DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

27-08-2022 08:01
SXEU31 DWAV 270800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Samstag, den 27.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
NEz
Heute im Osten und Süden erneut teils schwere Gewitter mit lokal heftigem oder
extrem heftigem Starkregen, am Sonntag nach Osten abziehend bzw. in den
äußersten Süden verlagernd. Am Montag Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Montag 24 UTC
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Samstag... setzt sich gestern eingeleitete "Wasserbomben-Lage" mit lokalem
Platzregen nahtlos fort, wobei erneut vor allem der Osten und der Süden des
Landes betroffen sind. Ausgangspunkt ist eine in der Höhe ziemlich flaue
Geopotenzialverteilung, die über Polen und über der Nordsee von kleinen
Höhentiefs begleitet wird. Am Boden ist die Druckverteilung ebenfalls eher mau.
Über Mitteleuropa herrscht jedoch Tiefdruckeinfluss mit dem schwachen Tief
ORNELLA über Polen, während ein Azorenhochkeil bis zu den Britischen Inseln
reicht. Von Tief MELISSA mit Zentrum über dem Nordmeer, das dort mit einem
Höhentrog gekoppelt ist, erstrecken sich Ausläufer über Skandinavien hinweg bis
nach Deutschland. Am heutigen Samstagmorgen haben diese etwa eine Linie Fünen -
Hamburg - Frankfurt - Vogesen erreicht. Postfrontal sickert trockenere und etwas
kühlere Luft aus dem Nordwesten ein, präfrontal hingegen ist noch die
feucht-warme Luftmasse zu finden.
Aufgrund der Strömungsparallelität zeigen die Fronten über Deutschland kaum
Bewegung, was sich auch durch die Verwellung offenbart. Stellt sich also die
Frage, ob und wie diese Luftmasse zur Konvektion aktiviert wird? Auf der einen
Seite liefert das Höhentief über Polen vor allem über dem Osten Deutschlands
PVA, über dem Süden wird das durch einen Randtrog produziert. Das Höhentief über
der Nordsee leistet dagegen keinen Beitrag.
Im Osten und Süden sind folglich konvektive Umlagerungen zu erwarten. Labilität
ist vorhanden, aber nicht mehr so stark ausgeprägt wie gestern, was eine Folge
der Reste der stärkeren Bewölkung gestriger Schauer und Gewitter ist. ML-CAPE
wird etwa bis 1000 J/kg simuliert, über dem Osten ist zudem ein IPV-Maximum
vorhanden. Die PPW's liegen bei 30 bis 38 mm im Süden und bei 40 bis 45 mm im
Osten.
Die Modelle reagieren mit Schauern und Gewittern mit punktuell (extrem) heftigen
Regen bis in den Unwetterbereich mit 20 bis 40 l/qm in kurzer Zeit bzw. 30 und
60 l/qm binnen weniger Stunden. Im Vergleich zum Vortag sind die
Wahrscheinlichkeiten für extreme Mengen zwischen 40 und 60 l/qm in kurzer Zeit
schon geringer. Neben diesem Schwerpunkt über dem Osten, der bereits mit einer
Vorabinformation versehen wurde, bildet sich im Süden ein zweiter Schwerpunkt
von Baden-Württemberg bis in den Mitte und den Norden Bayerns aus. Im Vergleich
zum Osten sind die Regensignale aber schwächer, sodass eine Vorabinformation
sich nicht unbedingt aufdrängt.
Darüber hinaus geht es ab dem Nachmittag auch am Alpenrand zur Sache, wenn aus
den Alpen heraus ebenfalls kräftige Gewitter mit Starkregen aufziehen. Weil die
Ensembles ziemlich deutlich reagieren, soll diese Zone auch mit einer
Vorabinformation versehen werden.
Etwas untergeordnet bleiben heute die Begleiterscheinungen Wind und Hagel, da
Scherung, CAPE und Höhenwinde schwach sind.
Im Westen und Nordwesten scheint in der trockeneren Luft heute zeitweise die
Sonne und es bleibt trocken.
Der Wind spielt angesichts der Druckverteilung zunächst keine Rolle, sodass er
nur schwach bis mäßig aus zumeist nordwestlichen Richtungen weht. An der Nordsee
kommen nachmittags jedoch starke Böen um 55 km/h (Bft 7) auf, da sich der
Azorenhochkeil über den Britischen Inseln verstärkt, dort eine eigenständige
Zelle ausbildet und sich mit einem weiteren Schwerpunkt über Island verbindet
(QUINTIN I und II). Das erhöht zusammen mit dem Tief ORNELLA über Polen den
Gradienten.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 20 Grad an der Nordsee und bis 27 Grad im
Osten.

