Vorhersageraum heran und erzeugt dabei auf
seiner diffluenten Vorderseite synoptisch-skalige Hebung. Die wiederum generiert
bei wenig ausgeprägten Scherungsbedingungen gewittrig durchsetzte Regenfälle,
die einen großen Hang zur Verclusterung haben. Wahrscheinlich wird sich ein
sogenannter Regenkuchen bilden, in den einzelne Gewitter eingelagert sind. Sehr
unsicher ist derzeit noch die Intensität der Regenfälle sowie die genaue
zeit-räumliche Auflösung. Auffallend ist, dass ICON gegenüber den jüngsten
Vorläufen mächtig zurückgerudert ist was die Starkregengefahr angeht. Spitzen
von rund 50 (18-UTC-Lauf) oder gar 80 l/m² (12-UTC-Lauf) innert 12 h sind
komplett weggebügelt worden. Jetzt werden maximal nicht mal 10 l/m² simuliert,
was fast schon einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Ansonsten dürften Regen und
Gewitter vor allem BaWü sowie die Regionen nord- und nordwestlich davon treffen,
wobei die nördliche Expansion ebenfalls noch unsicher ist (IFS und UK10 gehen
hoch bis ins Rheinland, was sehr offensiv ist (auf alle Fälle offensiver als der
EffZeh gestern, das aber nur am Rande)). Trotz der sehr defensiven Rechnung von
ICON sollte das Thema Starkregen keinesfalls unter den Tisch fallen.

Für den großen Rest der Republik gibt es nicht viel zu schreiben: weiterhin
Hochrandlage, teils wolkig, teils klar, wenig Nebel, an der See leichte
Schauerneigung - das war´s. Fast, denn es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass
die Luft im Norden bei längerem Aufklaren örtlich auf rund 7°C abkühlt. Ja, ja,
es geht auf den Herbst zu...

Mittwoch... ... und das nicht nur bei den Nachttemperaturen. Auch formal geht´s
bald los, der Mittwoch jedenfalls markiert den letzten Tag eines in mehrerlei
Hinsicht bemerkenswerten meteorologischen Sommers 2022 (Vielen mag er aufgrund
der hohen Temperaturen und dem Überfluss an Sonnenschein in weiten Teilen ja
gefallen haben, aber niederschlagstechnisch war es vielfach eine einzige
Katastrophe). Wie auch immer, synoptisch schwenkt der Randtrog über
Süddeutschland gen Osten, wobei er zusehends an Kontur einbüßt. Derweil zieht
das Höhentief von der Nordsee gen Niederlande, was aber nur von peripherer
Bedeutung ist. Der Fokus bleibt auf den Süden gerichtet, wo es mit Trogpassage
zu weiteren Regenfällen und Gewittern kommt. Dabei besteht regional eng begrenzt
nach wie vor die Gefahr von Starkregen, wobei dieser nicht zwingend an Gewitter
gebunden sein muss, sondern auch ungewittrig und evtl. auch mehrstündig
auftreten kann (dafür sprechen u.a. die limitierte Labilität sowie das relativ
geringe Angebot an CAPE aufgrund der starken Bewölkung). Ganz ehrlich, was den
detaillierten Ablauf angeht, fischt der Verfasser noch etwas im Trüben, was
möglicherweise seiner beschränkten synoptischen Auffassungsgabe, ein Stück weit
aber auch den noch vorhandenen Modellunterschieden geschuldet ist. Schön wäre
es, wenn es wie von einigen Modellen angedeutet im Rhein-Main-Gebiet mal regnen
würde. Leider war es in den letzten Wochen aber so, dass die numerische
Regenprognose hier eher ein Kontraindikator war. Abwarten!

Je weiter wir im Land nach Norden und Nordosten sowie nach Westen gucken, desto
mehr rückt die Sonne in den Blickpunkt des Geschehens. Grund ist die aus dem
weiterhin über der Norwegischen See liegenden Hoch ausfließende trockene und
mäßig warme bis warme Luft (T850 5 bis 10°C), die sich von Nordosten ausbreitet.
Die Temperatur steigt verbreitet auf 19 bis 24°C, am Rhein und seinen
Nebenflüssen 25 bis 27°C.

In der Nacht zum Donnerstag soll es südlich der Donau vor allem nach IFS noch
einige Zeit regnen bei abnehmender Gewitterneigung. In den übrigen Landesteilen
passiert wettermäßig wenig bis nichts, obwohl sich eine zonale Potenzialrinne
über der Mitte etabliert. Konkret heißt das meist trocken bei unterschiedlichen
Bewölkungsverhältnissen bis hin zu klarem Himmel. Tiefstwerte 14 bis 7°C, direkt
an der See sowie örtlich im Südwesten etwas milder.

Modellvergleich und -einschätzung
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Niederschlagsprognosen sind eine sensible Angelegenheit und stellen eine echte
Herausforderung für Mensch und Maschine dar. Wenn dann auch noch
gradientschwache Bedingungen dazukommen, macht das die Angelegenheit nicht
leichter. Kurzum, und das klang ja auch schon im Haupttext an, die ab
Dienstagabend für den Südwesten und Süden erwarteten Regenfälle und Gewitter
werfen noch einige Fragezeichen hinsichtlich Intensität, Timing und räumliche
Exposition auf. Man darf gespannt sein, wie das Ganze letztlich ablaufen wird.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann