DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

18-07-2022 07:30
SXEU31 DWAV 180800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Montag, den 18.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
HM (Hoch Mitteleuropa) Übergang zu SWa (Südwest antizyklonal)

Hitzewelle rollt an, Höhepunkt am Dienstag in der Westhälfte, am Mittwoch in der
Osthälfte. Höchstwerte dabei lokal um die 40 Grad und damit in der Nähe der
Allzeitrekorde. Im Laufe des Mittwochs von Westen Abkühlung und gebietsweise
Gewitter (lokal mit Unwettergefahr) - Details aber noch unsicher.

Synoptische Entwicklung bis Mittwoch 24 UTC
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Montag... hat sich im Vorfeld eines Cut-Offs dicht westlich von Kap Finisterre
ein gewaltiger Rücken über Westeuropa etabliert. Das Geopotential in 500 hPa
erreicht mit 595 gpdm über dem westlichen Mittelmeerraum und Südfrankreich und
damit knapp 600 gpdm derart hohe Werte, wie man sie nur sehr selten beobachten
kann. Die darunter in tieferen Schichten befindliche "Hitzeglocke" reicht mit
T850 > 20 Grad (lokal über Nordspanien, Westfrankreich und der Biskaya bis 27
Grad) inzwischen weiter nach Norden bis nach Nordirland und an die Schottische
Grenze. Dort wackeln heute die Allzeitrekorde der Höchsttemperaturen, wie sie
beispielsweise im August 2003 am Londoner Flughafen Heathrow mit 37,9 Grad
Celsius gemessen wurden.

Hierzulande ist es sozusagen die Ouvertüre in eine Hitzewoche, deren weiterer
Verlauf und vor allem Ausgang noch mit ziemlichen Unsicherheiten behaftet ist.
Weitere Details dazu wie gewohnt an dieser Stelle unter der Synoptischen
Übersicht Mittelfrist vom geschätzten Kollegen Hartmann in den Mittagsstunden.

Dadurch, dass der Schwerpunkt des Bodenhochs JÜRGEN nach Osten Richtung
Tschechien wandert, ist der Weg frei, dass sich die Hitze sukzessive von
Frankreich und Benelux her Deutschland annähert. In den Grenzgebieten erreicht
uns im Tagesverlauf die 20 Grad Isotherme in 850 hPa, wohingegen die 15 Grad
sich in etwa entlang der Elbe orientiert. Folglich gibt es unter Absinken und
viel Sonnenschein nach vielfach wieder frischer Nacht (vielerorts nochmals um 10
Grad oder knapp einstellig) einen raschen Temperaturanstieg von teilweise 20K
und mehr bis zum Nachmittag auf 30 bis 35 Grad, an der Mosel bis 37 Grad. Die
Luftmasse bleibt aber (glücklicherweise) sehr trocken mit relativen Luftfeuchten
am Nachmittag verbreitet unter 30, im Südwesten teils unter 20%.

Im Norden und Nordosten wird der Rücken von einem flachen Randtrog in 700 hPa
über Dänemark überlaufen. Dieser sorgt im Verbund mit einem flachen Tief über
Südnorwegen und einer davon ausgehenden Warmfront Richtung südliche Ostsee für
Warmluftadvektion, die sich aktuell bereits in Form mehrschichtiger Bewölkung
von der Nordsee bis in die Uckermark äußert. Von der Dänischen Grenze über
Fehmarn bis nach Rügen können einzelne Tropfen auch mal den Boden erreichen,
sonst bleibt es eher bei Fallstreifen. Unter den zeitweise zumindest dichteren
Wolken wird es dann auch mit 24 bis 29 Grad noch nicht heiß. Bei mäßigem,
auflandigem Südwestwind in Nordfriesland liegen die Höchstwerte nur wenig über
20 Grad. Sonst weht der Wind oft nur schwach aus unterschiedlichen Richtungen.

In der Nacht zum Dienstag kommt die Achse des Rückens ein wenig weiter nach
Osten voran und reicht zum Morgen von den Westalpen über den Niederrhein bis zur
Nordsee. Das Cut-Off greift nordostwärts zur Biskaya über, womit die Verbindung
des Rückens über den Pyrenäen "gekappt" wird und in dessen Nordteil effektiv
bereits leichter Potentialfall einsetzt. Damit wird gewissermaßen die
Abschnürung der Hitzeglocke eingeleitet. Eine weitere qualitative Verschärfung
ist somit erstmal nicht zu erwarten - insofern wird es spannend zu beobachten
sein, was die Höchstwerte am heutigen Montag über Frankreich letztlich im Detail
machen.

Bei uns heißt es dagegen nochmal ordentlich durchzulüften. Nachdem die letzten
Wolken auch im äußersten Nordosten abgezogen sind, geht das Thermometer in der
trockenen Luft bei nur schwacher Luftbewegung auf 14 bis 9 Grad zurück. In den
Ballungszentren jedoch - insbesondere entlang des Rheins und seinen Nebenflüssen
halten sich immer häufiger schon "Wärmeinseln" mit Tiefstwerten nur noch um oder
knapp unter 20 Grad.

Dienstag... erreicht die Hitzewelle in der Westhälfte ihren (vorläufigen)
Höhepunkt. Bis zum Abend liegt der Höhenrücken ziemlich mittig genau über
Deutschland. Bodennah beginnt der Druck von Westen zu fallen. Eine sich
formierende Tiefdruckrinne unter 1015 hPa, die von England bis nach
Südfrankreich reicht, bleibt aber noch außen vor. Mit der auf Süd drehenden
Höhenströmung gelangt in die Westhälfte Deutschlands die potentiell heißeste
Luft mit T850 zwischen 20 und 23, an der Grenze zu Frankreich und Benelux lokal
24 Grad. Aufgrund des recht hohen Geopotentials mit knapp 160 gpdm in 850 hPa
sind allein mit perfekter Durchmischung Höchstwerte an die 40 Grad. Bei
schwachen, am Nachmittag zeitweise auch mäßigen Winden aus südöstlichen
Richtungen sind dabei vor allem die Nordränder der westlichen Mittelgebirge
prädestiniert (Aachener Raum/Ruhrgebiet, aber auch entlang von Mosel, Rhein und
Lahn). Zusammen mit kurzzeitigen Überadiabaten in Bodennähe sind Maxima bis in
die Nähe der Absolutrekorde vom 25.07.2019 mit 41.2 Grad in Duisburg und
Tönisvorst, 41.1 in Köln und 40.9 Grad in Kleve beispielsweise sehr gut
vorstellbar. Die Tendenz geht zumindest in die Nähe der Allzeitrekorde.

Was könnte die Rekorde letztlich verhindern? Die Bewölkungsprognose ist
vergleichsweise sicher. Allenfalls wenige Cirren sollten die Temperaturen nicht
dämpfen. Stellt sich noch die Frage nach Saharastaub. Berechnungen des ICONs
zufolge spielt dieser Faktor ebenfalls nur eine untergeordnete Rolle. Durch den
nur kleinen Cut-Off ist die Strömung nicht hochreichend und langanhaltend auf
S/SW. So finden sich in den Simulationen lediglich über den Britischen Inseln
und Frankreich geringe Konzentrationen, am Dienstag mit einem Streifschuss
Richtung Nordwesten und Küste.

Auch wenn wir in der Osthälfte von Rekorden noch ein Stück entfernt sind, so
wird es auch dort mit 30 bis 38 Grad zunehmend heiß. Beeindruckend ist die
Sonnenscheindauer im Mos-Mix, die nahezu landesweit am Anschlag ist.

In der Nacht zum Mittwoch schwenkt die Achse des Rückens langsam weiter in den
Osten des Landes. Im Westen kommen wir zunehmend auf die Vorderseite des
Cut-Offs, der beginnt, sich langsam wieder in den Langwellentrog über der
Norwegischen See einzugliedern. Zuvor jedoch erreicht dieser noch mit einer
abgeschlossenen Zirkulation den Englischen Kanal und PVA bedingte Hebungsimpulse
kommen über Ostfrankreich und Belgien auf. Das Bodentief zieht unterdessen in
die Nordsee und die dazugehörige Konvergenz innerhalb der Tiefdruckrinne
erreicht in den Frühstunden den äußersten Westen und Südwesten Deutschlands. Sie
geht wohl mit (böiger, aber wohl nicht warnwürdiger) Winddrehung von Südost auf
Südwest bis West zunächst trocken durch, bevor auf der Rückseite erste Schauer
und Gewitter übergreifen können.

Dementsprechend wird es mit Bewölkungsaufzug und zunehmendem Feuchteeintrag im
Westen zunehmend schwül mit Tendenz zu Tropennächten mit Tiefstwerten von 23 bis
20 Grad. Sonst kühlt es auf 19 bis 15, in Teilen Bayerns bis 11 Grad ab.

Mittwoch... wird die Lage zunehmend knifflig. Das Höhentief wird schmaler und
schmaler und auf dem Weg nach Nordosten zunehmend ausgebremst, da der Rücken
über Ostdeutschland, Polen und Südschweden seinerseits von einem neuerlichen
Trogvorstoß über Russland blockiert wird.

Progressiver ist da schon die bodennahe Rinne, die bis zum Abend in etwa die
Elbe erreicht. Innerhalb dieser ist die Auslöse von Schauern und Gewittern aber
ziemlich unwahrscheinlich, zum einen mangels fehlenden Antriebs aus der Höhe,
vielmehr aber noch aufgrund mangelnder Feuchte in bodennahen Luftschichten. Das
KKN wird teilweise noch weit über 2500 Metern simuliert. Daher wird der
Hitzehöhepunkt nun im Osten erreicht, wo bei viel Sonnenschein, südöstlichen
Winden und T850 > 20 Grad Höchstwerte zwischen 35 und 39 Grad zu erwarten sind.
Lokal kann es auch hier in die Nähe von Rekorden gehen.

In der Westhälfte dreht so der Wind frühzeitig auf westliche Richtungen was im
Verbund mit einzelnen kompakten Wolkenfeldern die Auslöse und Generierung von ML
CAPE erschwert. Zudem sind die Lapse Rates gerade zwischen 700 und 800 hPa nur
leidlich labil. Da muss schon aus der Höhe flacher werdende, aber dadurch auch
zunehmend scharf gekrümmte Trog zur Seite springen, dessen PVA-bedingte
Hebungsimpulse vor allem am Nachmittag und Abend auf die Westhälfte übergreifen.
Bei PPW's um die 40 mm besteht vor allem bezüglich des Starkregens erhöhte
Unwettergefahr. Wo großflächig diese letztendlich sein wird und ob sich daraus
die Ausgabe einer Vorabinformation ergibt, ist im Detail noch zu unsicher und
muss auf die Folgeläufe vertagt werden. Nach aktuellem Stand wäre die
Unwettergefahr westlich der Weser am größten (stärkste dynamische Hebung +
hochreichende Scherung). In Süddeutschland besteht die Gefahr einzelner,
isolierter Superzellen mit größerem Hagel und schweren Sturmböen oder
orkanartigen Böen.

Modellvergleich und -einschätzung
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Bezüglich der Basisfelder sowie der Hitze am Dienstag (in die Nähe der Rekorde)
besteht weitgehend Einigkeit. Unsicher wird die Lage am Mittwoch. Wie schnell
kommt die Konvergenz ostwärts voran? Was stark und großräumig ist der
Hebungsantrieb vom Trog im Westen? Vor allem das GFS präsentiert hierbei noch
eine Einzellösung, die das Cut-Off Tief über Frankreich belässt und den Rücken
stärker betont. Gewitter nur im Südwesten und Hitzeverlängerung für große Teile
der Mitte und des Westens wären die Folge. Ganz unrealistisch ist das nicht.
Wahrscheinlicher jedoch das im Text beschriebene Szenario.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Robert Hausen