DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

24-07-2022 08:01
SXEU31 DWAV 240800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Sonntag, den 24.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
SWa. Heute Hochdruckeinfluss. Am Montag von Westen aufkommende Schauer und
Gewitter. Dabei schwere Sturmböen (Bft 10), teils auch orkanartige Böen (Bft 11)
und lokal größerer Hagel nicht ausgeschlossen. Unwetterartiger Starkregen gering
wahrscheinlich. Genaue Entwicklung noch unsicher. Am Dienstag wieder allmähliche
Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Dienstag 24 UTC
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Sonntag... wölbt sich über Deutschland ein Höhenrücken auf, dessen Achse heute
Mittag vom westlichen Mittelmeerraum bis nach Schweden reicht. Sie kommt im
Tagesverlauf noch ein Stück weiter ostwärts Richtung östliches Mitteleuropa
voran. Das korrespondierende Bodenhoch LEBRECHT verlagert seinen Schwerpunkt
ebenfalls von Deutschland über das östliche Mitteleuropa. Dem Rücken folgt von
Westen ein Langwellentrog, der aber zunächst noch vor Westeuropa verbleibt. Er
stützt das umfangreiche und mehrkernige Tief DANIELA mit Kern nördlich von
Schottland. Zwischen diesem Tief und dem ostwärts wandernden Hoch gelangt mit
einer bodennahen Windkomponente aus südlicher bis südwestlicher Richtung
trockene und sehr warme bis heiße Luft aus dem Südwesten Europas zu uns. T850
hPa steigt landesweit an und erreicht bis zum Abend Werte zwischen 19 Grad im
Südwesten und 11 Grad im äußersten Nordosten des Landes.
Durch großräumiges Absinken im Bereich des Hochs und somit nahezu ungehinderter
Einstrahlung sind heute mit Ausnahme des Nordens Temperaturmaxima zwischen 29
und 34 Grad zu erwarten mit den höchsten Werten im äußersten Südwesten. Dort
sind lokal auch bis zu 35 Grad zu erwarten. Im Norden bleibt die Temperatur bei
Werten zwischen 24 und 28 Grad etwas niedriger, an der Nordsee werden bei
auflandigem Wind Höchstwerte um 21 Grad erreicht.

Aufgrund der Nähe zur Frontalzone werden zudem der äußerste Norden und
Nordwesten zeitweise von Wolkenfeldern gestreift, für ein paar Tropfen Regen
reicht es aber nur in Nordseenähe sowie in Teilen Schleswig-Holsteins. Sonst
bleibt es deutschlandweit trocken.

In der Nacht zum Montag greift der Höhentrog auf Nordwest- und Westeuropa über,
sodass Deutschland zunehmend auf die Vorderseite des Troges und somit in den
Bereich einer südwestlichen Höhenströmung gelangt. Das Bodentief verlagert sich
mit seinem Zentrum vor die Norwegische Küste. Somit verstärkt sich auch
niedertroposphärisch die Warmluftzufuhr. Noch ist die Schichtung stabil und die
Luftmasse zu trocken, auch ist der Trog noch zu weit entfernt, so dass vorerst
keine Gefahr konvektiver Umlagerungen besteht. Dennoch nähert sich ausgangs der
Nacht der leicht wellende Ausläufer von DANIELA dem äußersten Norden und
Nordwesten, sodass im Nordseeumfeld sowie im äußersten Norden
Schleswig-Holsteins leichter Regen oder Schauer aufkommen. Die Nacht bleibt sehr
mild bei Tiefstwerten zwischen 20 und 15 Grad. Im äußersten Osten und Südosten
sowie in einigen Mittelgebirgslagen kühlt es auf Werte bis 12 Grad ab.


Montag... kommt das Trog-Keil Muster weiter ostwärts voran, sodass die Achse des
Troges bis zum Abend von der Nordsee kommend über Frankreich hinweg verläuft.
Das Tief DANIELA liegt mit seinem Kern zum Mittagstermin über Südnorwegen, wobei
auch bei uns Druckfall einsetzt. Dabei bildet sich eine Tiefdruckrinne aus, die
zur Mittagszeit in einem Bogen von Schleswig-Holstein über Sachsen-Anhalt
südwestwärts verläuft und sich im Laufe des Nachmittags weiter ostwärts
verlagert und dabei noch etwas weiter vertieft (bis knapp unter 1005 hPa).
Aufgrund der zunächst noch sehr trockenen Grundschicht wird der Durchgang der
Konvergenz zunächst vor allem durch einen markanten Windsprung und eine
vorübergehende deutliche Windzunahme zu spüren sein mit Böen Bft 7 bis 8.

Die genaue Niederschlagsentwicklung für den morgigen Tag ist noch mit
zahlreichen Fragezeichen zu versehen, nicht zuletzt, weil noch einige
Modellunterschiede vorhanden sind.
Fest steht, dass mit Winddrehung und vorderseitig der am Nachmittag von
Nordwesten allmählich übergreifenden Kaltfront eine deutliche Feuchtezunahme
erfolgt. Allzu viel CAPE wird zumindest auf Basis der deutschen Modellkette
nicht generiert und liegt meist um 200 J/kg und steigt nur regional auf 500 bis
900 J/kg an. Möchte man aber das Worst-Case Szenario beschreiben, könnte der
Ablauf folgendermaßen aussehen:
Zwischen der Konvergenz und der Kaltfront bilden sich in Verbindung mit der
aufkommenden Hebung auf der leicht diffluenten Trogvorderseite Schauer und
Gewitter aus. Bei beachtlichen Scherungsbedingungen von 15 bis teilweise 25 m/s
DLS sind linienhaft angeordnete Multizellengewitter in Verbindung mit einzelnen
Superzellen zu erwarten. Aufgrund einer weiterhin sehr trockenen Grenzschicht,
die sich in Prognosetemps anhand deutlicher inverted V-Strukturen vor allem im
Osten und Südosten zeigt, stehen die Böen als Begleiterscheinung im Vordergrund.
Sowohl vom deterministischen I-D2 als auch dem EPS werden Böen bis Bft 10,
teilweise sogar Bft 11 prognostiziert. Entsprechende Hinweise gibt es
beispielsweise auch seitens SuperHD. Auch größerer Hagel ist durchaus möglich.
PPW ist zwar ebenfalls mit Werten bis 40 mm, teilweise sogar leicht darüber,
relativ hoch. Durch eine rasche Verlagerung der Zellen sollte aber zumindest der
unwetterartige Starkregen nur vereinzelt auftreten.
Im äußersten Nordwesten und Norden kommt noch hinzu, dass die HKNs am Nachmittag
und Abend mit 400 bis 800 m sehr niedrig liegen, sodass bei erhöhtem DLS und LLS
bis 14 m/s auch einzelne Tornados nicht auszuschließen sind.

Auffällig ist, dass im Vergleich zu Super HD die deutsche Modellkette -
abgesehen von der Böenentwicklung - recht zurückhaltend ist bezüglich kräftiger
Konvektion. Eine mögliche Erklärung könnte die vorderseitig der Kaltfront weit
ausgreifende prognostizierte Bewölkung sein, die dämpfend wirkt. Zum anderen
werden sowohl die Kaltfront als auch der Trog von kräftiger KLA überlaufen und
von Westen erfolgt bereits Druckanstieg (im SW noch etwas stärker ausgeprägt),
was ebenfalls kompensierend wirkt. Kurzum, Feuchte, Labilität und Dynamik
stimmen nicht perfekt überein. Die französische Modellkette tendiert allerdings
in eine ähnliche Richtung wie ICON-D2/EU. Die noch vorhandenen Unsicherheiten
machen es auch schwierig ein Gebiet für eine mögliche Vorabinformation Unwetter
festzulegen. Da aber ohnehin der Starkregen nicht im Vordergrund steht, würden
unwetterartige Entwicklungen aufgrund von Wind oder Hagel nur lokal erreicht,
was ebenfalls gegen eine Vorabinfo spricht.

Die übergreifende Kaltfront hingegen wird auch von SuperHD als wenig wetteraktiv
gezeigt, was an der bereits erwähnten kräftigen KLA liegen dürfte.
Einigkeit besteht auch dahingehend, dass ab den Abendstunden durch doch noch
etwas stärkere Hebung aus den Alpen heraus teils gewittrige Regenfälle auf den
äußersten Süden und Südosten Deutschlands übergreifen sollen, die sich dann in
der Nacht ostwärts Richtung Tschechien und Österreich verlagern. Dabei ist
gebietsweise ein- oder mehrstündiger Starkregen möglich, der auf Basis des I-D2
EPS unmittelbar am Alpenrand auch 35 mm in 1 bis 6 Stunden überschreiten kann
(bis 35 % Wahrscheinlichkeit).

Ansonsten bleibt noch festzuhalten, dass der Montag voraussichtlich der heißeste
Tag der Woche wird mit Höchstwerten im Osten und Südosten bis 36 oder 37 Grad.
Temperaturen unter 30 Grad sind nur im äußersten Nordwesten zu erwarten.

In der Nacht zum Dienstag schwenkt die Trogachse ostwärts über Deutschland
hinweg und auch die Kaltfront hat bis zum Morgen weite Teile des Landes
südostwärts überquert und verläuft etwa vom Süden Brandenburgs bis in den
Südwesten BaWüs. Somit erfolgt von Westen eine Wetterberuhigung, während im
äußersten Osten und in Teilen des Südens noch Konvektion im Gange ist. Das
skalige Regengebiet wurde bereits oben erwähnt.
In der zweiten Nachthälfte erreicht eine weitere Kaltfrontstaffel den Norden und
Nordwesten des Landes, sodass dort nochmals einzelne Schauer aufkommen können
und auch der Wind frischt Gradient bedingt an der Nordsee etwas auf mit Böen Bft
7 aus Nordwest.
Postfrontal fließt kühlere Luft zu uns ein und die T850 hPa geht auf Werte um 6
Grad im Nordwesten zurück. Somit werden wieder insgesamt deutlich angenehmere
Tiefstwerte zwischen 15 und 8 Grad erwartet.

Dienstag... wird der Höhentrog durch einen weiteren von Westen
hereinschwenkenden kurzwelligen Anteil regeneriert, sodass die Strömung in der
Höhe leicht zyklonal konturiert ist. Die erste Kaltfront überquert uns weiter
südostwärts bleibt aber an den Alpen noch hängen. Somit kann es dort noch
längere Zeit regnen. Dabei können anfangs noch Gewitter eingelagert sein, teils
in Verbindung mit markantem Starkregen. Mit Abtrocknung der Luftmasse aus
Nordwesten nimmt die Gefahr dafür aber ab. Die zweite Kaltfront erreicht bis zum
Abend die mittleren Landesteile. Somit muss auch im Norden und in der Mitte
nochmal mit Schauern gerechnet werden. Auch etwas CAPE wird in deren Bereich
simuliert. Die Labilitätsfläche reicht in der Höhe aber nicht über die minus 10
Grad hinaus, sodass Gewitter unwahrscheinlich sind. An der Küste nimmt der
Gradient am Randes des Tiefs über Skandinavien bzw. durch die Bildung eines
kleinen Leetiefs über dem Oslofjord und einem nachfolgenden Hoch (MIKA) mit
Schwerpunkt westlich von Irland noch etwas zu mit Böen Bft 7 bis 8 an den Küsten
aus Nordwest.
Weitgehend niederschlagsfrei und überwiegend sonnig bleibt es im Südwesten des
Landes, sozusagen zwischen den beiden Fronten.
Es stellt sich ein markantes Temperaturgefälle ein mit Höchstwerten im Norden um
20 Grad und bis 29 Grad im Süden (abgesehen vom Alpenrand aufgrund des Regens).


In der Nacht zum Mittwoch verbleiben wir in der Höhe am Rande des Troges. Im
Bodendruckfeld "bohrt" sich aber vermehrt ein Keil des Hochs MIKA bei Irland zu
uns vor. Die zweite Kaltfront kommt zwar noch weiter in den Süden voran, löst
sich aber mehr und mehr auf, sodass auch in Verbindung damit kaum noch Schauer
auftreten. Auch sonst bleibt es mit Ausnahme des Küstenumfeldes trocken.
Warnwürdige ist nur noch Wind an den Küsten mit Böen Bft 7 bis 8 aus Nordwest
bis West. Es kühlt auf 14 bis 8 Grad ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die großräumige Entwicklung wird von den Modellen ähnlich gesehen. Die
Unterschiede ergeben sich im Detail und wurden bereits im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Johanna Anger