DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

20-07-2022 09:01
SXEU31 DWAV 200800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Mittwoch, den 20.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
Hitzeschwerpunkt heute in der Osthälfte Deutschlands. Zudem später von Südwesten
teils heftige Gewitter (UNWETTER, Schwerpunkt Baden-Württemberg, in der Nacht
dann Hessen und NRW.
Am Donnerstag dann zunächst in NRW und in Niedersachsen, später auch im
Nordosten und im Raum Ostalpen, eventuell in der Lausitz, teils gewittriger
Starkregen, Unwetter nicht ausgeschlossen.
Freitag Wetterberuhigung.

Synoptische Entwicklung bis Freitag 24 UTC
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Mittwoch... verschiebt sich die Achse des vom westlichen Mittelmeer ausgehende
Höhenrückens weiter ins östliche
Mitteleuropa und das Höhentief erreicht bis zum Abend die belgische Küste. Die
besonders heiße Luft kommt noch etwas nach Osten voran, wird im Westen aber
durch konvektive Prozesse allmählich abgebaut, bzw. durch eine Kaltfront
verdrängt. Somit liegt heute um 15 UTC ein Gebiet mit 20 bis 23 Grad in 850 hPa
östlich von Weser, vom Rhein-Main-Gebiet und von Südwürttemberg. Dabei wird es
in den genannten Regionen bis zum Spätnachmittag meist sonnig sein bei nur
einigen dünnen Cirruswolken. Damit werden in den tiefen Lagen meist Höchstwerte
von 37 bis 40°C erreicht. Der Hitzeschwerpunkt dürfte im Bereich Sachsen-Anhalt,
östliches Niedersachsen, in Thüringen und im Südwesten von Brandenburg sein. An
einzelnen Stationen könnte es hierbei für neue Allzeitrekorde reichen. Westlich
der Linie ist es mit 30 bis 36 Grad nicht mehr ganz so heiß und ganz im Westen
wird vor allem im Bergland die 30-Grad-Marke wohl knapp verfehlt.

Ausgehend von dem Tief über der Nordsee überquert eine Konvergenzlinie (oder
Tiefdruckrinne) mit einem markanten Windsprung von Südost auf West im Laufe des
Tages Deutschland vom Westen bis der Mitte. Die Konvergenz dürfte bis zum
Abend eine Linie Wismarer Bucht-Bayerwald erreichen. Rückseitig frischt der
Westwind mitunter stark auf, so dass es insbesondere in der Nordhälfte durchaus
vermehrt zu steifen Böen (Bft 7) kommen kann. Eine stürmische Bö kann nicht
ausgeschlossen werden.

Konvektion wird dagegen an der Konvergenz noch nicht ausgelöst, dazu ist die
Luftmasse dort einfach noch zu trocken (in nahezu allen Schichten). Das ändert
sich aber schlagartig mit der Winddrehung auf West, mit der eine deutlich
feuchtere Luftmasse (PPWs um 40 l/qm, spezifische Feuchte >10 g/kg) zugeführt
wird. Diese ist aber auch etwas stabiler geschichtet (kleine Sperrschicht
zwischen 800 und 750 hPa), so dass sich zumindest keine überbordenden CAPE-Werte
aufbauen können.

Aus der Luftmasse selber wird die Auslöse schwierig, zumal bodennah rückseitig
der Konvergenz der West- bis Nordwestwind eher störend wirkt (Stichwort: kühler
Fuss). Etwas anders sieht es am späten Nachmittag und Abend aus, wenn der Wind
auf Südwest rückdreht und zudem immer mehr die PVA induzierte Hebung des Troges
auf den Westen und Südwesten übergreift. Je später der Abend desto
wahrscheinlicher einzelne Überentwicklungen (ausgehend wahrscheinlich von der
Orographie sowie von Frankreich, der Schweiz und Benelux her.

Ein Schwerpunkt zeichnet sich inzwischen immer mehr für die Südhälfte
Baden-Württembergs ab. Die Scherung ist zwar mit 10-15 m/s in der Schicht
zwischen 0 und 6 km limitiert, im Laufe des Abends aber steigt sie nach Westen
hin teils über 20 m/s. Zudem ist das der Bereich, in dem die scharfe Trogspitze
von Südwesten hereinschwenkt. Sowohl ICON-D2 als auch externe
konvektionserlaubende Modelle zeigen dort starke und schnell verclusternde
Konvektion mit heftigem Starkregen bis in den Unwetterbereich hinein. Die
Wahrscheinlichkeit für (mehrstündigen Starkregen über 35 mm in 6h liegen laut
aktuellem ICON-D2 EPS Lauf zwischen Hochrhein/Bodensee und Schwarzwald bei 20
bis 70%. (Zeitraum bis 18 UTC). Bis 21 UTC steigen die Wahrscheinlichkeiten auch
im nördlichen Ba.-Wü. bis zum südlichen Odenwald.

In der ersten Nachthälfte breiten sich die Gewitter von Ba.-Wü. nach Hessen bzw.
von Frankreich nach Rheinland-Pfalz und später nach NRW aus (bis 00 UTC). Auch
hier zeigen die feinmaschigen Modelle Regenmengen teils bis in den
Unwetterbereich und die Gebiete verclustern zusehendes, d.h. es tritt teils auch
über größeren Flächen Starkregen auf, punktuell unwetterartig (>35 l/qm). In der
2..Nachthälfte wird dann Niedersachsen und gegen Morgen Schleswig-Holstein
erfasst. Von ICON D2 wird auch noch eine schwächere Gewitterzone ausgehend vom
Erzgebirge über Sachsen berechnet (auch vom IFS gezeigt). Ansonsten bleiben der
Osten und der Ostseeküstenbereich noch von Gewitter verschont. Allerdings gibt
es dann gebietsweise eine Tropennacht mit Werten zwischen 20 und 22 Grad. Im
Westen sorgen die Westwinde schon für angenehmere 15 bis 18 Grad. Auf der
Südseite des bis 06 UTC nach Seeland ziehenden Bodentiefs mit Trog an der
holländischen Küste frischt der West-Südwestwind mitunter etwas auf mit 5er und
6er Böen. Vor allem im höheren Bergland kann es auch mal eine steife Windböe
geben. Das zum Bodentief gehörende Höhentief erreicht derweil die holländische
Grenze.

Donnerstag... Während das Höhentief zum Ausgang der Eckernförder Bucht zieht,
überquert sein Höhentrog weite Teile Deutschlands ostwärts und seine Trogachse
erreicht den Südosten Deutschlands. Das zugehörige Bodentief verlagert sich
derweil nach Südschweden und der Bodentrog nebst kleinem Randtief von der
Deutschen Bucht nach Niedersachsen. Entsprechend breiten sich die konvektiven
Regenfälle mit einzelnen Gewittern vom westlichen Niedersachsen ins östliche
Niedersachsen und nach Schleswig-Holstein aus, wobei sie sich nach den
EPS-Ergebnissen ehr abschwächen, obwohl beim operationellen 03-UTC-Lauf noch ein
starkes Gewitter in Schleswig-Holstein dabei ist. Auch in der Lausitz und in
Südostbayern könnten noch einzelne starke Gewitter entstehen, da hier noch
labile Luft mit Cape-Werten über 500 J/Kg übriggeblieben ist. Unwetter sind
nicht ganz ausgeschlossen. In den anderen Gebieten sorgt Kaltluftadvektion für
eine Stabilisierung der Luftmasse mit einer Absinkinversion bei rund 600 hPa.
Schauer sind hier selten bei mehr oder weniger aufgelockerter Quellbewölkung.
Den meisten Sonnenschein gibt es im Südwesten und ganz im Osten mit teils über
50 Prozent Sonnenschein. Die Temperaturen erreichen am Oberrhein, im Neckartal
und im Osten noch heiße 30 bis 32 Grad. Ansonsten gibt es sommerliche 24 bis 29
Grad, im Nordwesten aber nur 20 bis 23 Grad.
Der Wind frischt mitunter südlich des Tiefs etwas auf, meist bleibt es
allerdings bei frischen bis starken Böen. Die Bft 7 ist allerdings vor allem
nach Osten hin und im Bergland möglich.

In der Nacht zum Freitag zieht das Höhentief endgültig nach Südschweden ab und
damit auch letzte Regenfälle über die Ostsee nordostwärts. Dabei ist die
Starkregengefahr in Mecklenburg-Vorpommern bis in die 2. Nachthälfte noch nicht
gebannt (s. u.). Der nachfolgende Druckanstieg könnte aber an exponierten
Küstenabschnitten noch für die ein oder andere Windböe reichen.

Über der Nordhälfte bleibt es meist noch bewölkt, während es mit Annäherung
eines flachen Hochkeils des korrespondierenden Hochs über Großbritannien und dem
südlichen Nordmeer in der Südhälfte südlich der Divergenzachse vermehrt
aufklart. Bei Tiefstwerten zwischen 17 und 10 Grad kann landesweit endlich
wieder gut durchgelüftet werden.


Freitag... wird der dem Trog folgende Höhenkeil unter leichter Aufsteilung über
Deutschland ostwärts gesteuert und der Westen des Landes gelangt zum Abend
bereits auf die nächste Trogvorderseite. Die 2. Kaltfront des Tiefs über
Südschweden erreicht im Tagesverlauf etwa die Mitte Deutschlands. Sie trennt
stabil geschichtete, vergleichsweise kühle Meeresluft im Norden (T850 um 10
Grad) von warmer, aber bodennah sowie in der mittleren Troposphäre
abgetrockneter deutlich wärmerer Luft im Süden (T850 > 15 Grad, an den Alpen 20
Grad). Die PPW's liegen dafür noch recht moderat bei rund 25 mm im Süden.

Mithilfe der Orographie und insbesondere mit Annäherung des Troges in den
Abendstunden sind im Alpenraum und im Schwarzwald sowie in den westlichen
Mittelgebirgen später einzelne Schauer und Gewitter möglich.

Sonst scheint neben lockeren Wolkenfeldern länger die Sonne. Lediglich von der
Nordsee driften am Rande des Hochs mit nordwestlicher Strömung zähe und kompakte
Sc-Felder nach Nordwestdeutschland, aus denen es vereinzelt auch etwas tröpfeln
kann.

Entsprechend groß ist das Temperaturgefälle über Deutschland mit kaum 20 Grad an
der Nordsee, 21 bis 25 Grad im Norden, 25 bis 30 Grad über der Mitte und heißen
30 bis 35 Grad im Süden. Damit ist gleichzeitig auch klar, dass die Hitze im
Süden letztlich nie komplett ausgeräumt wird.

Im Norden frischt der Nordwestwind mitunter kräftig auf. An der See kann es an
exponierten Abschnitten weiterhin für einzelne Böen bis 7 Bft reichen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Großräumig simulieren die Globalmodelle recht ähnlich.
Was die Unwettergefahr durch Starkregen, teils in Verbindung mit Gewittern
angeht, so zeigt ICON-D2-EPS zunächst in der Südhälfte Baden-Württembergs die
höchsten Wahrscheinlichkeiten für heftigen Starkregen (bis 18 UTC). Von 18 bis
24 UTC verlagert sich die Starkregengefahr nach Hessen und NRW, bleibt in
Ba.-Wü. aber noch recht hoch.
In der 2. Nachthälfte ist dann hauptsächlich NRW und das südwestliche
Niedersachsen betroffen. Morgen Vormittag ändert sich an den betroffenen
Regionen nicht viel, insgesamt verringern sich aber die Wahrscheinlichkeiten.
Morgen Nachmittag steigt die Starkregengefahr auch im Nordosten etwas an.
In der Nacht zum Freitag gibt es in Mecklenburg-Vorpommern anfangs noch eine
geringe Starkregengefahr.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Olaf Pels Leusden