DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

22-07-2022 07:01
SXEU31 DWAV 220800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 22.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
BM

Am Abend im äußersten Süden, in der Nacht auch vom Westen in die Mitte
ausgreifend Gewitter, lokal mit Unwetterpotential. Am Samstag im Süden und Osten
lokal Gewitter, ostwärts abziehend. Sonntag insgesamt ruhiges Wetter.

Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... liegt Deutschland überwiegend unter einem flachen Höhenrücken in 500
hPa, der auf seiner West- und Ostflanke von Kurzwellentrögen eingefasst wird. Da
sich im Tagesverlauf die Geopotentialkonfiguration progressiv verschiebt,
verlagert sich die Achse des Rückens von Benelux und der Nordsee bis etwa zu
einer Linie Erzgebirge - Schleswig-Holstein. Damit gelangen sowohl der Westen
wie auch der Süden zunehmend in den Hebungsbereich des westlich von uns
befindlichen Kurzwellentroges. Im Bodendruckfeld zeigen sich insgesamt nur
geringe Luftdruckgegensätze. Ein aktuell noch von der Nordsee und den Britischen
Inseln zu den Alpen gerichteter Keil wird im Tagesverlauf zunehmend abgebaut,
laut ICON wie auch nach EZMW soll sich zum Abend hin sogar über Nordbaden ein
kleinräumiges Tief entwickeln. Dieses kann aber nicht darüber hinwegtäuschen,
dass vom Azorenhoch grundsätzlich zwei Hochdruckbrücken ausgehen, wobei die
erste über Nordwesteuropa zum Nordmeer gerichtet ist, die zweite dagegen über
Deutschland hinweg nach Osteuropa weist. Somit bleibt der Gradientwind meist
schwach. Die einzige Ausnahme bildet der äußerste Nordwesten, wo ein Tief über
Südskandinavien für einen frischen auflandigen Nordwestwind sorgt, der auch
einzelne Böen Bft 7 bringen kann. Die über Deutschland liegende Luftmasse ist
mit 850er Temperaturen zwischen 7°C im Norden und gut 15°C im Süden weiterhin
hochsommerlich warm, wobei mit Trogannäherung über dem Süden ein Anstieg der
entsprechenden Werte auf bis zu 20°C am Abend zu erwarten ist (was Höchstwerte
um 18°C im äußersten Norden und bis 32°C im Süden erwarten lässt). Mit der dort
voranschreitenden Erwärmung geht eine zunehmende Labilisierung der Luftmesse
einher. So sinken die LAPSE-Rates südlich des Mains von stabilen -0,55 K/100m am
Morgen auf etwa -0,7 K/100m am Abend ab. Entsprechend wird auch CAPE aufgebaut,
wobei am Nachmittag und Abend die Werte auch ICON-EU in der Fläche meist um 500
J/kg betragen, an den Alpen in der Spitze aber auch etwa 2000 J/kg erreichen
können. Diese Ansicht wird von EZMW durchaus gestützt, GFS dagegen bleibt bei
den CAPE-Werten etwas verhaltener. Ob es zur Gewitterauslöse kommt, hängt auch
von der Deckelung der Atmosphäre ab. Im 750-hPa-Niveau zeigt sich eine schwache
Sperrschicht (genauer gesagt ein schwächerer vertikaler Temperaturgradient), so
dass die erst oberhalb dieses Niveaus die Capefläche aufbaut, was eher Gewitter
vom Typ "elevated" erwarten lässt. Da die Scherungsbedingungen im Westen
günstiger sind als im Süden sind die Bedingungen für organisierte Strukturen
nicht ideal. Gleichwohl zeigen externe hochauflösende Modelle durchaus größere
Gewittercluster, u.a. Kachelmanns SuperHD über dem äußersten Südosten am späten
Abend. Die deutschen Modelle sind diesbezüglich zurückhaltender. Die möglichen
Gewitter sind bei PPW-Werten von etwa 35 mm und langsamer Zuggeschwindigkeit
durchaus von Starkregen begleitet, der auch Unwetterpotential haben kann. Dazu
lässt die in der unteren Troposphäre gebietsweise zu beobachtende inverse
V-Struktur auch Sturmböen oder sogar schwere Sturmböen ebenso möglich erscheinen
wie größeren Hagel.

In der Nacht zum Samstag zieht der Rücken nach Polen ab, von Westen greift dafür
mehr und mehr der westeuropäische Trog auf uns über, seine Achse erreicht zum
Morgen den äußersten Westen. Da mit der Annäherung des Troges die nieder- und
mitteltroposphärische Strömung etwas zurückdreht, wird die sehr labile Luftmasse
über dem Süden zunehmend nach Osten abgedrängt. Damit (und natürlich mit dem
Tagesgang) sinken die CAPE-Werte, allerdings bleibt die Luftmasse sehr feucht.
In der Folge sind im Süden, insbesondere aber am Alpenrand anfangs teils
kräftige Gewitter unterwegs, die regional zunehmend in länger anhaltenden
Starkregen (20 bis 30 l/qm in bis zu 6 Stunden) übergehend. Dabei besteht teils
weiterhin Unwettergefahr durch großen Hagel und Starkregen bis 40 l/qm in einer
Stunde bzw. bis 60 l/qm in wenigen Stunden. Mit Übergreifen des Troges auf den
Westen wird auch dort schon ausgangs des heutigen Freitags zunehmend dynamische
Hebung generiert. Zwar berechnen die Modelle über dem Westen (auch hier
natürlich tagesgangbedingt) kaum CAPE und auch die Schichtungslabilität
präsentiert sich zurückhaltend, aber dennoch greifen im Nachtverlauf vom
Südwesten und Westen bis zur Mitte markante Gewitter aus, die mit Starkregen um
20 l/qm in kurzer Zeit, örtlichem Hagel und stürmischen Böen bis 70 km/h (8 Bft)
verbunden sein können. Das auch dort lokal vorhandene Unwetterpotential durch
länger anhaltenden bzw. wiederholten Starkregen zwischen 30 und 60 l/qm in
wenigen Stunden ist allerdings geringer als das im Süden. Laut ICON-D2 sollen
die Schauer und Gewitter in der Nacht etwa bis zur Elbe vorankommen, ICON
(global) hält diesbezüglich auch den Berliner Raum für "gefährdet". Die externen
Modelle bleiben mit ihren Schauer- und Gewittergebieten etwas südlicher und
damit meist auf Mitteldeutschland beschränkt, allenfalls Südbrandenburg soll
laut ihnen noch "angekratzt" werden. Der Norden bleibt meist trocken, der Wind
abgesehen von Schauer- und Gewitterböen schwach, und lokal können sich bei
Tiefstwerten zwischen 18°C und 11°C Nebelfelder bilden.

Samstag... überquert der Trog Deutschland fast vollständig, seine Achse
orientiert sich zum Abend weitgehend mit Nord-Süd-Ausrichtung vom Stettiner Haff
bis nach Ostbayern. Da ein nordatlantisches Tief unter Intensivierung von Westen
kommen auf die Britischen Inseln zusteuert, sinkt der Druck etwas, ohne dass
dieser Druckfall die Druckkonfiguration durchgreifend ändern würde. Vielmehr
steuert der Trog das Wettergeschehen, und auf seiner Rückseite setzt recht
schnell eine dynamische und schichtungsbedingte Stabilisierung, am Nachmittag
von Nordwesten auch zunehmend eine Abtrocknung ein. Somit "schiebt" der Trog die
Konvektion nach Osten, schon im Laufe des Vormittages sollten aus der Westhälfte
alle Schauer und Gewitter abgezogen sein. Zum Abend hin beschränkt sich die
Schauer- und Gewittertätigkeit dann wohl auf den Südosten (Alpen bis
Erzgebirge). Im Südosten sind dabei die Gewitterparameter im Tagesverlauf am
prägnantesten ausgeprägt. Laut ICON-EU steigen die CAPE-Werte auf bis zu 1300
J/kg, was im Vergleich zum Vortag aber schon etwas verhaltener daherkommt. Die
Schichtungslabilität ist mit Werten bis knapp unter -0,6 K/100m auch nicht ganz
so ausgeprägt wie am Vortag. Für kräftigere Entwicklungen spricht insbesondere
die weiterhin sehr hohe Feuchte (mit PPWs bis an die 40 mm) und die durch die
gradientschwachen Bedingungen niedrige Zuggeschwindigkeit der Zellen. Somit
treten Unwetter bezüglich Starkregens vornehmlich im Süden auf. Auch Hagel ist
wieder mit dabei, aber die Böen sollten, da die o. e. inverse V-Struktur nun
nicht mehr so deutlich zu Tage tritt, den Bereich Bft 9 (um 85 km/h) nicht mehr
überschreiten. Bezüglich der Gewitterentwicklungen in der Mitte und im Osten
darf man bezüglich des Gefährdungspotentials noch ein bisschen was abziehen.
Unwetter durch Starkregen sollte hier die absolute Ausnahme bleiben (so es denn
überhaupt auftritt), kleiner Hagel und Böen Bft 8, das sollte es dort gewesen
sein. Da das Temperaturniveau in 850 hPa etwas absinkt (auf etwa 5°C im Norden
und etwa 15°C im Süden) liegen die Höchstwerte auch im Süden nur noch bei
maximal 29°C, im Norden zeigt sich im Vergleich zum Vortag keine durchgreifende
Änderung. Dafür wird es nach Durchzug des Troges im Westen zunehmend freundlich,
so dass dort die Sonnenanteile am höchsten sind.

In der Nacht zum Sonntag schwenkt der Trog weiter bis zur Weichsel. Auf seiner
Rückseite kann sich ein Höhenrücken etablieren, der durch WLA gestützt wird.
Diese WLA ist dem Tief bzw. dem zugehörigen Höhentief nordwestlich von Island
geschuldet. Da die Achse des Höhenrückens bis zum Morgen die Nordsee und den
Ostausgang des Ärmelkanals erreicht, liegen wir komplett auf seiner Vorderseite,
was auch Druckanstieg zur Folge hat. Da gleichzeitig der Druck auf der Südflanke
des atlantischen Langwellentroges, also zwischen Irland und der Iberischen
Halbinsel, fällt, wird die bis dato ebendort verlaufende Hochdruckbrücke
gekappt. Stattdessen etabliert sich ein eigenständiges Hoch über Frankreich,
dessen Schwerpunkt zum Morgen die Südhälfte Deutschlands erreicht. Abgesehen von
anfänglichen letzten Schauern und Gewittern an den Alpen bleibt es dadurch
trocken, gebietsweise kann sich Nebel bilden. Die Tiefstwerte werden zwischen
16°C und 10°C erwartet, im höheren Bergland und gebietsweise auch im Norden
liegen die Minima sogar im einstelligen Bereich.

Sonntag... und in der Nacht zum Montag dominiert hoher Luftdruck unser Wetter.
Ausnahme: der äußerste Nordwesten. Da nämlich das Hoch seine Reise nach Osten
bzw. Südosten fortsetzt, kann über dem Nordwesten der Druck durch Annäherung des
Nordatlantiktiefs fallen. Damit frischt dort in der Nacht zum Montag zunehmend
der Wind auf (aber wohl noch ohne dass es zu warnwürdigen Böen kommt), und
dichtere Warmfrontbewölkung zieht auf, die von Ost- bis nach Nordfriesland nach
jetzigem Stand für etwas Regen sorgt. Im übrigen Land ist es tagsüber sehr
sonnig und nachts oft klar. Da mit der zwischen Rücken und Trog auf Südwest
drehenden nieder-und mitteltroposphärischen Strömung wieder (bzw. weiterhin)
Warmluft advehiert wird, steigen die 850er Temperaturen bis zum Sonntagabend auf
11°C im Norden und 18°C im Süden. Damit liegen die Maxima wieder zwischen 24°C
und 33°C, in der Nacht zum Montag kühlt es auf 20°C bis 13°C ab.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Modelle simulieren die Abläufe der kommenden Tage auf dem synoptischen Scale
sehr ähnlich. Unterschiede ergeben sich klassischer Weise bei der
Niederschlagsverteilung und -intensität (z. B. Niederschlagsverlagerung in der
Nacht zum Samstag) und den Begleiterscheinungen der Schauer und Gewitter
(insbesondere Hagel/Windböen).

Teilweise wurden die Modellunterschiede im Text angesprochen.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Martin Jonas