In der Nacht zum Samstag zieht das Höhentief von der Nordsee nach Dänemark,
während das Höhentief über Polen nun rasch nach Osten abwandert. Die über dem
Osten Deutschlands noch vorhandene Hebung wird dadurch in der zweiten
Nachthälfte wieder verstärkt. Über dem Süden ist ebenfalls noch Hebung durch
weitere kleine Randtröge zu sehen.
Mit dem Vorankommen des Höhentiefs über der Nordsee verlagert sich auch der
Frontenzug quer über Deutschland langsam nach Osten, während er nach Süden hin
kaum Boden gut macht. Die feucht-warme und labile Luftmasse wird daher
allmählich immer mehr in den Osten und nur ein wenig nach Süden abgedrängt.
Schauer und Gewitter konzentrieren sich damit auf die Regionen zwischen
Vorpommern und dem Erzgebirge (morgens nur noch auf die Regionen an der Oder)
sowie auf die Bereiche südlich der Donau. Weiterhin kann es Regenmengen lokal
bis hin zu Unwettern geben, vereinzelt auch bis hin zu extremen Unwettern. Die
Hebung sorgt insbesondere im Osten nochmals für höhere Niederschlagsmengen, was
sich auch in den Wahrscheinlichkeiten in den Ensembles wiederfindet. Wind und
Hagel bleiben bei kaum geänderten Bedingungen weiterhin untergeordnet.
In den anderen Regionen lockern die Wolken von Nordwesten her auf, vereinzelt
bildet sich bei Temperaturrückgang auf 17 bis 11 Grad unter Wolken und auf 14
bis 9 Grad sonst Nebel.
Dabei weht meist nur schwacher, im Norden teils mäßiger und an der Nordsee in
Böen weiter starker Wind aus West bis Nordwest. An der Ostsee frischt der Wind
in der zweiten Nachthälfte auch auf, sodass es dort ebenfalls vereinzelt starke
Böen geben kann.


Sonntag... nistet sich das Dänemark-Höhentief über dem Kattegat ein, wobei sich
dort ein kleines Bodentief innerhalb des Frontenzugs des Tiefs MELISSA, das nun
zur Barentssee weitergewandert ist, bildet. Über Deutschland wird der Frontenzug
(bzw. hier Kaltfront) in der westlichen Höhenströmung allerdings rasch nach
Osten abgeführt. Letzte vormittägliche Schauer und Gewitter lassen ab dem Mittag
nach bzw. ziehen dann nach Osten ab.
Im Süden dagegen wird die feucht-warme Luft nicht vollständig ausgeräumt. Immer
noch sorgen Randtröge für Hebung, was sich in weiteren Schauern und Gewittern
südlich der Donau äußert. Bei PPW's von 28 bis 35 mm können diese lokal wieder
unwetterartig ausfallen. Wind und Hagel bleiben weiterhin vernachlässigbare
Begleiterscheinungen bei kaum vorhandener Scherung bzw. CAPE meist nur zwischen
150 und 750, bzw. punktuell bis maximal 950 J/Kg.
Im Rest des Landes sorgt das Absinken des Hochs QUINTIN, dessen Schwerpunkt nun
zwischen Schottland und Island liegt, für meist heiteres Wetter. Im Norden sind
im Bereich des Höhentiefs etwas mehr Wolken unterwegs, an den Küsten kann
vereinzelt mal ein leichter Schauer durchziehen.
Der Wind weht im Süden schwach, sonst mäßig und im Norden teils frisch. An der
Nordsee und lokal auch an der Ostsee treten starke Böen um 55 km/h auf.
Die Temperaturen steigen auf 20 Grad an der Nordsee bis 27 Grad im Südwesten.

In der Nacht zum Montag wandert das Höhentief über dem Kattegat zur Südspitze
Schwedens weiter. Dahinter wölbt sich ein flacher Rücken auf, dessen Achse
morgens bereits über der Mitte Deutschlands liegt. Durch einen von Westen
hereinschwenkenden Keil des Hochs QUITIN, das nun auf das Nordmeer zusteuert,
steigt der Druck in der Mitte und im Süden. Letzte Schauer und Gewitter lassen
damit auch im Süden nach und die Wolken lockern auf. Im Norden ist dagegen noch
häufig starke Bewölkung in der Nähe zum Höhentief (und an gleicher Stelle dem
Bodentief) unterwegs, lokal gibt es schwache Schauer.
Der Wind weht schwach aus West bis Nord, an der Küste teils frisch und an der
Ostsee in Böen vereinzelt stark.
Die Tiefsttemperaturen liegen zwischen 16 Grad an der See und bis 7 Grad bei
längerem Aufklaren im Binnenland. Damit können sich vereinzelt Nebelfelder
bilden.

Montag... kehrt nach den turbulenten Tagen Ruhe ein. Im Bereich des flachen
Rückens bleibt die Höhenströmung antizyklonal gekrümmt, wobei Hoch QUINTIN über
dem Nordmeer seinen Einflussbereich weiter nach Deutschland ausdehnt. Das
Höhentief verlagert sich von Südschweden zum Bottnischen Meerbusen und damit
auch das an ihn gekoppelte Bodentief. Dadurch verliert es seinen Einfluss auf
Deutschland, womit Schauer an den Küsten immer weniger werden. Am längsten sind
sie noch in Vorpommern anzutreffen. Allerdings hinterlässt das Tief noch teils
stärkere Bewölkung.
An der Nordsee hingegen kann es neue Schauer geben, die sich im Zusammenhang mit
einem weiteren kleinen, dort aufziehenden Höhentief entwickeln.
Im Rest des Landes ist es heiter oder sonnig, im Berchtesgadener Land sind
vereinzelte Schauer oder noch Gewitter nicht ausgeschlossen.
Der Wind weht schwach, im Norden teils mäßig und an der vorpommerschen Küste in
Böen stark aus West bis Nordwest.
Die Höchsttemperaturen liegen zwischen 20 Grad im Norden und 29 Grad im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren recht ähnlich mit wie immer in solchen Lagen
Unterschieden im Detail. Das erschwert die Frage der Vorabinformation für
Baden-Württemberg und Teile Bayerns heute. Aufgrund der Erkenntnisse nur lokaler
Unwetterereignisse wird darauf (außer am Alpenrand) aber verzichtet.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Simon Trippler