DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

26-07-2022 17:01
SXEU31 DWAV 261800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Dienstag, den 26.07.2022 um 18 UTC


Markante Wettererscheinungen:
Ein Hoch mit kleinen Schwächen - MIKA, übernehmen Sie.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 12 UTC
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Aktuell ... lassen sich in Deutschland grob gesagt vier Wetterzonen detektieren,
in denen mal etwas mehr, meist aber weniger los ist. Überdeckt werden alle vier
Zonen von einem "breitgelatschten" Höhentrog (Synonym für wenig Amplitude
respektive Krümmung), der in den nächsten Stunden aber noch mal Kontur annimmt.
Grund ist ein kurzwelliger Sekundärtrog, der von Westen hereinschwenkt und das
Original sozusagen regeneriert. In den frühen Morgenstunden verläuft die
Trogachse etwa von Jütland bis hinunter nach BaWü (300 hPa).

Doch zurück zu den vier Zonen, die - von Süd nach Nord - zur aktuellen
Bodendruck- und Luftmassenverteilung wie folgt in Beziehung stehen:

ZONE I: äußerster Südosten Bayerns mit Alpenrand. Hier hält sich noch starke,
zunehmend aber perforierte Bewölkung der Kaltfront, die am gestrigen Montag und
in der Nacht den größten Teil des Vorhersageraums überquert, die feuchte
Warmluft im Süden aber nicht gänzlich ausgeräumt hat. Die Front gehört zum Tief
DANIELA, das sich im hohen Norden im Grenzbereich von Norwegen zu Schweden
tummelt und bis Mittwoch das Nordkap anvisiert. Sie wird aufgrund mangelnder
Baroklinität und fehlenden Supports aus der Höhe zusehends deaktiviert, so dass
nicht nur die anfänglich noch auftretenden schwachen Schauer alsbald ihr Wirken
einstellen, sondern auch die Wolkenlücken immer größer werden. In der relativ
feuchten Grundschicht (Taupunkte tagsüber lokal um 20°C) bilden sich ein paar
Nebelfelder.

ZONE II: schließt sich nördlich an und reicht bis zur südlichen Mitte. Hier
wirkt kompensatorisches Absinken, was tagsüber in gemäßigt temperierter und
deutlich abgetrockneter Meeresluft (Taupunkte häufig unter 10°C) trotz einiger
lockerer Quellungen reichlich Sonnenschein zur Folge hatte. In der Nacht zum
Mittwoch wird sich dieser dann von Kumuli weitgehend bereinigte Streifen halten,
auch wenn von Norden her die Bewölkung allmählich zunimmt, womit wir bei Zone
III wären.

ZONE III: markiert die breite Mitte, in der die Wolkenanteile wieder deutlich
zunehmen und sogar ein paar Schauer am Start sind, Tendenz langsam südwärts
verlagernd. Impulsgeber ist eine zweite Kaltfront, die ebenfalls dem Tief
DANIELA anhängig ist, allerdings dem Südteil der elliptisch konfigurierten
Madame. Luftmassentechnisch hat diese Front ihren Namen etwas mehr verdient als
das weiter südlich positionierte Exemplar, lenkt sie doch die eigentliche,
vergleichsweise kühle polare Meeresluft in den Norden (Rückgang T850 auf rund
5°C). Durch den o.e. hereinlaufenden Sekundärtrog wird die Kaltfront trotz
nachtschlafender Zeit leidlich am Leben gehalten, so dass es zu weiteren, wenn
auch nur schwachen Schauern kommt.

ZONE IV: beschreibt den postfrontalen Norden, wo die Bewölkung aufgelockerter
und die Luftmasse trockener ist (Taupunkte gebietsweise unter 10°C) als in Zone
III. Hauptmerkmal hier war und ist der flotte West-Nordwestwind, der sich aus
dem Gradienten zwischen Tief DANIELA und dem Hoch MIKA über UK/Irland generiert.
Der Wind lässt im Binnenland tagesgangbedingt nach, während er an den Küsten
(vor allem denen der Ostsee sowie der nordfriesischen) böig unterwegs bleibt mit
Spitzen der Stärke 7 Bft, in ganz seltenen Fällen und an prädestinierten
Lokalitäten auch mal 8 Bft. Bei einer Mischung aus Wolken und klaren Abschnitten
sind an der Küste einzelne schwache Schauer möglich (leichte Labilisierung durch
den Trog + diabatische Komponente von unten durch das "warme" Oberflächenwasser
unserer hauseigenen Meere).

Abschließend noch ein Wort zu den nächtlichen Temperaturen, die je nach Region
und Bewölkung sehr unterschiedlich ausfallen. Unter dem Strich reicht die Spanne
von 16 oder gar 17°C an Hoch- und Oberrhein sowie im RMG bis zu 8 oder
vielleicht sogar 7°C im norddeutschen Tiefland bei längerem Aufklaren.

Mittwoch ... schwenkt der Höhentrog ganz gemütlich über Deutschland hinweg
ostwärts. Der Grenzübertritt der Längsachse (300 hPa) nach Polen und Tschechien
dürfte in der Mittagszeit bzw. am frühen Nachmittag erfolgen. Als Nachfolger
wurde ein Rücken auserkoren, der in seinem Nordteil leidlich amplifiziert ist,
nach Süden hin dagegen eher flach ausfällt. Und da sich der gute Rücken Zeit
lässt, bevor er sich bis nach Mitteleuropa bequemt, verbringen wir den morgigen
Mittwoch quasi zwischen den Stühlen unter einer noch über weite Strecken
zyklonal konturierten west-nordwestlichen Höhenströmung.

Anders die Situation im Bodendruckfeld, wo das Setup einen klaren Trend in
Richtung antizyklonal aufweist. Ursache ist das besagte Hoch MIKA, das seinen
Schwerpunkt allmählich zur Nordsee verlagert und sich damit dem Vorhersageraum
nähert. Davon ausgehend erstreckt sich ein breiter Keil bis nach Polen, der auf
seiner Nordostflanke eine zyklonale Delle aufweist. Dabei handelt es sich um das
südliche Ende eines Bodentrogs, der wiederum den südlichen Teil des inzwischen
dem Nordkap sehr nahe gekommenen Tiefs DANIELA markiert. Zwischen Keil und Trog
bleibt ein mäßig ausgeprägter Gradient übrig, der ausreicht, den
West-Nordwestwind mit Hilfe des Tagesgangs noch mal einigermaßen in Schwung zu
bringen. Am besten wird das in einem schmalen Korridor von der nordfriesischen
Küste sowie dem Elbmündungsgebiet bis hinüber ins küstennahe Binnenland
Vorpommerns gelingen, wo die Spitzenböen Stärke 7 Bft, in seltenen Fälle 8 Bft
erreichen.

Wettermäßig haut das mit den verschiedenen Zonen nicht mehr ganz so gut wie
heute hin. Oben zyklonal, unten antizyklonal, dazu eine im Norden eher kühle,
sonst gemäßigte bis warme Meeresluft ergibt eine recht heterogene Gemengelage,
aus der sich aber trotzdem ein paar Charakteristika herausarbeiten lassen. Im
gesamten Norden stellt sich wechselnde Bewölkung ein, die vor allem über dem
Binnenland mitunter auch mal dichter ausfällt, grundsätzlich aber nicht
sonnenfeindlich eingestellt ist und dieser entsprechend diverse Lücken und
Fenster gewährt. Die Inversion liegt bei rund 750 hPa, wo sie eine labil
geschichtete Grundschicht deckelt. Aus dieser heraus bilden sich Quellungen mit
einer Oberkantentemperatur von etwas unter 0°C, was einzelne schwache Schauer
zulässt, sofern ausreichend Feuchte vorhanden ist (als am ehesten in
Küstennähe).

Zur Mitte und nach Süden, vor allem aber nach Südwesten hin nimmt die
Sonnenscheindauer trotz einiger Wolken tendenziell zu. Allerdings besteht
zwischen Main und Donau sowie an den Alpen eine leichte Schauer- und
Gewitterneigung, wobei Gewitter am ehesten vom Bergland ausgehen. Die Inversion
liegt höher als im Norden und ist z.T. schwächer ausgeprägt, so dass es nicht
ganz so viel Überwindung kostet, konvektive Umlagerungen zu schalten. Feuchte
und Labilität reichen, um etwas ML-CAPE zu generieren, das mit orografischer
Hilfe in Gewitter umgesetzt werden kann. Allerdings dürfte es bei wenigen
Einzelexemplaren bleiben, die, so sie denn auftreten, aufgrund ihrer geringen
Mobilität am ehesten von Starkregen (max. markant) begleitet sind.

Temperaturmäßig stehen in der Nordhälfte 18 bis 24°C auf der Karte (T850 3 bis
7°C) mit den niedrigsten Werten direkt an der Nordsee. Weiter südlich (T850 8
bis 14°C) erwärmt sich die Luft auf 24 bis 28°C.

In der Nacht zum Donnerstag nähert sich der flache Rücken dem Vorhersageraum und
auch das Bodenhoch macht über der Nordsee einen kleinen Ruck gen Osten. Das
reicht, um den Gradienten im äußersten Norden aufweichen zu lassen, zumal auch
der Bodentrog über Südskandinavien ostwärts schwenkt. Kurzum, der weiterhin aus
West bis Nordwest wehende Wind wird immer schwächer, so dass auch an der Küste
keine Warnungen mehr nötig sind.

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass der Rücken von schwacher WLA überlaufen
wird, die sich in von Südwesten übergreifender hoher und mittelhoher Bewölkung
bemerkbar macht. Darüber hinaus passiert nicht allzu viel, sieht man mal davon
ab, dass die Temperatur in Teilen Norddeutschlands sowie in einigen Senken und
Mulden der Mittelgebirge (außer im Süden) stellenweise auf für Ende Juli
bemerkenswerte 5°C zurückgeht. Am mildesten mit 14 oder 15°C verläuft die Nacht
direkt an Nord- und Ostsee sowie gebietsweise im Süden und Südwesten.

