DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-08-2022 08:01
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 15.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: Übergang von HFz (Hoch Fennoskandien zyklonal) zu TrW (Trog Westeuropa)

Heute vor allem im Norden und Osten, gedämpfter auch in den übrigen Regionen
auflebende Gewittertätigkeit mit lokaler Unwettergefahr durch Starkregen. Am
Dienstag Zwischenhocheinfluss, am Mittwoch von Westen neue Gewitter. Schwülwarm
bis -heiß.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... liegt Deutschland auf der Vorderseite eines Höhentroges über
Westeuropa und dem nahen Atlantik, der sich aus mehreren kurzwelligen Anteilen
bzw. kleinen Drehzentren zusammensetzt. Vorderseitige Hebung hat bereits in der
Nacht auf den Vorhersageraum übergegriffen und zu einzelnen Gewittern,
gebietsweise auch schauerartigen Regenfällen geführt (Westen, Süden, Teile der
Mitte). Heute früh ist das klassische Minimum konvektiver Aktivität erkennbar,
was sich im Tagesverlauf mit Sicherheit aber ändern wird. Dabei gilt es zunächst
den entscheidenden Randtrog zu nennen, der in den nächsten Stunden langsam
nord-nordostwärts über unser Land schwenkt und auf seiner Vorderseite im
Wesentlichen PVA-bedingte Höhendivergenz erzeugt. Mit anderen Worten,
insbesondere im Norden und Nordosten wird ein solides Quantum
synoptisch-skaliger Hebung generiert, die vor allem in der zweiten Tageshälfte
zu einer erhöhten Gewitteraktivität führt. Unterstützend kommt noch eine
ausgeprägte Tiefdruckrinne dazu (östliche Winde vs. Süd- bis Südwestwind), die
sich aktuell weitgehend zonal über den Nordwesten und die Mitte erstreckt, um in
den nächsten Stunden langsam gen Norden zu schwenken. Die Rinne ist der östliche
Ausläufer eines flachen, aber recht großräumigen Tiefs - es besteht aus den
beiden Damen KARIN und JELENA - über UK/Irland, Benelux und der südwestlichen
Nordsee. Komplettiert wird das Gesamtpaket durch eine potenziell instabile und
feuchte Subtropikluft (PPW teils über 35, lokal um 40 mm), die nur darauf
wartet, gehoben zu werden, um letztlich ordentlich abzuladen. Und so kommt es
wie es kommen muss, mit zunehmender Tageslänge und entsprechendem Energieinput
entwickeln sich zahlreiche Gewitter, die auf alle Fälle in der Liga "markant",
in Einzelfällen wahrscheinlich sogar in der Unwetterliga mitspielen. Zwar ist
kaum Scherung vorhanden (am ehesten ist noch die untere Richtungsscherung im
Bereich der Rinne zu nennen), was gegen eine lange Lebensdauer der Zellen
spricht. Zudem weisen die Gewitter offensichtlich cold-pool-bedingt eine gewisse
Mobilität auf, trotzdem ist Starkregen - auch wegen möglicher Doppeltreffer -
sehr wahrscheinlich. In einem von der Deutschen Bucht bis nach Sachsen
respektive zur Lausitz reichenden Korridor gibt es von ICON-D2-EPS erhöhte
Signale für unwetterartigen Starkregen > 25 l/m² innert kurzer Zeit, sogar
extremer Starkregen > 60 l/m² scheint demnach möglich. Größerer Hagel ist trotz
erhöhter CAPE-Werte von z.T. über 1000 J/kg aufgrund der mauen Scherung nur
wenig wahrscheinlich, dafür müssen größere Hagelansammlungen ins Kalkül gezogen
werden. Und auch beim Wind heißt es "Spitz pass auf", weil die Grundschicht
zunächst noch relativ trocken ist (inverse V-Struktur), was die Downburstgefahr
erhöht. So sollte von Böen 8-9 Bft auf alle Fälle ausgegangen werden und eine
vereinzelte "10" nicht überbordend verwundern, auch wenn damit sicherlich der
worst case beschrieben wird.

Und was geht im großen Rest der Republik (Süden/Westen/Mitte)? Hier breitet sich
mit südwestlichem Wind etwas weniger warme und auch etwas weniger feuchte Luft
aus (Rückgang T850 im Südwesten auf 12°C), die aber durchaus noch das Potenzial
hat, aktiviert zu werden. Wie das im Detail funktioniert, wird von den diversen
Modellen noch recht individuell betrachtet. Mal sind es eher
Einzelentwicklungen, die propagiert werden, teils werden Cluster angeboten
(SuperHD in Süddeutschland), summa summarum also eine etwas diffuse Gemengelage,
die eine genaue Einschätzung schwierig macht. Einigermaßen Einigkeit scheint
dahingehend vorzuliegen, dass in Alpennähe eine erhöhte Aktivität in Gang kommt
mit erhöhter Starkregengefahr bis in den Unwetterbereich, evtl. auch mehrstündig
(35 bis 50 l/m² in wenigen Stunden). Dazu sind wie im Nordosten größere
Hagelansammlungen und Sturmböen 9 Bft möglich. Am wenigsten in Sachen Konvektion
soll in einem Streifen von Westfalen bis hinüber nach Franken passieren, aber
wie schon angedeutet, die Varianz der heutigen Wetterlage ist hoch und lässt
"Überraschungen" zu.

Bei zunehmender Schwüle steigt die Temperatur heute "nur noch" auf 25 bis 31°C
(gestern ging´s z.T. noch hoch auf 34°C), was aufgrund des hohen
Wasserdampfgehalts der Luft aber alles andere als eine "abkühlende" Wirkung hat.


In der Nacht zum Dienstag schwenkt der Randtrog unter Konturverlust weiter gen
Norden. Dahinter setzt von Frankreich und der Schweiz her Potenzialanstieg ein,
der im Aufbau eines flachen Rückens mündet. Außerdem wird die Rinne mehr und
mehr nach Norden rausgedrückt, wodurch auch der Luftdruck von Süden her leicht
ansteigt. Gemeinsam mit dem Tagesgang sorgt das Ganze für eine merkliche
Abschwächung des konvektiven Geschehens. Einige abendliche Gewitter retten sich
aber schon noch in die Nacht, am längsten wahrscheinlich im äußersten Norden und
Nordosten im Bereich der scheidenden Rinne. Ansonsten breitet sich die etwas
weniger warme Luftmasse (T850 11 bis 14°C) auf das ganze Land aus, wobei die
Wolkendecke vielfach auflockert. Dort, wo durch vorherigen Regen ausreichend
Wasserdampf in der Grundschicht vorhanden ist, bildet sich das eine oder andere
Nebelfeld. Die Temperatur geht auf 20 bis 13°C zurück, wobei die höchsten Werte
in unmittelbarer Nähe zu Nord- und Ostsee, die niedrigsten Werte in den
Mittelgebirgen sowie im Süden registriert werden.

Dienstag... greift leichter Zwischenhocheinfluss, der sich im Wesentlichen aus
einer weiteren Aufwölbung des o.e. Rückens rekrutiert. Im Bodendruckfeld sieht
das Ganze nicht berauschend aus, immerhin reicht es für einen flachen (nur wenig
über 1010 hPa) Keil, der von Süden her über die Alpen lugt. Außerdem gilt es zu
konstatieren, dass die von ihrem Ursprung subtropische Luftmasse vorübergehend
etwas abtrocknet bei gleichzeitig leichter Stabilisierung. Die feuchteste Luft
liegt noch im äußersten Norden und Nordosten mit PPWs über 30 mm. Dort wird von
der Numerik auch etwas CAPE angeboten, allerdings mangelt es an auslösenden
Impulsen. Denkbar wäre am ehesten eine durch Seewind induzierte konvergente
Strömung, die etwas Konvektion anfacht. Im Großen und Ganzen verläuft der
morgige Tag deutschlandweit aber trocken und trotz einiger meist lockerer Wolken
(neben Quellungen auch ein paar Ac-Schollen sowie etwas hohes Zeug) ziemlich
sonnenscheinreich. Dabei erwärmt bzw. erhitzt sich die Luft auf 27 bis 33°C, bei
Seewind etwas darunter.

In der Nacht zum Mittwoch wandert der flache Rücken langsam nach Osten, bestimmt
dabei aber noch über weite Strecken und im größten Teil des Landes das Wetter.
Im Klartext bedeutet ein gering bewölkter bis klarer Himmel mit nur wenigen
Nebelfeldern. Obacht geben heißt es allerdings im äußersten Westen, wo der Druck
bereits wieder beginnt zu fallen. Grund ist die Annäherung des nächsten
Höhentroges, wobei es sich im Gegensatz zu heute um den Haupttrog handelt. Zwar
verbleibt er mit seiner Achse zunächst noch über der Biskaya und UK, trotzdem
tangieren erste Hebungsimpulse in der südlichen Höhenströmung den äußersten
Westen. Neben dichteren Wolken könnte es auch schon für erste schauerartige und
mit Gewittern durchsetzte Regenfälle reichen, wobei die Modelle diesbezüglich
noch leichte Meinungsverschiedenheiten austauschen. Auf alle Fälle macht sich
die aufkommende Bewölkung bei der nächtlichen Abkühlungsrate bemerkbar, die im
Westen gedämpft ausfällt. Mindestens mal in den Ballungsgebieten dürfte das eine
Tropennacht bedeuten, die ansonsten vor allem an Nord- und Ostsee auf der Karte
steht.

Mittwoch... zeigt der o.e. Höhentrog wenn auch sehr schleppend eine gewisse
Progression, die ihn dichter an den Vorhersageraum heranbringt. Von einem
Übergreifen kann aber bei Weitem noch nicht gesprochen werden, was nicht zuletzt
auch daran liegt, dass sich innerhalb es Troges ein eigenständiges Drehzentrum
etabliert. Dieses wird nur ganz allmählich von der Biskaya her "landfall" machen
und erst in der Nacht zum Donnerstag so richtig französisches Festland
erreichen. Wie auch immer, bei uns schwenkt in der schwachen südlichen
Höhenströmung ein erster flacher Randtrog (gut erkennbar an einer IPV-Anomalie)
über die Westhälfte nordwärts. Darüber hinaus kommt es zu einer deutlichen
Labilisierung der alternden Luftmasse, die sich vor allem aus starker
niedertroposphärischer WLA speist (Anstieg T850 auf bis zu 20°C im Süden). Was
noch fehlt ist eine ausreichende Anfeuchtung der Luft, die erst am Donnerstag so
richtig auf dem Plan steht. Zwar beginnt das PPW im äußersten Norden, Westen und
Süden an zu steigen auf über 30 mm, teils über 35 mm, ansonsten herrscht aber
noch relative Trockenheit, auch in der Grundschicht. Das erklärt, warum die
Numerik für Mittwoch eher eine verhaltene konvektive Umtriebigkeit auf der Karte
hat. Klar wird es einige markante Gewitter geben - seien sie orografisch
ausgelöst oder durch den besagten Höhentrog -, aber für das ganz große Feuerwerk
scheint es noch nicht zu reichen. Insbesondere in der Osthälfte soll bei
reichlich Sonnenschein bis zum Abend wenig bis nichts passieren. Dabei wird es
noch mal richtig heiß mit Spitzen bis zu 34 oder gar 35°C, während im Westen und
Südwesten die 30°C-Marke nicht mehr erreicht wird.

In der Nacht zum Donnerstag gelangt vor allem der Südwesten auf die diffluente
Vorderseite des Höhentroges respektive -tiefs. Dabei kommt es vornehmlich,
wahrscheinlich aber nicht ausschließlich in BaWü zu gewittrig durchsetzten
Regenfällen mit erhöhter Starkregengefahr. Wie weit diese bis zur Mitte
ausgreifen, steht noch nicht fest. Ebenso unsicher ist derzeit noch, ob und wie
häufig in anderen Regionen Schauer und einzelne Gewitter auftreten. Hier liefern
die Modelle ein sehr diffuses Bild, das für keine belastbare Prognose taugt. Es
spricht aber Einiges dafür, dass es in weiten Teilen der Osthälfte noch trocken
bleibt.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder wie Geopotenzial, Luftdruck und Temperatur werden von den
verschiedenen Modellen vergleichsweise kongruent simuliert. Schwierig wird´s,
wenn es um Niederschlag und Gewitter geht, wo die Lösungen schnell ins
Individuelle abgleiten. Für heute jedenfalls wurde sich in der Frühkonferenz
darauf geeinigt, keine Vorabinfo für den von der Deutschen Bucht bis nach
Sachsen reichenden Korridor (also dort, wo die frequenteste Gewitteraktivität
erwartet wird) herauszugeben (zu große Fläche für nur punktuelle Entwicklungen
im WU-Bereich).

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann