DWD Synoptische Übersicht Kurzfrist

15-07-2022 07:30
SXEU31 DWAV 150800

S Y N O P T I S C H E Ü B E R S I C H T K U R Z F R I S T
ausgegeben am Freitag, den 15.07.2022 um 08 UTC


GWL und markante Wettererscheinungen:
GWL: NWa

Im Norden zeitweise wechselhaft und mäßig warm, im Süden sommerlich und trocken.
Abgesehen vom Norden/Nordosten durchweg mittlere bis hohe Waldbrandgefahr und
anhaltend trocken.


Synoptische Entwicklung bis Sonntag 24 UTC
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Freitag... und die gesamte Kurzfrist über richtet sich der Blick auf einen Keil
über Südwesteuropa, der bereits kräftig die Geopotenzialanomaliewerte über der
Biskaya bis ins Seegebiet westlich vor Irland steigen lässt. Gestützt wird diese
Entwicklung durch ein seit Wochen angedeutetes Höhentief westlich der Iberischen
Halbinsel, das mittlerweile mit nur geringen Unschärfen bezüglich
Lage/Intensität berechnet wird (wenig überraschend, da ja bereits existent).
Zusätzlich gestützt wird der Keil durch einen progressiven und von der Südspitze
Grönlands nach Island ziehenden Trog, der eine relativ glatte Westströmung über
dem Nordatlantik zurücklässt.

Dabei liegt Deutschland zum Beginn der Kurzfrist (am Freitag) an der Ostflanke
des Keils in einer zur Klimatologie gesehen ungewöhnlich kräftigen
nordwestlichen Höhenströmung, die neben dem Keil auch durch einen umfangreichen
Trog über Skandinavien aufgespannt wird. Eine in diese Strömung eingebettete
Kaltfront, die gestern die Mitte und den Süden Deutschlands überquert hat,
schmiegt sich heute an die Alpen. Mit postfrontal eingeflossenen Taupunkten von
7 bis 10 Grad ausgangs der Nacht und mit dem Tagesgang gedrückten Werte von 2
bis 8 Grad deutet sich dabei vielerorts ein (Achtung: subjektive Einschätzung)
temperaturtechnisch angenehmer Sommertag an mit mäßig warmen 18 bis 23 Grad
nördlich der zentralen Mittelgebirge und 24 bis 29 Grad südlich davon (mit
einzelnen 30 Grad Spitzen entlang des Oberrheins).
Dabei zeigt sich die Sonne im Süden neben einzelnen Haufenwolken ganztags mit
nur kurzen Unterbrechungen, wobei am direkten Alpenrand im Umfeld der
Frontenreste mit Taupunkten bis 14 Grad noch einzelne Schauer nicht
ausgeschlossen werden können.

Im Norden sieht es ein bisschen trüber aus. Die nächtlichen Radiosondenaufstiege
deuten es bereits an - eine kräftige Temperaturinversion in rund 800 hPa sowie
ausgangs der Nacht im Binnenland eine weitere entlang der entkoppelten
Grenzschicht. Letztere wird trotz unterdrückter Einstrahlung schnell verwaschen
und auch die in 800 hPa wird im Tagesverlauf von West nach Ost dank Abzug des
thermischen Troges bzw. einer einsetzenden gesamttroposphärischen Erwärmung
angehoben bzw. aufgelöst. Die Folge ist, dass sich die bis zur Mittagszeit
vielerorts zäh haltende Stratusbewölkung immer mehr auflöst und der Sonne den
Weg freimacht. Einzig im Nordweststau der westlichen zentralen Mittelgebirge
kann sich die dichte Bewölkung bis weit in den Nachmittag halten und auch im
Umfeld der Deutschen Bucht sollte zum Abend schwache WLA für eine Sättigung bis
500 hPa und zunehmender Bewölkung sorgen. Die Höchstwerte reagieren daher
nördlich der zentralen Mittelgebirge in der Numerik verhalten mit 16 bis 19 Grad
im Küstenumfeld/auf Inseln sowie mit 18 bis 23 Grad im norddeutschen Binnenland.


Bleibt noch der Wind zu erwähnen, der meist schwach bis mäßig, in Böen frisch
bis stark aus nordwestlicher Richtung weht und in Sylt sowie im Umfeld der
Ostsee und in weiten Bereichen Mecklenburg-Vorpommerns mit Windböen Bft 7,
exponiert an den Küsten mit stürmischen Böen (Bft 8), daherkommt.


In der Nacht zum Samstag sorgt vergleichsweise hoher Luftdruck südlich der
zentralen Mittelgebirge nach Auflösung letzter Haufenwolken für eine klare und
störungsfreie Nacht mit Tiefstwerten von lüftungsfreundlichen 10 bis 7 Grad,
südlich der Donau von 13 bis 10 Grad.

Spannender verläuft da schon die Entwicklung über Norddeutschland. Eine knackige
Kurzwellenpassage erfolgt eingangs der Nacht vom Seegebiet Viking nach Fisher
mit Passage über Dänemark in Richtung Kattegat nach 00Z. Die Tendenz der Welle
in den jüngsten 5 Läufen (ICON, GFS, IFS) geht in Richtung "vergrößerte
Wellenamplitude" und verschärfter Krümmungsvorticity, die sicherlich dominierend
zur in Phase laufenden Temperaturadvektion für ein doch recht imposantes
Hebungsfeld mit hohen Q-Vektor Konvergenzwerten sorgt. Dies wird durch cross
sections gestützt, die ein imposantes Omegafeld bis 450 hPa andeuten sowie die
klassische Signatur einer kräftigen positiven PV Anomalie (wohl auch diabatisch
über der warmen See forciert). Begleitet wird dieses progressive und dynamische
"feature" von einer momentan als Okklusion gekennzeichneten Front, die jedoch in
diesem Zeitraum von der Welle eingebunden wird und vorübergehend gar Strukturen
einer offenen Bodenwelle annimmt, wobei jedoch die Kaltfront das aktivere
Frontensystem sein sollte. Mischen wir das mit den aktuell ermittelten positiven
SST Anomalien von +1 bis +1.5K entlang der Deutschen Bucht sowie +2 bis +3 K
entlang der westlichen Ostsee, so springt einem die vorhandene Labilität ins
Auge (300-500 J/kg SBCAPE). Von daher quetschen Dynamik und Labilität zusammen
das maximal Mögliche aus dieser Lage mit Blick auf den Niederschlag heraus, der
konvektiv (inklusive Gewitter) verstärkt 12-std. Niederschlagsmengen von 2 bis 5
l/qm, strichweise bis 10 l/qm im Binnenland und von Kühlungsborn bis Rügen 10
bis 20 l/qm, strichweise (und auch im ID2-EPS gestützt) 20 bis über 35 l/qm
bringt. Neben dem Regen sind auch Wasserhosen besonders über der Ostsee ein
Thema dank dem gezeigten Überlapp der 0-3 km Labilität und anvisierter
küstennaher Bodenwindkonvergenzen, was aber eher nur eine Randnotiz darstellen
soll (da eh nur im Nowcast von Interesse).

Der vorwiegend aus nordwestlicher Richtung wehende Wind dreht im Norden
vorübergehend mehr auf West, ausgangs der Nacht von West wieder auf Nordwest und
erreicht nach Mitternacht dank gutem fetch über der Deutschen Bucht schnell Bft
7 bis 8 (reiner Gradientwind) und frischt auch im Umfeld der Ostseeküste
ausgangs der Nacht besonders mit Konvektionsböen ähnlich stark auf. Aber auch im
norddeutschen Binnenland muss mit Kaltfrontpassage wiederholt mit Böen Bft 6 bis
vereinzelt Bft 7 aus Nordwest gerechnet werden.

Die Tiefstwerte liegen im Norden dabei zwischen 15 Grad peripher der wärmenden
Nord-/Ostsee und 12 Grad in Richtung Harz.



Samstag... rauscht der Kurzwellentrog weiter in Richtung Polen und rückseitig
baut sich ein Keil in Richtung Nordsee auf, sodass Deutschland erneut in den
Genuss einer strammen Nordwestströmung gelangt. Dabei läuft die zügig südwärts
in Richtung zentrale Mittelgebirge vorankommende Kaltfront in einen sich wieder
festigenden Bodenhochkeil rein, sodass ein zügiger Auflösungstrend erwartet
wird. Sprich, mit viel Glück erreicht noch ein intaktes Wolkenband mit einzelnen
Tropfen die zentralen Mittelgebirge, doch mit 0,X bis 2 l/qm in 12 Stunden kann
man natürlich nicht von einer Linderung der Trockenheit sprechen. Im Nordosten
ziehen die Niederschläge der Front zügig nach Polen ab, wenngleich im Oderumfeld
bis zur Mittagszeit noch letzte Gewitter nicht ausgeschlossen werden können.
Postfrontal fließt erneut ein Schwall kühler modifizierter Polarluft in den
Norden mit Ausbildung einer markanten Inversion bei rund 800 hPa, entlang derer
sich dichte Stratusfelder ausbilden, die im Tagesverlauf nur zögernd aufbrechen.
Mit 17 bis 20 Grad im Küstenumfeld sowie 19 bis 24 Grad nördlich der zentralen
Mittelgebirge bleibt es in diesen Regionen mäßig warm.

Grob gesagt südlich des Mains ist von alldem wenig zu merken und bei
freundlichen bis sonnigen Bedingungen erwartet uns dort wieder ein sommerlicher
Tag mit Höchstwerten von 25 bis 29 Grad.

Der Druckgradient bleibt dank des sich rasch ostwärts ausweitenden Bodenhochs
recht stramm, sodass im gesamten Norden und Osten wiederholt Böen Bft 6 bis 7,
vereinzelt auch im Binnenland Nordostdeutschlands mit der Bft 8, die im Umfeld
der Ostsee wiederholt auftritt. Nach Südwesten zu weht der Wind nur mäßig aus
Nord bis Nordwest.


In der Nacht zum Sonntag sorgen hoher Luftdruck und niedrige Taupunkte für eine
überwiegend klare Nacht mit Tiefstwerten von 10 bis 6 Grad, in Bodennähe
regional bis +3 Grad. Im äußersten Norden bringen schwache Frontpassagen etwas
mehr Gewölk, jedoch sollte es trocken bleiben. Der Nordwestwind schwächt sich
eingangs der Nacht im Binnenland zügig ab und fällt auch ausgangs der Nacht
zwischen Darß und Rügen unter jegliche Warnschwellen.


Sonntag... steht unter dem Einfluss einer umfangreichen, jedoch eher in Richtung
Osteuropa anormal kräftigen Bodenantizyklone, die jedoch in der Höhe immer mehr
von einem kräftigen Keil überlaufen wird, dessen Achse sich in Richtung England
verlagert. Von daher herrscht meist freundliches oder sonniges Wetter, nur im
Norden ziehen immer wieder ausgedehnte Wolkenfelder von West nach Ost vorüber,
doch auch hier sollte es trocken bleiben. Im Südwesten wird der Beginn der
Hitzewelle eingeläutet mit abendlichen 850 hPa Temperaturwerten von 16 Grad
entlang des Oberrheins und Maxima von 29 bis 32 Grad. Sonst liegen die
Höchstwerte zwischen 25 und 29 Grad, im Norden und Osten zwischen 20 Grad
entlang der Küsten und 24 Grad im Binnenland. Der Wind weht um das Bodenhoch aus
Nord bis Nordost (schwach bis mäßig) und bleibt im Nordosten noch frisch bis
stark (bis Bft 6) mit einer dort eher noch nordwestlichen Komponente.

Modellvergleich und -einschätzung
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Die Numerik hat die Kurzfrist gut im Griff. Die Kurzwellenpassage wird recht
einheitlich gesehen, wenngleich ICON weiterhin eine etwas weniger intensive
Wellenamplitude andeutet, doch auch hier ist in der modellinternen Tendenz eine
Verschärfung auszumachen. Auch die Kaltfrontpassage wird gut erfasst, wobei z.B.
die IFS-ENS Member eine enge Clusterung der Frontenpositionen andeuten.

Vorhersage- und Beratungszentrale Offenbach
Dipl. Met. Helge Tuschy