Donnerstag ... erreicht der Rücken mit seiner nach Nordwesten ausgerichteten
Achse Deutschland. Dort überlagert er eine flache Druckverteilung, die -
ausgehend vom weiterhin über der Nordsee liegenden Hoch MIKA - weitgehend
antizyklonal aufgestellt ist, nach Süden hin aber zunehmend die Form einer sich
von Frankreich ostwärts ausweitenden Tiefdruckrinne annimmt. Dabei kommt es
insbesondere in und an den Alpen sowie im südlichen Alpenvorland zu einer
Labilisierung und Anfeuchtung der Warmluft (Anstieg T850 auf bis zu 16°C). Mit
Hilfe von mehrstündiger Einstrahlung wird ein solides Paket ML-CAPE zwischen 500
und 1000 J/kg aufgebaut, das ab dem Nachmittag für erste Gewitter aus den Alpen
heraus gut ist. Neben Starkregen kann auch Hagel dabei sein, wobei es für
Details aber noch etwas zu früh ist.

Im großen Rest des Landes stellt sich eine trockene Mischung aus viel
Sonnenschein und meist lockeren, im Nordwesten zeit- und gebietsweise auch mal
dichteren (Inversion bei 800 hPa, darunter teils breitlaufende Kumulanten)
Wolken ein. Der Wind dreht auf nördliche bis östliche Richtungen, ohne dabei
aber nennenswert an Fahrt aufzunehmen. Darüber hinaus bleibt das thermische
Süd-Nord-Gefälle erhalten: 25 bis 30°C im Süden, 23 bis 28°C in der Mitte und 20
bis 25°C im Norden.

In der Nacht zum Freitag nähert sich von Westen her der nächste Höhentrog, der
auf seiner diffluenten Vorderseite zunächst mal ein Rückdrehen der Strömung auf
Südwest initiiert. Das wiederum führt dazu, dass sich die feuchte und potenziell
instabile Luftmasse aus dem Süden gen Norden geführt wird und sich das Areal
potenzieller Schauer/schauerartiger Regenfälle und Gewitter bis in die Mitte
ausbreitet. Wo wie und wie viel genau, dazu liegen seitens der Numerik derzeit
noch unterschiedliche Ansichten vor, die Ausbreitung als solche ist aber
unstrittig. Unstrittig ist auch, dass der Norden (noch?) außen vor bleibt, dort
dürfte die Nacht meist gering bewölkt oder klar und trocken über die Bühne
gehen. Es wird allgemein wieder milder, nur noch vereinzelt wird die 10°C-Marke
im norddeutschen Binnenland knapp unterschritten.

Freitag ... nähert sich besagter Höhentrog weiter an, traut sich aber den
finalen Schritt bis nach Deutschland noch nicht zu. Folglich verbleiben wir auf
seiner Vorderseite unter einer südwestlichen Strömung, die PVA-bedingt einige
dynamische Hebungsimpulse liefert. Diese Impulse wiederum treffen mit Ausnahme
weiter Teile Nord- und Ostdeutschlands auf "fruchtbaren Boden" in Form feuchter
und potenziell instabiler Warmluft, mit der konvektiv durchaus was anzufangen
ist. Zwar lässt sich durch die trockene Vorgeschichte ein gewisses Hemmnis nicht
wegdiskutieren, trotzdem reichen der akkumulierte Wasserdampfgehalt und die
Labilität aus, um zumindest gebietsweise 500 bis 1000 J/kg MU-CAPE zu
generieren. Hinzu kommt, dass sich die o.e. Bodenrinne weiter bis in die
mittleren Landesteile ausweitet. Darin eingelagert ist eine Windkonvergenz
(östliche Wind nördlich, westliche Winde südlich davon), die neben der der
Orografie und dem Tagesgang mithilft, ein grundsolides konvektives Feuerwerk
abzufackeln. Aufgrund geringer Verlagerungsgeschwindigkeit der Gewitter steht
Starkregen einmal mehr ganz weit oben auf der Liste der Begleitparameter, wobei
auch lokale Unwetter nicht ausgeschlossen sind. Hagel und Sturmböen sind
freilich ebenfalls möglich, was jetzt rein intellektuell aber keine übermäßig
besondere Aussage darstellt. Genauso wie man noch nicht das Timing und die
Schwerpunkte der konvektiven Entwicklungen belastbar prognostizieren kann. Was
mit großer Wahrscheinlichkeit nicht kommen wird - leider, leider - ist dringend
benötigter flächendeckender Regen. Die Temperatur erreicht Höchstwerte um 22°C
in Küstennähe und bis zu 28°C in der Mitte und im Süden.


Modellvergleich und -einschätzung
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Die beschriebene Entwicklung als solche wird modelübergreifend sehr ähnlich
gesehen. Noch hapert es freilich in Detailfragen, insbesondere was die
konvektiven Prozesse ab Donnerstag angeht. Dass gerade zum Freitag hin was
passiert, steht außer Frage.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann