DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

04-08-2022 07:30
SXEU31 DWAV 040800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Donnerstag, den 04.08.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Tr W Übergang zu BM

Heute im Nordwesten einzelne starke Gewitter. Nachts von Westen her vermehrt
Gewitter mit Unwetterpotential. Am Freitag im Osten und Süden Gewitter mit
Unwettergefahr.

Synoptische Entwicklung bis Samstag 24 UTC
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Donnerstag... liegt Mitteleuropa zunächst im Einflussbereich eines Höhenkeils,
der sich vom westlichen Mittelmeer nach Nordosten aufwölbt. Er wird durch die
Annäherung eines Langwellentroges über Nordwesteuropa langsam abgedrängt, sodass
eine südwestliche an Fahrt aufnimmt. Mit ihr gelangt verstärkt heiße Luft aus
Südwesteuropa zu uns, in der die Temperatur in 850 hPa auf 20 bis 24°C steigt,
nur im äußersten Nordwesten ist es mit 15°C etwas kühler. Die 2m Temperatur
erreicht heute Höchstwerte zwischen 33 bis 39°C. Nur im Nordseeküstenumfeld wird
es nicht ganz so heiß.

Unter Absinken durch den Rücken und in trockener Luft scheint dabei verbreitet
die Sonne und es bleibt niederschlagsfrei.
Aktuell formiert sich über Benelux schon eine Bodenrinne, die bis zum Abend bis
in die Mitte vorankommt. In noch recht trockener Luft und bei nur geringer Hilfe
seitens der Höhe sollte es an ihr nur zu einzelnen Schauern und Gewittern
kommen. So sie entstehen, können sich zwar kräftig sein mit Sturmböen wegen der
trockenen Grundschicht und Hagel bei zunehmender Scherung, auch Starkregen
scheint nicht ausgeschlossen. Die Auslöse wird aber von allen Modellen sehr
zurückhaltend gesehen. Eher frischt mit Winddrehung auf westliche Richtungen der
Wind vorübergehend stark auf mit einzelnen Böen Bft 7.

Erst zwischen der über die Nordsee und Benelux folgenden Kaltfront und der
vorlaufenden Konvergenz wird es auch in den unteren Schichten feuchter und die
Scherung nimmt weiter zu. Die PPWs steigen auf bis zu 40 mm, die Scherung (0-6
km/h) auf Werte über 20 m/s, im Bereich von 0-1 km auf um 10 m/s. Trotz hoher
Cape Werte bis über 1500 J/kg, wird kaum etwas am Abend über dem Westen und
Nordwesten simuliert, weil die Labilität stark gedeckelt ist und auch der
dynamische Antrieb fehlt. Dennoch sind sicher einzelne starke Gewitter dann
nicht ausgeschlossen.

Erst wenn die Kaltfront auf den Nordwesten übergreift und der Langwellentrog in
der kommenden Nacht zum Freitag mit ins Spiel kommt, wird die Labilität
ausgelöst, wobei nach wie vor zwischen der Konvergenz und der Kaltfront die
feuchteste Luft liegt mit dem höchsten Potenzial für schwere
Gewitterentwicklungen. Es gibt zwar auch noch Modellunterschiede, aber
wahrscheinlich greifen im Laufe der Nacht starke Gewitter, eventuell ein MCS von
Belgien und NE Frankreich auf NRW und Rheinland-Pfalz über und breiten sich dann
weiter nach Nordosten aus, bis Mecklenburg und ins nördliche Sachsen-Anhalt.
Dabei sind neben heftigem Starkregen auch schwere Sturmböen und vor allem
anfangs größerer Hagel möglich. Auch wenn die Konvektion im Wesentlichen
abgehoben auftreten sollte, besteht bei den Gewittern örtlich Unwettergefahr.
Insbesondere sind erhebliche Signale für unwetterartigen Starkregen vorhanden,
beispielsweise in ICON D2 (EPS) zum Freitagmorgen hin.

Hinter der Kaltfront greift ausgehend von den britischen Inseln ein Bodenkeil
auf die Nordsee und den äußersten Nordwesten über, wo es nach Frontpassage rasch
stabilisiert. In der Südosthälfte passiert konvektiv noch nichts und es bleibt
gering bewölkt und trocken. Die Luft kühlt in einigen Ballungsräumen nur auf 24
bis 22°C ab, im Nordwesten und in Schleswig-Holstein sind bis 13°C möglich.


Freitag... schwenkt der Langwellentrog mit seiner Achse in die östliche Nordsee
und nach Nordwestdeutschland. Die vorgelagerte Kaltfront zieht über den Norden
hinweg und erreicht abends den Süden.

Im Nordwesten fließt hinter der Kaltfront deutlich kühlere, trockenere und
stabile Luft ein, in er konvektiv nichts mehr zu erwarten ist. Entsprechend geht
der Tag wechselnd bewölkt und weitgehend ruhig über die Bühne bei Temperaturen
zwischen 20 und 24°C. Eventuell frischt der Wind an den Küsten etwas kräftiger
auf mit exponiert einzelnen steifen Böen.
Präfrontal, d.h. zunächst im Süden und Osten ist noch die sehr warme, feuchte
und potenzial instabile Luftmasse wirksam. Gestützt durch den Trog, der im
Norden seine größte Wirksamkeit entfaltet, überquert die Kaltfront mit den
Schauern und Gewittern aus der Nacht heraus auch den Osten und Nordosten, bevor
sich das Wetter dort im Verlauf des Nachmittags beruhigt. Dabei sind auch dort
starke Gewitter vor allem mit Starkregen möglich. Je nach Timing des
Luftmassenwechsels im Tagesverlauf auch wieder mit Sturmböen und Hagel.

Über größeren Teilen der (westlichen) Mitte erfolgt die Passage des
Tiefausläufers wahrscheinlich vergleichsweise geräuscharm, wegen ungünstiger
Tageszeit und fehlender Stütze durch den Trog mit nur ein paar Tropfen Regen
oder lediglich vereinzelten Schauern und Gewittern.

Erst im Laufe des Nachmittags kommt entlang der Kaltfront, aber auch präfrontal
im Süden (teils noch nach Osten, siehe oben) die Konvektion wieder stärker in
Fahrt. Dabei gibt es bei hochreichender Scherung teils an die 20 m/s, PPWs bis
an die 40 mm und CAPE bis 1000 J/Kg ein gesteigertes Risiko vor teils gut
organisierten Gewittern, teils Superzellen, die bis in den Unwetterbereich durch
Hagel, Starkregen und schweren Sturmböen hineinragen.

Die Schwerpunkte werden aber modellseitig noch mit größeren Abweichungen
gesehen. Im ICON D2 EPS sind sich solche über dem Südwesten, der östlichen Mitte
und abgespeckt nach Nordosten hin zuerkennen, während der Südosten teilweise
noch ausgespart wird. Die Temperatur steigt in der heißen Luft zwar nicht auf
die extremen Werte des Vortags, 30 bis 34°C sind über der Südosthälfte aber
immer noch drin.

In der Nacht zu Samstag überquert die Kaltfront mit kräftigen Schauern und
Gewittern auch den Süden zum großen Teil und erreicht später die Alpen. Die
Unwettergefahr nimmt im Laufe der Nacht ab. In den anderen Regionen bestimmt der
ausgehend vom Hoch bei Irland nach Norddeutschland vordringende Hochkeil das
Wetter. Unter Absinken klart es verbreitet auf und die Luft kühlt im Norden
teilweise auf unter 10°C ab. An der Ostsee bleibt der Gradient intakt mit
einzelnen 7er Böen an exponierten Küstenabschnitten.

Im Süden liegen die Minima bei ca. 17°C.


Samstag... zieht der Trog ab und hinterlässt eine recht glatte, leicht
konfluente Höhenströmung. Gestützt durch Kaltluftadvektion verstärkt sich die
Hochdruckbrücke, die ausgehend vom Hoch westlich der Britischen Inseln über
Norddeutschland nach Osten reicht. In trockener und stabiler Luft scheint fast
überall die Sonne, begleitet von harmlosen Quellewolken im Tagesverlauf. Die
Kaltfront verlässt uns Richtung Alpen, sodass auch ganz im Süden eine deutliche
Stabilisierung greift. Lediglich an und in den Alpen verbleiben zum Abend Reste
der feuchten und instabilen Luft, die Gewitter ziehen sich im Tagesverlauf
dorthin zurück. Vereinzelt sind Unwetter nochmal nicht ausgeschlossen.

Der Wind frischt tagsüber kräftig, böig auf und kommt meist aus nördlichen bis
östlichen Richtungen. Nur im Norden weht er aus Nordwesten mit einzelnen
(exponiert) steifen Böen rund um die Ostsee. Die Temperaturen liegen meist
zwischen 20 und 27°C, an der See etwas darunter.

Die Nacht zum Sonntag verläuft unter Einfluss der zonalen Hochdruckbrücke ruhig,
teils klar und meist kühl. Am Erdboden geht es unter 5°C. Nur im Süden (Reste
der feuchten Luft) und im Norden (Nähe zur Frontalzone) ziehen einige Wolken
durch, die keinen Regen bringen.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die grundsätzliche Entwicklung ist einigermaßen klar. Die Details bleiben
unsicher. Gerade für die Hauptaktivität nachts und am Freitag simulieren die
hochauflösenden Modelle, ICON D2, Super HD, Arome, jeweils mit Abweichungen in
der Stärker der Zellen und im Timing und Zugbahn. Angesichts der spärlichen
Signale für heute und den anschließenden Unsicherheiten wird zunächst auf eine
Vorabinfo verzichtet. Die Lage bezüglich der nächtlichen Gewitter sollte aber im
Laufe des Nachmittags noch einmal neu bewertet werden.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Bernd Zeuschner