DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

25-07-2022 08:30
SXEU31 DWAV 250800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 25.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: indifferent, am ehesten vielleicht Übergang zu NWa (Nordwest antizyklonal)

Heute noch mal verbreitet heiß, ab morgen kühler bzw. moderater.
Luftmassenaustausch durch Kaltfronten und vorlaufende Konvergenz. Heute bis in
die Nacht Gewitter vor allem mit (schweren) Sturmböen, auch orkanartige Böen
möglich. Darüber hinaus auch nicht-konvektive Windauffrischung.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... steht im Zeichen einer bevorstehenden Änderung der Großwetterlage weg
von heiß hin zu warm oder mäßig warm, im Norden mitunter sogar mal kühl. Dabei
gilt es zunächst mal das Keil-Trog-Muster in der Höhe zu erwähnen, dass sich
aufgrund der vergleichsweise geringen Wellenlänge als progressiv entpuppt.
Konkret bedeutet das nicht anderes, als dass sich der am Wochenende noch
wetterbestimmende Höhenrücken im Laufe des Tages endgültig aus dem
Vorhersageraum verabschiedet und wir mehr und mehr auf die Vorderseite des
aktuell noch über Westeuropa weilenden Trog gelangen. Dieser wird in seinem
Vorankommen durch leichte Amplifizierung etwas gebremst, so dass seine Achse
erst in der kommenden Nacht auf Deutschland übergreift. Zuvor steilt die
weitgehend indifferent konturierte südwestliche Höhenströmung etwas auf, wobei
einzelne, in der Potenzialverteilung kaum oder gar nicht erkennbare kurzwellige
Anteile nordostwärts schwenken. Ihre Wirksamkeit in Bezug auf synoptisch-skalige
Hebungsimpulse hält sich in Grenzen, zumal der Trog auch noch durch KLA
überlaufen wird, so dass die Ausgangslage unter dynamischen Gesichtspunkten
nicht gerade der Burner ist.

Dass es im Tagesverlauf dann doch irgendwo anfängt zu "burnen" oder sagen wir
besser zu "zündeln", hat im Wesentlichen andere Gründe, womit wir bei der
Bodendruck- und Luftmassenverteilung angelangt wären. Hier zeigt sich ein
typisch sommerliches Muster mit dem nach Osten abwandernden Hoch LEBRECHT
(aktuell schon im ganzen Land Druckfall) und dem Tief DANIELA dicht vor
Norwegen, das heute die Küste entlang in Richtung Lofoten zieht. Ausgegend vom
Tief erstreckt sich ein Bodentrog nach Süden, in den eine Konvergenz (S-SO vs.
SW-W) eingelagert ist. Trog und Konvergenz ziehen in den nächsten Stunden
ostwärts über uns hinweg, bevor etwas am frühen Nachmittag die nachfolgende
Kaltfront auf den Westen und Nordwesten übergreift. Zuvor wird noch mal
ordentlich Heißluft nach Deutschland gepumpt, in der der T850 im Süden und Osten
auf 19 bis 23°C steigt. Und da sich heute die Sonne noch für längere Zeit
gnadenlos entfalten kann, steigt die Temperatur verbreitet auf über 30°C, im
Osten und Süden bis zu 36, vereinzelt vielleicht 37°C. Lediglich im Westen und
Nordwesten, wo heute Morgen schon mehr oder weniger dichte Bewölkung aufläuft,
reicht es nicht mehr ganz für 30°C, obwohl der Weg dorthin angesichts hoher
Startwerte von 22 oder 23°C am frühen Morgen (tropische Nacht) nicht besonders
weit ist.

Und was geht nun beim Wetter? - Zunächst mal kommen Bodentrog und Konvergenz
ziemlich zügig ostwärts voran, wobei sie die heißeste und auch labilste Luft
hineinlaufen. Auf der anderen Seite ist die Luftmasse aber auch sehr trocken,
vor allem in der Grundschicht (=> nur wenig CAPE). Die Prognosesoundings zeigen
eine trockenadiabatische Schichtung mit krassem inversen V vom Boden bis etwa
700 hPa, wo sich ein Deckel (kleine Inversion) auftut. Vor diesem Hintergrund
verwundert es nicht, dass die hochauflösenden Modelle an der Konvergenz keine
oder nur eine sehr vereinzelte Auslöse konvektiver Umlagerungen simulieren, frei
nach dem Motto "wo soll´s herkommen", zumal auch die Auslösetemperaturen mit
über 36°C im sehr sportlichen Bereich angesiedelt sind. Allerdings gilt es auch
im Zuge der nachfolgenden Druckanstiegswelle den Wind im Auge zu behalten, der
an bzw. hinter der Konvergenz auch ohne konvektive Hilfe stark böig auffrischen
kann mit Böen 6-7 Bft, nach Osten hin evtl. sogar 8 Bft - angesichts der großen
Trockenheit keine schöne Sache (Stichwort Waldbrand, Staubaufwirbelung o.ä.).


In Sachen Gewitter gilt es insbesondere den Bereich zwischen Konvergenz und
Kaltfront im Auge zu haben. Zwar setzt mit Winddrehung schon leichte KLA ein und
auch die Schichtung beginnt zu stabilisieren, dafür nehmen aber sowohl
Grundschichtfeuchte als auch PPW deutlich zu. Hinzu kommt mit Ausnahme des
Südens veritable Scherung von 20-30 m/s zwischen 0 und 6 km (DLS) und um 10 m/s,
vereinzelt bis 15 m/s zwischen 0 und 1 bzw. 3 km (LLS). Kurzum, es ergibt sich
ein Areal mit leidlicher bis guter Überlappung konvektionserforderlicher
Zutaten, was sich auch in der Bildung einiger hundert Joule pro Kilogramm CAPE
widerspiegelt. Kurzum, ab dem frühen Nachmittag muss im Norden und in der Mitte,
evtl. auch im Westen (wobei der äußerste Westen sowie der Nordwesten aufgrund
der Vorgeschichte (Wolken) sowie der früh einsetzenden Stabilisierung außen vor
sein sollten) mit der Auslöse einzelner Gewitter gerechnet werden, wobei an der
einen oder anderen Stelle die Orografie das Zündlein an der Waage sein könnte.
Die Gewitter können ohne Weiteres zu Superzellen anwachsen und sich auf ihrem
Weg nach Osten zumindest abschnittsweise linienartig organisieren. Dabei ist in
erster Linie auf den Wind respektive Sturm zu achten. Die Downburstgefahr ist
aufgrund der nur langsamen Anfeuchtung der Grundschicht sowie des guten
Organisationsgrades der Zellen hoch, was auch in den hohen DCAPE-Werten von z.T.
700 bis 1000 J/kg zum Ausdruck kommt. Entsprechend besteht die Gefahr von
schweren Sturmböen 10 Bft, auch orkanartige Böen 11 Bft sind denkbar. Starkregen
und Hagel sollen natürlich nicht unter den Tisch fallen, auch wenn aufgrund der
Verlagerungsgeschwindigkeit der Gewitter sowie limitierter CAPE-Werte die ganz
große Show nicht unbedingt zu erwarten ist. Auf der anderen Seite sind 25 l/m²
innert kurzer Zeit sowie eine Hagelkorngröße von mehr als 1,5 cm (beides
formelle Schwellen zum Unwetter) schnell erreicht. Mit Frontdurchgang nebst
weiterem Druckanstieg und nochmaliger Drehung auf Nordwest sind auch
ungewittrige Böen der Stärke 6-7 Bft möglich.

Am Abend und in der Nacht zum Dienstag ziehen die Gewitter weiter gen Osten und
verlassen irgendwann deutsches Territorium, was durchaus aber erst nach
Mitternacht der Fall sein kann. Allerdings tut sich im Süden, der tagsüber ja
deutlich vernachlässigt wurde, eine zweite Baustelle auf. Mit Annäherung der
Trogspitze werden aus den Alpen heraus Gewitter respektive gewittrige
Starkregenfälle auf deutsches Gebiet "gelockt", die die Nacht über insbesondere
den unmittelbaren Alpenrand und Teile des höheren Vorlands traktieren. Anfangs
gilt es auf Sturm (evtl. sogar Böen 11 Bft), Hagel und Starkregen zu achten,
bevor im weiteren Verlauf der Starkregen übrigbleibt. Dabei können über mehrere
Stunden zwischen 20 und 35 l/m², lokal um 50 l/m² (Unwetter) zusammenkommen.

Ansonsten gilt es noch zu konstatieren, dass sich in der postfrontal
einfließenden maritimen Luftmasse (Rückgang T850 auf 9 bis 4°C) an der See und
im Nordwesten einzelne Schauer entwickeln. Außerdem legt der Nordwestwind
insbesondere über der Deutschen Bucht immer weiter zu, was der
schleswig-holsteinischen Küste die ersten 7er-Böen bringt.

Dienstag... schwenkt der Höhentrog langsam über den Vorhersageraum ostwärts
hinweg, wobei die Betonung auf langsam liegt. Grund ist ein in die Rückseite
hineinlaufender Kurzwellenanteil, der den Haupttrog regeneriert. Von daher wird
es bis Mittwoch dauern, bis der Trog endgültig gen Osten vondannenzieht.
Luftdrucktechnisch steht der Dienstag weiterhin im Zeichen des nordeuropäischen
Tiefs DANIELA, deren südlicher Kern morgen von Südnorwegen nach Schweden zieht.
Gleichzeitig schiebt sich ein Keil des nächsten Hochs über dem nahen Atlantik
(MIKA) bis zu den Alpen vor. Während in den Norden ein Schwall erwärmter
maritimer Polarluft einfließt (T850 um 5°C), halten sich im Süden Reste der
heute noch bestimmenden Heißluft, wenn auch deutlich nach unten gestutzt (T850
12 bis 15°C). Unter dem Strich bedeutet diese Verteilung Tageshöchstwerte von 18
bis 23°C im Norden und Nordwesten und 24 bis 29°C in den übrigen Regionen. Im
Süden, schwerpunktmäßig im Südwesten (BaWü) scheint dabei für längere Zeit die
Sonne, während sich gerade Richtung Südostbayern nach Abzug der nächtlichen
Gewitter (sollte bis zum frühen Nachmittag erledigt sein) noch dichtere Wolken
halten.

Von der Mitte bis hoch in den Norden stellt sich wechselnde Bewölkung ein. Um
700 hPa pendelt sich eine Inversion ein, unter der sich aus der labil
geschichteten Grundschicht heraus einzelne schwache Schauer entwickeln können.
Für Gewitter sollte es aufgrund der hohen Temperatur an der Wolkenobergrenze
(bestenfalls bei -5°C) nicht reichen. Das Maximum der Konvektion könnte an einer
von Nordwest nach Südost schwenkenden Linie auftreten, die in der
Vorhersagekarte mit einer (zweiten) Kaltfront markiert wurde, welche die kühle
Luft im Norden von etwas gemäßigterer Luft in der Mitte trennt (wird u.a. von
ICON-D2 mit einer Windlinie bis 7 Bft simuliert). Apropos Wind, der frischt aus
West bis Nordwest kommend vor allem an der See sowie im küstennahen Binnenland
böig auf mit Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft. Wie weit eine entsprechende Warnung in
die Norddeutsche Tiefebene ausgeweitet werden muss, kann noch nicht abschließend
beantwortet werden.

In der Nacht zum Mittwoch weitet sich der Hochkeil nach Norden aus, was dort den
Wind beruhigt. Lediglich an der See (vor allem Ostsee und nordfriesische Küste)
bleibt er aus West bis Nordwest kommend so flott unterwegs, dass es weiterhin
für Böen 7 Bft, exponiert 8 Bft reicht. In der abgetrockneten polaren Luftmasse
kühlt es sich im norddeutschen Binnenland vielerorts bis in den einstelligen
Temperaturbereich ab (um 8°C), während die Tiefstwerte im Südwesten teilweise
bei 16°C liegen.

Mittwoch... zieht der Höhentrog endgültig nach Osten ab und wir gelangen auf die
Vorderseite eines flachen Rückens unter eine eher schwach ausgeprägte
nordwestliche Strömung. Derweil spaltet sich aus dem Hochkeil eine eigenständige
Parzelle ab, die zur Mittagszeit über der südwestlichen Nordsee zu finden ist.
Davon ausgehend stellen sich in weiten Landesteilen leicht antizyklonale
Verhältnisse ein, unter denen in der Mitte und im Süden häufig die Sonne
scheint. Inneralpin brodelt es im Tagesverlauf an der einen oder anderen Stelle,
wobei man nicht ausschließen kann, dass ein Schauer oder Gewitter auch mal auf
die deutsche Seite herüberschwappt.

Im Norden, wo die Inversion auf 750 bis 800 hPa heruntergedrückt wird, bilden
sich vermehrt Quellwolken, die nur vereinzelt schwache Schauer generieren.
Zwischendurch zeigt sich auch immer ml wieder die Sonne. Von der nordfriesischen
Küste bis hinüber in den Norden Vorpommerns weht weiterhin ein mäßiger bis
frischer West-Nordwestwind mit Spitzen der Stärke 7 Bft, exponiert 8 Bft. Die
Höchsttemperatur liegt in der Nordhälfte zwischen 18 und 24°C, sonst zwischen 24
und 28°C.

Die Nacht zum Donnerstag wird unter Hochdruckeinfluss gering bewölkt oder klar
mit Tiefstwerten um 15°C im Oberrheingraben und bis zu 7°C oder gar 6°C in der
trockenen Lüneburger Heide.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Basisfelder werden sehr ähnlich simuliert, trotzdem verbergen sich gerade
hinter der heutigen Entwicklung noch ein paar Fragezeichen. Insbesondere die
Regionalisierung der Gewitter ist noch relativ unscharf. Aktuell (8 UTC) erkennt
man bereits knapp westlich von Luxemburg erste Gewitter an der Konvergenz bzw.
vor einem Sekundärtrog in der Höhe, so dass selbst der Westen nicht
ausgeschlossen werden kann aus der konvektiven Nummer. Letztlich läuft es wie so
oft auf Nowcasting hinaus.
Beim Thema "nicht-konvektiver Wind" wurde eine offensive Warnstrategie gewählt.


Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Jens Hoffmann